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Veröffentlicht am 04.10.2017

Kulinarisches Märchen aus 1001 Nacht

Der Meisterkoch
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„Der Geschmack beginnt im Mund, doch er endet im Geist.“
In der Palastküche des Sultans sind viele Köche am Werk, viele großartige, viele geachtete Köche. Doch nur einer hat den absoluten Geschmackssinn, ...

„Der Geschmack beginnt im Mund, doch er endet im Geist.“
In der Palastküche des Sultans sind viele Köche am Werk, viele großartige, viele geachtete Köche. Doch nur einer hat den absoluten Geschmackssinn, kann die Sinne betören, die Stimmungen und den vermeintlich freien Willen durch den Geschmack seiner Gerichte beeinflussen. Der Küchenmeister ist eine geheimnisvolle Person, niemand kennt seinen Namen, nur wenige sein Ziel…

Anhand des Klappentextes könnte man noch einen historischen Roman vermuten, doch beim Lesen wird schnell klar, dass es sich eher um ein Märchen aus 1001 Nacht handelt. Saygin Ersin entführt den Leser in die opulente Umgebung und malt seine Bilder in kräftigen, bunten Farben. Auch seine Beschreibungen von Gerüchen und Geschmack sind sehr detailreich und unglaublich realistisch. Hungerattacken beim Lesen sind garantiert! Sind seine Gerichte noch sehr lebensecht, so sind die Figuren leider etwas eindimensional; ich fand das aber relativ einfach zu verschmerzen, vielleicht auch, weil es den märchenhaften Charakter unterstreicht. Die Handlung selbst ist sehr schön konstruiert, nicht atemberaubend spannend, aber durchaus fesselnd. Im letzten Drittel war die Geschichte für mich nicht mehr ganz so rund, auch fand ich einige Kleinigkeiten nicht ganz so schön gelöst, unterm Strich hat mir „der Meisterkoch“ jedoch sehr gut gefallen. Ein wunderbares kulinarisches Märchen aus 1001 Nacht, das man besser nicht mit knurrendem Magen lesen sollte ; )

Veröffentlicht am 12.09.2017

Bibliomantik im viktorianischen Gewand

Die Spur der Bücher
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Nach einem traumatischen Erlebnis vor zwei Jahren hat Mercy Amberdale der Bibliomantik eigentlich abgeschworen, das eigene Seelenbuch in eine dunkle Kiste verbannt. Ihre Tage (oder sollte ich sagen Nächte?) ...

Nach einem traumatischen Erlebnis vor zwei Jahren hat Mercy Amberdale der Bibliomantik eigentlich abgeschworen, das eigene Seelenbuch in eine dunkle Kiste verbannt. Ihre Tage (oder sollte ich sagen Nächte?) verbringt sie damit, Sammlern begehrte Schätze zu beschaffen. Da wird eines Tages ein ihr verhasster Buchhändler tot aufgefunden. Er ist inmitten seines Ladens verbrannt, seine Bücher blieben jedoch unversehrt. Da MÜSSEN doch dunkle Mächte am Werk gewesen sein…

Mit der Trilogie „Die Seiten der Welt“ hat uns Autor Kai Meyer erstmals in die Refugien der Bibliomantik entführt. „Die Spur der Bücher“ ist zwar unabhängig von dieser Trilogie zu lesen, die Grundzüge dieser Welt und ihrer Gesetze werden für Neuleser jedoch nicht erneut eingeführt, sodass es schon sinnvoll ist zumindest eine grobe Kenntnis dieser Bände zu haben. Mir hat der erneute Ausflug in diese Welt jedenfalls sehr gut gefallen. Das viktorianische London gibt dem Ganzen einen schönen Rahmen und auch Mercy als Hauptfigur passt sehr gut in diese Welt. Sie will eigentlich nichts mehr mit der Buchmagie zu tun haben, kann aber von Büchern nicht die Finger lassen. Ihr Charakter ist sympathisch und kommt authentisch rüber. Ihre zwei Sidekicks wären für die Handlung nicht zwingend notwendig gewesen, geben ihrer Figur aber etwas mehr Tiefe. Zu dritt erleben sie spannende Abenteuer, die der Autor sehr ansprechend präsentiert. Der Erzählstil ist sehr flüssig, gewürzt mit allerlei Wendungen und Geheimnissen entsteht ein rechter Sog und so ist man recht schnell am Ende angekommen; wo den Leser erfreulicherweise schon die Ankündigung für den nächsten Band erwartet, sodass die Wartezeit nicht allzu lang werden dürfte. Bis auf kleine Unstimmigkeiten hat mir die Geschichte gut gefallen und so freue ich mich auf ein Wiedersehen mit Mercy & Co.

Veröffentlicht am 10.09.2017

Harter Tobak

Kukolka
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Samira wächst in den 90ern in einem ukrainischen Waisenhaus auf. Doch mit 7 Jahren flüchtet sie vor den herzlosen Erziehern, vor den grausamen anderen Kindern und versucht sich ins Land ihrer Träume durchzuschlagen: ...

Samira wächst in den 90ern in einem ukrainischen Waisenhaus auf. Doch mit 7 Jahren flüchtet sie vor den herzlosen Erziehern, vor den grausamen anderen Kindern und versucht sich ins Land ihrer Träume durchzuschlagen: Deutschland. Weiter als bis zum örtlichen Bahnhof kommt sie allerdings nicht, wo sie von Rocky aufgesammelt wird. Der betreibt ein lukratives „Business“: einen Kindertrupp zum Betteln und Stehlen schicken. Samira wird in die Truppe aufgenommen.

Lana Lux hat sich eine sehr ernste Thematik ausgesucht und verschont den Leser nicht: jede harte Grausamkeit, jede realistische Gewalttat, die ganze Härte, die Samiras Alltag bestimmt, werden schonungslos aufgezeigt. Die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund, entsprechend derb ist die Sprache, obwohl insgesamt recht einfach gehalten. Immer wieder muss man sich Samiras Alter vor Augen führen, sie wird (muss) verdammt schnell erwachsen werden. Es ist erstaunlich wie stark sie doch ist, was sie alles erträgt; und trotzdem schleicht sich irgendwann der Gedanke ein, warum sie als Kind ausbrechen konnte, als Teenager aber nicht mehr. Die psychische Abhängigkeit wird sehr glaubhaft dargestellt und gibt (wie eigentlich alle Aspekte des Buches) viel Stoff zum Nachdenken. An manchen Stellen hat mir die Autorin zu dick aufgetragen, insgesamt fand ich ihre Geschichte jedoch sehr überzeugend. Harter Tobak, gekonnt erzählt; der Leser wird gefordert und zumindest mit einem kleinen Hoffnungsschimmer belohnt. Ein toller Erstling!

Veröffentlicht am 24.08.2017

Aufschlussreich und gut geschrieben

Drogen
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Johann Hari hat sich in jahrelanger intensiver Recherche mit dem weltweiten Kampf gegen die Drogen befasst. Anhand sehr berührender Erzählungen greift er Einzelschicksale heraus, die verschiedenste Facetten ...

Johann Hari hat sich in jahrelanger intensiver Recherche mit dem weltweiten Kampf gegen die Drogen befasst. Anhand sehr berührender Erzählungen greift er Einzelschicksale heraus, die verschiedenste Facetten dieser Thematik beleuchten (sicherlich nicht alle, aber der britische Journalist bemüht sich um einen guten Überblick). Der kleine Drogendealer von der Straße kommt genauso zu Wort wie die mexikanische Familie, die in einer von Drogenkartellen beherrschten Stadt lebt. Diese Geschichten ergänzt Hari mit sehr gut aufbereiteten Fakten und wissenschaftlichen Hintergründen, liefert einen guten Überblick über aktuelle Studien zur Thematik und wirft auch einen Blick in die Vergangenheit. Er zeigt auch, dass das Denken vieler von eingeimpften Halbwahrheiten beherrscht wird, die wissenschaftlich inzwischen widerlegt wurden. Hari widmet einen Großteil seines Buches, um die Sinnlosigkeit des harten Drogenkrieges aufzuzeigen; und die neuen Wege, die einen anderen, menschenwürdigeren Umgang mit Süchtigen beschreiten. Anhand von praktischen Beispielen aus der Schweiz oder Urugay zeigt er, dass es geht. Entkriminalisierung und Legalisierung von Besitz und Konsum wird ebenso thematisiert, wie die Unverhältnismäßigkeit der Strafen, die einen z.B. in den USA erwarten können. Sprachlich wirkt dieses Buch oft weniger wie ein nüchternes Sachbuch, sondern eine Ansammlung von Erzählungen. Der Autor schreibt sehr flüssig und erschlägt einen nicht mit Zahlen und Daten, sondern bettet sie sinnvoll ein. Einzig den Aufbau fand ich manchmal etwas ungeschickt, gerade im ersten Drittel wirkten die einzelnen Kapitel noch etwas unlogisch strukturiert. Insgesamt hat mir dieses Buch jedoch sehr gut gefallen, es liefert neue Informationen und reichlich Denkanstöße.

Veröffentlicht am 12.07.2017

Nachdenklicher, düsterer Roman

Die Summe aller Möglichkeiten
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In einem französischen Touristenstädtchen an der Côte d‘Azur wird Antoine, der Spielemacher der örtlichen Fußballmannschaft bei seiner Arbeit auf dem Campingplatz zusammengeschlagen. Dieser Vorfall hat ...

In einem französischen Touristenstädtchen an der Côte d‘Azur wird Antoine, der Spielemacher der örtlichen Fußballmannschaft bei seiner Arbeit auf dem Campingplatz zusammengeschlagen. Dieser Vorfall hat Auswirkungen auf die Leben seiner Bekannten, Freunde und Feinde.

Olivier Adam hat mich mit seinem Roman fasziniert. Jedes Kapitel ist aus der Sicht einer anderen Person geschrieben, jedes Kapitel liefert neue Einblicke in das Geschehen. Egal ob es sich dabei um Personen handelt, die Antoine sehr nahestehen oder ob es zufällig ausgewählte Touristen sind: jeder ist irgendwie in das große Ganze verstrickt. Der Autor verwebt diese einzelnen Episoden sehr geschickt, nach anfänglichen Schwierigkeiten findet man sich als Leser schnell zurecht. Man erkennt, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat, denn quasi alle Figuren erleben gerade eine persönliche Krise, einen Schicksalsschlag. Somit ist der Ton meist eher düster und oft eher melancholisch. Die Unruhe und aufgewühlte Stimmung umrahmt der Autor mit einem Sturm, den er über das kleine Dorf ziehen lässt. Ein rundum gut durchdachter Plot. Sprachlich beschränkt sich Adam oft auf kurze Sätze, die umso prägnanter formuliert sind. Seine Szenarien wirken authentisch und geben eine ansprechenden Gesellschaftsstudie wider. Vom Stil her eher anspruchsvoll geschrieben, thematisch düster und nachdenklich machend, hat mich dieser Roman doch in der Summe sehr gut unterhalten.