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Veröffentlicht am 30.11.2022

Ein Krimi ohne Leiche, historischer und feministischer Roman in einem

Der Verdrüssliche
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In dem Roman von Eva Holzmair geht es um eine verschwundene Alabasterbüste, eines der über fünfzig Selbstportraits des deutsch-österreichischen Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt (1736 – 1783). Die Handlung ...

In dem Roman von Eva Holzmair geht es um eine verschwundene Alabasterbüste, eines der über fünfzig Selbstportraits des deutsch-österreichischen Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt (1736 – 1783). Die Handlung spielt sich aus der Sicht von drei Figuren ab. Die erste ist Dr. Carola Broggiato, eine pensionierte Hofrätin mit einem Krebsleiden. Brogiatto arbeitete „in ihrer aktiven Zeit“ im österreichischen Bundesdenkmalamt und ist eine begeisterte Kunstliebhaberin. Sie erfährt durch Zufall, dass die Skulptur „Der Verdrüssliche“ von dem Künstler Franz Xaver Messerschmidt das Wiener Kunstmuseum Belvedere verlassen hat. Es wurde verkauft, offenbar ohne dass Informationen über dieses Geschäft an die Öffentlichkeit drangen. Broggiato weiß aus ihrer Zeit als aktive Hofrätin, dass die Skulptur normalerweise Österreich nur als Leihgabe hätte verlassen dürfen und beginnt zu ermitteln.
Die zweite Perspektivfigur ist die junge Malerin Gitta Hausladen. Hausladen hat einen Aufenthalt in einer psychatrischen Klinik hinter sich und versucht, sich wieder in den Alltag einzugewöhnen und sich um ihr Kind im Grundschulalter zu kümmern. Hartnäckig kämpft Hausladen gegen ihre gelegentlichen Wahnvorstellungen und ständigen Selbstzweifel an. Allmählich kristallisiert sich heraus, dass Mitglieder der Familie Hausladen verstrickt sind in die zentrale Frage des Romans: Was ist mit der Skulptur des „Verdrüsslichen“ geschehen?
Die dritte Perspektive, vielleicht die, die mir am besten gefallen hat, ist sicher die ausgefallenste. Der Charakterkopf „Der Verdrüssliche“ kommentiert die Gegenwart und erzählt von seiner jahrhundertelangen Vergangenheit. Die Figurensprache ist Holzmair hier ganz besonders gelungen. Ein wenig altertümlich, ohne altbacksch zu wirken, voller Witz und Lebensweisheit.
Die drei Handlungsstränge, die zunächst scheinbar nichts miteinander zu tun haben, verweben sich, schaukeln die Spannung hoch und enden in der überraschenden und schlüssigen Auflösung des Falls.
Holzmair ist ein spannender Krimi gelungen, der mich wie ein historischer Roman mit dem Wirken Messerschmidts und der Gesellschaft im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert vertraut macht. „Der Verdrüssliche“ ist auch ein feministischer Roman. Die Figuren der Dr. Broggiato und der Künstlerin Hausladen kämpfen trotz ihrer jeweiligen Krankheit um Anerkennung und Selbstbestimmung. Sie lassen sich von Konventionen oder Hindernissen manchmal kurz bremsen, jedoch nie aus der Bahn schlagen. Letztendlich ist Holzmairs Roman auch einfach ein belletristischer Leckerbissen, der allein wegen seines geschliffenen Schreibstils, der prägnanten Sprache und der einfühlenden Figurenpsychologie eine eindeutige Leseempfehlung verdient hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.11.2022

Ein Krimi ohne Leiche, historischer und feministischer Roman in einem

Der Verdrüssliche
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In dem Roman von Eva Holzmair geht es um eine verschwundene Alabasterbüste, eines der über fünfzig Selbstportraits des deutsch-österreichischen Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt (1736 – 1783). Die Handlung ...

In dem Roman von Eva Holzmair geht es um eine verschwundene Alabasterbüste, eines der über fünfzig Selbstportraits des deutsch-österreichischen Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt (1736 – 1783). Die Handlung spielt sich aus der Sicht von drei Figuren ab. Die erste ist Dr. Carola Broggiato, eine pensionierte Hofrätin mit einem Krebsleiden. Brogiatto arbeitete „in ihrer aktiven Zeit“ im österreichischen Bundesdenkmalamt und ist eine begeisterte Kunstliebhaberin. Sie erfährt durch Zufall, dass die Skulptur „Der Verdrüssliche“ von dem Künstler Franz Xaver Messerschmidt das Wiener Kunstmuseum Belvedere verlassen hat. Es wurde verkauft, offenbar ohne dass Informationen über dieses Geschäft an die Öffentlichkeit drangen. Broggiato weiß aus ihrer Zeit als aktive Hofrätin, dass die Skulptur normalerweise Österreich nur als Leihgabe hätte verlassen dürfen und beginnt zu ermitteln.
Die zweite Perspektivfigur ist die junge Malerin Gitta Hausladen. Hausladen hat einen Aufenthalt in einer psychatrischen Klinik hinter sich und versucht, sich wieder in den Alltag einzugewöhnen und sich um ihr Kind im Grundschulalter zu kümmern. Hartnäckig kämpft Hausladen gegen ihre gelegentlichen Wahnvorstellungen und ständigen Selbstzweifel an. Allmählich kristallisiert sich heraus, dass Mitglieder der Familie Hausladen verstrickt sind in die zentrale Frage des Romans: Was ist mit der Skulptur des „Verdrüsslichen“ geschehen?
Die dritte Perspektive, vielleicht die, die mir am besten gefallen hat, ist sicher die ausgefallenste. Der Charakterkopf „Der Verdrüssliche“ kommentiert die Gegenwart und erzählt von seiner jahrhundertelangen Vergangenheit. Die Figurensprache ist Holzmair hier ganz besonders gelungen. Ein wenig altertümlich, ohne altbacksch zu wirken, voller Witz und Lebensweisheit.
Die drei Handlungsstränge, die zunächst scheinbar nichts miteinander zu tun haben, verweben sich, schaukeln die Spannung hoch und enden in der überraschenden und schlüssigen Auflösung des Falls.
Holzmair ist ein spannender Krimi gelungen, der mich wie ein historischer Roman mit dem Wirken Messerschmidts und der Gesellschaft im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert vertraut macht. „Der Verdrüssliche“ ist auch ein feministischer Roman. Die Figuren der Dr. Broggiato und der Künstlerin Hausladen kämpfen trotz ihrer jeweiligen Krankheit um Anerkennung und Selbstbestimmung. Sie lassen sich von Konventionen oder Hindernissen manchmal kurz bremsen, jedoch nie aus der Bahn schlagen. Letztendlich ist Holzmairs Roman auch einfach ein belletristischer Leckerbissen, der allein wegen seines geschliffenen Schreibstils, der prägnanten Sprache und der einfühlenden Figurenpsychologie eine eindeutige Leseempfehlung verdient hat.

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Veröffentlicht am 23.11.2022

Imagine – es GIBT andere, gerechtere, für uns alle bessere Wirtschaftsmodelle!

Die verkannten Grundlagen der Ökonomie
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Riane Eislers Sachbuch „Die verkannten Grundlagen der Ökonomie – Wege zu einer Caring Economy“ behandelt ein ökonomisches Modell, das auf Fürsorge basiert. Das Buch ist durch zahlreiche Quellen so gut ...

Riane Eislers Sachbuch „Die verkannten Grundlagen der Ökonomie – Wege zu einer Caring Economy“ behandelt ein ökonomisches Modell, das auf Fürsorge basiert. Das Buch ist durch zahlreiche Quellen so gut dokumentiert wie eine Diplomarbeit und gleichzeitig so verständlich geschrieben, dass auch Fachunkundige einen leichten Zugang finden. Ich stelle es in eine Reihe mit „Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado-Perez übersetzt von Stephanie Singh und „Die Geschlechterlüge“ von Cordelia Fine übersetzt von Susanne Held.

In „Die verkannten Grundlagen der Ökonomie“ beschreibt Eisler, wie die gängigen Wirtschaftsmodelle die Fürsorge für andere Menschen (Care-Arbeit) ausblenden. Dabei sei die Care-Arbeit nicht nur grundlegend für unser psychologisches und körperliches Wohlbefinden, sondern auch für die Umwelt und sogar für unsere Wirtschaft: Wäre die Care-Arbeit eine bezahlte Tätigkeit (was meist nicht der Fall ist), dann würde die resultierende Summe an die Hälfte des Bruttoweltprodukts heranreichen.

Der Grund dafür, warum die Care-Arbeit bei ökonomischen Modellen meist nicht einbezogen wird, liegt für Eisler darin, dass diese Arbeit hauptsächlich von Frauen erledigt wird. Fürsorge wird also als weibliche Tätigkeit wahrgenommen. Da heute die meisten Gesellschaften Frauen abwerten, gestehen sie auch „weiblichen“ Tätigkeiten weniger Wert und insbesondere weniger wirtschaftlichen Wert zu. Eisler erklärt ihre These, indem sie Dominanz und Partnerschaft gegenüber stellt: Im Dominanzmodell bestimmen wenige Menschen über die Verteilung der Güter, treffen Entscheidungen und unterdrücken die Mehrheit mittels Angst und Schmerz. Im Partnerschaftsmodell dagegen arbeiten die Menschen zusammen für das Allgemeinwohl. Nach Eisler befindet sich jede Personengruppe, ob Familie, Unternehmen oder Staat, irgendwo zwischen diesen Polen „Dominanz“ und „Partnerschaft“.

Eisler fordert eine Wirtschaftsordnung, die zum Allgemeinwohl beiträgt und die Erhaltung der Natur berücksichtigt. Dazu verlangt sie nach einem neuen Narrativ, das beschreibt, was Wirtschaft ist und was sie sein kann. Eislers Vorschlag: eine neue Wirtschaftstheorie, die sie „Caring Economy des Partnerismus“ nennt. Diese hat die Entwicklung des menschlichen Potentials zum Ziel, und Fürsorge ist ihre Basis. Um die „Caring Economy des Partnerismus“ zu verwirklichen, müssen alle Institutionen vom Dominanzmodell abrücken und sich dem Partnerschaftsmodell annähern. Der Weg dahin führt über eine Änderung der kulturellen Werte und eine Aufwertung der Care-Arbeit.

„Die verkannten Grundlagen der Ökonomie“ ist für alle Menschen geschrieben, die sich für gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen interessieren. Das Buch bietet Lösungsansätze und zeigt Möglichkeiten auf, als Einzelperson am Wandel unserer Gesellschaft mitzuwirken. Es ist voller Aha-Momente, die alte Glaubenssätze schwanken lassen. Die Lektüre hinterließ mich nicht frustriert durch die Erkenntnis, wie übel es um uns steht, sondern im Gegenteil: motiviert, selbst tätig zu werden. „Der erste Schritt besteht darin, dass wir im öffentlichen Diskurs den Begriff „Care“ mit dem Wirtschaftsbegriff verknüpfen und ein Bewusstsein dafür schaffen, welche wirtschaftliche Bedeutung Fürsorge hat“, schreibt Eisler (S. 31f). Meinen ersten Schritt, nämlich auf dieses tolle, absolut lesenswerte Buch aufmerksam zu machen, habe ich hiermit getan.

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Veröffentlicht am 22.10.2023

Gutes Thema aber blasse Hauptfigur in etwas lahmer Story

Männer töten
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Die Handlung ist schnell erzählt; Vorsicht, Spoiler! Protagonistin Anna Maria ist von Berlin in ein Dorf gezogen, in dem Frauen die Männer töten, die sie verletzt haben oder von denen sie sich bedroht ...

Die Handlung ist schnell erzählt; Vorsicht, Spoiler! Protagonistin Anna Maria ist von Berlin in ein Dorf gezogen, in dem Frauen die Männer töten, die sie verletzt haben oder von denen sie sich bedroht fühlen. Auch Anna Maria wird zur Mörderin.

Der Roman thematisiert Gewalt von Männern gegen Frauen. Physische, sexuelle und psychologische Gewalt, geschildert aus dem Blickwinkel der Protagonistin.

Den Schreibstil empfinde ich als holperig. Eigentümliche Formulierungen treten auf, sie könnten Ausdruck von Anna Marias Gedanken sein, aber die Figur bleibt mir fremd. Ich sehe nur, was sie tut, aber nicht, was sie fühlt oder denkt. Leider kann ich deswegen die Handlung nicht nachvollziehen. Die Frauen begehen die Morde und erzählen davon, als hätten sie falsch geparkt. Ich hätte mir mehr Emotionen gewünscht, oder das Gegenteil, emotionale Kälte. Aber dem Roman fehlt einfach die psychologische Ebene, so habe ich es jedenfalls empfunden. Lange dachte ich, dass alles nur ein Traum von Anna Maria sei.

Da der Scoop – die Frauen bringen ihre Peiniger um – schon ziemlich zu Beginn des Romans erzählt wird, habe ich eine Steigerung erwartet. Doch diese bleibt aus. Weitere Morde werden begangen, aber durch die distanzierte Erzählweise berühren sie mich nicht.

Positiv an dem Roman ist das Thema Gewalt gegen Frauen. Auch das Gendern hat mir gut gefallen.

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Veröffentlicht am 31.07.2023

Lockerer Schreibstil, autobiografisch wirkende Handlung

Anti
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Der Schreibstil ist schön flüssig und perspektivisch, ich bin in das Ruhrpott-Setting mit antiautoritärem Kinderladen und Hippy-Eltern schnell eingetaucht. Da in der Beschreibung des Romans steht, dass ...

Der Schreibstil ist schön flüssig und perspektivisch, ich bin in das Ruhrpott-Setting mit antiautoritärem Kinderladen und Hippy-Eltern schnell eingetaucht. Da in der Beschreibung des Romans steht, dass die Geschichte keine Autobiografie ist, habe ich erwartet, dass eine typische Romanhandlung folgt, dies war aber nicht der Fall. In dem Buch habe ich den roten Faden, die eigentliche Geschichte, vermisst. Zwar konnte ich die Protagonistin, das Mädchen Maja, ein paar Jahre ihres Lebens begleiten, aber die Ereignisse reihten sich so aneinander wie im wahren Leben. Nach der Beschreibung hatte ich eine "klassische" Geschichte im Sinn einer Heldenreise erwartet. Für ein Lesepublikum, das sich für antiautoritäre Erziehung im Deutschland der siebziger Jahre interessiert, ist Anti eine schöne Lektüre.

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