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Veröffentlicht am 16.01.2023

Emotionaler Liebesroman zum Hoffen und Bangen

Die Liebe an miesen Tagen
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Elias arbeitet als Schauspieler am Theater und steckt in einer Beziehung mit Vera, bei der der sich allmählich einzugestehen beginnt, dass sie ihn liebt, er sie aber nicht. Als Vera ihn überredet, ohne ...

Elias arbeitet als Schauspieler am Theater und steckt in einer Beziehung mit Vera, bei der der sich allmählich einzugestehen beginnt, dass sie ihn liebt, er sie aber nicht. Als Vera ihn überredet, ohne echte Kaufabsicht ein Häuschen auf dem Land zu besichtigen, trifft er dort auf Clara. Diese ist ein paar Jahre älter als Elias und verwitwet, denn sie hat ihren Mann vor einiger Zeit an Krebs verloren. Nun ist sie endlich bereit, sich von dem Häuschen zu treffen, das sie zusammen renoviert haben, denn nach ihrer Kündigung als Fotographin bei einer Zeitung kann sie das Geld gut gebrauchen. Elias und Clara fühlen eine Anziehungskraft zueinander, die sie vor die Frage stellt, ob das mit ihnen funktionieren kann. Ein Schicksalsschlag lässt schließlich vieles in einem neuen Licht erscheinen.

Die Geschichte wechselt zwischen den Perspektiven von Elias und Clara hin und her und ließ mich die Charaktere kurz einzeln kennenlernen, bevor es auch schon zu der ersten Begegnung zwischen den beiden bei der Hausbesichtigung kommt. Die beiden liefern sich einen unterhaltsamen Schlagabtausch und schnell ist klar, dass sie eine gewisse Faszination füreinander haben. Eine erneute Begegnung lässt nicht lang auf sich warten und ich war gespannt, ob Elias für Clara seine Beziehung beenden wird und sich die beiden aufeinander einlassen können.

Während sich allmählich eine Liebesgeschichte entwickelt, erfuhr ich gleichzeitig mehr über das Alltagsleben der beiden. Clara hat gerade ihren Job verloren und muss gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem Bruder über die Zukunft der Mutter entscheiden, die sich zunehmend in ihrer Demenz verliert. Elias steckt in einer Beziehung, die ihn nicht erfüllt, und flüchtet sich mehr Stunden als nötig in sein Theater. Außerdem versucht er, ein gutes Verhältnis zu seiner Teenager-Tochter Jule aufzubauen. Ewald Arenz hat einen einnehmenden, poetischen Schreibstil. Ich fühlte mich Elias und Clara nahe und war neugierig auf den Weg, der vor ihnen liegt. Gleichzeitig kommt die Handlung nur in kleinen Schritten voran und ich wartete darauf, dass etwas Wegweisendes geschieht.

Im letzten Drittel kommt dann eine dramatische Wendung, was für meinen Geschmack relativ spät war. Ein plötzlicher Schicksalsschlag zog mir beim Lesen geradezu den Boden unter den Füßen weg. Ich hoffte und bangte mit und konnte ab diesem Moment das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Die Beteiligten werden vor fundamentale Entscheidungen gestellt. Von da an ist es in erster Linie eine sehr emotionale Lektüre, eine Achterbahn der Gefühle, die mich trotz einiger trauriger Szenen das Buch mit einem guten Gefühl beenden ließ. Gerne gebe ich eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 26.11.2022

Der letzte Fall für Annette Werner und Jeppe Kørner

Wintersonne
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In Kopenhagen wird auf einem Hügel hinter einem Spielplatz ein Koffer gefunden, in welchem sich die Hälfte einer zersägten Leiche befindet. Die Ermittlungen werden Annette Werner übertragen, denn ihr Chef ...

In Kopenhagen wird auf einem Hügel hinter einem Spielplatz ein Koffer gefunden, in welchem sich die Hälfte einer zersägten Leiche befindet. Die Ermittlungen werden Annette Werner übertragen, denn ihr Chef Jeppe Kørner nimmt sich eine Auszeit vom Polizeidienst und arbeitet als Holzfäller auf der Insel Bornholm. Dorthin verschlägt es auch Esther de Laurenti, die von der Tochter der verstorbenen Anthropologin Margrethe Dybris, über die Esther eine Biographie schreiben will, eingeladen wurde. Auch die Spuren der zersägten Leiche deuten schon bald in Richtung Bornholm...

Das Buch beginnt mit einem kurzen Prolog, in dem ein Mann aus der Bewusstlosigkeit erwacht, um voller Schrecken festzustellen, dass er im Begriff ist, zersägt zu werden. Danach springt die Handlung zu Annette Werner und dem Fund einer halben zersägten Leiche in einem Koffer in Kopenhagen. Annette trägt erstmals die Verantwortung für eine Mordermittlung, weil ihr Chef Jeppe sich nicht im Dienst befindet. Ich war gespannt, wie sie diese neue Rolle ausfüllen wird.

Natürlich ist Jeppe nicht aus der Welt, und auch das Wiedersehen mit meiner liebsten Nebenfigur Esther de Laurenti lässt nicht lange auf sich warten. Beide hat es auf die Insel Bornholm verschlagen - der eine fällt dort Bäume, die andere recherchiert für eine Biographie. Manch einer in ihrem Umfeld verhält sich merkwürdig und ich fragte mich, ob das nur Verschrobenheit ist oder mehr dahinter steckt.

Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, weil es nur eine halbe Leiche gibt und diese nicht identifiziert werden kann. Annette analysiert mit ihrem Team die aktuellen Vermisstenfälle und folgt gleichzeitig der Spur des Koffers, in welchem die Leiche gefunden wurde. Diese weist nach Bornholm und schnell ist da die Idee, ob Jeppe nicht wenigstens kurz...

Die Ermittlungen schreiten in mäßigem Tempo voran. Dabei muss man darüber hinwegsehen, dass es schon ein extrem großer Zufall ist, dass drei Charaktere aus völlig unterschiedlichen Gründen alle auf Bornholm zu tun haben. Es gibt wenig klassische Ermittlungsarbeit, sondern ich erfuhr immer mehr über diverse Bornholmer, ihre Verstrickungen und Geheimnisse. Dabei ist lange nicht klar, ob und was davon irgendeine Relevanz für den Mordfall hat. In dieser Hinsicht ähnelt das Buch seinem Vorgänger. Zum einen bin ich traurig, dass dies der letzte Fall der Reihe ist, zum anderen habe ich das Gefühl, dass sich die Ermittler-Konstellation etwas abgenutzt hat, sodass ich mich auf ganz neuen Lesestoff der Autorin freue. Wer die vorherigen Teile der Reihe mochte, der sollte diesen Abschluss nicht verpassen!

Veröffentlicht am 13.11.2022

Ein historischer Roman, der aus dem Rahmen des Gewöhnlichen herausfällt

Zirkus der Wunder
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Als sich im Jahr 1866 in einem kleinem südenglischen Dorf "Jasper Jupiters Zirkus der Wunder" ankündigt, ist die Aufregung groß. In Scharen treibt es die Bewohner in die Vorstellung, um Kuriositäten wie ...

Als sich im Jahr 1866 in einem kleinem südenglischen Dorf "Jasper Jupiters Zirkus der Wunder" ankündigt, ist die Aufregung groß. In Scharen treibt es die Bewohner in die Vorstellung, um Kuriositäten wie eine Frau mit Bart und eine walisische Riesin zu bestaunen. Dabei machen sie Witze, dass Nell, deren Haut von Geburt an mit Muttermalen übersät ist, ebenfalls zur Truppe passt. Doch daraus wird wenige Tage später Ernst, als Nell von ihrem Vater tatsächlich an den Impresario verkauft wird. Nach dem anfänglichen Schock merkt Nell, dass ihr neues Leben durchaus Vorteile hat: Sie verdient mehr Geld als je zuvor und ist zum ersten Mal in ihrem Leben von Menschen umgeben, die in ihrem Erscheinungsbild ebenso von der Norm abweichen wie sie.

Ich konnte schnell in die Geschichte eintauchen und war gespannt, was Nell nach ihrem Verkauf erleben wird. Die Autorin machte die Faszination für Freakshows im viktorianischen Zeitalter nachvollziehbar und gibt einen fiktionalisierten Einblick in die Zirkuswelt. Dabei wird die Geschichte abwechselnd aus den Perspektiven von Nell, dem Impresario Jasper und seinem Bruder Toby erzählt.

Jasper ist ein überaus ehrgeiziger Mann, der davon träumt, sich einen Stellplatz in London leisten und vor der Queen auftreten zu können. Er ist stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht und von seiner eigenen Genialität überzeugt. Im Gegensatz dazu ist Toby ein stiller, zurückhaltender Charakter, der seine Wünsche stets zurückgestellt hat. Obwohl die Brüder als Kinder von einem gemeinsamen Zirkus träumten, ist Jasper nun der alleinige Besitzer. Toby arbeitet als Fotograf für ihn und sehnt sich nach seiner Anerkennung. Rückblicke nahmen mich als Leserin mit in den Krieg auf der Krim, wo die beiden etwas Einschneidendes erlebt haben, über das sie nicht sprechen.

Das Erzähltempo ist ruhig, zwischen den einzelnen Abschnitten des Buches gibt es aber Zeitsprünge, sodass die Geschichte dennoch zügig vorankommt. Ich hatte zu Beginn keine konkrete Vorstellung, in welche Richtung sie sich entwickeln wird, und erlebte einige Überraschungen. Die Auseinandersetzung mit dem Leben der als Kuriositäten bezeichneten Menschen im Zirkus mit seinen Licht- und Schattenseiten fand ich gelungen.

Es gibt viele schöne Szenen, aber auch zahlreiche düstere Momente, welche bei mir zunehmend die Erwartung schürten, dass etwas Schreckliches passieren wird. Obwohl ich mehrfach Zeugin wegweisender Entscheidungen und lebensverändernder Momente wurde, blieben die Figuren zu mir auf Distanz. Ich hätte mir noch mehr Einblicke in ihre Emotionen und ein intensiveres Betrachten der zwischenmenschlichen Momente gewünscht. Nach vielen unerwarteten Wendungen ist auch das Ende anders als gedacht. Für mich rundet es diesen Roman, in dem Freude und Leid oft nah beieinander liegen, stimmig ab. Ein Nachwort gibt Informationen zu den historischen Vorbildern. Gerne empfehle ich dieses Buch an alle weiter, die Lust auf einen historischen Roman haben, der aus dem Rahmen des Gewöhnlichen herausfällt!

Veröffentlicht am 06.11.2022

Mysteriöses geht in der Bücherstadt Leipzig vor sich

Die Bücher, der Junge und die Nacht
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Im Jahr 1943 steht das Graphische Viertel in Leipzig nach einem Bombenangriff in Flammen. Eine Nacht, die für viele mit dem Tod endet, bedeutet für einen zehnjährigen Jungen Freiheit. Er war sein Leben ...

Im Jahr 1943 steht das Graphische Viertel in Leipzig nach einem Bombenangriff in Flammen. Eine Nacht, die für viele mit dem Tod endet, bedeutet für einen zehnjährigen Jungen Freiheit. Er war sein Leben lang in einem Raum voller Bücher eingesperrt. Bei seiner Flucht kommt ihm ein Erwachsener zu Hilfe, der jedoch von ihm verlangt, zuerst ein besonderes Buch aus dem Flammen zu retten, ehe er ihn in Sicherheit bringt. 1971 ist aus dem Jungen der Bibliothekar Robert Steinfeld geworden. Ein Anruf seiner Kollegin und Konkurrentin Marie führt ihn nach München. Sie löst dort eine private Büchersammlung auf und hat dabei Exemplare entdeckt, die aus der Buchbinderwerkstatt von Roberts Vorfahren stammen, welche er nie kennengelernt hat. Von den höchst raren Stücken gibt es hier rund zweihundert Stück. Wie sind sie dorthin gelangt?

Der Roman beginnt mit einer bildgewaltigen Szene: Ein zehnjähriger Junge flieht gemeinsam mit einem Erwachsenen aus dem brennenden Leipzig des Jahres 1943. Schon im ersten Absatz wird erwähnt, dass der Junge sein Leben lang eingesperrt war, was zahlreiche Fragen aufwirft. Weitere kommen schnell hinzu: Was ist das für ein Buch, das er aus den Flammen retten sollte, und wer ist der Erwachsene, der ihm das Leben gerettet hat?

Im weiteren Verlauf springt die Geschichte in unregelmäßigen Abständen zwischen drei verschiedenen Zeitebenen hin und her: Neben den Erlebnissen des Jungen im Jahr 1943 und Roberts Versuchen im Jahr 1971, mehr über seine Vergangenheit herauszufinden tauchte ich immer wieder ins Jahr 1933 ein, in welchem Roberts Vater eine junge Frau kennenlernt, die ihr geheimnisvolles Maniskript mit dem Titel "Das Alphabet des Schlafs" bei ihm binden lassen möchte. Mit der Zeit werden immer mehr Zusammenhänge klar, gleichzeitig passt nicht alles zusammen: Einiges von dem, was die Charaktere zu wissen glauben, muss falsch sein.

Ich folgte den Spuren bestimmter Bücher, die eng mit dem Schicksal der Charaktere verknüpft sind, von Station zu Station. Die zahlreichen Szenen in Räumen voller Bücher lassen beim Lesen sicherlich jedes bibliophile Herz höher schlagen. Die Handlung wird von Geheimnissen, Lügen und Verbrechen geprägt, doch auch von Liebe, Zusammenhalt und Loyalität. Während die gewaltvollen Szenen der beiden frühen Zeitebenen für mich zum Geschehen passten, war ich von Roberts Gewaltausbrüchen im Jahr 1971 irritiert, die für mich nicht zu einem Bibliothekar passten. Während ein Hinweis zum nächsten führt erlebte ich im Mittelteil eine kleine Durststrecke, bevor neue Erkenntnisse zum Ende hin wieder für deutlich mehr Bewegung und ein erhellendes Finale sorgen.

"Die Bücher, der Junge und die Nacht" ist ein historischer Roman, in dem viele Geheimnisse und Zusammenhänge darauf warten, aufgedeckt zu werden, während in der Bücherstadt Leipzig etwas Mysteriöses vor sich geht. Auch wenn manch ein Charakter an Übersinnliches glaubt, weiß dieser Roman auch ohne Fantasy-Elemente zu überzeugen. Ich lade euch herzlich ein, Euch an der Seite der Steinefelds auf die Suche zu begeben!

Veröffentlicht am 29.10.2022

Nachts in Aquarium von Sowell Bay

Das Glück hat acht Arme
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Marcellus ist ein Pazifischer Riesenkrake, der sich seit 1299 Tagen in Gefangenschaft im Aquarium von Sowell Bay befindet. Keiner seiner täglichen Besucher ahnt, dass er extrem intelligent ist und sich ...

Marcellus ist ein Pazifischer Riesenkrake, der sich seit 1299 Tagen in Gefangenschaft im Aquarium von Sowell Bay befindet. Keiner seiner täglichen Besucher ahnt, dass er extrem intelligent ist und sich in vielen Nächten aus seinem Becken schleicht, um sich leckere Snacks wie Seegurken zu gönnen. Eines Abends befreit ihn Tova jedoch aus einer misslichen Lage. Die 70-jährige arbeitet als Putzfrau im Aquarium, obwohl sie das Geld nicht benötigt. Sie hat keine Familie mehr, denn seit kurzem ist sie verwitwet und ihr Sohn Erik ist bereits vor vielen Jahren kurz nach seinem 18. Geburtstag spurlos verschwunden. Im Gegensatz zu ihr behält der 30-jährige Cameron keinen Job sonderlich lange. Er hat gerade wieder eine Kündigung erhalten und wurde daraufhin von seiner Freundin aus der Wohnung geworfen. Als er in den Sachen seiner seit Jahren verschwunden Mutter Hinweise auf seinen Vater findet, kommt er nach Sowell Bay, um diesen aufzuspüren.

Die Geschichte beginnt mit einem Kapiel aus der Sicht von Marcellus, einer Pazifischen Riesenkrake. Er sprach mich als Leserin direkt an und erklärt, dass seine Art eine Lebenserwartung von vier Jahren hat und er diese bald erreicht hat. Er hat fast sein ganzes Leben im Aquarium verbracht und dabei nicht nur gelernt, wie er unauffällig sein Becken verlässt, sondern auch die Menschen ausführlich beobachtet. Ich habe im letzten Jahr mit großer Begeisterung "Mein Lehrer, der Krake" auf Netflix gesehen und war deshalb sehr gespannt auf diese ungewöhnliche Erzählperspektive. Sicherlich ist das Ausmaß der Intelligenz hier überspitzt dargestellt, ähnlich wie zuletzt zum Beispiel beim Hund Halbsieben in "Eine Frage der Chemie". Ich habe mich auf diesen kreativen Kniff gerne eingelassen und fand die kurzen, dafür aber häufig eingeschobenen Kapitel aus Marcellus' Sicht sehr unterhaltsam.

Marcellus ist der nicht so heimliche Star der Geschichte, die sich hauptsächlich um Tova und Cameron dreht. Zu Beginn ist offen, ob und wie die beiden sich begegnen werden. Die beiden liebenswerten Protagonisten müssen allerlei Situationen bewältigen, in die sie sich oftmals ganz allein hineinmanövriert haben. Das Erzähltempo ist langsam und ich erhielt ausführliche Einblicke in ihre Lebensumstände, die mich nachdenklich stimmten, wie es für sie weitergehen kann. Vor allem die erste Buchhälfte hätte man aus meiner Sicht straffen können. Dank Marcellus hatte ich einen deutlichen Wissensvorsprung, wodurch ich auf ein konkretes Ereignis hinfiebern konnte, was gleichzeitig aber Spannung aus der Geschichte nahm. 

Wenn ihr Lust auf einen emotionalen und humorvollen Wohlfühlroman habt, der zum Teil aus der Perspektive eines Kraken geschrieben ist, dann seid ihr hier genau richtig!