Das Ende einer Flucht
Ein Radfahrer schlägt sich in die Büsche um seine Blase zu entleeren und macht eine schreckliche Entdeckung. Im Gebüsch liegt die Leiche eines jungen Mädchens.
Als Kominalkommissarin Cornelia Arents ...
Ein Radfahrer schlägt sich in die Büsche um seine Blase zu entleeren und macht eine schreckliche Entdeckung. Im Gebüsch liegt die Leiche eines jungen Mädchens.
Als Kominalkommissarin Cornelia Arents am Fundort eingetroffen ist, fallen ihr und ihrem Kollegen auf den ersten Blick die Würgemale am Hals der Toten auf. Da bei der Leiche eine Handtasche gefunden wird, die sowohl ein Portemonnaie mit Kleingeld, als auch Ausweispapiere enthält, kann ein Raubmord weitestgehend ausgeschlossen werden. Die elektronische Aufenthaltskarte wurde vor einem Dreivierteljahr ausgestellt. Diese weist die Tote als Majida Esber aus, 16 Jahre alt, Heimatland: Syrien.
Cornelia Arents befürchtet, dass dieser Mord einen fremdenfeindlichen Hintergrund haben könnte.
„Wie sie uns ansehen“ ist der 3. Band in der die Ermittlerin Cornelia Arents die Hauptrolle spielt. Das Buch kann, wie die Vorgänger auch, problemlos als Einzelband gelesen werden.
Meiner Meinung nach handelt es sich hier deutlich um den stärksten Teil der Trilogie. Möglicherweise bin ich jedoch voreingenommen, da mich das Thema in diesem Buch emotional sehr berührt. Wer sich mit der Thematik um Flucht und Flüchtlinge nicht identifizieren kann, könnte hier eventuell den falschen Krimi in der Hand haben.
Einerseits habe ich Nerven aus Drahtseilen, mich bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Andererseits bin ich ein emotionales Weichei und Dinge, die mir zu Herzen gehen, treiben mir auch schnell das Wasser in die Augen. Dass ich bei einem Kriminalroman weinen muss, ist mir vor diesem Buch noch nicht passiert.
Das Buch beginnt mit einem Tagebucheintrag. Majida beschreibt ihre Gedanken zu etwas, das sie im TV gesehen hat. Es hat mit dem aktuell vorherrschenden Krieg in Syrien, den Dschihadisten und dem IS zu tun. Majida kennt die Einstellung ihres Vaters und wünscht sich in ihrem Tagebucheintrag, dass er seine Gedanken niemals offen aussprechen wird. Ihm würde sofort der Kopf abgehackt werden.
„Vater sagt, ein Mensch, der für seinen Glauben töten will, hat seinen Gott verloren.“
Da Majida tot in einem deutschen Gebüsch gefunden wird, wird dem Leser sehr schnell klar, dass dieser Tagebucheintrag aus der Vergangenheit stammen muss, denn zwischen ihrem Leben in Syrien und ihrem Tod in Deutschland liegen einige Monate.
Durch die immer wieder eingeschobenen Einträge aus Majidas Tagebuch bekommt der Leser Einblicke in die nahe Vergangenheit. Die Gründe, warum Majida und ihre Familie aus Syrien fliehen, die gefährliche und anstrengende Flucht selbst und die Ankunft und das Leben in Deutschland. All das wird von Rebekka Pax sehr bewegend erzählt, es hat mich wirklich tief berührt.
"Wie sie uns ansehen, mit ihren kalten Blicken. Als wären wir keine Menschen, sondern Dinge. Dinge, die sie anekeln."
Der zweite Erzählstrang beschäftigt sich mit der Gegenwart und den Ermittlungen von Cornelia Arents und ihrem Team, den Tod der 16jährigen aufzuklären. Ihre Arbeit führt Cornelia zu Majidas Mutter und Tante im Flüchtlingsheim und zu den Anwohnern direkt neben diesem Flüchtlingsheim.
Es ist sicherlich nicht einfach in einem Milieu zu ermitteln, das einem menschlich total zuwider ist. Im Rahmen der Ermittlungen muss Cornelia sich auch mit Menschen mit überaus rechter Gesinnung auseinandersetzen.
Das Tagebuch von Majida ist natürlich auf arabisch geschrieben und Majidas Verwandte sprechen auch noch kein Deutsch, Cornelia ist auf Hilfe angewiesen. Sie lernt Dr. Faris Aydin kennen, einen jungen syrischen Arzt, der sich aufgrund seiner guten Sprachkenntnisse gerne als Dolmetscher zur Verfügung stellt. Durch seine Tätigkeit rutscht er jedoch auch in den Fokus der rechtsradikalen Nachbarschaft.
Faris wird als überaus attraktiver und netter junger Mann beschrieben und ich kann verstehen, dass es zwischen Cornelia und Faris leicht zu knistern beginnt. Ihr Kollege Robin, der viele Jahre auch ihr Lebenspartner war, hat in Cornelias Leben endlich keine Bedeutung mehr. Es gefällt mir gut, dass Cornelia hier einen neuen Weg einschlägt.
Gemeinsam mit ihren Kollegen und Faris Aydin gelingt es Cornelia, den Tathintergrund zu ermitteln und den Täter dingfest zu machen, bevor weitere Menschen durch ihn zu Schaden kommen.
Das Ende des Buches stellt meiner Meinung nach den perfekten Abschluss für diese Geschichte dar – die eigentlich nicht wirklich eine Geschichte ist, sondern das Schicksal von Millionen von Menschen beschreibt.
Wer sich den aktuellen Nachrichten nicht verschließt, der weiß, dass Majidas fiktive Geschichte seit Jahren für viele Flüchtlinge bittere Realität ist. Seit 2015 spaltet dieses Thema unsere Gesellschaft und sorgt für Diskussionen und Streit, selbst zwischen bisher guten Freunden.
Diese Menschen flüchten vor Krieg und Tod und möchten bei uns in Deutschland nur eines: In Sicherheit sein. Sie nehmen es lieber in Kauf auf der Flucht zu sterben als wehr- und chancenlos in einem sinnlosen Krieg. Hier angekommen wirft man ihnen vor Schmarotzer zu sein und nur unser Geld zu wollen ….. wer sich ernsthaft mit diesen Menschen befasst, dem wird sehr schnell klar, dass es eben nicht so ist. Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, muss man jedoch seine Angst vor dem Unbekannten über Bord werfen und zulassen, dass diese Menschen sich einem nähern dürfen – nicht körperlich sondern emotional - denn dann wird eine Umarmung zu einer Freundschaftsgeste und nicht zu einer sexuellen Belästigung.
Eine 5-Sterne-Bewertung wird dem Buch nicht gerecht, es hat so viel mehr verdient.
Vielen Dank Rebekka für dieses Buch!