Beschreibung
Agamemnon opferte für den Einzug in den Trojanischen Krieg das Leben seiner erstgeborenen Tochter Iphigenie und ließ seine Familie für die jahrzehntelange Schlacht alleine in seinem Königreich Mykene zurück. Seine Frau Klytämnestra wünscht sich nichts mehr als den Tod ihrer Tochter zu rächen und seine Tochter Elektra ersehnt nichts mehr herbei als seine Rückkehr, um die Liebe, die ihre Mutter nicht mehr geben kann, zu erfahren. Als Agamemnon heimkehrt, ist an seiner Seite die Priesterin Kassandra, welche er als Kriegsbeute für sich beansprucht und Kassandra sieht durch ihre Visionen, welch Schicksal sie mit den Frauen in Agamemnons Leben vereint…
Meine Meinung
Die Mythen der Antike, besonders die der griechischen Mythologie, üben eine besonders starke Anziehungskraft auf mich aus, sodass nach »Ich, Ariade« auch der zweite Roman von Jennifer Saint auf meinem Lesestapel wanderte.
In »Elektra, die hell Leuchtende« befasst sich Jennifer Saint mit dem Trojanischen Krieg und dessen Auswirkungen auf das Leben spartanischer wie auch trojanischer Frauen. Da ich erst kürzlich zum gleichen Thema den Roman »Wir Töchter von Sparta« von Claire Haywood verschlungen habe, drängen sich natürlich Parallelen, Abweichungen und unterschiedliche Interpretationen auf. Besonders markant ist der Unterschied in der Erzählweise, während Jennifer Saint einen sachlicheren und neutraleren Ton anschlägt, der die Atmosphäre von alten Legenden heraufbeschwört, füllt Claire Haywood ihre Erzählung mit Wärme und schafft damit eine engere Bindung zu den Charakteren und deren Schicksal.
Jede der Erzählweisen hat etwas Gewinnendes vorzuweisen, das einen in den Bann zieht, auch wenn ich zugeben muss, dass ich hier durch das distanziertere Verhältnis zu den Protagonist*innen nicht ganz so stark mitgefiebert habe. Trotzdem fand ich, dass sich die von Jennifer Saint gesponnen Geschichten über die sonst nur als Randnotiz existierenden Frauen in der Mythologie, sich sehr gut in den antiken Legenden eingefügt haben.
Dem Titel nach habe ich in erster Linie eine Story über Elektra erwartet, stattdessen nehmen ihre Mutter Klytämnestra und die trojanische Priesterin Kassandra ebenso viel Raum ein wie der Fluch, mit dem das Geschlecht der Atriden seit Tantalos belegt ist. Die Auswirkungen des blutigen Fluchs bilden einen undurchdringlichen Kreislauf aus Rache und Vergeltung, und Agamemnons Taten verbinden zudem die Schicksale und das große Leid der Frauen miteinander.
Jennifer Saint lässt vor allem Klytämnestra eine Entwicklung durchmachen, die sie selbst zu selbstbestimmtem Handeln führt, wohingegen Elektra und Kassandra weitaus mehr in ihrer Rolle gefangen scheinen. Auf jeden Fall spannend zu lesen, wie sich die Frauen in ihrer leidgeprüften Lage bewähren und verhalten.
Die Geschichte umspannt mehrere Jahrzehnte, was leider durch das Erzähltempo und die Strukturierung nicht so wirklich zur Geltung kommt. Davon abgesehen, habe ich es sehr genossen, mich von den Ideen von Jennifer Saint zu diesem mythologischen Epos mitnehmen zu lassen.
Fazit
Die epische Gewalt aus der griechischen Mythologie geht hier Hand in Hand mit der Geschichte starker Frauen.
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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 21.02.2023