Unna Oabba
Das Leuchten der RentiereElsa ist gerade erst neun Jahre alt, als sie einen Mann dabei erwischt, wie er ein Rentier tötet. Ihr Rentier, um genau zu sein. Doch er bedroht sie unmissverständlich und sie wagt es nicht, darüber zu ...
Elsa ist gerade erst neun Jahre alt, als sie einen Mann dabei erwischt, wie er ein Rentier tötet. Ihr Rentier, um genau zu sein. Doch er bedroht sie unmissverständlich und sie wagt es nicht, darüber zu reden. Denn Elsa gehört zu den Sami, den indigenen Ureinwohnern am Nordpolarkreis, und diese werden auch heutzutage noch viel zu oft als Menschen zweiter Klasse angesehen. Rassismus und Diskriminierung stehen bei ihnen an der Tagesordnung und wenn jemand Verbrechen gegen sie begeht, zum Beispiel ihre Rentiere umbringt, wird das - wenn überhaupt - als Diebstahl behandelt und das Verfahren schnell eingestellt. Und so schweigt Elsa verängstigt, jahrelang, und kämpft mit einem schlechten Gewissen. Doch 2018, zehn Jahre später, ist sie eine junge Frau und sie beschließt, sich zu wehren. Sie geht zur Presse und sieht sich plötzlich nicht nur verbalen Drohungen des Täters gegenüber ...
Das hier ist kein Krimi, auch wenn das Buch Verbrechensanteile enthält. Es ist die Sozial- und Milieustudie eines Volkes, das mitten in Europa, in Nordeuropa um genau zu sein, lebt und viel zu wenige Stimmen hat, die sich für sie erheben. Mit dieser Handlung taucht man tief in ihr Leben ein und was man erfährt, macht wütend und traurig und fassungslos. Das Problem ist leider, dass sich auch die Sami untereinander nicht einig sind. Wer nicht zum eigenen Sameby - dem eigenen Zusammenschluss von Rentierzüchtern gehört, ist nie wirklich ein Teil der Gemeinschaft. Trotzdem ist das kein Grund oder gar eine Entschuldigung der Behörden und des Staates, Verbrechen gegen sie nicht zu untersuchen oder überhaupt aufklären zu wollen. All diese Sachen erfahren wir aus Elsas Sicht: zuerst als sie ein kleines Kind ist, das noch nicht alles versteht, was vorgeht, später als eine emanzipierte junge Frau, die ihren eigenen Weg finden will. Wirklich schlimm fand ich zusätzlich zu all den Dingen, die den Sami angetan werden, dass unter ihnen, gerade den jungen Menschen, eine sehr hohe Suizidrate besteht, weil sie einfach depressiv werden und ihnen nicht einmal psychische Unterstützung angeboten wird. Mich hat dieses Buch sehr berührt und wird mich wohl auch noch eine lange Zeit beschäftigen.