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Veröffentlicht am 03.01.2017

Auf den Spuren von Artful Dodger...

Annähernd Alex
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Seinem Online-Schwarm im echten Leben zu begegnen kann böse Überraschungen mit sich bringen. Was, wenn er ein Idiot ist? Oder ein Langweiler? Und dann gibt es da noch reichlich andere Möglichkeiten, wie ...

Seinem Online-Schwarm im echten Leben zu begegnen kann böse Überraschungen mit sich bringen. Was, wenn er ein Idiot ist? Oder ein Langweiler? Und dann gibt es da noch reichlich andere Möglichkeiten, wie wir wissen…
Bailey erzählt Alex aus dem Film-Forum deswegen erst mal nicht, dass sie in genau den kalifornischen Küstenort zieht, in dem er lebt. Sie erzählt ihm auch nicht von ihrem furchtbaren Ferienjob in der Touristenfalle von Museum, bei dem sie sich jeden Tag halb totschwitzt. Und erst recht erzählt sie im nichts von Porter. Surfwunder und Aufschneider zugleich.
Und während Bailey langsam in ihrem neuen Leben ankommt, dabei immer wieder Porter über den Weg läuft – der sich scheinbar darauf spezialisiert hat, sie immer wieder aus der Reserve zu locken – fasst sie den Entschluss Alex zu finden. Ganz nach ihrem Vorbild Artful Dodger, dem Meisterdieb aus Oliver Twist und ihrem persönlichen Leitsatz:

„Sorgt immer dafür, dass ihr die anderen als Erstes seht.“ (S. 9)

Sobald man die ersten Seiten von Annähernd Alex liest ist man zugleich inmitten der Handlung. Dies liegt an dem angenehmen und leichten Schreibstil der Autorin, der für einen Jugendroman absolut gelungen ist und darüber hinaus auch über eine Protagonistin verfügt, die mit einer gesunden Prise Humor ausgestattet ist.

Doch kommen wir zunächst zum Aufbau dieses Jugendbuches, der sich überaus interessant gestaltet.
Neben der eigentlichen Handlung (auf die ich natürlich gleich noch ausführlich eingehe), gibt es eingeschobene archivierte Chat-Verläufe von Bailey (als „Mink“), sowie ihrem Chat-Freund „Alex“ mit dem sie sich in einem Film-Forum über alte Filmklassiker austauscht.
Diese Verläufe sind kurz gehalten und überaus unterhaltsam zu lesen, da sie sich in die Handlung einfügen und je nachdem welche Veränderungen in Baileys Alltag auftreten – im Ton, in der Ehrlichkeit und in der Häufigkeit variieren.

Als Sahnehäubchen gibt es darüber hinaus zu jedem neu aufflammenden Kapitel ein Filmzitat. Diese Zitate sind bunt gemischt und entstammen aus älteren, als auch neueren Filmen, wie u.a. „Der unsichtbare Dritte“, „Der weiße Hai“ oder „Pitch Perfect“.
Hier hat man aber überwiegend zu bekannten Filmen gegriffen, weil gerade jüngere Leser nicht auf Anhieb wissen, wer Grace Kelly, Katherine Hepburn oder Cary Grant sind. Diese Schauspieler und deren Filme sind sicherlich für den ein oder anderen jungen Leser fremd.

Bailey hingegen kennt sie (fast) alle. Sie ist eine sympathische, aufgeweckte Protagonistin, deren Gedankengänge unterhaltsam zu verfolgen sind. Sie zieht zu ihrem Vater nach Kalifornien. Ihre Eltern leben getrennt. Doch anders als vielleicht bei anderen Jugendbüchern legt sie kein trotziges Verhalten an den Tag, sondern sie macht das Beste aus der Situation und freut sich für ihren Vater, der in Coronado Cove eine neue Heimat gefunden hat. Der liebevolle Umgang zwischen ihr und ihrem Vater und der daraus resultierenden lockere Schlagabtausch ist unterhaltsam zu verfolgen.
Ihr Vater war es auch, der ihr dabei geholfen hat einen Ferienjob im örtlichen Museum zu ergattern. Der Weg für einen Neuanfang ist somit geebnet…
An ihrem neuen Arbeitsplatz lernt sie Porter kennen, der es versteht sie mit seinen selbst entworfenen Vorurteilen aus der Reserve zu locken. Zu Beginn erscheint er dem Leser ein wenig unsympathisch, vielleicht sogar anstrengend, doch im Verlauf der Handlung lernt man in kennen und lieben. Lieblingsmomente zwischen den beiden sind absolut vorprogrammiert!

„Er ist eine Steckdose und ich bin ein dummes Kleinkind, das ständig darum herumschleicht und versucht, den Finger hineinzustecken.“ (S. 114)

Aber dieser Roman handelt nicht nur von einem Neuanfang in einer neuen Heimat oder den aufkeimenden Gefühlen zwischen ihr und Porter. Nein, es geht auch um die Verarbeitung einer weniger schönen Vergangenheit, um das Pflegen neuer Freundschaften und die Suche nach „Alex“, dem Chat-Freund.
Es bereitet pure Lesefreude Bailey in ihrem neuen Alltag zu begleiten, wie sie im Museum arbeitet und bei der Suche nach „Alex“ ihren neuen Wohnort entdeckt und dabei auch in das ein oder andere Fettnäpfchen tritt.?
Mir hat es Spaß bereitet Bailey dabei zu beobachten, wie sie plötzlich Dinge hinterfragt, die sie und ihren Umgang mit anderen Menschen, sowie ihre zurückhaltende Art betreffen und die aufgrund ihrer Vergangenheit eingetreten sind. Dieser Umschwung bei Bailey, dieses Kennenlernen von sich selbst, ist hier gelungen und nachvollziehbar aufbereitet. Und die leichten nachklingenden Töne am Ende einzelner Kapitel bringen vielleicht auch den ein oder anderen jugendlichen Leser zum grübeln.

Ich gebe diesem Jugendroman daher sehr gerne 4,5 Papierblumen. Natürlich ist die Geschichte leicht vorhersehbar und der Ausgang wohlmöglich auch absehbar, aber Annähernd Alex verfügt dabei über Humor, Gefühl und Ehrlichkeit, sowie zugleich realistisch eingefangene Momente, die mich durch ihren liebevollen und malerischen Schreibstil sehr gut unterhalten haben und mich das schlechte Wetter vergessen haben lassen. Es ist ein sommerlicher Roman, der sich im Winter lesen lässt, wenn man diesem entkommen möchte und im Sommer genießen lässt, wenn man am Strand oder auf Balkonien liegt. Von mir gibt es daher eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 27.09.2016

Vermissen, vergessen und die Sehnsucht nach Sichtbarkeit

The Girls
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Kalifornien, 1969. Evie Boyd ist vierzehn und sehnt sich danach, „gesehen“ zu werden – aber weder ihre frisch geschiedenen Eltern, noch ihre einzige Freundin beachten sie. Dann, an einem endlosen Sommertag, ...

Kalifornien, 1969. Evie Boyd ist vierzehn und sehnt sich danach, „gesehen“ zu werden – aber weder ihre frisch geschiedenen Eltern, noch ihre einzige Freundin beachten sie. Dann, an einem endlosen Sommertag, begegnet sie einer Gruppe von Mädchen. Junge Frauen, die nicht von dieser Welt scheinen. Ihr lautes, freies Lachen. Das Haar lang und ungekämmt, die ausgefransten Kleider.
Evie gerät in den Bann der älteren Suzanne und folgt ihr auf die Ranch tief in den Hügeln gelegen, fernab von ihrer eigenen Welt, in den Kreis von Russell – ein Typ wie Charles Manson.
Weihrauch und Gitarrenklänge. Gerüchte von Sex und wilden Partys, einzelne die von zu Hause ausgerissen sind.
Evie gibt sich der Vision grenzenloser Liebe hin und merkt nicht, wie der Moment naht, der ihr Leben für immer zerstören könnte.

Evie ist im zarten Alter von vierzehn Jahren, als sie den Mädchen von Russells Ranch in einem Park begegnet. Sie sind anders als alle anderen. Erregen die Aufmerksamkeit der Parkbesucher und erzielen damit genau das, was sich Evie, ein noch naives Mädchen, das sich mit den typischen Fragen und Problemen ihres Alters konfrontiert sieht, mehr als alles andere wünscht: gesehen und beachtet zu werden.

„Ich wollte diese Welt ohne Ende.“ (S. 122)

Sie ist unglücklich. Ihre Eltern haben sich getrennt und sind dementsprechend mit sich und ihrem Leben beschäftigt. Der Auszug ihres Vaters hat in ihr ein Gefühl des ‚verlassen werden‘ hervorgerufen und ihre Mutter stürzt sich jede Woche in eine neue Beziehung. Es mangelt an elterlicher Liebe, Zuneigung und Aufmerksamkeit. Evie verfällt, auf ihrer Suche nach Geborgenheit, in unerwiderte Schwärmereien und entfernt sich dabei gleichzeitig von ihrer besten Freundin.
Sie sucht sich selbst und begegnet dabei Suzanne und den anderen Mädchen auf der Ranch.
Es dauert nicht lange und Evie wird von der dortigen Lebensweise umhüllt, wie von einem warmen Mantel. Suzanne zieht sie in ihren Bann. Russell und seine Vorstellung von einer Liebe, die aus jedem Winkel des Lebens strömt, sowie dem Bild einer großen Familie, ist genau das, was sich Evie in dieser Lebensphase wünscht.

Erzählt wird der Moment der ersten Begegnung durch einen atmosphärisch dichten Erzählstil, der mich ab dem ersten gelesenen Satz nicht mehr loslassen wollte. Alleine die beschriebene Szene im Park ist mit einer derartigen Spannung aufgeladen, die auf mich zugleich bedrohlich, als auch fesselnd eingewirkt hat.
Ebenso, wie Evie von den Mädchen in ihren Bann gezogen wird, konnte Emma Cline mich mit ihrem Buch verführen. Es wollte mich nicht mehr loslassen und bis zur letzten Seite war es für mich spannend Evies Schicksal zu verfolgen.

Im Verlauf der Handlung werden zwei Ebenen miteinander vermischt.
Die Gegenwart erzählt von Evie, als eine gezeichnete Frau im mittleren Alter, die mit den Erlebnissen ihrer Vergangenheit keineswegs abgeschlossen hat. Stattdessen wird sie von von ihren Erinnerungen noch immer verfolgt. Sie will vergessen, doch gleichzeitig existiert in ihr auch ein Gefühl des ‚Vermissen‘. Eine Sehnsucht, nach dem Jahr 1969. Eine Sehsucht nach der Vergangenheit. Evie Boyd ist gealtert, sie hat kein Geld. Das Erbe ihrer Großmutter ist längst aufgebraucht und in diesem Zustand ist sie in dem Ferienhaus ihres alten Freundes untergekommen.

In der Nacht wird sie von einem Geräusch geweckt. Angst überkommt sie, sowie die Erinnerung an eine längst vergangene Nacht. Es gibt parallele Rückblenden, die sich mit der Gegenwart vermischen. Hierdurch entsteht ein Spannungsaufbau, der überaus gelungen ist.
Was ist in dieser Nacht passiert? Das bleibt dem Leser teilweise verborgen, man kann es nur erahnen, doch diese Frage begleitet einen durch den gesamten Roman.

Mir hat es gefallen, wie Evie immer wieder in die Erinnerungen ihrer Vergangenheit abdriftet. Man bekommt beim Lesen ein Gespür dafür, warum sich die Vierzehnjährige auf der Ranch geborgen fühlt und bekommt gleichzeitig mit, wie sie verblendet die Realität ausblendet, bis zum späteren Erwachen…

Außerdem hat mir der klare Blick der Autorin auf die Handlung gefallen. Ihr glasklarer Erzählstil, der mich so manches Mal an einen giftigen Pfeil erinnert hat und mich dementsprechend schmerzhaft erwischen konnte. Es ist wirklich toll, wie einige Abschnitte ausklingen und wie man teilweise auch zwischen den Zeilen lesen muss. Zudem lebt das Buch von seinen klaren Bildern, die beim Lesen entstehen.

„Die Welt mästet sie mit der Verheißung von Liebe. Wie dringend sie sie brauchen, und wie wenig die meisten von ihnen je bekommen werden. Die klebrig süßen Popsongs […]. Dann werden ihnen die Träume mit brutaler Kraft weggenommen; die Hand, die an den Knöpfen der Jeans zerrt, dass niemand hinsieht, wenn der Mann im Bus seine Freundin anbrüllt.“ (S.151)

An manchen Stellen wirkt der Schreibstil vielleicht sogar überladen, verkitscht und zu gewollt. Mir allerdings hat der Stil von Emma Cline dennoch sehr gut gefallen.

„Lasuren von buntem Licht, mein Gesicht ins Gespenstische spielend und erblassend, während ich mich durch den künstlichen Tag klickte.“ (S. 69)

Zwischenzeitlich hat der Roman aber auch seine Längen. Insbesondere auf den ersten Seiten ist dies der Fall. Es sind ungefähr vierzig Seiten, die Evies familiäre Verhältnisse betreffen. Ihre Sehnsucht nach elterlicher Liebe und die familiären Verhältnisse sind zeitweise ermüdend.

Dennoch haben mich die drauffolgenden und auch die ersten Seiten gepackt und mich gleichzeitig fasziniert, mit welchem klaren Blick hier die Gefühle einer Vierzehnjägiren beschrieben werden. Sätze, wie „Die einzigen Teenager im Städtchen schienen sich auf grausig provinzielle Arten selbst umzubringen.“ (S. 14) erzeugen beim Lesen Gänsehautmomente.
Evie Boyd ist von ihrer Vergangenheit gezeichnet. Man spürt in jedem Augenblick ihre gleichzeitige Überlegenheit, dass sie mehr über das Leben weiß, als alle anderen und ebenso will sie dieses Wissen am liebsten abschütteln.

Zusammenfassend sei gesagt, dass dieses Buch die Meinungen verständlich spaltet. Mir hat es gut gefallen und es konnte mich auch durch seine eindringliche Art begeistern. „The Girls“ hat mich in seinen Bann gezogen und bis zur letzten Seite nicht loslassen wollen.
Es sei aber auch gesagt, dass es hier im Wesentlichen um die Geschichte und die Psyche eines vierzehnjährigen Mädchens geht, sowie um ihr späteres Ich und den Umgang mit der Vergangenheit. Einen vertieften Einblick in ein Hippie-Kommune, in den Verstand von Russell und seine Absichten darf man jedoch nicht erwarten. Hier liegt keineswegs der Kern der Betrachtung und für mich war dies auch keine Notwendigkeit. Stattdessen geht es um ein Mädchen, welches sichtbar werden möchte und dabei in einen Strudel gerät, den sie nicht hat kommen sehen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

ZEROLANDIA – Der Ort der Stille, des Schweigens und der Zuflucht

Der Regen in deinem Zimmer
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ZEROLANDIA, so nennt Alessandra die Welt, in die sie flieht… Es ist ihr neuer Platz, die letzte Bank in ihrer alten Klasse, neben dem schweigsamen Gabriele, genannt Zero.
Alessandra, 17 Jahre jung, hat ...

ZEROLANDIA, so nennt Alessandra die Welt, in die sie flieht… Es ist ihr neuer Platz, die letzte Bank in ihrer alten Klasse, neben dem schweigsamen Gabriele, genannt Zero.
Alessandra, 17 Jahre jung, hat ihre Mutter an den Krebs verloren und gemeinsam mit ihrer Großmutter Nonna bleibt sie zurück. Ihre Welt scheint von nun an still zu stehen.
Wütend gegen das Leben, das einfach so weitergeht, verbannt sie sich selbst nach Zerolandia. Der ideale Ort, um sich die Welt vom Leib zu halten und ungestört den zärtlich – schmerzhaften Erinnerungen an ihrer Mutter nachzuhängen.
Doch dann, ganz allmählich, bricht das Eis in diesem aus Raum und Zeit gefallenen Niemandsland, und zwischen den beiden selbsternannten Außenseitern entsteht eine ebenso behutsame wie unmögliche Liebe.

Der Titel "Der Regen in Deinem Zimmer", der sich auf eine besondere Stelle im Buch bezieht, ist für die deutsche Ausgabe sehr passend gewählt worden (Originaltitel: Il mio Inferno a Zerolandia). Ein wirklich schöner Buchtitel, der die dargelegten Emotionen im Roman mit fünf Worten passend einfängt.

Der Roman wird aus der Sicht von Alessandra erzählt und lässt sich als eine Art von gesammelten Tagebucheinträgen verstehen.
Er besteht zum einen aus Rückblenden, Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit der Mutter. Momenten des Glücks, aber auch Situationen und Ereignisse, die weniger schön sind und verdeutlichen, welches Loch in Alessandras Leben zurückgeblieben ist, seit der Krebs ihre Mutter mit sich genommen hat. Diese kurzen Kapitel sind mit Überschriften, wie „Zwei Regenbögen“/„In deinen Augen“ versehen. In diesen Abschnitten spricht Alessandra ihre Mutter persönlich an und damit entsteht eine besondere Nähe gegenüber dem Leser, die ich sehr gelungen fand und die mich persönlich sehr berührt hat.

„Du hättest ihm gesagt, dass du den Winter magst, und dir die Stadt an diesen ganz besonderen kalten Abenden zeichnen lassen, wenn sich die Lichter auf dem regennassen Asphalt spiegeln.“ (S. 44)

Auf der anderen Seite wirft man einen Blick auf die Gegenwart. Hier wird Alessandra mal verletzlich und schwach dargestellt, aber auch widerstandsfähig und stark. Was hier veranschaulicht wird, ist der Versuch eines Mädchens, das mit dem Verlust der Mutter zurecktkommen muss. Sie muss dabei das Vertrauen zum Leben zurückerlangen und Gefühle die sie einst hatte, in sich selbst wiederfinden.

Die Beschreibungen der Gegenwart sind durch das jeweilige Datum des Tages gekennzeichnet und erstrecken sich über eine Zeitraum von einigen Monaten (27. September bis 7. August).
Der Aufbau aus Vergangenheit und Gegenwart, sorgt dafür, dass die Seiten nur so vorübergleiten. Ich war am Ende traurig, dass es vorüber war und dennoch war ich gleichsam auch zufrieden.

Der Roman ist durch zwei zentrale Teile miteinander verwoben. Da hätten wir auf der einen Seite den Verlust der Mutter und auf der anderen die Beziehung von Alessandra zu Zero. Doch dieser letzte Teil übernimmt niemals die Oberhand.
Hierbei muss ich betonen, dass der Roman überhaupt nicht in eine triefend kitschige Liebesgeschichte mündet, sondern ganz im Gegenteil, es entsteht eine sehr authentische Geschichte, über zwei Menschen, die Versuchen im Leben ihren Platz zu finden und dabei nichts einfach so zugeworfen bekommen, sondern kämpfen müssen. Mit sich selbst, dem Leben und dem Glück.

„Ein Roman über die Ängste zweier zu früh vom Leben Verletzter – intensiv, unmittelbar und seltsam tröstlich zugleich.“ – LA REPUBLICA

Ich kann diese Buch jedem ans Herz legen, der gerne Bücher liest, die viel Gefühl beinhalten und einen auch ein wenig melancholisch werden lassen. Leser, die gezeigt bekommen wollen, was wirklich im Leben zählt und darüber hinaus eine wirklich atemberaubenden Schreibstil erfahren möchten!
Dieses Buch hat mich wirklich umgehauen und es wurde niemals kitschig und wirkte auch niemals übertrieben. Nein, dieser Roman beinhaltet so viel Ehrlichkeit und Gefühl, wie ich es aus nur sehr wenigen Büchern bisher erfahren habe!
Und dies liegt sicherlich auch am Scheibstil der Autorin, den ich abgöttisch zu lieben gelernt habe. Da es sich um eine italienische Autorin handelt, müssen wir hier aber auch der Übersetzerin danken, die hier einen tollen Job gemacht hat.
Es wurde niemals etwas beschönigt und vielleicht wurde ich deshalb auch das ein oder andere mal richtig im Herzen getroffen…Auf jeden Fall hat mich Der Regen in deinem Zimmer zum nachdenken angeregt, und mir wohl ein klein wenig die Augen geöffnet…

Veröffentlicht am 12.07.2017

Una mujer por una mujer. Eine Frau für eine Frau.

Paper Swan - Ich will dich nicht lieben
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Als Skye Sedgewick im stickigen Kofferraum eines fahrenden Autos aufwacht, rechnet sie mit ihrem sicheren Tod. Doch ihr Entführer lässt sie am Leben und verschleppt Skye stattdessen auf ein kleines Boot, ...

Als Skye Sedgewick im stickigen Kofferraum eines fahrenden Autos aufwacht, rechnet sie mit ihrem sicheren Tod. Doch ihr Entführer lässt sie am Leben und verschleppt Skye stattdessen auf ein kleines Boot, wo er sie mehrere Wochen gefangen hält.
Auf hoher See und ohne Ziel hat Skye bald alle Hoffnung verloren, dass man sie findet und befreit. Und mit jedem anbrechenden Tag sehnt sie sich mehr nach Erlösung. Sie kann an nichts anderes mehr denken, als an ihren bevorstehenden Tod – und an Esteban, den wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Als Kinder waren sie einst unzertrennlich, bis Esteban von einem Tag auf den anderen einfach aus ihrem Leben verschwand.
Skyes sehnlichster Wunsch war es, ihn eines Tages wiederzusehen, doch diese Hoffnung stirbt mit jedem Blick in die eiskalten Augen ihres Entführers. Bis Skye erkennt, dass sie sich in diesen Augen schon einmal verloren und ihr Entführer sie nicht zufällig ausgewählt hat…

Der Roman ist in insgesamt fünf Teile aufgeteilt. Diese Teile bestehen aus einzelnen Unterkapiteln und werden aus insgesamt drei verschiedenen Blickwinkeln erzählt, wobei es hier einen Er-/Sie- Erzähler gibt.
Da hätten wir einmal die Sicht auf Skye, die sich in den Händen eines Entführers befindet. Außerdem gibt es einen Blick in die Vergangenheit, wo wir mehr von dem kleinen Jungen Esteban erfahren, der einst mit Skye befreundet war. Zuletzt gibt es dann noch einen Blick auf Damian, den Entführer von Skye.

Durch diese unterschiedlichen Blickwinkel bekommt man eine sehr gute Sicht auf die Handlungszusammenhänge und die Gefühlswelt der Protagonisten. Der Roman lässt einen dadurch tief in das Geschehen eintauchen und einfühlen. Man lernt die Charaktere verstehen und kann sehr gut mit ihnen mitfühlen.

Was die sprachliche Gestaltung betrifft, konnte mich dieser Roman von Leylah Attar durchaus überzeugen. Er hat mir einen relativ guten Einstieg ermöglicht, wobei einige Begriffe, wie u.a. „Kaleidoskop“, „Seidengeorgette“ und „kolportieren“ sich negativ auf den Lesefluss ausgewirkt haben. Derartige Wörter wirken manchmal schwerfällig.
Dennoch hat mir der (an einigen Stellen) schwermütige, fast sehnsuchtsvoll wirkende Stil sehr gut gefallen.

„[…] da sah ich zum ersten Mal seine Augen. Sie waren dunkel. Schwarz. Aber eine Art von Schwarz, wie ich es nie zuvor gesehen hatte. Schwarz stand für sich allein. Es kannte keine Abstufungen. Schwarz war absolut und undurchdringlich. Es absorbierte sämtliche Farben. Wenn man in die Schwärze hinabstürzte, verschluckte sie einen ganz. Dennoch war dies hier eine andere Art von Schwarz. Schwarzes Eis und glühende Kohle. Brunnenwasser und Wüstennacht.“ (pos. 373)

Dieser Schreibstil besitzt eine fast schon schwärmerische Art, wirkt dabei manchmal aber auch zu sehr gewollt. Mir persönlich gefallen derartige Umschreibungen und habe daher auch immer wieder Stellen im Text markiert. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass diese Stellen für den ein oder anderen Leser erdrückend erscheinen.
Zudem besteht hierdurch die Gefahr, dass sich die Story an derartigen Stellen verfängt. Doch hier kann ich beruhigen… nach einem solchen Absatz, findet die Autorin immer wieder in die Handlung zurück.

Zu Beginn findet man sich sofort in der besagten Entführungssituation wieder. Hier fiebert man natürlich mit und möchte wissen, was als nächstes passiert. Was hat der Entführer mit Skye vor? Warum hat er sich für sie entschieden? Wird sie ihm entkommen können? Hier war der Roman mit Spannung aufgeladen und ich (die kaum zu einem Thriller greift), war gefesselt von der Situation und den Zusammenhängen, die sich langsam entknoten.

Mit dem zweiten Teil, der einen Rückblick in die Vergangenheit beinhaltet, bin ich jedoch in ein kleines Loch gefallen, was den Spannungsbogen betrifft. Natürlich habe ich geahnt, dass eben dieser Teil zum Verständnis der Entführung beiträgt, doch ich wollte in diesem Moment wissen, was sich weiterhin in der Gegenwart ereignet.
Nach einigen Seiten hat mich jedoch der gegebene Handlungsstrang, der aus der Kindheit von Skye und Esteban erzählt, um den Finger gewickelt und mich die Entführung beinahe vergessen lassen.

Die Charaktere sind mir ans Herz gewachsen. Da hätten wir einmal Skye. Sie ist eine junge Frau aus einem reichen Elternhaus, die von ihrem Vater immer geliebt, beschützt und verwöhnt wurde. Zu Anfang erschien sie mir ziemlich verzogen und ja, manchmal auch unsympathisch. Aber sie findet sich selbst wieder, wirkt bodenständiger und wird wieder zu dem Mädchen von früher, welches mit Esteban durchs Haus läuft und sich über seine Origami – Tierchen freut. Nichts ahnend, in welchen dunklen Machenschaften ihr Vater verstrickt ist.
Esteban, der Sohn von Skyes „Nanny“ (MaMaLu genannt), bekommt dies jedoch schon bald schmerzhaft zu spüren und muss einen hohen Preis zahlen.
Die Wege der Kinder trennen sich. Missverständnisse führen zu Rachegedanken. Der hierdurch entstehende Strudel hat mich mitfiebern und mitleiden lassen. Der Handlungsverlauf und die Frage danach, wie die Vergangenheit sich auf die Gegenwart ausgewirkt hat, hat mich an die Geschichte gefesselt und die wurde für mich dadurch zu einem wirklichen Pageturner, trotz kleineren Einbrüchen.

„Soll ich dir sagen, was wir sind, Skye?“
„Wir sind der Sand, der noch nicht fortgespült wurde.“ (pos. 2921)

Darüber hinaus hat mir die Atmosphäre gefallen. Zum einem spielt die Geschichte teilweise in Mexiko. Hierdurch fallen auch immer wieder spanische Begriffe, die jedoch kein sprachliches Vorwissen voraussetzen. Dies verleiht dem Roman aber seinen besonderen Charme.
Zudem bekommt man einen Blick auf die Armut des Landes und die Mafia Strukturen. In einem solchen Maße, dass man nachvollziehen kann, wie schnell man sich in einem solchen Strudel wiederfindet, in dem Erpressung, Gewalt und taktisches Schweigen an der Tagesordnung sind.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mich dieser Roman – der eine gefühlvolle Liebesgeschichte mit Thriller Elementen beinhaltet – gut unterhalten hat. Er blieb bis zuletzt spannend.
Die Liebesgeschichte besitzt eine Tiefe, die hier keineswegs auf das Stockholm-Syndrom [*Opfer fühlt sich zum Entführer hingezogen] abzielt.
Zwar war das ein oder andere vorhersehbar, doch die Handlung konnte mich in entscheidenden Momenten auch überraschen, berühren und mitfühlen lassen.
Meiner Meinung nach ist „Paper Swan“ ein gelungener Roman, mit einem ansprechenden Handlungsverlauf für spannende und auch romantische Lesestunden.

Veröffentlicht am 12.07.2017

Hallo Weltall, hier ist meine Visitenkarte

Das Gegenteil von Einsamkeit
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Wenige Tage nach ihrem Yale-Abschluss starb Marina Keegan mit nur 22 Jahren bei einem Autounfall. Sie war ein Ausnahmetalent, das der Welt brillante Texte voller Lebenslust hinterließ. Selbstbewusst und ...

Wenige Tage nach ihrem Yale-Abschluss starb Marina Keegan mit nur 22 Jahren bei einem Autounfall. Sie war ein Ausnahmetalent, das der Welt brillante Texte voller Lebenslust hinterließ. Selbstbewusst und authentisch schrieb sie über Themen, die sie wie auch viele andere junge Erwachsene beschäftigten: Liebe, Lust, Eifersucht, Selbstzweifel, Geborgenheit, Ablenkung, Familie und Zukunft.
Marina Keegans Stories und Essays feiern den Moment, begeistern durch ihre Hoffnung, sind rhythmisch und klangvoll, melancholisch und geistreich.

Dieses Buch ist ein buntes Sammelsurium an Stories und Essays, die sich in ihrer Thematik voneinander unterscheiden, aber auch eine Gemeinsamkeit haben: sie bringen einen zum nachdenken und genau das ist es, worauf Marina Keegans Texte abzielen.
Sie lassen uns innehalten, unruhig werden, Fragen stellen und inspirieren uns vielleicht sogar dazu die Welt nicht nur oberflächlich zu betrachten, sondern als einen Ort, wo Menschen lieben, zerbrechen und Träume haben.
Und am Ende? Läuft das Leben anders, als wie in unserer Vorstellung ausgemalt. Wichtig dabei ist, dass wir uns vergegenwärtigen, dass es nie zu spät ist etwas zu ändern.

„[…] wenn wir aufgeben und ausgehen, schleicht sich so ein Gefühl in unser kollektives Bewusstsein, dass es irgendwie zu spät ist. Dass uns andere irgendwie voraus sind. Vollkommener, spezialisierter sind. Mehr auf dem Weg, irgendwie die Welt zu retten, etwas zu schaffen, zu erfinden oder zu verbessern. Dass es schon zu spät ist, noch mal ganz von vorne anzufangen […]. Wir dürfen nicht vergessen, dass uns immer noch alles offensteht. Wir können es uns anders überlegen.“ (S. 29 f.)

Das paradoxe daran: mir ging genau dieser Gedanke durch den Kopf, als ich die ersten Seiten dieses Buches gelesen habe. Marina Keegan erschien mir als wäre sie mir voraus, sie die Vollkommene, die auf dem Weg ist die Welt alleine mit ihren Worten zu verbessern. Und ja, sie hat recht. Wir sehen andere Personen (ob in den Medien oder in unserem unmittelbaren Umfeld) und fragen uns, warum schaffen sie es so AKTIV zu sein?
Am Ende ist es doch ein ewiger, nie endender Kreislauf. Denn auch diese Personen haben jenen Gedankengang. Wir sollten unsere Zeit nicht damit vergeuden darüber nachzudenken „wie es sein könnte“ oder „was andere haben“. Wir sollten uns Ziele setzten und unseren Vorbildern folgen – etwas zu tun. Und nicht stehenbleiben und andere dabei beobachten, wie sie laufen und laufen und laufen, sondern selbst dort vorne sein. Und haben wir dass getan, dann können wir später auf unser Leben blicken und Stolz sein, als trübselig über unsere vergeudete Zeit zu trauern.

Aber kommen wir von der Grundessenz zum Aufbau des Buches. Es besteht aus drei Teilen…

Zu Anfang gibt es eine bündige Einleitung von Anne Fadiman, die einst Marina Keegans Dozentin in Yale war. Sie gewährt uns eine Einblick in ihre Erinnerungen an Marina, wie sie war, was sie wollte und was sie antrieb. Man darf Marina und ihren Charakter durch die Augen einer anderen Person kennenlernen und bekommt dadurch vielleicht auch einen andere Blick auf die nachstehenden Texte.

Es folgt ihre Abschlussrede von Yale, die den Titel „Das Gegenteil von Einsamkeit“ trägt und im Titel des Buches aufgegriffen wurde. Sie erinnert den ein oder anderen sicherlich an manch einen amerikanischen Film, wenn am Ende die obligatorische Rede gehalten wird und die Absolventenkappen durch die Luft fliegen…

„Bewegen wir etwas in der Welt.“ (S. 31)

Umso trauriger liest sich natürlich dieser Text, mit dem Blick auf das Schicksal der Rednerin, die kaum Zeit hatte, etwas in der Welt zu bewegen. Aber mit diesem Buch hat sie (wie von ihr gewünscht) ihre Fußabdrücke hinterlassen.

Es folgen insgesamt 9 Stories mit unterschiedlichen Themen:

Kalte Idylle. Diese Kurzgeschichte hat mir am Besten gefallen. Sie handelt von einer jungen Studentin, die über den Tod ihres Kommilitonen trauert. Sie haben sich gemocht, doch dass was zwischen ihnen war, wagten sie noch nicht zu bezeichnen. Hier geht es um Schmerz, Trauer, Wut und ein Tagebuch, welches die Wahrheit offenbart. Man leidet mit Claire und wird von dem eindringlichen melodischen Schreibstil vereinnahmt. Hier wird nichts romantisiert oder beschönigt.

Winterferien. Eine Studentin ist frisch und glücklich verliebt. Sie genießt die gemeinsame Zeit mit ihrem Freund, doch sieht gleichzeitig auch den Verfall ihrer Familie beobachtet, verdrängt und sieht dennoch in welches Unglück sich Liebe verrennen kann.

Vorlesen. Diese Stories hat mich kurzzeitig an „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink erinnert. Eine ältere Frau, die in ihrer Ehe unglücklich ist, liest einem blinden jungen Mann vor und entdeckt dabei ihre Lust und Leidenschaft wieder. Diese Kurzgeschichte hat mir weniger gut gefallen, vielleicht weil sie in einem starken Kontrast zu den zwei vorherigen Stories steht.

Die Naive. Ein Paar, welche sich aufgrund der Ferne auseinandergelebt hat. Stoisch, frustriertes Verhalten führt zu einer Abneigung und ein Spiel offenbart eine Lüge und den wahren Charakter der Person, die man dachte zu kennen. Auch diese Geschichte hat mir gut gefallen, auch wenn das Ende bei mir Fragen aufgeworfen hat.

Des Weiteren gibt es eine Kurzgeschichte, die allein aus E-Mails aufgebaut ist und ein aktuelles Thema aufgreift. Auch eine weihnachtliche Kurzgeschichte ist vorhanden.

Marina Keegan schafft es die Gefühle ihrer Charaktere auf den Leser zu übertragen und das ist wirklich eine Kunst. Schließlich sind die Geschichten immer nur wenige Seiten lang. Ich war beim lesen traurig, müde, frustriert, verwirrt und berührt.
Zwar hat mich nicht jede der Stories zu 100% überzeugen können, aber ich wurde gut unterhalten und wenn man die Einleitung im Hinterkopf behält, weiß man, dass die Autorin selbst sicherlich noch den ein oder anderen Satz verändert hätte…

Zuletzt folgen 8 Essays, die von …

der Liebe zum ersten Auto (super unterhaltsam und amüsant zu lesen!)
gestrandete Wale und unsere Empfindungen dabei
Glutenunverträglichkeit und daraus resultierenden Einschränkungen
unserer Erde, Planeten und der Raumfahrt
einem Kammerjäger den die Gesellschaft braucht, aber meidet
die vermehrten Anwerbung von Studenten in den Consulting- und Finanzsektor
dem Fremdsein in der Ferne
der Sehnsucht danach, seine Fußspuren zu hinterlassen

… handeln.

Man kann dieses Buch häppchenweise genießen oder (wie ich) an nur einem Tag verschlingen. Mir hat diese Sammlung von unterschiedlichen Texten gut gefallen und ich habe mich machmal in meinen „Kreatives Schreiben“-Kurs an der Uni zurückversetzt gefühlt.
Natürlich kann nicht jede Store überzeugen, denn die Autorin war noch jung, stand am Anfang ihrer literarischen Karriere. Doch ihre eindringliche Erzählerstimme und die dadurch entstehenden Bilder haben mich von Anfang an erreicht und das gesamte Buch hat mich auch zum nachdenken gebracht.