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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.11.2022

Gut recherchiert und spannend erzählt

Der eiserne Herzog
6

Guilhem muss sich Zeit seines Lebens alles erkämpfen, vom Herzogtum der Normandie bis hin zum Herz seiner Geliebten. Und als König Eadweard von England ihn zu seinem Nachfolger bestimmt, beginnt sich ein ...

Guilhem muss sich Zeit seines Lebens alles erkämpfen, vom Herzogtum der Normandie bis hin zum Herz seiner Geliebten. Und als König Eadweard von England ihn zu seinem Nachfolger bestimmt, beginnt sich ein Konflikt mit Harold Godwinson, Bruder der Königin Englands, um den ihm versprochenen Thron abzuzeichnen.
Positiv überrascht hat mich der ungewöhnliche Gebrauch der historischen Namen. Auch hat der Autor geschickt das Problem der dreifachen „Edith“ gelöst, indem er für jede der Frauen eine alte Namensvariante verwendet. Da es sich hier um meinen ersten Roman aus der Feder von Ulf Schiewe handelt, war mir sein angenehm lebhafter Schreibstil zuvor unbekannt. Besonders gut hat mir gefallen, wie beiläufig-authentisch historische Alltagsdetails in die bildlichen Beschreibungen einflossen und mit hervorragender Recherche und überzeugender Fiktion ein stimmiges Gesamtbild schufen.
Auch die Figuren überzeugen, sie sind mehrschichtig und überwiegend sympathisch, verfügen dennoch über menschliche Schwächen. Wie bei einer griechischen Tragödie sind es jene negativen Eigenschaften (oder sind es Eigenschaften, die erst durch ihr Übermaß negativ werden?) die nach und nach die Schlinge enger ziehen und auf einen schier unlösbaren Konflikt zusteuern.
Alles in allem ein fesselnder historischer Roman um die Ereignisse und Personen, die zur Schlacht von Hastings führten; ideal für alle Fans von Ulf Schiewe und die, die es werden wollen.

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  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 23.11.2022

Suchtpotenzial: Komplexe Fantasy mit arabischem Setting

Die Stadt aus Messing
0

Mit Lug, Betrug und dem einen oder anderen Gelegenheitsdiebstahl hält sich Nahri im Kairo des 18. Jahrhunderts über Wasser. Niemand ist überraschter als sie selbst, als sie bei einem Ritual einen Daeva-Krieger ...

Mit Lug, Betrug und dem einen oder anderen Gelegenheitsdiebstahl hält sich Nahri im Kairo des 18. Jahrhunderts über Wasser. Niemand ist überraschter als sie selbst, als sie bei einem Ritual einen Daeva-Krieger beschwört und in einen jahrhundertealten Konflikt gerät. In der Stadt aus Messing soll sie Schutz finden, doch die Stadt ist alles andere als sicher: Alter Hass und neue Gerüchte brodeln und werden notdürftig durch die harte Hand des Königs im Zaum gehalten.
Über die Perspektiven Nahris, der Fremden, und Alis, des jüngeren Königssohns, erhält der Leser zwei verschiedene Blickrichtungen auf das Geschehen in und um Daevabad. Aufgrund der komplexen sozialen und politischen Strukturen handelt es sich hierbei um keinen Roman, den man „mal nebenbei“ lesen kann bzw. sollte.
Die Handlung zeichnet sich durch ein Wechselspiel aus Action und Politik aus, Loyalität und List, Verrat und Vorurteile, Geheimnisse und Geschichte. Sowohl die Figuren als auch die einzelnen Gruppierungen sind glaubwürdig, authentisch und vielschichtig. Besonders gut hat mir gefallen, dass es kein simples „Gut vs. Böse“ gibt, vielmehr wird in moralischen Grauzonen agiert. Die Figuren werden in hohem Maße gegeneinander ausgespielt, wobei es nicht immer eindeutig ist, wer an wessen Fäden zieht.
Chakraborty ist ein Roman gelungen, der ohne sackenden Mittelteil von Anfang bis Ende hochspannend ist und zugleich mit fantastischen, lebendigen Beschreibungen und einer magischen Atmosphäre überzeugt.
Alles in allem ein wundervolles Fantasy-Lesehighlight.

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Veröffentlicht am 28.10.2022

Über die blutig-faszinierenden Anfänge der plastischen Chirurgie

Der Horror der frühen Chirurgie
0

Der zweite medizinhistorische Roman von Lindsey Fitzharris erzählt von der Geburtsstunde der modernen Schönheitschirurgie: während des 1. Weltkrieges entstanden Gesichtsverletzungen in nie dagewesenen ...

Der zweite medizinhistorische Roman von Lindsey Fitzharris erzählt von der Geburtsstunde der modernen Schönheitschirurgie: während des 1. Weltkrieges entstanden Gesichtsverletzungen in nie dagewesenen Mengen, und während andere Soldaten nach Ende des Krieges in die Gesellschaft zurückkehren konnten, wurden als die Gueules cassées nicht selten als Ausgestoßene behandelt. So hatten sie beispielsweise in Frankreich zunächst keinen Anspruch auf Kriegsversehrten-Unterstützung.
Harold Gillies, HNO-Arzt, wurde in dieser Stunde Vater der plastischen Chirurgie. Spannend und auf sehr bildliche Weise werden die schrecklichen Verwundungen und die Heilungsbemühungen beschrieben. Dabei wird das Schlaglicht nicht nur auf Gillies, sondern auch auf mehrere Zeitgenossen gerichtet, die sich ebenfalls bemühten, das Leid der Gesichtsverletzten zu mindern. Neben Ärzten werden auch künstlerisch tätige Persönlichkeiten vorgestellt, die mittels Masken eine Rückkehr in die Gesellschaft ermöglichten.
Ganz konkret sind die medizinischen Grenzen, Möglichkeiten und Methoden der Zeit hervorragend recherchiert. Vorgänge und Eingriffe werden verständlich beschrieben. Hier ein Beispiel:
„Zuerst deckte er das rohe Fleisch im Wundbereich mit Hauttransplantaten ab, um die Atemwege zu schützen. Dann entnahm er [dem Patienten] Rippenknorpel und schnitt ihn in Form einer Pfeilspitze, um ihn später als Stütze für die Nasenflügel zu verwenden. Dann implantierte er das Knorpelstück unterhalb des Haaransatzes in [seine] Stirn, wo es sechs Monate verblieb.“ (S. 135f.)
Ich gestehe, dass ich vorher nie darüber nachgedacht habe, wie schwierig Gesichtsoperationen damals aufgrund der gängigen Anästhesie durch Gase war.
Beim Lesen habe ich ab und an gedacht, dass die erwähnten Abbildungen der Endresultate der Operationen Gillies interessant wären. Allerdings ist eine wissenschaftliche Veröffentlichung von Harold Gillies online zugänglich und Fitzharris hat vermutlich Recht daran getan auf eine Wiedergabe der Bilder zu verzichten und so einen sachlichen Ton und respektvollen Umgang mit den betroffenen Männern aufrecht gehalten.
Alles in allem empfehle ich diesen Roman allen Lesern, die an medizinischen Dingen Interesse haben und drastisch-detaillierte Beschreibungen verkraften.

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Veröffentlicht am 30.09.2022

Unterhaltsame Regency Romanze

Eine Braut für Admiral Worsley
0

Eine Braut für Admiral Worsley von Emily Alveston ist der zweite Band der Lost in Regency Reihe, kann aber auch ohne Vorkenntnisse des ersten Bandes gelesen und genossen werden.
Als junge Witwe und Mutter ...

Eine Braut für Admiral Worsley von Emily Alveston ist der zweite Band der Lost in Regency Reihe, kann aber auch ohne Vorkenntnisse des ersten Bandes gelesen und genossen werden.
Als junge Witwe und Mutter ist Melina eine ungewöhnliche Protagonistin für einen Regency Roman. Selbstbewusst und aufrichtig ist sie eine sympathische und durchsetzungsfähige Figur, ihr Anecken mit Admiral Worsley ist amüsant zu verfolgen und die sich entwickelnde Beziehung fühlt sich authentisch an. Neben den erinnerungswürdigen Dialogen sind es vor allem die Charaktere, die mir nach Beenden des Romans im Gedächtnis geblieben sind: Haupt- und Nebenfiguren sind vielschichtig und glaubwürdig geschrieben, ihre Handlungen nachvollziehbar motiviert.
Neben überraschenden, spannungsgeladenen Ereignissen gibt es ruhigere Momente zum Durchatmen, wodurch keine Lesemüdigkeit aufkommt.
Gerüchte, Intrigen und die Regeln der Höflichkeit spielen eine große Rolle, dabei zeigt sich auch die vortreffliche Recherche der Autorin um den historischen Bewegungsraum der Figuren.
Alles in allem kann ich diesen gelungenen Roman an alle Fans des Genres weiterempfehlen!

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Veröffentlicht am 31.08.2022

Vielschichtiger historischer Familienroman

Das Tor zur Welt: Träume
0

Ava hat nichts: arm und hartarbeitend träumt wie so viele andere Auswanderer von dem Amerika der unendlichen Möglichkeiten.
Claire hat alles: als schöne Tochter wohlhabender Eltern sollte ihr die Welt ...

Ava hat nichts: arm und hartarbeitend träumt wie so viele andere Auswanderer von dem Amerika der unendlichen Möglichkeiten.
Claire hat alles: als schöne Tochter wohlhabender Eltern sollte ihr die Welt zu Füßen liegen. Doch unglücklich mit dem strikten Leben der Oberschicht und voller Wut eckt sie mehr und mehr an.
Die zutiefst unterschiedlichen Protagonistinnen sind (wie auch die anderen auftretenden Charaktere, aus deren Perspektive zuweilen erzählt wird) facettenreich und überzeugend dargestellt. Trotz Claires Arrogant gelingt es der Autorin, sie sympathisch zu gestalten.
Auf der Handlungsebene begegnet uns ein interessantes Gebilde aus Verknüpfungen und Interaktionen der Figuren. Aktionen haben teils absehbare, teils überraschende Konsequenzen. Parallel zu der Haupthandlung erschließt sich ein weiter zurückliegendes Ereignis, dass die Gegenwart stark beeinflusst, sich allerdings erst im zweiten Band voll entfalten wird. Einen einzelnen, simplen Handlungsstrang, den ich hier nennen könnte, gibt es in diesem Buch nicht. Man könnte es allenfalls als die Bemühungen Avas und Claires, ihren Platz in der Welt zu finden, beschreiben. Am Rande: Die Beiden begegnen einander später in der Handlung, als man beim ersten Lesen des Klappentextes vermutet.
Der Schreibstil ist detailliert und anschaulich, gleichzeitig flüssig, sodass man perfekt in die Atmosphäre versinken kann.
Was soll ich noch sagen? Das hier ist eines der Bücher, nach deren Beenden man sofort den Erscheinungstermin des nächsten Bandes der zweiteiligen Serie googelt (18.10.22).
Alles in allem war dieser Roman anders als erwartet, will sagen: deutlich besser, mit mehr Tiefe und psychologischen Ausarbeitungen. Unbedingte Leseempfehlung!

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