Ein Buch über das Leben
Morgen, morgen und wieder morgenIn “Morgen, morgen und wieder morgen” begleiten wir die beiden Freunde Sam und Sadie über Jahre hinweg durch die Höhen und Tiefen ihres Lebens und ihrer Freundschaft. Angefangen bei ihrem Kennenlernen ...
In “Morgen, morgen und wieder morgen” begleiten wir die beiden Freunde Sam und Sadie über Jahre hinweg durch die Höhen und Tiefen ihres Lebens und ihrer Freundschaft. Angefangen bei ihrem Kennenlernen im Alter von gerade einmal 10 Jahren, über ihre Collegezeit und den gemeinsamen Start als Videospielentwickler, bis hin zum Erwachsensein.
Meine Meinung:
Ich glaube, ich habe noch nie etwas Vergleichbares wie diesen Roman gelesen. Ein Buch, das sowohl in seinem Aufbau als auch in seiner Handlung einfach nur als besonders und originell bezeichnet werden kann. Ein Buch, das ein wenig wie eine dieser optischen Täuschungen ist, bei denen man immer etwas anderes sieht, je länger man hinsieht. Ein Buch, das jedes Mal, wenn man es liest, völlig anders ist und noch mehr von seiner genialen Komplexität enthüllt.
Die Autorin erzeugt beim Leser ein fast nostalgisches Lesegefühl, das durch den distanzierten und dadurch eher emotionslosen Schreibstil noch verstärkt wird. Hinzu kommen sehr viele Zeitsprünge, Rückblicke und Ausblicke. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies vielleicht nicht jedermanns Sache ist und mir selbst ist dieser Punkt in der ersten Hälfte des Buches negativ aufgefallen, da ich das Gefühl hatte, keine Geschichte zu lesen, sondern durch das Leben der Charaktere zu “spulen”. Rückblickend kann ich jedoch sagen, dass jeder Rückblick und Zeitsprung seine Berechtigung und Relevanz hat, da diese überblicksartige Erzählweise wichtig ist, um die Entwicklung der Protagonisten zu verstehen.
Gabrielle Zevin hat einen klaren Fokus auf den Aufbau der Charaktere und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen zueinander gelegt. Dabei setzt sie trotz der Ich-Erzählung auf unterschiedliche Perspektiven und wechselt sogar kurzzeitig in die Du-Perspektive. Das klingt zunächst ungewöhnlich, ist aber von ihr genial eingebaut und hat mich emotional total mitgerissen.
Generell fällt beim Lesen immer wieder Zevins Talent auf, die menschliche Erfahrung in Worte zu fassen. Vor allem die Vielschichtigkeit des Menschen mit seinen Entwicklungen und prägenden Erlebnissen war sehr interessant mitzulesen. Ich hatte wirklich das Gefühl, die Charaktere zu kennen und obwohl sie sehr wankelmütig und oft unsympathisch waren, konnte ich sie zu jeder Zeit irgendwie verstehen und ihr Verhalten war sehr authentisch.
Sadie und Sam auf ihrer gemeinsamen Reise durchs Leben zu begleiten, bedeutete sowohl Höhen als auch Tiefen zu erleben, sei es in ihrer Freundschaft, ihrer Familie oder ihrer Karriere. Durch ihre Karriere als Spieleentwickler ging es auch viel um die Entwicklung von Videospielen. Obwohl ich sonst nicht so viel mit Spielen zu tun hatte, hat das Buch in mir eine neue Begeisterung geweckt. Ich hätte nie gedacht, wie viel hinter so einem Spiel steckt. Aber trotzdem geht es auch um so viel mehr. Die Autorin hat wichtige und aktuelle Themen wie Rassismus, Ableismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit geschickt eingebaut. Die Umsetzung hat mir wirklich ausgesprochen gut gefallen. Ein kleiner Punkt, der mich allerdings stutzig gemacht hat, ist die Normalisierung von Drogen. Im Nebensatz wird immer wieder erwähnt, dass sie Kokain genommen haben. Als jemand, der noch nicht in den 90er Jahren gelebt hat, habe ich mir am Ende des Romans wirklich ein wenig Sorgen gemacht, ob das zum normalen Alltag gehört hat, aber ich hoffe es mal nicht ;)
Fazit:
Eine große Empfehlung, auch wenn es sicher nicht für jeden etwas ist. Ich würde es jedem empfehlen, der eine Geschichte sucht, in der die Entwicklung der Charaktere im Vordergrund steht.