Die großen Gefühle federleicht – Ein Roman für den die Tempos erfunden wurden und der die Lachmuskeln trainiert
Remember when Dreams were bornWorum geht`s (VORSICHT SPOILER)
Remember when dreams were born dreht sich um eine junge Frau namens Maggie, die sich nach einem schweren Unfall, bei dem auch ihr Gedächtnis verletzt wurde, ins Leben zurückkämpfen ...
Worum geht`s (VORSICHT SPOILER)
Remember when dreams were born dreht sich um eine junge Frau namens Maggie, die sich nach einem schweren Unfall, bei dem auch ihr Gedächtnis verletzt wurde, ins Leben zurückkämpfen muss. In einem Pub lernt sie den Hotelier Thomas kennen, in den sie sich verliebt. Sie werden ein Paar und Tom kann sich ungewöhnlich gut in Maggie hineinversetzen.
Geschrieben ist das Buch sowohl aus Toms, als auch aus Maggies Perspektive.
Es gibt von Anfang an Hinweise auf die Geschichte, die sich hinter dem scheinbar zufälligen Kennenlernen der beiden verbirgt. Tom und Maggie waren nämlich schon vor dem Unfall zusammen. Ihr Kind kam jedoch ums Leben und Maggie konnte das nicht verwinden. Sie versuchte sich umzubringen, und überlebte schwer verletzt. Während sie sich danach nicht an Tom oder das Kind erinnert, weiß Tom um alles, verschweigt es aber auf Anraten von Maggies Therapeut. Tom hatte sich nach dem Tod des Kindes komplett in die Arbeit zurückgezogen und Maggie darüber vernachlässigt. Er ringt mit seinen Schuldgefühlen.
Am Ende erlangt Maggie ihr Gedächtnis zurück und bekennt sich erneut zu Tom. Nun können sie den Verlust ihres Kindes gemeinsam betrauern und als Paar neu anfangen.
Meine Meinung
Remember when Dreams were born ist das vierte Werk der Ausnahmeschriftstellerin Anne Goldberg, die schon mit der Only One-Reihe die Emotionen der Leserschaft aufkochen ließ, die Lachmuskeln strapazierte und die Nerven unter Strom setzte. Ich hatte bereits zwei Bücher dieser Reihe verschlungen und hohe Erwartungen an Remember when dreams were born. Um dem Fazit vorzugreifen – ich wurde nicht enttäuscht. Das liegt neben der brillanten Story mit vielen unvorhergesehenen Wendungen, den lebendigen Charakteren und dem leichtfüßig vermittelten Faktenwissen vor allem an dem ganz besonderen Schreibstil der Autorin. Anne Goldberg schreibt mit viel Herz, Wortwitz und gleichzeitig mit einer sarkastischen Trockenheit, die ihresgleichen sucht. Der Leser wird, während er sich noch verblüfft fragt, wie es möglich ist, so zu schreiben, vom ersten Wort an in den Roman gezogen und bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Im Grunde liest man Anne Goldberg-Romane nicht, man lebt in ihnen. Erst wenn man auch noch die allerletzte Seite mit den Danksagungen gelesen hat, legt man das Buch bedauernd zur Seite und wünscht sich, das nächste wäre schon geschrieben.
Unterschiede zwischen der Only One-Reihe und diesem Roman gibt es natürlich. Manchmal fand ich hier, dass, was den einzigartigen Stil von Anne Goldberg mit ausmacht, dass beispielsweise körperliche Attribute vermenschlicht werden, wie motivierte Organe, etwas zu oft benutzt wurden. Remember when dreams where born ist nicht so scharfzüngig-spritzig geschrieben, wie beispielsweise Only One Note. Der Erzählfluss von Remember when dreams where born ist – der Schwere der Thematiken angemessen – insgesamt etwas langsamer. Die Mischung aus Dialog und den sehr originell geschriebenen E-Mails sorgen dabei aber für genügend Tempo und die erwähnte Beanspruchung der Lachmuskeln. Vor allem wird dieser Roman durch die vielen unerwarteten Wendungen zu einem hoch spannenden Erlebnis. Von Anfang an werden viele Hinweise auf die wahre Geschichte hinter der der unzuverlässigen Erzählerin gestreut. Beispielsweise fällt durchaus auf, dass Tom ungewöhnlich schnell Gefühle für eine Frau entwickelt, die er scheinbar noch gar nicht kennt. Außerdem nennt Maggie ihn öfters Sam, was, wie sich später aufklärt, der Name des verstorbenen Kindes ist. Man ahnt, dass diese Ungereimtheiten etwas zu bedeuten haben, weiß aber nicht, was genau und will es unbedingt herausfinden.
Die Charaktere waren für mich nicht einfach Hauptprotagonisten eines gelungenen Romans, sie waren lebendig und begleiteten mich im Alltag. Ich fühlte mich Maggie nah, weil sie, obwohl sie so tough war, gleichzeitig verletzlich und oft hilflos wirkte. Die Wut auf ihre Familie, die erst lernen musste, mit Maggies PTBS umzugehen, und dabei alles falsch machte, was man falsch machen kann, war nachvollziehbar. Ebenso, wie schwer es sein muss, nach einer solchen Tragödie wieder ins Leben zurückzufinden. Maggies Traumatisierung finde ich sehr gut dargestellt: Die Erklärung mit dem beschädigten präfrontalen Cortex beispielsweise hilft ihren Zustand einzuordnen und zu verstehen. Dass ihr oft die Worte fehlen und sie Ausdrücke verwechselt, führt dabei zu einiger Situationskomik. Auch Tom, von Maggie als Snob tituliert, konnte ich mit seiner etwas hölzernen, unbeholfenen und dabei absolut sympathischen, ja fast herzerweichenden Art richtiggehend spüren.
Was das Layout angeht, finde ich die Pusteblumen über den jeweiligen Kapiteln sehr schön. Tom‘s Hotel, das Dandelion’s Inn, hat seinen Namen vom Löwenzahn, der sich nach dem Krieg unverwüstlich auf dem Areal ausbreitete. Dies könnte ein Symbol für die Hoffnung sein, dass letztlich auch aus den schlimmsten Umständen etwas Schönes hervorgehen kann. Und so verströmt der Roman die Hoffnung, dass man mit Mut und Durchhaltevermögen selbst die schlimmsten Schicksalsschläge bewältigen kann. Anne Goldberg hat es wieder geschafft, schwere Themen wie Suizid, Schuld, Trauma, den Umgang damit und den Tod eines Kindes auf so leichte Weise aufzubereiten und zu vermitteln, dass der Roman bei aller Tiefgründigkeit vor allem schöne und intensive Stunden schenkt, in denen Humor über die Schwere gewinnt.
Lesetipp: Man sollte sich Taschentücher für Lachflashs und Tränen der Rührung bereitlegen, und einen Notizzettel für die vielen klugen Lebensweisheiten, die die Autorin zwischendurch einfließen lässt. Mein persönliches Lieblingszitat ist zum Beispiel: "Laute Menschen sind nicht wichtig, und wichtige Menschen sind nicht laut"(S.67).
Fazit
Bei großen Büchern bleibt bei mir immer eine gewisse Leere, wenn ich den letzten Buchstaben gelesen habe. Hier bin ich erleichtert, herausgefunden zu haben, dass weitere Remember When-Bücher schon in der Pipeline stecken. Die künftigen Lesenächte sind gerettet und die Vorbestellung ist so gut wie getätigt. Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt weiter.
Ich vergebe 5 Lurche.