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Veröffentlicht am 01.08.2017

Irrwitziger Ruhrgebietsroman mit viel Humor, Charme und skurrilen Typen

Kommando Schluckspecht
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Tim Feldmann hat, eigentlich ohne groß darüber nachzudenken, seine Stammkneipe, den Schluckspecht in Bottrop, übernommen und merkt nun, das es nicht immer von Vorteil ist, wenn der Wirt und seine besten ...

Tim Feldmann hat, eigentlich ohne groß darüber nachzudenken, seine Stammkneipe, den Schluckspecht in Bottrop, übernommen und merkt nun, das es nicht immer von Vorteil ist, wenn der Wirt und seine besten Freunde zugleich auch die besten Kunden sind. Die Konkurrenz, insbesondere das Barlokal Fit-and-Green in der innenstadt, macht ihm das Leben und das Erschließen neuer Kunden schwer.
Als seine Freundin Lisa dann auch noch ein lukratives Jobangebot aus München bekommt und von einem Umzug in den Süden spricht, muss schnellstens ein Plan her, um den Schluckspecht in eine Goldgrube zu verwandeln und den Umzug in den ungeliebten Süden noch zu verhindern.
Kommando Schluckspecht soll und muss die Wende bringen, produziert aber in erster Linie Chaos und Verderben.

Dem Autoren Tobias Keller ist mit seinem zweiten Buch ein Roman mit viel Humor und einer Menge Lokalkolorit gelungen, der mich auf ganzer Linie überzeugt hat.
Insbesondere die Bardame Jutta verkörpert hier den eher rauhen Charme des Ruhrgebietes auf besonders überzeugende Art und Weise, aber auch die anderen Figuren des Buches sind überzeugend gezeichnet und sorgen so für eine große Anzahl an skurrilen Typen im Buch, die allesamt ihren Anteil zum Gelingen der Geschichte beitragen.
Mit ganz viel Liebe zum Detail und einem flotten Schreibstil lässt der Autor diese Protagonisten nun von einer irrwitzigen Szene in die nächste stolpern und liefert so neben einer clever konstruierten Story auch noch jede Menge Situationskomik mit gekonnten Anspielungen auf aktuelle und vergangene Ereignisse und Modetrends.
Dabei baut er immer wieder überraschende Wendungen ein, die die Geschichte urplötzlich in eine völlig andere Richtung lenken, am Ende aber doch ein überzeugendes Gesamtbild liefern.

Nicht nur für Liebhaber des Ruhrgebietes im allgemeinen und des "Bottroper Bieres" im besonderen ist dieses Buch absolut zu empfehlen.

Veröffentlicht am 12.07.2017

Überzeugende und spannende Mischung aus Krimi und (Familien-) Drama

Endstation Nordsee
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Als Aenne Jannen erfährt, das man die Leiche ihres Vaters Erk in den Amrumer Dünen gefunden hat, zieht es ihr zunächst den Boden unter den Füßen weg. Gerade zu ihrem Vater hatte sie immer ein besonders ...

Als Aenne Jannen erfährt, das man die Leiche ihres Vaters Erk in den Amrumer Dünen gefunden hat, zieht es ihr zunächst den Boden unter den Füßen weg. Gerade zu ihrem Vater hatte sie immer ein besonders herzliches und inniges Verhältnis, während es zwischen ihr und der Mutter Luise doch regelmäßig Probleme gibt und es auch um die Ehe ihrer Eltern nicht zum besten stand. Als die Polizei bei ihren Ermittlungen nicht wirklich voran kommt, entschließt sich Aenne, die Suche nach dem Mörder selbst in die Hand zu nehmen. Die Spuren führen in die Vergangenheit ihrer Eltern und zu einem düsteren Familiengeheimnis, das seit Jahrzehnten gut gehütet wurde.

Ilka Dick legt bei ihrem Krimidebüt eine spannende Mischung aus einem klassischen Krimi und einem eher düsteren Familiendrama vor. Dabei verknüpft sie diese beiden Bestandteile geschickt zu einem überzeugenden Gesamtwerk, das mich voll und ganz begeistern konnte.

Neben einer gut konstruierten Geschichte mit einer absolut überraschenden Auflösung und einem packenden Schreibstil besticht das Buch in erster Linie durch seine überzeugend und glaubwürdig gezeichneten Charaktere, auch die Konflikte zwischen den Protagonisten werden sehr gut ausgearbeitet. Trotz aller Ecken und Kanten fiebert man sehr schnell mit den Figuren des Buches mit und folgt gespannt ihrer Geschichte.
Einen breiten Raum nimmt dabei die Trauerarbeit der Mitglieder und Freunde der Familie Jannen ein, es wird deutlich, wieviele unterschiedliche Möglichkeiten es gibt, mit dem Verlust eines geliebten Menschen umzugehen. Gerade diese Passagen verleihen dem Buch aber auch eine ungeheure Tiefe und hallen auch über das Ende der Geschichte noch lange nach.

Wenn das Debüt schon so überzeugend ausfällt, kann man auf das nächste Buch nur absolut gespannt sein.

Veröffentlicht am 22.06.2017

"Der weiße Brasilianer" packt aus - wunderbares Best Of der gleichnamigen 1Live - Radiokolumne

Ansgar Brinkmann: Wenn ich du wäre, wäre ich lieber ich
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Ansgar Brinkmann, der "weiße Brasilianer", gehörte zu den besonderen Spielertypen, die man im heutigen Fußball nur noch äußerst selten vorfindet. Wahrscheinlich hätte er in der heutigen Medienlandschaft ...

Ansgar Brinkmann, der "weiße Brasilianer", gehörte zu den besonderen Spielertypen, die man im heutigen Fußball nur noch äußerst selten vorfindet. Wahrscheinlich hätte er in der heutigen Medienlandschaft bzw. im Internetzeitalter, in dem sich jedes noch so unbedeutene Handyvideo rasent schnell verbreitet, auch überhaupt keine Chance mehr, sondern würde von den Fans und vor allem von den Medien so dermaßen vereinnahmt, das er seiner eigentlichen Leidenschaft gar nicht mehr vernünftig nachgehen könnte.

Ich hatte noch das große Glück, ihn des öfteren im Stadion bewundern zu dürfen, hauptsächlich während seiner Zeiten im Trikot von Preußen Münster, für die er insgesamt dreimal seine Fußballschuhe geschnürt hat. Ich weiß auch gar nicht mehr, wie oft ich dabei über Ansgar geschimpft oder sogar geflucht habe. Mindestens genauso oft konnte er mich aber auch mit besonderen Aktionen und Auftritten begeistern, weil es für ihn auch einfach kein Mittelmaß gab, sondern er ständig zwischen Genie und Wahnsinn gependelt ist. Diese Eigenschaft hat er sich auch über seine Spielerkarriere hinaus bewahrt, wie ich bei zahlreichen Veranstaltungen, bei denen ich ihn seither gesehen habe, feststellen konnte. Ansgar ist und bleibt ein Chaot, der manchmal schneller spricht als er denkt, als Mensch ist er aber zugleich wunderbar geerdet und kein bischen abgehoben.

Ansgar Brinkmann hat mal über sich selber gesagt, das er lieber 50 Länderspiele als 50 Anekdoten über sich hätte. Zu Länderspielen hat es für ihn nie gereicht (von kurzen, aber umso bemerkenswerteren Auftritten in der Bundeswehr-Nationalmannschaft mal abgesehen), und so sind von ihm in erster Linie seine Anekdoten geblieben.

Vor ca. 3 Jahren hat ihm nun der Sender 1Live eine eigene Radiokolumne angeboten, die sich seitdem einer immer größer werdenen Beliebtheit erfreut. Hier kann er nach Herzenslust seine Meinung zum aktuellen Fußballgeschehen zum besten geben und mit den zahlreichen Anekdoten und Geschichten aus seiner eigenen Zeit verknüpfen. Und wer Ansgar Brinkmann kennt, weiß, das er dabei kein Blatt vor den Mund nimmt, sondern Klartext spricht.
Sein kongenialer Partner ist dabei der Journalist Peter Schultz, dem hier die schwierige Aufgabe zufällt, den zuweilen etwas sprunghaften Gedankengängen von Ansgar etwas mehr Struktur zu geben.

In diesem Buch sind nun die besten Kolumnen aus 3 Jahren "Der weiße Brasilianer" zusammengestellt und mit zahlreichen Fotos versehen.
Gastbeiträge von ehemaligen Weggefährten, wie z.B. Lukas Podolski, Heribert Bruchhagen und Christoph Metzelder runden das Ganze noch wunderbar ab und sorgen so für ein perfektes Lesevergnügen für alle Freunde des runden Leders.

Veröffentlicht am 07.06.2017

Spannender Thriller um wahre Freundschaft und ihre Abgründe

Wo ist Jay
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Als die Tierärztin Mia Becker erfährt, das ihre beste Freundin Jay direkt nach einem gemeinsamen Mädels-Wochenende ihren Mann und ihre beiden Kinder verlassen haben soll und untergetaucht ist, zieht es ...

Als die Tierärztin Mia Becker erfährt, das ihre beste Freundin Jay direkt nach einem gemeinsamen Mädels-Wochenende ihren Mann und ihre beiden Kinder verlassen haben soll und untergetaucht ist, zieht es ihr zunächst den Boden unter den Füßen weg. Sie kann einfach nicht glauben, das Jay aus freien Stücken verschwunden ist und beginnt auf eigene Faust nach ihr zu suchen. Doch scheinbar lauern in ihrem bisher ach so harmonischen Freundeskreis überall nur Geheimnisse und Abgründe, so das Mia bald schon niemandem mehr trauen kann, nicht einmal ihrem Ehemann Leon.

Die Autorin Astrid Korten legt hier einen klassischen Psycho-Thriller vor, bei dem sich das Grauen zunächst langsam anschleicht, im weiteren Verlauf der Geschichte immer weiter steigert und schließlich in einem furiosen Showdown krachend entlädt. Der packende Schreibstil des Buches unterstützt diesen Spannungsaufbau auf vortreffliche Art und Weise.
Die Suche nach der verschwundenen Jay erleben wir komplett aus der Perspektive von Mia, können so hautnah an ihren Zweifeln und Ängsten teilhaben. Darüber hinaus werden in Rückblenden aus den immer wieder wechselnden Perspektiven der übrigen Mitglieder des Freundeskreises die letzten Tage vor Jays Verschwinden beleuchtet, dabei geraten die Fassaden der Protagonisten immer stärker ins Wanken, bis sie schließlich krachend einstürzen. Wie beim Häuten einer Zwiebel werden so nach und nach die einzelnen Schichten der Wahrheit abgetragen, bis dann endlich der erschreckende Kern der Geschichte komplett offenliegt.

Das die Geschichte des Buches nicht allein der Phantasie der Autorin entsprungen ist, sondern auf einem wahren Fall beruht, steigert den Schrecken des Buches am Ende noch einmal deutlich.

Ein aufwühlendes Buch mit einer Geschichte, die noch lange nachhallt und zum Nachdenken anregt

Veröffentlicht am 01.06.2017

Wenn Dich die Schatten der Vergangenheit einholen - spannender Thriller aus Österreich

Schatten
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Beatrice Kaspary und ihr Kollege Florin Wenninger vom Dezernat Leib und Leben der Salzburger Polizei werden zum Schauplatz eines brutalen Mordes gerufen, der für Beatrice gleich zwei Überraschungen bereithält. ...

Beatrice Kaspary und ihr Kollege Florin Wenninger vom Dezernat Leib und Leben der Salzburger Polizei werden zum Schauplatz eines brutalen Mordes gerufen, der für Beatrice gleich zwei Überraschungen bereithält. Zum einen kennt sie den Toten und hatte ihn nicht gerade in bester Erinnerung, zum anderen finden sich am Tatort Hinweise auf den lange zurückliegenden Mord an ihrer Freundin und Mitbewohnerin Evelyn Rieger, an deren Tod sich Beatrice seither schuldig fühlt. Als kurz darauf eine weitere Tote gefunden wird, mit der Beatrice ebenfalls schon einmal aneinandergeraten ist, wird ihr endgültig klar, das die Spur des Mörders in ihre eigene Vergangenheit zurückführt.

Mit diesem Thriller legt Ursula Poznanski bereits den vierten Fall mit Beatrice Kaspary und Florin Wenninger vor. Für mich war es das erste (und bestimmt nicht letzte) Buch der Reihe, der Einstieg ist mir dabei problemlos gelungen, auch ohne Vorkenntnisse findet man sich im nicht immer einfachen Beziehungsgeflecht der Ermittler gut zurecht.

Der Schreibstil ist ausgesprochen packend, der Spannungsbogen nahezu perfekt, er trägt über die gesamte Länge der Geschichte und überdeckt dabei auch die eine oder andere kleinere Schwäche des Buches. Beide Hauptcharaktere, vor allem aber Florin, bleiben am Anfang noch ein wenig blaß und unscharf, erst als nach ca. einem Drittel des Buches das Geschehen kippt und die beiden Ermittler in Situationen geraten, die sie bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit (und noch ein Stück darüber hinaus) führen, gewinnen sie deutlicher an Kontur, jetzt fiebert man als Leser endgültig mit ihnen mit und lässt sich mit jeder Seite tiefer in den Sog der Geschichte hineinziehen.

Ein Buch, das alles hat, was einen guten Thriller auszeichnet und mich bestens unterhalten konnte.