Seit dem 24. Februar 2022 tobt ein Angriffskrieg der russischen Armee gegen die Ukraine. Ein Krieg, der laut Wladimir Putin nur eine „Spezialoperation“ sein soll. Ein Krieg, den sich der Herr im Kreml anders vorgestellt hat.
Dieser verbotene Bericht des ehemaligen Soldaten und Kriegsteilnehmers Pawel Filjatjew zeigt das Menschen verachtende Regime Putins. Ohne Rücksicht auf Verluste werden schlecht bis gar nicht ausgerüstete Soldaten, die kaum eine ordentliche Ausbildung erhalten haben, ohne Verpflegung und Nachschub mit veraltetem schlecht funktionierenden Kriegsgerät in den Krieg geschickt.
Schonungslos berichtet Pawel Filatjew wie er stündlich mehr an der russischen Armeeführung zweifelt. Als Sohn eines Soldaten ist er in militärischem Umfeld aufgewachsen, war selbst Soldat, später dann Pferdezüchter und ist während der Corona-Pandemie aus finanziellen Gründen wieder zum Militär gegangen. Er kennt also den Unterschied des Heeres aus den früheren Jahren und dem aktuellen Zustand.
Filatjew erzählt als erster Soldat der russischen Armee, was er bei seinem Einsatz in der Ukraine erlebt hat. Dieses Buch zeigt plastisch, warum die russische Armee, in der Vetternwirtschaft und Korruption vorherrschen, so schlecht funktioniert. Wir Leser erfahren, dass die Soldaten über Ziel und Zweck ihres Einsatzes völlig im Unklaren gelassen worden sind.
Der Autor berichtet, dass die Soldaten den versprochenen Sold nicht erhalten, dass Verwundete nicht ausreichend medizinisch versorgt werden und die einzelnen Kommandierenden oftmals nicht wüssten, was als nächstes oder überhaupt zu tun sei. Eine Standardfloskel, der das Chaos durchaus gut um- und beschreibt lautet: „Die/wir haben sicher einen Plan“. Dieser Satz ist mehrmals zu lesen, jedes Mal zynischer.
Meine Meinung:
Für Nicht-Militaristen ist dieses Buch nicht ganz einfach zu lesen. Es wimmelt von militärischen Abkürzungen wie EPa, Javelin etc. und Bezeichnungen von russischen (Kriegs)Gerät (AGS-17, UAZ, KAMAZ etc.), das mühsam im Internet recherchiert werden muss. Manches erschließt sich durch aufmerksames Lesen aus dem Text, aber ein Abkürzungsverzeichnis wäre sehr hilfreich.
Ein bisschen mehr Struktur hätte diesem sehr subjektiven Bericht nicht geschadet. Es gibt häufige Zeitsprünge und Ortswechsel. Aber, vielleicht ist das auch ein Stilmittel, um sich die chaotischen Wochen von der Seele zu schreiben.
Dennoch kann ich mir es nicht verkneifen, die eine oder andere Aussage in Zweifel zu ziehen. So sollen die hungernden und schlecht ausgerüsteten russischen Soldaten „nur“ Verpflegung aus den zerstörten ukrainischen Geschäften gestohlen haben. Dass gefangengenommen, weil spionierende, Zivilisten nach halbherzigen Befragungen wieder unbehelligt entlassen worden sind, scheint mir ein wenig unwahrscheinlich.
Auch dass er straflos das Gewehr und den Stahlhelm verliert, kann ich mir kaum vorstellen. Gut, das Gewehr findet sich wieder, aber der Helm? Keine Sanktionen?
Fazit:
Es erfordert Mut, sich aus dem Chaos zu verabschieden und die subjektiven Erlebnisse überhaupt niederzuschreiben. Dafür muss man dem Autor Respekt zollen.
Trotzdem bleibt bei mir ein gewisses Unbehagen, was diesen Bericht betrifft. Die jahrelange Indoktrination lässt sich nicht schönreden. Gerne gebe ich hier 3 Sterne.