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Veröffentlicht am 25.12.2022

Sehnsuchtsinsel

Wintersonne
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Jeppe Kørner hat sich nach Bornholm zurückgezogen nachdem er bei der Polizei eine Auszeit genommen hat. Doch natürlich kommt er nach Kopenhagen als seine ältere Freundin, die Schriftstellerin Esther de ...

Jeppe Kørner hat sich nach Bornholm zurückgezogen nachdem er bei der Polizei eine Auszeit genommen hat. Doch natürlich kommt er nach Kopenhagen als seine ältere Freundin, die Schriftstellerin Esther de Laurenti, seinen Beistand braucht. Gemeinsam fahren sie nach Bornholm, Jeppe, um seine Arbeit wieder aufzunehmen und Ester, um ein Buch über die Anthropologin Margrethe Dybris zu schreiben. Esther darf in Margrethes Haus wohnen, wo sich kurzfristig auf deren Tochter Ida aufhält. Ida berichtet, dass eigentlich auch ihr Bruder da sein sollte, aber sie kann ihn seit Wochen nicht erreichen. Gleichzeitig wird in Kopenhagen eine Leiche gefunden beziehungsweise Teile davon.

In ihrem fünften Auftritt muss Annette Werner erstmal ohne Jeppe Kørner auskommen. Er verbringt seine Auszeit auf Bornholm und Annette ist sich nicht sicher, ob sie ihn vermisst oder manchmal auch froh ist. Nichtsdestotrotz bekommt sie die Leitung der Ermittlung übertragen und sie wird es schon schaffen. Überraschend ergibt sich eine Verbindung nach Bornholm und Annette freut sich, dass sie Jeppe um Hilfe bitten kann. Diesen hat auch Esther um seine Hilfe bei der Suche nach dem Bruder Idas gebeten. Mit Annettes und Jeppes unterschiedlichen Ansätzen entwickelt sich eine Leidensgeschichte, die ihre Wurzeln in der Vergangenheit hat.

Dieser fünfte Band der Reihe weiß wieder sehr zu fesseln. Wenn man auch am Beginn etwas bedauert, so entwickelt sich aus dem Schmerz eine tröstliche Erzählung. Eingebettet in einen spannenden Kriminalfall entwickelt sich eine echt starke Story. Zwar nicht offiziell, aber irgendwie ermitteln Annette und Jeppe doch gemeinsam und sie laufen zu Hochform auf. Auch Esters Recherchen zu ihrem Buch gestalten sich überraschend. Überhaupt kann man in diesem Roman das Rätseln sein lassen, die Autorin hat sowieso eine andere Lösung in petto. Und diese entfaltet sich so, dass die geneigte Leserin sich erhofft, dass die gelungene Verbindung nach Bornholm nicht abreißen wird.

Veröffentlicht am 23.11.2022

Westwärts

Transatlantik
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Anfang 1937 wird ein Offizier tot in seinem Auto aufgefunden. Offensichtlich hat er die giftigen Abgase eingeatmet. Allerdings deutet die Spurenlage darauf hin, dass es sich wohl nicht um einen Selbstmord ...

Anfang 1937 wird ein Offizier tot in seinem Auto aufgefunden. Offensichtlich hat er die giftigen Abgase eingeatmet. Allerdings deutet die Spurenlage darauf hin, dass es sich wohl nicht um einen Selbstmord handelt. Unter Verdacht gerät die Geliebte des Opfers Greta Overbeck. Diese wird nicht nur von der Polizei gesucht, sondern auch von Charly Rath. In der gemeinsamen Wohnung ist Greta schon seit Tagen nicht aufgetaucht. Eigentlich wollte Charly mit ihrem Ziehsohn Fritze ins Ausland gegangen sein. Doch zunächst mal muss sie ihn aus einer Anstalt herauspauken. Gereon Rath gilt als tot. Nur ganz wenige Menschen wissen von seiner Flucht.

In seinem neunten Auftritt kann sich Gereon Rath nicht mehr Kommissar nennen, er konnte sich absetzen und weiß noch nicht genau, wie es in seinem Leben weitergehen soll. Eine Möglichkeit bietet sich, als eine Person aus der Vergangenheit wieder auftaucht. Auch seine vermeintliche Witwe Charly musste ihre Pläne ändern. Sie will sich unbedingt um Fritze kümmern und auch ihre Freundin Greta muss sie ausfindig machen, die inzwischen auch von der Polizei gesucht wird. Und so gerät Charly in die Ermittlungen um den Mordfall, der ihr die Ereignisse zur Olympiade des Vorjahres in Erinnerung ruft.

Dieser neunte Fall um Gereon Rath bezieht sich recht eng auf den Vorgängerband, doch auch weitere Bezüge tauchen auf, die es als ratsam erscheinen lassen, die Reihe komplett zu kennen. Möglicherweise bietet es sich auch an, alle Teile noch einmal zu lesen, wenn die Reihe abgeschlossen ist. Wieder gelingt es dem Autor mit großem Können den immer beklemmender werdenden Alltag in dem politischen Umfeld Deutschlands kurz vor dem Krieg zu schildern und dies mit der spannenden Handlung eines Kriminalfalls zu verbinden. Man merkt einfach wie genau der Autor recherchiert, um diese besonders realistische Darstellung des Lebens unter dem grausamen Regime hervorzubringen. Wie die Menschen alltäglich durch Lautsprecherdurchsagen behelligt werden, wie tief die Propaganda in die Familien hineinwirkt, wie verblendet viele Menschen sind. Der Fall obwohl ebenfalls mit politischer Komponente bietet da einen Gegenpol.
Ein fesselnder zeitgeschichtlicher Kriminalroman aus einer Reihe, von der man sich wünscht, sie möge noch etliche weitere Bände bekommen.

Veröffentlicht am 17.11.2022

Micromort

Vilma zählt die Liebe rückwärts
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Kleine Tode warten überall, das Leben ist gefährlich. Das weiß die 35jährige Vilma Veierød genau, sogar Bananen weisen eine geringe Radioaktivität auf. Vilma versucht den größten Gefahren zu entgehen. ...

Kleine Tode warten überall, das Leben ist gefährlich. Das weiß die 35jährige Vilma Veierød genau, sogar Bananen weisen eine geringe Radioaktivität auf. Vilma versucht den größten Gefahren zu entgehen. Sie lebt allein in einem Haus in Oslo, dass sie von ihrer Großtante Ruth geerbt hat. Sie gibt Klavierstunden auch gerne Online. Verwandte hat sie nicht mehr. Deshalb ist sie ausgesprochen überrascht, als ihr der Pfarrer mitteilt, ihr Vater sei während eines Fluges verstorben und habe ihr ein Bündel Briefe hinterlassen. Vilma hat überhaupt keinen Vater, jedenfalls kennt sie ihn nicht. Und doch beginnt sie, die Briefe zu lesen.

Ihr Leben verlief in so ruhigen Bahnen, alles getaktet und geregelt. Auf Überraschungen steht Vilma nicht. Am liebsten würde sie ihren neuesten Klavierschüler nicht hereinlassen. Doch bei ihm daheim gibt es kein Klavier und er schafft es Vilma einige Überraschungen zu bereiten. Noch mehr beschäftigen sie jedoch die Briefe und der Umgang mit ihrem toten Vater. Wer kann schon behaupten, er habe seinen Vater erst nach dessen Tod kennengelernt. Doch durch die Briefe hat Vilma die unerwartete Gelegenheit, etwas über die Geschichte zu erfahren, wie sich ihre Eltern kennen- und lieben gelernt haben.

Welch eine schöne Geschichte, die alles hat, was man von einem berührenden Roman erwartet. Vilma hat einen ein wenig eckigen Charakter, der sie sehr sympathisch macht, besonders je mehr man über die Erzählung ihres Lebens erfährt. Sie saugt die Briefe ihres Vaters förmlich auf, erst eher widerwillig, aber bald schon fällt es ihr schwer dem Wunsch des Vaters zu entsprechen, nur einen Brief pro Tag zu lesen. Sowohl Vilmas Geschichte als auch die ihres Vaters berührt das Herz. Da ist es unerheblich, dass manche Wendung vielleicht vorhersehbar ist. Hier ist wirklich der Weg das Ziel und diesen Weg beschreitet man ausgesprochen gerne. Dabei ist es ein Genuss, dass beim Hörbuch die Briefe von Wolfgang Gerber vorgelesen werden, während der Vortag der weiteren Handlung in die Stimme von Felicity Grist gelegt wurde. Zwar kann man sich das zum Glück ungekürzte Hörbuch nicht am Stück zu Gemüte führen, doch man freut sich immer wieder, wenn es weitergeht.

Veröffentlicht am 05.11.2022

Der Falter

Kriegslicht
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Kurz nach dem zweiten Weltkrieg werden die jugendlichen Geschwister Nathaniel und Rachel von ihren Eltern in der Obhut eines befreundeten Mannes zurückgelassen. Die Gewischter nennen ihn den Falter und ...

Kurz nach dem zweiten Weltkrieg werden die jugendlichen Geschwister Nathaniel und Rachel von ihren Eltern in der Obhut eines befreundeten Mannes zurückgelassen. Die Gewischter nennen ihn den Falter und er wird ihnen für eine Weile zum Familienersatz. In seiner Welt lernen sie auch den Boxer und seine Freunde kennen. Dieser scheint ein Schmuggler und Gauner zu sein, der ihnen besonders Nathaniel auf seinen Touren etliche Abenteuer verschafft. Doch wieso mussten die Eltern fort und wohin sind sie? Nathaniel macht sich viele Gedanken, zwar genießt er seine Jugend, aber irgendwie vermisst er seine Eltern doch.

Natürlich erzählen Eltern Kindern nicht alles. Manches wollen sie nicht sagen, manches dürfen sie nicht sagen. Doch so relativ sang und klanglos zu verschwinden, ist schon nicht einfach zu ertragen. Auch wenn sich der Falter und der Boxer bemühen, Nathaniel und Rachel gut zu betreuen, ist es doch etwas anderes als eine normale Familie zu haben. Oder ist es garnicht so schlimm? Schließlich war und ist es in England durchaus üblich, Kinder früh zur Schule zu schicken und in der Folge auch früh in Internate zu geben. Doch besonders für Nathaniel bleibt eine Lücke, die er in späteren Jahren füllen möchte. Seine unbekannten Eltern sollen zu solchen werden, die er kennt.

Im Krieg ist es das Wichtigste zu überleben, Gedanken an die Familie müssen häufig zurückstehen. Manches dient sicher auch dem Schutz der Lieben, für die es besser ist, nicht zu viel zu wissen. In diesem Buch ist es sehr fesselnd zu lesen, welche große Resilienz die Jugendlichen besitzen. Gleichzeitig staunt man über die Geschichte insbesondere der Mutter, dieses unbekannte Wesen. Gespannt verfolgt man, was Nathaniel als Erwachsener herausfindet, wie er aus Kleinigkeiten ein Bild zusammensetzt. Er wirkt eher verzeihend, während Rachel eher anklagt. Doch hat ihre Mutter eine Wahl gehabt? Das bleibt ungewiss, wie einige andere Kleinigkeiten. Normal vielleicht, wenn den Fragen erst Jahre später nachgegangen wird. Dennoch verschlingt man diesen Roman um ungewöhnliche Lebenswege von Eltern und Kindern, die sich unter dem Eindruck des zweiten Weltkrieges entwickelt haben.

Veröffentlicht am 29.10.2022

Der Glückliche

Felix Blom. Der Häftling aus Moabit
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Felix heißt der Glückliche. Ein wenig glücklich fühlt sich Felix Blom auch als er im Jahr 1878 nach drei Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird. Allerdings muss er bald feststellen, dass ihm das Schicksal ...

Felix heißt der Glückliche. Ein wenig glücklich fühlt sich Felix Blom auch als er im Jahr 1878 nach drei Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird. Allerdings muss er bald feststellen, dass ihm das Schicksal in Form der Berliner Polizei doch einige Steine in den Weg legt. So soll er innerhalb von wenigen Tagen einen Wohnsitz und eine Anstellung nachweisen. Hier ist ihm das Glück hold, denn sein alter Mentor verhilft ihm zu einer Wohnung in seinem alten Viertel. Dort er hält er einen geheimnisvollen Brief, mit dem ihm angekündigt wird, er sei in wenigen Tagen tot.

Felix Blom hat schon einiges auf dem Kerbholz, doch ausgerechnet den Einbruch, für den er gesessen hat, hat er nicht begangen. Doch wie soll er sich rehabilitieren? Einem Einbrecher, Dieb und Trickbetrüger glaubt doch keiner. Felix muss selbst herausfinden, was passiert ist und auch was es mit der eigenartigen Karte auf sich hat. Unerwartete Hilfe bekommt er von Mathilde Voss, die eine Detektei eröffnet hat und zu ihrem Leidwesen feststellen muss, dass sie als Frau in dieser Position nicht für voll genommen wird. Und so geht sie mit Felix eine Zweckpartnerschaft ein. Die Polizei ermittelt inzwischen in einem Tötungsdelikt, bei dem der Verstorbene einen Brief erhalten hat, in dem ihm angekündigt wird, er sei in dreißig Stunden tot.

Die bekannte Autorin Alex Beer hat mit Felix Blom einen neuen Ermittler erschaffen, der sehr gut in die Reihe ihrer weiteren Protagonisten August Emmerich und Isaak Rubinstein passt. Bei Felix Blom handelt es sich um einen sympathischen Hallodri, der es zunächst durch seine Gaunereien zu was gebracht hatte, dann doch ins Gefängnis musste und es nun mit ehrlicher Arbeit versuchen will. Dass er so zum Ermittler würde, hätte er wohl selbst nicht erwartet. Seine Erfahrung und sein Können kommen ihm dabei zupass. Und seine neue Bekanntschaft mit Mathilde Voss erweist sich als Glücksfall. Wird es Beiden gelingen, den Fall zu lösen und Bloms Leben zu retten? Vor dem Hintergrund des ausgehenden 19. Jahrhunderts hat man eine spannende und interessante Lektüre. Es ist klasse gemacht, wie man verfolgen kann, was sich aus einer kleinen, aber geheimnisvollen Zeitungsnotiz entwickelt. Man darf gespannt sein, wie sich die Detektei Voss mit ihrem Angestellten Felix Blom weiter entwickelt.