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Veröffentlicht am 14.11.2017

Durst

Durst
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Mein Interesse an den Büchern von Jo Nesbø fing 2013 mit dem Erscheinen von „Koma“ an. Dieses Buch klang so unglaublich spannend, dass ich es unbedingt lesen musste. Damals wurde mir gesagt:“Das ist eine ...

Mein Interesse an den Büchern von Jo Nesbø fing 2013 mit dem Erscheinen von „Koma“ an. Dieses Buch klang so unglaublich spannend, dass ich es unbedingt lesen musste. Damals wurde mir gesagt:“Das ist eine zusammenhängende Serie. Du musst mit dem ersten Buch anfangen.“ Also versuchte ich den „Fledermausmann“ zuerst zu lesen. Und ehrlich gesagt, blieb es bei einem Versuch, denn ich kam einfach nicht von der Stelle. Aber das Buch ging mir trotzdem nicht aus dem Kopf. Also gab ich Nesbø 2015 mit „Blood on Snow“ eine weitere Chance. Und verliebte mich. Dieses Buch war einfach so poetisch und geistreich, dass ich nicht anders konnte. Deswegen ignorierte ich dieses Mal einfach alle Warnungen und lernte Harry Hole in "Durst" kennen.

"Durst" regt zum Nachdenken an, ist hochspannend und es vermittelt neues Wissen. Also genau die Art Thriller, wie ich sie liebe. Der Einstieg in die Harry Hole Serie ist mir mit „Durst“ ohne Probleme gelungen und deswegen glaube ich, dass auch langjährige Fans von diesem Harry Hole Band begeistert sein werden.

Harry Hole, ein scheinbar von seiner Arbeit im Polizeidienst gebrochener Ex- Alkoholiker, hat sich vom Polizeidienst zurückgezogen, um bei seiner Familie sein zu können und zu unterrichten. Er kann sein Glück mit seiner Frau Rakel und ihrem Sohn Oleg nicht fassen. Verlustängste beschäftigen ihn. Die neu gewonnene Stabilität ist schwierig für ihn. Besonders als er mit einem Fall konfrontiert wird, weil seine ehemaligen Kollegen nicht ohne ihn zurecht kommen können und wollen. Er muss sich zwischen seiner Berufung zum Polizisten und seiner Familie entscheiden, doch er versucht für Beide gleichzeitig da zu sein und das tut ihm nicht gut.

Dieser Thriller erlaubt keine Realitätsflucht, denn er konfrontiert den Leser knallhart mit der Realität. Die Charaktere sind nicht perfekt. Ihnen stellt sich das Leben breitbeinig in den Weg. Und das Aufeinandertreffen der Charaktere und ihrer Leben sorgt für eine düster realistische Atmosphäre, die unter die Haut geht.

Der Schreibstil ist eindringlich. Ich empfand es jedoch manchmal als unglaublich schwierig weiter zu lesen oder mich zu konzentrieren. Nicht, weil es nicht spannend ist, sondern weil sich auf jeder Seite so unglaublich viele Ebenen Inhalt befinden. Ich musste mir einfach Pausen nehmen, um über das gelesene länger nachzudenken und es auf mich wirken zu lassen.

Da ist zum Einen die emotionale Seite. Philosophisch, ja, sogar poetisch werden die Innenleben der Charaktere erleuchtet. Besonders in den Gedanken Harry Holes wird diese poetische Philosophie deutlich.

„Die Zeit ließ sich nicht aufhalten, und Dinge ändern sich. Das Leben war wie der Rauch seiner Zigarette, der sich selbst in einem geschlossenen Raum bewegte und sich beständig auf nicht vorhersehbare Weise veränderte. Da sein Leben jetzt perfekt war, würde jede Veränderung eine Verschlechterung bedeuten. Ja, so musste es sein. Glücklich, wie er war, hatte er das Gefühl, über dünnes Eis zu laufen (…).“ S. 82

Harry Hole denkt viel über die Zerbrechlichkeit des Lebens nach und das ist auch verständlich, denn wie schnell kann es passieren, dass er wieder zum Alkoholiker wird und damit sich selbst verliert. Da er, durch seinen Beruf, auch viel mit Verlust konfrontiert wurde, ist ihm auch bewusst, dass er genauso schnell die Menschen um ihn herum verlieren kann. Diese poetische Nachdenklichkeit ist ansteckend und fesselnd. Wird Harry Hole heil aus diesem Fall herauskommen? Oder wird er ihn vollends zerbrechen?

Dann ist da natürlich der komplexe Thriller mit all seinen blutigen Details. Der Leser wird direkt mit dem polizeilichen Geschehen konfrontiert.

„Harry trat einen Schritt zurück, ließ die Szenerie, die Komposition, das Gesamtbild auf sich wirken. Erst dann machte er wieder einen Schritt vor und begann sich Details zu notieren. Die Frau saß auf dem Sofa, die Beine gespreizt, ihr Kleid war nach oben gerutscht und der schwarze Slip zu sehen. Der Kopf lag nach hinten gekippt auf der Sofalehne und die langen, blond gefärbten Haare hingen herunter. In ihrem Hals klaffte ein großes Loch.“ S. 144

Nicht nur die blutigen Einzelheiten der Tatorte werden beschrieben, sondern auch die politischen Konsequenzen, die diese Polizeiarbeit mit sich bringt. Außerdem macht die Presse den Polizisten ihre Arbeit schwer. Der Täter ist sehr gerissen. Sind es am Ende doch mehrere Täter? Und natürlich sind auch die persönlichen Schwächen der Charaktere einer einfachen Ermittlung hinderlich.

Und als letzte Ebene ist da die, wie ich sie nenne, wissenschaftliche Seite, wo dem Leser interessantes neues Wissen vermittelt wird. Der Täter benutzt Tinder, um seinen Vampirismus auszuleben und über diesen und über andere mit dem Fall in Zusammenhang stehende Dinge erfährt der Leser hier sehr viele interessante Fakten.

„Der Vampirist John George Haigh war vom Händewaschen besessen und lief sommers wie winters mit Handschuhen herum. Er hasste Schmutz und trank das Blut seiner Opfer nur aus frisch gespülten Gläsern.“ S. 262

Von Anfang an schwebt eine bedrohliche Atmosphäre über der Geschichte. Diese wird durch geschicktes Aneinanderknüpfen von Absätzen verstärkt. Aber auch die Brutalität und Blutigkeit der Taten, sowie die Abgründe der Charaktere tun ihr übriges. Harry Hole und der Täter liefern sich eine Katz-und-Maus-Jagd, die einzig in einem Showdown enden kann. Und was das für einer ist! Selbst wenn man, wie es mir passierte, den Täter nach der Hälfte des Thrillers kennt, lohnt es sich deshalb weiter zu lesen. Zudem schreibt Jo Nesbø so geschickt, dass man sich nie seiner eigenen Schlussfolgerungen ganz sicher sein kann.

Jo Nesbø hat mit „Durst“ einen großartig geschriebenen Thriller geliefert, der einen in seinen Bann zieht und selbst nach dem Lesen nicht los lässt. Sein Schreibstil macht süchtig, fesselt mit seiner Spannung und bezaubert durch seine melancholische Poesie. Ich möchte unbedingt mehr von Jo Nesbø lesen und kann „Durst“ nur empfehlen.

Veröffentlicht am 21.08.2017

Großartiger Thriller aus der Feder des Autoren der Shepherd Foundation Reihe

Spectrum
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„Spectrum“ ist der erste Band der Reihe um den Asperger- Autisten Dr. August Burke. Der Autor Aaron Brown, der unter dem Pseudonym Ethan Cross für seine Shepherd Foundation Reihe bekannt wurde, überzeugt ...

„Spectrum“ ist der erste Band der Reihe um den Asperger- Autisten Dr. August Burke. Der Autor Aaron Brown, der unter dem Pseudonym Ethan Cross für seine Shepherd Foundation Reihe bekannt wurde, überzeugt hier erneut mit großartigen Charakteren in einem fesselndem Thriller. Dabei erinnert dieser auch dieses Mal stellenweise an eine Superheldengraphiknovel.
In Las Vegas wird eine GoBox – Filiale überfallen. GoBoxen sind in "Spectrum" gut gesicherte Tresore in verschiedenen Größen, die im Auftrag der Besitzer überall hingeliefert werden. Selbst die CIA ist Kunde des GoBox – Systems. Die Räuber nehmen Geiseln und verlangen, dass das FBI hinzugezogen wird. FBI Agent Carter möchte, dass Dr. August Burke in diesem Fall mithilft. Dem ist das aber nicht ganz so recht, weil er nicht richtig mit den Gefühlen seiner Mitmenschen umgehen kann und sich fühlt, als wäre er auf einem emotionalen Minenfeld. Ständig hat er Angst jemanden durch seine Art zu verletzen. Lieber möchte er mit Heavy- Metal auf den Ohren an Autos schrauben. Doch Carter empfindet das als Verschwendung des jungen Genies. Und dann ist da noch SWAT- Teamleiter Nic Juliano, aufgewachsen in einer Familie in der Emotionen Schwäche sind. Schon als kleiner Junge musste er mit seinem Bruder einen Mann foltern. Dieses Team faszinierender Charaktere muss die Geiseln befreien und findet Dank Burkes Intelligenz schnell heraus, dass es den Räubern nicht nur um die GoBoxen geht. Doch erst nach vielen aufregenden Wendungen, findet der Leser heraus, worum es hier wirklich geht.
Anfänglich prallen viele Handlungsstränge aufeinander und es fällt schwer den Durchblick zu behalten. Doch dies ändert sich, da sich die Spannung sehr schnell aufbaut, und es deswegen nicht schwer fällt, weiter zu lesen. Auch die besonderen Charaktere tun ihr übriges. Humorvoll, emotional und unglaublich spannend hat „Spectrum“ alles, was ein guter Thriller braucht. Ich kann diesen Thriller deswegen nur weiterempfehlen.

"Sie kann man wirklich nirgendwo mit hinnehmen, Junge. Wir sagen Ihnen, Sie sollen nicht mehr auf andere Leute schießen, und was machen Sie? Sie jagen sie in die Luft.“
S. 487

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Veröffentlicht am 11.07.2017

Beim Polizeinotruf

110 - Ein Bulle hört zu
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Was macht man eigentlich beim Polizeinotruf? Und wie geht man mit der Verantwortung, die man den Anrufern gegenüber hat, um? Wie verhindert man am Telefon einen Mord? Und wie geht man mit dem Gefühl um, ...

Was macht man eigentlich beim Polizeinotruf? Und wie geht man mit der Verantwortung, die man den Anrufern gegenüber hat, um? Wie verhindert man am Telefon einen Mord? Und wie geht man mit dem Gefühl um, wenn es nicht geklappt hat? Von all diesen Fragen handelt dieses Hörbuch. Aber auch von Cid Jonas Gutenrath, einem Mitarbeiter beim Polizeinotruf. Er hatte schon ein bewegtes Leben bevor er hier landete.
Peter Jordan liest so, dass man sich vorstellen kann, dass Herr Gutenrath selbst vorliest. Sehr lebensnah. Er bringt den Humor und die Schnoddrigkeit, aber auch die Ernsthaftigkeit des Polizeinotrufpolizisten sehr gut rüber. Die Stimme klingt außerdem sehr angenehm .
Am Schluss hatte ich das große Bedürfnis auch dort arbeiten zu können. Vermutlich bin ich da eine von sehr wenigen. Aber die Vorstellung jemandem helfen zu können, etwas vom Telefon aus bewegen zu können, ist für mich persönlich sehr reizvoll.
Eine von sehr wenigen bin ich vermutlich, weil Herr Gutenrath mit der Stimme von Peter Jordan auch von den negativen Seiten erzählt. Davon, dass auch mal etwas nicht klappt. Davon, dass man seinen Humor auch in wirklich schlimmen, die Psyche angreifenden Situationen nicht verlieren sollte. Dieser Beruf ist sehr anstrengend. Man muss akzeptieren können, dass man nicht alles in der Hand hat. Aber, wenn etwas so klappt, wie es sollte, dann ist dieser Beruf auch sehr bereichernd.
Ich empfehle dieses Buch Jedem, den dieser Beruf interessiert. Da ich mich sehr gut unterhalten gefühlt habe, habe ich das Hörbuch am Stück gehört. „110- Ein Bulle hört zu“ ist sehr interessant und aufschlussreich.

Veröffentlicht am 11.07.2017

Parisian

How To Be Parisian wherever you are
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Paris ist wohl das Zentrum der Kreativität. Kunst, Mode, Essen und Musik kommen hier her und sind aus anderen Kulturen dann nicht mehr weg zu denken. Aber was macht die französische Lebensart so besonders?
"savoir-vivre". ...

Paris ist wohl das Zentrum der Kreativität. Kunst, Mode, Essen und Musik kommen hier her und sind aus anderen Kulturen dann nicht mehr weg zu denken. Aber was macht die französische Lebensart so besonders?
"savoir-vivre". Was im Deutschen Lebenskunst bedeutet ist im Französischen Höflichkeit. Es scheint, als wäre der französische Stil Teil des Charakters jeder Pariserin und es lediglich gutes Benehmen ihn auch auszuleben.
"Die Wahrheit ist, die Pariserin ist unvollkommen, chaotisch, sprunghaft und voller Widersprüche. Aber sie kann auch witzig, aufmerksam, charmant und selbstironisch sein – und was das Wichtigste ist: Sie weiß, wie man das Beste aus seinem Leben macht." Kurz gesagt: die Pariserin weiß, dass sie Schwächen hat und steht stolz zu ihnen. Und das scheint das Motto des Buches zu sein. Sei stolz du selbst zu sein! Zusätzlich gibt es hier Anekdoten und Rezepte. Auch die französische Kultur kommt nicht zu kurz.
Dieses Buch ist sehr selbstironisch und unterhaltsam geschrieben. Am Ende steht fest, dass es DIE Pariserin gar nicht gibt. Wichtiger ist, dass man lernt zu seinen Schwächen und Vorzügen zu stehen und das Leben einfach zu genießen.
Ein Buch, dem Paris wie ein schönes Parfum anhängt, leicht und künstlerisch wertvoll. Der Duft von Mode, Essen und Kunst. Ein Buch, dass die französische NONCHALANCE in Großbuchstaben feiert.

Veröffentlicht am 11.07.2017

Männer-Lüge

Die Männerlüge
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Einerseits: Du kannst alles sein und andererseits: Schieb' dein schlechtes Benehmen nicht auf das Testosteron. Ein bisschen Partywissen. Und hochinteressante Forschungsergebnisse. Kurz gesagt: Die perfekte ...

Einerseits: Du kannst alles sein und andererseits: Schieb' dein schlechtes Benehmen nicht auf das Testosteron. Ein bisschen Partywissen. Und hochinteressante Forschungsergebnisse. Kurz gesagt: Die perfekte Kombi um die Männer mal zum nachdenken zu bringen und die Frauen zum reden. Oder?
Ich hab mich bei der Lektüre sehr gut unterhalten gefühlt. Dieses Buch ist leicht und locker zu lesen, dank eines humorvollen Schreibstils. Es hat mich nachdenklich und verblüfft gemacht und mich zum Lachen gebracht. Ich finde es für Interessierte als Einstieg sehr empfehlenswert, warne aber vor zu schnellem und nicht chronologischem (obwohl in der Einleitung vorgeschlagen) Lesen, wegen Lernpensum und aufeinanderbauendem Wissen.