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Veröffentlicht am 11.05.2018

Eine ganz besondere Superheldin

Pinella Propella
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Pernilla zieht alleine in die kleine Stadt am großen See, denn ihre Eltern sind Urwaldforscher, aber für das Mädchen wird es Zeit zur Schule zu gehen. Das eigentlich interessante an Pernilla ist aber, ...

Pernilla zieht alleine in die kleine Stadt am großen See, denn ihre Eltern sind Urwaldforscher, aber für das Mädchen wird es Zeit zur Schule zu gehen. Das eigentlich interessante an Pernilla ist aber, dass sie fliegen kann. Diese Tatsache lässt sie dann auch allerlei Abenteuer bestehen und sogar zur Superheldin werden.
Ein Mädchen, das fliegen kann und zur Heldin wird, ist doch genau das richtige. Nicht nur für meine Nudel, sondern auch für die Jungs, die zum Glück Protagonistinnen genauso annehmen wie ihre männlichen Pendants. Gerade die Kopplung von einer Protagonistin und dem eigentlich „männlich“ dominierten Superhelden-Thema fand ich von Anfang an sehr interessant.
Ich muss sagen, dass mich der Anfang doch leicht an ein anderes kleines Mädchen erinnert hat, dass alleine in einer kunterbunten Villa lebt und ebenfalls eine besondere Fähigkeit hat (sie ist superstark). Pernillas Eltern sind keine Südseekönige, arbeiten aber im Urwald (in dem es laut dem Buch keine Schulen gibt). Pernilla schläft nicht etwa mit den Füßen auf dem Kopfkissen, sondern in einem Mirabellenbaum. Ja, Parallelen sind auf jeden Fall da.
Auf der anderen Seite ist Pernilla wesentlich kindlicher. Sie liebt die Honigbrote ihrer Nachbarin und hütet sich vor Holunderbeersaft. Pernillas Gegner sind nicht etwa Erwachsene oder Regeln (an die hält sie sich artig), sondern zugleich ernstere, zugleich vielleicht auch wichtigere Themen wie Mobbing, Einsamkeit, Freundschaft. Das hat mich wieder sehr mit dem Buch versöhnt, das zwar ein Schema zum Aufbau der Geschichte nutzt (das ja auch bestens funktioniert), aber dann wesentlich weiter geht.

Veröffentlicht am 26.02.2018

romantische Fantasy mit Zugeständnissen

Tochter des dunklen Waldes
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Lilah lebt bei ihrem Onkel und ihrer Tante in einem kleinen Dorf, das großen Wohlstand kennt. Die Ernten sind immer überdurchschnittlich ertragreich, es gibt keine großen Probleme. Eigentlich könnte alles ...

Lilah lebt bei ihrem Onkel und ihrer Tante in einem kleinen Dorf, das großen Wohlstand kennt. Die Ernten sind immer überdurchschnittlich ertragreich, es gibt keine großen Probleme. Eigentlich könnte alles perfekt sein. Wäre da nicht der Morgenwald, der direkt an das Dorf grenzt und verbotenes Terrain ist. Eine große Gefahr haust dort, wer hineingeht, kommt nicht mehr hinaus. Trotzdem wird Lilah vom Wald angezogen und träumt davon, was hinter ihm liegen könnte. Die Entscheidung fällt, als eine Frauenleiche mit seltsamen Zeichnungen am Körper gefunden wird und Dorean, ein Erntearbeiter, mit dem Lilah mehr verbindet, als sie zugeben will, verschwindet.
Am Anfang des Romans steht eine alte Legende, die das Geheimnis des Morgenwaldes umrankt. Später wird klar, wie stark dieser Mythos abgewandelt wurde und warum. Das hat dem Ganzen eine gewisse Rundung gegeben und mir gut gefallen. Lilah wird im Wald auf ein Geheimnis gestoßen, dessen Teil sie ist. Es entstehen zwei Welten, ohne dass sie tatsächlich voneinander abgeschnitten werden.
Der Schreibstil ist sehr angenehm, märchenhaft, aber nicht zu kitschig. Lilah ist sehr emotional und in sich gekehrt, was mir gut gefallen hat. Auf der anderen Seite ist sie auch hochnaiv. Sie kennt viele Annehmlichkeiten, entscheidet impulsiv und wirkt dabei sehr kindlich auf mich. Auch mit ihrer neuen Situation im Wald liegt sie nicht im Disput, sondern fühlt sich sofort wohl, was ich schade fand. Etwas mehr innere Zerrissenheit aus ihr selbst heraus, hätte mir gefallen. Die wird leider nur durch Dorean erzeugt, dessen Rolle im Roman entscheidend wie fragwürdig ist. Die ganze Liebesgeschichte zwischen den beiden war zwar schön beschrieben, emotional und greifbar, gleichzeitig von Anfang an überschattet. Hier fand ich die Zugeständnisse persönlich zu groß.
Tochter des dunklen Waldes liest sich sehr angenehm. Der Plot hat für mich persönlich Schwächen und mit der Protagonistin wurde ich nicht ganz warm. Insgesamt ist der Roman ein gutes Buch mit fantastischem und romantischem Anspruch.

Veröffentlicht am 27.11.2017

Auergewöhnliche Perspektive

Ginny Moon hat einen Plan
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Für Ginny Moon vielleicht undenkbar, so eine Bauchentscheidung. Sie ist vierzehn und lebt bei Pflegeeltern. Dort geht es ihr gut, sie besucht eine Klasse für Kinder mit besonderen Bedürfnissen, denn Ginny ...

Für Ginny Moon vielleicht undenkbar, so eine Bauchentscheidung. Sie ist vierzehn und lebt bei Pflegeeltern. Dort geht es ihr gut, sie besucht eine Klasse für Kinder mit besonderen Bedürfnissen, denn Ginny ist nicht, wie viele andere. Es wird im Roman nie genau bezeichnet, doch ich würde als Laie sagen, dass Ginny Autistin ist. Zum Frühstück braucht sie genau neun Trauben, ein Tagesablauf funktioniert nur, wenn sie eine Plan hat. Ginny versteh alles wortwörtlich und nimmt ihre Umgebung auf spezielle Art und Weise war. Als Ich-Erzählerin ist das sehr faszinierend, weil ich immer wieder überlege, was Ginny aus meiner Perspektive gerade erlebt und wie sie alles versteht. Das erweitert ungemein mein Blickfeld und lässt mich generell über meine Wahrnehmung nachdenken.
Doch das allein ist natürlich nicht der Clou der Geschichte, es bildet allerdings den Rahmen, denn ein anderes Kind hätte vollkommen unterschiedlich reagiert und vor allem kommuniziert. Ginny wird bald eine große Schwester, denn ihre Herzensmutter ist schwanger. Doch eigentlich will Ginny nur ihre Babypuppe, die noch bei ihrer Mutter sein muss. Das Bewusstsein, für diese Babypuppe sorgen zu müssen, ist so umfassend, dass es Ginnys einziger Gedanke wird. Jeder ihre Schritte zielt darauf ab. Was für mich als Leserin relativ einfach zu verstehen war, wird im Roman als großes Geheimnis aufgebauscht. Aus einem einzigen Grund: Die Erwachsenen hören Ginny nicht richtig zu. Das macht es für mich plausibel und zeigt gleichzeitig, wie kategorisierend gerade die Pflegeeltern und die Psychiaterin von Ginny sind. Für sie ist Ginnys Wahrnehmung verfälscht, darum glauben sie ihr lange nicht.
Auch danach hadere ich als Leserin vor allem mit diesen Erwachsenenfiguren. Weil ein Problem erkannt, aber abgetan wird. Weil Ginny ausgeklammert wird. Aus ihrer Perspektive auf eine ganz andere Weise, als aus meiner. Doch gerade das ist für sie ausschlaggebend. Sie fasst einen Plan, der mehrere Leben nachhaltig beeinflusst. Schnell wird dem Leser klar, dass Ginny dabei in mehrfacher Hinsicht ein Dreh- und Angelpunkt ist, aber durchweg unterschätzt wird. So, dass es mir fast etwas zu viel wurde. Überforderte Mutter, überforderte Pflegeeltern, überforderte Psychiaterin und die Frage, die mich irgendwann umtrieb, wer denn entscheidet, welche Überforderung ok, und welche es nicht ist. Der Roman versucht da tiefschichtig zu werden, Fehler auf vielen Seiten zu zeigen und lässt mich rätselnd zurück. Rätselnd, weil das Buch gut ist, faszinierend und bewegend.
Und jetzt kommt das große Aber. Denn Ginnys Selbstdefinition als eine „Mutter“ wird nicht kompensiert und in neue Bahnen gelenkt, sondern übertragen. Der tiefe Grundsatz des Romans ist, dass Mütter „gut“ zu sein haben – nicht, dass es leicht ist, eine gute Mutter zu sein (das rechne ich dem Roman hoch an). Dennoch scheint es gerade für Ginny der Lebenszweck geworden zu sein, eine Rolle als Mutterfigur anzunehmen. Dass ihre Pflegemutter nach der Geburt des Babys zu einer Glucke mutiert, die das Baby ständig von Ginny fernhält, finde ich dabei auch schwierig.

Veröffentlicht am 14.11.2017

Blogstil mit Beigeschmack

Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne
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Um trügerische Werbung, Unsicherheiten, die am laufenden Band produziert werden und eine Menge Humor geht es. Jeden Tag wird uns Werbung gezeigt, wir können es gar nicht verhindern, in den Frauen vor allem ...

Um trügerische Werbung, Unsicherheiten, die am laufenden Band produziert werden und eine Menge Humor geht es. Jeden Tag wird uns Werbung gezeigt, wir können es gar nicht verhindern, in den Frauen vor allem eines sind: wunderschön. Ob in der Zeitung, dem Plakat, dem Fernsehen, wo wir hinschauen flacher Bauch, glatte Beine, reine Haut, etc. Die Liste ist endlos, damit will ich nicht anfangen. Ein spritziger, witziger Kommentar in Buchform ist da gern gesehen, am liebsten richtig bissig.
Und ja, das schafft Corinne Luca. Ob Schlankheitswahn oder das perfekte Lächeln, die Handtasche der Frau, das böse Altern oder das, was Frauen in der Werbung nie sein wollen: Single, sie geht die Themen durch, die aufregen, idiotische Vorstellungen in jedem Kopf wecken und jede Frau, selbst Models (denn Bilder sind ja retuschiert und Schönheit ein Marktwert) unter Druck setzten. In amüsantem Plauderton und einem ironischen Touch, so wie so ein Buch sein darf. Etwas frech, ein Augenrollen gegen die Zustände in der Welt, hin und wieder zum Lachen.
Jedes einzelne Teilkapitel liest sich nicht als Teil eines großen Ganzen, sondern wie viele kleine Blogartikel, die zusammengesetzt wurden. Der flippige Einstieg, die fokussierte Ausarbeitung, das persönliche Resümee am Schluss. Ich hatte nicht das Gefühl, ein Buch in der Hand zu halten, sondern eher ein Heft, viele kleine Artikel in zwei Buchdeckel gedrückt. Für Zwischendurch wunderbar, zum „Runterlesen“ leider nicht geeignet.
Hier muss ich anmerken, dass die einzelnen Teile gut recherchiert und mit Quellen belegt sind. Eine gute, fundierte Arbeitsweise, die die Kompetenz der Autorin deutlich macht. Leider, und da kommen wir zu meinem zweiten Kritikpunkt, der nicht so leicht zu erklären ist, ist die Medienkritik, die hier kommen soll, eine, die immer wieder abgeschwächt wird.
Ich war anfangs noch irritiert, dann genervt und am Ende fast schon böse. Da kommt dieses Buch, dass die vielen vielen furchtbaren Schönheitsideale aufgreift und enttarnt – und baut sie am Ende wieder auf. Auch die Autorin habe mit Sport wenig anfangen können, bis sie eine Möglichkeit gefunden hat, ihn doch für sich zu entdecken. Das beispielsweise sagt zwei Dinge aus: man muss nur die Richtige Art von Sport entdecken und Sport ist wichtig für die Figur. Moment. Figur? Steckt da etwa die leichte Intention dahinter, dass doch alle Frauen schlank sein wollen und sollen?
Und wesentlich früher, als es um Gesichtsstraffung geht, wird es noch kurioser. Die Autorin zeigt (zurecht) den Irrsinn, dass Hollywood Frauen nie in Rollen, die zu ihrem tatsächliche Alter passen, setzt, sie aber gleichzeitig öffentlich kritisiert werden, wenn sie sich liften lassen. Soweit so gut. Statt klar zu machen, dass wir durch eben jenen Hollywood- (und andere haben sich den längst abgeschaut, von Bildbearbeitung ganz zu schweigen) Trick Frauen ohne Behandlungen als alt, und hier in diesem Buch ist das mit verbraucht, ausgemustert, hässlich gleichgesetzt, verstehen, suggeriert es, dass wir Schönheits-OPs doch bitte als „normal“ akzeptieren sollen.
Kurz gesagt: Ich hatte oft das Gefühl, die Texte drehen sich vordergründlich um den Irrsinn der Schönheitsideale in den Medien, nur um immer wieder ein großes Aber einzuwerfen. Das Aber, dass jede Frau schön sein will (aus sich selbst heraus) und Schönheit so wichtig ist. Und ja, das hatte ich irgendwie doch erwartet. Dass es nicht nur um: ‚Hier wird uns das vorgemacht‘ geht, sondern auch mehr um das Problem dahinter, statt die leichte Suggestion, dass wir doch einfach einen Weg finden sollen, mitzumachen.

Veröffentlicht am 14.07.2017

Gute Idee, Umsetzung etwas platt

Durch Nacht und Wind (Goethe und Schiller ermitteln)
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Geheimrat Goethe und sein Freund Schiller werden vom Großherzog N. herbeigerufen. Der besitzt einen mysteriösen Ring, auf dem ein Fluch liegen soll. Ehe Goethe sich wirklich damit befassen kann, stirbt ...

Geheimrat Goethe und sein Freund Schiller werden vom Großherzog N. herbeigerufen. Der besitzt einen mysteriösen Ring, auf dem ein Fluch liegen soll. Ehe Goethe sich wirklich damit befassen kann, stirbt der Großherzog unter mysteriösen Umständen. Und das bleibt nicht die einzige Leiche. Professor Kranigk will den Ring zerstören, doch auch das hält das Unglück nicht auf. Plötzlich sind Goethe und Schiller Jäger und Gejagte zugleich. Schnell wird klar, dass nichts ist, wie es scheint und Goethe zwar manchmal mehr weiß, als er sagt, aber noch öfter nichts sagt, um den Eindruck zu erwecken, mehr zu wissen.
Ich habe den Roman weniger wegen der kriminalistischen Handlung, denn seiner Protagonisten gelesen. Schiller als Erzähler ist teilweise naiv, aber immer staunend und nachdenklich. Goethe wird als rechter Detektiv gezeigt. Die Symbolik zu Sherlock Holmes und Doktor Watson ist überwältigend. Die stilistischen Parallelen und die Ausarbeitung der Figuren erinnern sofort an dieses Ermittler-Duo. Der besonnenere Schiller und Goethe, der immer einen Schritt voraus sein will.
Dazu trägt auch das Flair bei, denn der Autor auch durch den Sprachduktus erreicht. Sey, Bey, Thür sind relativ kleine Abwandlungen der gewohnten Rechtschreibung, die sofort einen historischen Kontext vermitteln. Auch Wortwahl und Umfeld werden authentisch gestaltet. Beispielsweise die Dauer der Kutschfahrten zwischen den verschiedenen Stationen, das chemische Wissen der Zeit. Und natürlich die Nähe Goethes zum Theater. Hier zeigt sich, dass beim Germanistikstudium durchaus etwas hängengeblieben ist.
Mehr als Krimi ist das Buch vor allem dadurch Komödie, Satire, Persiflage. Dem in Deutschland so hoch verehrten Geheimrat – in Germanistenkreisen ungebrochen DER Autor schlechthin – wird auch detektivisches Talent angedichtet. Wie sehr Goethe dabei auf seinen Ruf, sein Erscheinen bedacht ist – im Grunde also immer selbst Theater spielt – wird überdeutlich. Er ist nicht zu fassen, erst recht nicht von Schiller, dem Erzähler. Der wirkt wie ein Spielball. Goethe ruft und Schiller eilt.
So nah das an der historischen Vorlage sein mag, so oft habe ich mich gefragt, ob der Autor nicht zu fokussiert auf dem Krimi ist. Zwar werden manche Details angedeutet wie Schillers schlechter Gesundheitszustand und Goethes Krach mit Charlotte von Stein, doch immer nur zwischendurch und so, dass es wohl nur Leuten mit Vorkenntnissen auffällt. So werden Goethe und Schiller fast schon zu Karikaturen. Natürlich verstärkt das den humoristischen Effekt des Buches. Ich finde es aber schade, dass der Roman hier durch Tiefe verliert. Davon hat er ohnehin nicht so viel.
Durch Nacht und Wind (übrigens eine Anspielung an die erste Strophe des Erlkönigs) ist weder ein feinsinniger Kriminalroman, noch eine historische Adaption. Es soll lustig sein. Nicht zuletzt deswegen verhaspelt es sich auch im Endkampf etwas. Viele Spitzen werden aufgestellt und es macht Spaß beim Lesen. Der richtige Clou hat mir allerdings gefehlt. Dafür war es mir dann doch in vielen Ebenen zu platt.