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Veröffentlicht am 14.07.2017

Fulminater Auftakt der Sturmzeiten Trilogie

Geschrieben im Wind
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Die Sturmzeiten Tetralogie wurde im Mai 2017 vom Francke Verlag neu verlegt und ich finde die neuen Cover sehen richtig toll aus und passen auch sehr gut zusammen.

Im ersten Teil "Geschrieben im Wind" ...

Die Sturmzeiten Tetralogie wurde im Mai 2017 vom Francke Verlag neu verlegt und ich finde die neuen Cover sehen richtig toll aus und passen auch sehr gut zusammen.

Im ersten Teil "Geschrieben im Wind" machen wir die Bekanntschaft der Familie des mächtigen Zeitungsmoguls Keagan Hayes, welcher als irischer Einwanderer in die Staaten kam. Er arbeitete sich zur Nummer Eins in Kalifornien hoch, doch trotz seines Erfolges ist er ein verbitterter und herzloser Mann: ein Tyrann. Sein Wunsch nach einem Sohn wurde ihm nie erfüllt und so hat er seinen drei Töchtern einfach Jungennamen gegeben: Cameron, Blair und Jackie. Das Versagen keinen männlichen Erben vorzeigen zu können, lässt er nicht nur seinen Töchtern, sondern auch seiner eher stillen Ehefrau Cecilia spüren, die sich Stärke im Glauben holt.
Die drei Schwestern könnten unterschiedlicher nicht sein. Cameron, die Älteste, tritt in die Fußstapfen des Vaters und ihre Liebe gehört ebenfalls dem Journalismus. Als ihr Vater ihr immer weniger Anerkennung in der Firma zukommen lässt und ihr Steine in den Weg legt, verlässt sie die väterliche Firma und geht zu Keagans größten Konkurrenten. Dort erhält sie endlich die erhoffte Chance als Auslandskorrespondentin zuerst nach Europa und dann nach Russland zu gehen und direkt von den Kriegsschauplätzen zu berichten. Denn es ist das Jahr 1941 und die Deutschen stehen vor Moskaus Türen....
Blair hingegen möchte Schauspielerin werden und kämpft genauso verbissen für ein bisschen Anerkennung ihres Vaters wie Cameron und Jackie. Dabei gerät sie aber immer tiefer in den Sumpf Hollywoods und die große Schauspielkarriere bleibt aus. Als sie schließlich in einer Bar als Nachtclubsängerin landet und sich ihr Vater ebenfalls von ihr lossagt, verfällt sie immer mehr dem Alkohol...
Jackie ist die Ruhigste der Schwestern und studiert noch. Sie ist sehr gläubig und setzt sich für andere Menschen ein. So hilft sie auch Blair immer wieder aus der Patsche und freundet sich mit ihrem Mitstudenten Sam, einem Amerikaner mit japanischen Wurzeln, an. Wer etwas von der Geschichte Amerikas während des Zweiten Weltkrieges kennt, weiß was diese Freundschaft bedeutet....

Diese Tetralogie hat mich bereits mit dem ersten Band, der in der Zeit von Februar bis Dezember 1941 spielt, "eingefangen". Das Leben der Familie Hayes und diese abgrundtiefe Kälte des Vaters gegenüber seines eigen Fleisch und Blut hat mich zutiefst berührt. "Kotzbrocken" ist noch ein viel zu harmloses Wort für diesen herzlosen Tyrann, der seine Familie nach und nach von sich stößt.
Obwohl die Geschichte von allen Familienmitgliedern erzählt, steht Cameron in diesem Band im Mittelpunkt. Sie ist dem Vater noch am ähnlichsten und leidet doch am allermeisten. Durch die fehlende Anerkennung und Liebe hat auch sie eine Mauer um ihr Herz aufgebaut und geht keine tiefe Beziehung zu Männer ein. Mit ihrem Kollegen Johnny verbindet sie aber eine tiefe Freundschaft. Ihre Liebe zu Russland entstand durch die einzige Zeit, die sie ihrem Vater ein klein bisschen näher gebracht hat, als er selbst in Russland als Journalist tätig war und Cameron ab und zu mitgenommen hat.
Vom Weltkrieg ist zu diesem Zeitpunkt in den Staaten kaum etwas zu bemerken. Das Leben der Amerikaner geht noch den gewohnten Lauf. Nur die Medien rücken die Geschnisse ins Blickfeld, doch der Krieg ist weit weg. Cameron versucht die Lage in Russland ihren Landsmännern zu übermitteln, doch die straffe Zensur macht ihr einen Strich durch die Rechnung....

Blair gibt sich nach außen hin stark und ist doch unheimlich weich. Sie gibt sich für alles die Schuld und als sie endlich glaubt den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, stößt auch sie als Buße den einzigen Menschen von sich, den sie liebt.

Jackie spielt im ersten Teil eine noch kleine Rolle und fällt vorallem als Vermittlerin und ruhigste Schwester auf. Sie spielt noch nach den Regeln des Vaters und scheint auch gegen seine Hartherzigkeit mehr immun zu sein, als ihre beiden Schwestern. Doch auch sie kommt eines Tages an dem Punkt, sich von ihm loszusagen..

Judith Pella zeigt in ihrer Geschichte auch unangenehme Seiten der Amerikaner, wie zum Beispiel den Rassismus auf, der auch heute noch ein Thema ist. Die Kriegsschauplätze werden sehr bildhaft beschrieben und auch die Eigenart der Russen und ihre Liebe zum Vaterland wird sehr authentisch erzählt.
Besonders gut hat mir die Passage gefallen, als Cameron im Krankenhaus Kriegsverletzte aus Russland und Deutschland interviewt, und deutlich wurde, wie wenig sich das eigentlich Fußvolk unterscheidet. Einfache Soldaten, die sich nur nach ihrer Familie sehnen und keinen Sinn im Krieg sehen....egal auf welcher Seite sie stehen. Dieser Teil hat mich sehr berührt.

Schreibstil:
Die Autorin besitzt die Fähigkeit von Beginn an den Leser zu fesseln. Man taucht sehr schnell in diese interessante Familiengeschichte ein, deren über 500 Seiten, die leider sehr klein gedruckt und dicht beschrieben sind, trotzdem schnell gelesen sind. Man mag nämlich das Buch gar nicht mehr zur Seite lesen, sondern möchte einfach wissen, wie es weitergeht. Auch die Beschreibung der Figuren ist Judith Palla großartig gelungen. Vielleicht sind einige auch ein wenig klischeehaft, aber alleine meine Gefühle gegen Keagan Hayes haben mein Blut während des Lesens in Wallung gebracht!


Fazit:
Ein fulminater und interessanter Auftakt einer Tetralogie um Krieg, Hoffnung, Rassismus, Glaube, Familie und Träume, der mich von Beginna an fesseln konnte. Ich bin schon sehr auf die nachfolgenden Bände gespannt und freue mich auf ein Wiedersehen mit Cameron, Blair und Jackie.

Veröffentlicht am 09.07.2017

Der gläserne Sarg

Engelsschlaf: Thriller
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Von Catherine Shepherd habe ich bereits den ersten Band der Zons Krimis gelesen, die auf zwei Zeitebenen spielen und leicht mystisch angehaucht sind. Aber auch den Thriller "Mooresschwärze", der mir sehr ...

Von Catherine Shepherd habe ich bereits den ersten Band der Zons Krimis gelesen, die auf zwei Zeitebenen spielen und leicht mystisch angehaucht sind. Aber auch den Thriller "Mooresschwärze", der mir sehr gut gefallen hat. Mit "Engelsschlaf" hat die Autorin nun den Folgeband zu "Krähenmutter", das ich noch nicht gelesen habe, vorgelegt. Ich hatte allerdings keine Schwierigkeiten neu einzusteigen und hatte den Thriller in einem Rutsch durch.

Statistisch gesehen gibt es 10 Scheintote im Jahr in Deutschland. Lebendig begraben zu werden ist wohl der Albtraum schlechthin. Und doch wäre eine junge Frau, die nachts auf einer Parkbank liebevoll auf einem Kissen gebettet aufgefunden wird, fast für tot erklärt worden. Durch einen Notruf werden Laura Kern, ihr Kollege Max und Freund Taylor, der ebenfalls bei der Kriminalpolizei arbeitet, zum nahegelegenen Park des Domenikus-Krankenhauses in Berlin gerufen. Der Notarzt stellt bereits den Totenschein aus, als Taylor ein Lebenszeichen entdeckt. Die Frau überlebt, kann sich jedoch an nichts erinnern. In ihrer Blutbahn werden Medikamente gefunden, die ihre Lebensfunktionen stark heruntergesetzt haben und sie mehr tot als lebendig wirken lässt. Wenige Tage später geht ein weiterer Notruf ein und es wird neuerlich eine junge Frau, genauso zugedeckt und auf ein Kissen gebettet, gefunden. Laura ahnt, dass es nicht das letzte Entführungsopfer sein wird, doch ihr Chef sieht keine Eile und zieht sogar Max vom Fall ab. Die nächste junge Frau, die gefunden wird, ist allerdings nicht mehr scheintot, sondern wirklich gestorben. ...und die Zeit läuft....

Die Spannung ist bereits auf den ersten Seiten greifbar. Die Identität des Täters bleibt lange im Unklaren, jedoch steht schon früh fest, dass wir diesen in Rückblenden bereits zu Beginn näher kennenlernen. Die Kapitel aus der Vergangenheit beginnen vor fünfundzwanzig Jahren und reichen bis in die Gegenwart und erzählen von einem kleinen Jungen und seiner Schwester, die einige schwere Schicksalschläge hinnehmen müssen. Sein Name ist unbekannt, aber in seiner Gedankenwelt erlebt der Leser, was ihn antreibt. Wir erhalten Einblicke in sein Leben, in die der Opfer und natürlich in die der Ermittler. Dabei kommt auch das Privatleben nicht zu kurz, nimmt aber nicht zu viel an Raum ein. So bleibt die Handlung ausgewogen.
Die Autorin versteht es den Leser auf viele falsche Fährten zu schicken. Ich rätselte die ganze Zeit, wer der Täter sein könnte und welches Motiv er hat. Die Spannung wird immer weiter aufgebaut und ich hatte den Thriller in zwei Tagen ausgelesen.

Einzig und allein muss ich hier genau daselbe bemängeln, wie schon in "Mooresschwärze". Ich liebe es mitzurätseln und man blickt den Täter die ganze Zeit über die Schulter, aber am Ende erkennt man leider, dass man keine Chance hat ihn zu überführen, weil er namentlich nie genannt wird. Dies ist ein Punkt, den ich schon bei "Mooresschwärez" kritisiert habe und zu einem Stern Abzug führte. Diesmal ziehe ich nur einen halben Stern ab, denn das Buch hat mich wirklich von der ersten bis zur letzten Seite gepackt....

Schreibstil:
Catherine Shepherds Schreibstil ist fesselnd und anschaulich. Die Spannung ist die ganzen 352 Seiten über greifbar. Die kurzen Kapitel lassen sich schnell weglesen und die Charaktere sind wunderbar gezeichnet. Überraschende Wendungen und einige falsche Fährten werden gekonnt eingestreut.

Fazit:
Auch in Catherine Shephers neuem Thriller "Engelsschlaf" wird wieder Spannung und Thrill vom Feinsten geboten. Einzig beim Ende habe ich dieselbe Kritik anzubringen, wie schon bei "Mooresschwärze" und ziehe deshalb einen halben Stern ab. Trotzdem eine Leseempfehlung für Thrillerfreunde!

Veröffentlicht am 04.07.2017

Träume dein Leben

Erzähl mir was von Liebe ...
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Das Debüt der österreichischen Autorin Carina Posch hat mich sehr berührt. Ich weine sehr selten bei Büchern - eher bei Filmen - aber hier hatte ich auf den letzten Seiten doch etwas mehr Tränenflüssigkeit ...

Das Debüt der österreichischen Autorin Carina Posch hat mich sehr berührt. Ich weine sehr selten bei Büchern - eher bei Filmen - aber hier hatte ich auf den letzten Seiten doch etwas mehr Tränenflüssigkeit in meinen Augen....
Obwohl man schon bei der Beschreibung des Romans erahnen kann, dass dieses Buch eventuell nicht gut ausgeht, habe ich in eine gänzlich andere Richtung gedacht, als es schlussendlich kam.

Wir begegnen Rachel im Sommer 1988. Es ist ihr letzter Tag in einem typischen irischen Pub, wo sie als Kellnerin arbeitet, um ihren großen Traum finanzieren zu können. Sie möchte Schriftstellerin werden und hinaus in die weite Welt - endlich das kleine Kaff in Irland, in dem sie wohnt, verlassen. Ihr Eltern sind Schafzüchter und ihre beste Freundin ist ein bester Freund: Liam. Sie verbindet seit Kindheit ein ganz besonderes Band. Als die Beiden kurz bevor Rachel Irland in Richtung Amerika verlässt feststellen, dass sie doch mehr als Freundschaft füreinander empfinden, sind sie zu verunsichert um sich dieser neuen Stufe ihrer Beziehung zu stellen. In New York werden Rachels Manuskripte abgelehnt und die junge Frau bleibt etwas desillusioniert zurück. Kurze Zeit später lernt sie jedoch Eric Cunningham kennen, einen netten und vorallem reichen Mann, der sich augenblicklich in sie verliebt. Er legt ihr die Welt zu Füßen und finanziert ihr ein Wirtschaftstudium, doch Rachels Herz ist in Irland geblieben. Als sie ein Kind erwartet und Eric ihr einen Heiratsantrag macht, willigt sie ein. Doch die Ehe steht von Anfang an unter keinem guten Stern.....

Ich habe das Buch gestern Abend in einem Rutsch durchgelesen und das Ende hat mich sehr berührt. Die Autorin erzählt eine einfühlsame Geschichte, die direkt aus dem Leben gegriffen ist und in ähnlicher Form und Weise sicherlich schon öfters passiert ist.
Wir begleiten Rachel über 20 Jahre ihres Lebens und nehmen Teil an ihrer verzweifelten Suche nach Liebe und Bestätigung. Man erlebt hautnah mit, wie sie die falschen Entscheidungen trifft, die sie auf einen Weg führen, den sie gar nicht einschlagen wollte und den sie nicht mehr rückgängig machen kann. Die anfangs lebenslustige und sympathische junge Frau, die voller Träume steckt, verliert sich selbst und ihre große Liebe. Nichts hat sich so entwickelt, wie sie es sich vorgestellt hatte. Rachel wird zum Workaholic, eine richtige Karrierefrau, die zu sich selbst hart ist und keine Gefühle offenbart. Mann und Kind treten an zweiter Stelle, nur zu Liam hält sie auch in dieser Zeit noch Kontakt. Wir lernen eine Rachel kennen, die mir völlig fremd wurde, obwohl man weiterhin Anteil an ihren Gedanken und Gefühlen hat. Erst zum Ende hin ändert sich das wieder und ich konnte ihre letzte Entscheidung absolut nachvollziehen.

Auch hier finde ich wieder John Lennons Zitat "Leben ist das was passiert, während du eifrig dabei bist Pläne zu machen" sehr passend, denn Rachel hat seit ihrer Kindheit Pläne, wie ihr Leben verlaufen soll. Und doch hat das Schicksal etwas anderes vorgesehen und Rachel erkennt erst zu spät, dass man seine Wünsche und Träume leben und nicht auf die lange Bank schieben soll. Nichts ist im Leben und in der Liebe planbar, nicht ist berechenbar....

Die letzten sechs Kapitel aus der Sicht von Kayla konnten mich nicht ganz überzeugen. Kayla blieb mir den ganzen Roman über fremd. Einige Passagen des Buches wurden mir zu oberflächlich abgehandelt: Die Zeitspanne in Amerika wurde wie in einem Zeitraffer abgehandelt. Hier wäre es eindeutig besser gewesen mehr Seiten zu füllen und genauer auf einige Handlungsstränge einzugehen. Dies hätte dem Roman noch mehr Potential gegeben.
Trotz dieser Kritik fand ich dieses Debüt wirklich gelungen. Leider hat aber auch noch das Lektorat keine gute Arbeit geleistet, denn es sind doch einige gravierende Fehler im Buch zu finden.

Charaktere und Schreibstil:
Die Entwicklung der Protagonistin Rachel hat Carina Posch hervorragend skizziert. Ich konnte mit ihr mitfühlen und obwohl ich viele Entscheidungen nicht ganz nachvollziehen konnte, verstand ich auf irgendeine Weise, warum sie sich so entschieden hat.
Alle anderen Charaktere sind authentisch, jedoch mehr oder weniger
Der Schreibstil ist lebendig und dialoglastig. Kurze und klare Sätze, schnörkellos und kitschfrei erzählt Carina Posch eine emotionale Geschichte, die zum Großteil in der Ich-Form aus der Sicht von Rachel erzählt wird.

Fazit:
Ein emotionales und berührendes Debüt, kitschfrei und aus dem Leben gegriffen. Der Roman regt zum Nachdenken an und zeigt uns, dass das Leben einfach passiert. Ein wundervolles Debüt!

Veröffentlicht am 19.06.2017

Toller Reighenauftakt rund um die Hohensteins

Das Hotel am Drachenfels
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Die Autorin katapultiert den Leser sehr schnell in die Geschichte - das hinten abgedruckte Personenregister ist am Anfang deswegen sehr hilfreich. Jedoch bekommt man schnell den Überblick über die Familie ...

Die Autorin katapultiert den Leser sehr schnell in die Geschichte - das hinten abgedruckte Personenregister ist am Anfang deswegen sehr hilfreich. Jedoch bekommt man schnell den Überblick über die Familie der Hohensteins, den illustren Gästen und dem Personal des Hotels. Das beginnende zwanzigste Jahrhundert ist eine sehr interessante Epoche, in der sich die Gesellschaft noch in die reiche Oberschicht, den Adelsfamilien und dem "gemeinen Fußvolk" teilt, wo die Wirtschaft am Beginn eines großen Aufschwunges steht, Fabriken entstehen und die Frauen beginnen für ihre Rechte zu kämpfen. Für mich eine wahnsinnig spannende Zeit, über die sehr gerne lese.

In "Das Hotel am Drachenfels" werden die damaligen gesellschaftlichen Ansichten und Zwänge hervorragend dargestellt. Mit Maximilan Hohenstein hat die Autorin einen autoritären Mann erschaffen, der das damalige Bild widerspiegelt. Der harte Geschäftsmann, der nur seiner Tochter Johanna gegenüber etwas an Zuneigung zeigt, seine Söhne ignoriert und seine Frau Anne betrügt, wahrt nach Außen hin den Schein und stellt sich als das perfekte Familienoberhaupt dar. Seine beiden Söhne Karl und Alexander nehmen es ebenfalls mit der Treue nicht so genau, wobei Alexander aber noch unverheiratet ist. Tochter Johanna schwärmt für den Freund ihres Bruders, Philipp von Landau. Der unehelicher Halbbruder des Hoteleigentümers, Konrad Alsberg, macht von seinem Erbrecht Gebrauch und fordert seine Hälfte des Hotels. Und auch das Dienstmädchen Henrietta hat sich aus einem bestimmten Grund für ihre Stelle im Hause Hohenstein beworben. Diesen erfährt man erst am Ende des Buches.

Die verschiedenen Handlungsstränge, die aus dem Leben der Hohensteins, deren Dienstboten und den Gästen erzählt, ist sehr vielschichtig. Überraschende Wendungen, Machtspiele und Intrigen und einige geheimnisvollen Geschehnisse lassen den Spannungsbogen nicht absinken und werden von der Autorin platziert eingesetzt. Manchmal erinnert der Roman auch an eine Fernsehserie a lá Downtown Abbey, die Folge um Folge immer wieder etwas Neues zu bieten hat.
Die Figuren sind authentisch und sehr vielschichtig dargestellt. Maximilian, der alles Neue ablehnt und sich für die Traditionen einsetzt, steht Konrad Alsberg mit seiner Aufgeschlossenheit den neuen Errungenschaften, wie dem Telefon oder das elektrische Licht, gegenüber. Auch sein ältester Sohn Karl begeistert sich dafür und möchte das Hotel gerne modernisieren. Dies ergibt alleine schon Differenzen und Ränkespiele zwischen den eigenen Familienmitgliedern. Doch auch Skandale, wie das Verschwinden eines Mädchens, das mit ihren Eltern und der jüngeren Schwester als Gast im Hotel eingecheckt hatte, bringt Spannung und eine überraschende Wendung in den Roman.
Die bildhaften Beschreibungen der Umgebung rund um das Siebengebirge, den Drachenfels und den Eselssteig runden die Erzählung perfekt ab.

Für mich hat die Autorin einen tollen historischen Roman rund um die Jahrhundertwende geschaffen, der unterhält und sich sehr gut lesen lässt.
Ich freue mich schon auf Band 2 "Das Erbe der Hohensteins", der im September erscheinen wird.

Schreibstil:
Anna Jonas konnte mich mit ihrem wundervollen und bildhaften Schreibstil überzeugen. Ich fühlte mich von Beginn an wohl in ihrem Roman, der in der 3. Person erzählt wird und in drei Teile aufgeteilt ist. Zu Beginn des Buches befindet sich eine Karte mit den wichtigsten Orten und wie bereits erwähnt am Ende ein Personenverzeichnis.

Fazit:
Themen wie Machtspiele und Intrigen sind ein großer Teil des Romans, der mit einer abwechslungsreichen Handlung und einem wundervollen Schreibstil punktet. Aber auch der damalige Wandel zwischen dem Althergebrachten und der Moderne wird großartig miteingebunden und zeigt auf, wie die Menschen auf die neuen Errungenschaften reagierten. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung rund um die Hohensteins und empfehle diesen Roman gerne weiter.

Veröffentlicht am 21.12.2024

Wichtiger Beitrag #gegendasvergessen

Suche liebevollen Menschen
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In diesem Buch erfahren wir mehr über eine etwas andere Art der Kinderverschickung in den 1930iger Jahren. Vielen von euch, die sich mit der Zeit des Zweiten Weltkrieges beschäftigen und auch darüber lesen, ...

In diesem Buch erfahren wir mehr über eine etwas andere Art der Kinderverschickung in den 1930iger Jahren. Vielen von euch, die sich mit der Zeit des Zweiten Weltkrieges beschäftigen und auch darüber lesen, wissen Bescheid über die ersten Kinderverschickungen nach Großbritannien.

Doch schon zuvor waren einige jüdische Eltern klug und haben, wie die Großeltern von Journalist Julian Borger, im "Manchester Guardian" Kleinanzeigen geschaltet. Sie suchten nach Menschen, die ihre Kinder aufnehmen, um sie vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Sicherheit zu bringen. Obwohl sie ahnten, dass sie ihre Kinder eventuell nie mehr wiedersehen würden...

Ein kleiner Teil dieser Kleinanzeigen wurde auch für den Titel des Buches ausgewählt ("Seek a kind person, who will educate my intelligent Boy, aged 11, Viennese of good family. Borger 5/12 Hintzerstrasse, Vienna 3)
Im Jahre 1938 hat sein Großvater Leo genau diesen Text für seinen Sohn Robert Borger gewählt. Nach dem Tod seines Vaters Robert 1983 hat sich Journalist Julian Borger auf die Spurensuche betreffend seiner Familiengeschichte begeben. Niemand in der Familie wusste über seine Zeit als jüdisches Kind in Wien und sein Leben nach der Ankunft in Großbritannien. Julian Borger recherchierte akribisch. Dabei erfuhr er auch über dieses Inserat seines Großvaters und beginnt nachzuforschen. Im Verlauf seiner Recherche versuchte er mehr über die Schicksale der weiteren sechs Kinder herauszufinden, die am selben Tag in den Kleininseraten im "Manchester Guardian" ausgeschrieben wurden. Dies war alles andere als einfach und hat gedauert. Borger hat nach den Nachkommen der damaligen Kinder gesucht und versucht Kontakt aufzunehmen.
Was alle damaligen Kinder ihr ganzes Leben lang "verfolgte", war die "Schuld des Überlebens". Gleichzeitig fühlten sie sich auch unwürdig gegenüber Überlebenden aus den Konzentrationslagern, weil sie relativ sicher den Holocaust überlebt haben. Diese Traumata führten auch zum Selbstmord von Borgers Vater.

Was mir doch einige Schwierigkeiten bereitet hat, waren Julian Borgers oftmalige Wechsel von Personen und Zeit. Oft schwenkt der Autor mitten in seiner Erzählung von einer Person zu einer anderen und streut Fakten aus deren Leben ein. Das verwirrt zusätzlich, nachdem die Erzählungen auch zeitlich nicht chronologisch sind. Man benötigt deshalb hohe Konzentration und trotzdem sind mir oftmals die Schicksale mancher Menschen durcheinander gekommen. Trotz der wirklich akribischen Recherche und den berührenden Schicksalen, konnte ich deswegen manches Mal keine wirkliche Beziehung zu einigen der Figuren herstellen. Diese abrupten Wechsel und sich ins uferlose Verlieren, nimmt der biografischen Erzählung etwas an Tiefe. Das hätte vermieden werden können. Trotzdem sind die Erzählungen berührend. Man möchte sich gar nicht vorstellen, dass man seine eigenen Kinder alleine auf den Weg in ein fremdes Land schickt, deren Sprache sie nicht sprechen und sich einer ungewissen Zukunft entgegen sehen. Ich möchte nicht in dieser Haut der Eltern stecken, die sich entscheiden müssen....einfach grausam und auch heute noch genauso ein Thema!

Zwischen den einzelnen Kapiteln "lockern" schwarz-weiß Bilder der beschrieben Personen, die doch oftmals sehr emotionalen Schilderungen, auf.

Obwohl es sich bei seiner Erzählung nicht um eines der sechs Kinder handelt, die damals in den Kleinanzeigen vorkamen, hat mich die Geschichte um Borgers Großtante Marci und deren Schicksal fast am meisten berührt.


Fazit:
Dieses Buch ist sowohl eine Familienbiografie, als auch eine Art Enthüllungsstory. Auf jeden Fall aber ein wichtiger Beitrag zum Thema #gegendasvergessen - besonders in der heutigen Zeit, in der die Zeitzeugen von damals verstorben sind und der Rassismus eine neue Hochsaison erlebt.

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