ein Meister der Verwirrung
Fifty-Fifty„Niemand ist unfehlbar. Jeden kann man hinters Licht führen.“
(Eddie in Fifty Fifty)
Worum geht’s?
Frank Avellino wurde mit äußerster Brutalität in seinem eigenen Schlafzimmer erstochen, der Täter ...
„Niemand ist unfehlbar. Jeden kann man hinters Licht führen.“
(Eddie in Fifty Fifty)
Worum geht’s?
Frank Avellino wurde mit äußerster Brutalität in seinem eigenen Schlafzimmer erstochen, der Täter muss in einem wahren Blutrausch gehandelt haben. Besser gesagt: die Täterin. Denn Franks Töchter Alexandra und Sofia beschuldigen sich gegenseitig der Tat. Die eine ist eine sadistische Mörderin, die andere unschuldig. Aber welche? Sowohl Eddie Flynn, der Sofia vor Gericht verteidigt, als auch Alexandras junge Anwältin Kate Brooks befürchten, dass die Wahrheit im Trubel um diesen spektakulären Fall untergeht. Denn der Ermordete war nicht nur ehemaliger Bürgermeister von New York, es gibt auch ein Millionenerbe zu verteilen. Und Eddie Flynns Chancen, die richtige Schwester vor dem Gefängnis zu bewahren, stehen fifty-fifty ...
Fifty Fifty ist Band 5 der Eddie Flynn Reihe, in sich geschlossen und kann ohne Vorkenntnisse gelesen werden.
Schreibstil und inhaltliche Hinweise
Das Buch hat verschiedene Erzähler, wobei Eddie aus der Ich-Perspektive berichtet. Weitere Erzähler, insbesondere Kate und Sie sind in Erzählersicht verfasst. Das Buch springt nach einem kurzen Intro zurück und verläuft sodann chronologisch. Das Buch beinhaltet wenige grafische Darstellung von Gewalt.
Meine Meinung
Here we go again. Nachdem mich Steve Cavanagh mit „Thirteen“ wahnsinnig begeistert hat, war es klar, dass ich mehr von ihm lesen muss. Da kam es mir ganz gelegen, dass der Goldmann-Verlag den fünften Teil Fifty Fifty und ab kommendem Jahr zudem noch die Bände 1 bis 3 in Neuauflage herausbringt. Natürlich bin ich nach Thirteen mit sehr hohen Erwartungen an das Buch herangegangen, weil ich mich gefragt habe, ob Steve Cavanagh möglicherweise nur ein One Hit Wonder ist. Spoiler: Für mich eindeutig nicht.
Das Buch ist recht komplex und anspruchsvoll. Der Mordfall ist relativ simpel erklärt: Zwei Schwestern, beide waren am Taatort, beide haben Spuren hinterlassen, beide haben den Notruf abgesetzt, beide haben ein Motiv – und beide beschuldigen sich gegenseitig. Die eine wird von Eddie vertreten, die andere von der Junganwältin Kate, die erst in einer Großkanzlei war, aber hier im Laufe des Buches aussteigt. Im Fokus steht dieses Mal auch gar nicht so sehr der eigentliche Prozess, dieser beginnt auch erst nach über der Hälfte des Buches, sondern viel mehr die Vorbereitung und die Frage, wie man hier die Wahrheit finden will. Der Autor bedient sich hierbei einem wahnsinnig guten Trick: Er lässt die Mörderin als „Sie“ mit eigenen Kapiteln ein wenig Chaos verursachen. Leider verrät „Sie“ dabei aber nicht, wer sie ist und so beginnt der Leser, die Puzzleteile hin und her zu schieben, nach Lücken und Hinweise zu suchen und ich kann gestehen, dass ich absolut wahnsinnig geworden bin, denn nach jedem Kapitel von „Sie“ hatte ich eine andere Vermutung. Und so tappt man unglaublich lang im Dunkeln, versucht sich einen Reim zu machen, aber natürlich hat man auch so einige Vermutungen. Wird der Autor den offensichtlichen Weg gehen oder doch den unterwarteten? Steve Cavanagh macht beides und doch alles anders. Er geht wahrlich über Leichen und einige davon sind mehr als überraschend gewesen, andere Mittel zum Zweck, aber eines haben sie gemeinsam: Die Killerin ist hochgradig verrückt.
Die Charaktere in dem Buch können wieder sehr überzeugen. Man hat den gewieften, etwas ungewöhnlichen Strafverteidiger Eddie, der auch gern mal eine Brieftasche von einem gegnerischen Anwalt klaut, der kein Problem damit hat, auch das Gericht zu verärgern und der viel von Werten und Moral hält. Auf der „Gegenseite“ steht Kate, die anfangs in einer Großkanzlei tätig ist, die ihr absolut nicht gut tut. Hier geht es um fehlende Gleichberechtigung, Respektlosigkeiten und auch sexuelle Belästigung. Die Themen sind gut eingebaut ohne zu sehr im Fokus zu stehen und sorgen so für nette Nebenhandlungen und einen schönen Kniff ganz am Ende, der für Folgebücher sicher interessant werden wird. Kate hat eine traurige Vergangenheit und entsprechend hohe Erwartungen an sich selbst. Sie ist eine würdige „Gegnerin“ für Eddie, beide zusammen sind ein absolutes Highlight. Auch kommen bereits bekannte Charaktere wie Richter Harry (mittlerweile im Ruhestand) und Ermittlerin Harper, die hier eine der unerwartesten Handlungen hat, vor. An vielen Stellen versteckt der Autor auch hier wieder sozialkritische Aspekte und auch einiges an Kritik am Rechtssystem von Amerika. Hier hat mich am meisten überrascht, wie undurchsichtig und unmöglich die Deal-Praxis eigentlich ist und wie es sein kann, dass zwei Leute gegebenenfalls für ein Verbrechen verurteilt werden könnten, was nur eine von ihnen gegangen hat. Hochgradig spannend, mit vielen Nebenthemen und einer wirklich fesselnden Erzählweise kommt Fifty Fifty also daher. Wie immer sind die meisten Entwicklungen und auch die Twists greifbar, einige dieses Mal aber auch nicht super überraschend. An einigen Stellen lenkt der Autor den Leser hierbei wieder auch geschickt auf eine falsche Fährte. Und dann kommt das große Finale: Wer wird verurteilt, die Chance steht Fifty Fifty…
Ich habe tatsächlich die letzten 70% des Buches in einem Rutsch weggelesen (oder halt quasi fast das ganze Buch in einer Sitzung) und war wirklich gefesselt und hochgradig unruhig, endlich zu wissen, was da los ist und wie Steve Cavanagh es hinkriegen will, eine logische Aufklärung zu bringen. Als der Prozess dann endet, war ich eigentlich zufrieden. Es hast sich gut angefühlt, nicht übermäßig gut, aber okay. Ein wenig zu einfach vielleicht. Und so kam es auch, irgendwie als hätte ich es schon vorhergesehen: ein letzter Twist. Ich muss gestehen, dass mich dieser aber irgendwie nicht so begeistert hat. Es war mir persönlich zu viel, zu erwartbar. Andererseits ist halt auch klar, dass der Autor nicht viel Spielraum hat. Deswegen muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, was er zur finalen Auflösung sagt. Ich freue mich jedenfalls jetzt schon sehr doll auf ein hoffentlich kommenden Band 6, denn die neue Verbindung, die am Ende vom Buch eingegangen wird, bringt so viel Potenzial für mehr.
Mein Fazit
Fifty Fifty konnte mich wieder sehr begeistern. Der Autor spielt mit dem Leser und präsentiert einen mitreißenden Thriller, der mit vielen Überraschungen, einigen falschen Spuren und auch wieder einer guten Prise Humor daherkommt. Ein etwas anderer Justizthriller mit einer gut gewählten Erzählweise. Pageturner, den man nicht weglegen kann!
[Diese Rezension basiert auf einem vom Verlag oder vom Autor überlassenen Rezensionsexemplar. Meine Meinung wurde hiervon nicht beeinflusst.]