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Veröffentlicht am 15.09.2016

Klebt an den Händen

Mit Zorn sie zu strafen
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Wer Tony Parsons ersten Band (Dein finsteres Herz) mit Max Wolfe gelesen hat, sollte auch dieses Buch möglichst bald lesen (verschlingen). Aber: auch jedem anderen Krimi- und Thrillerfan sei dieses Werk ...

Wer Tony Parsons ersten Band (Dein finsteres Herz) mit Max Wolfe gelesen hat, sollte auch dieses Buch möglichst bald lesen (verschlingen). Aber: auch jedem anderen Krimi- und Thrillerfan sei dieses Werk empfohlen. Gnadenlos wirft Parsons den Leser gleich zu Beginn in die Szenen der grausamen Tat, die Detective Wolfe, seine Chefs und Kollegen die nächsten Monate über beschäftigen wird.
Es scheint nichts zusammenzupassen: Eine Familie und ihr Hund werden getötet. Doch der jüngste Sohn, noch ein Kind, wird scheinbar entführt. Und die Morde waren gezielt, ausgeführt mit einer ungewöhnlichen Tatwaffe. Auch ein ähnlicher Fall von vor mehreren Jahrzehnten bringt nicht die erhofften Erkenntnisse.
Unter Einsatz seines Lebens ermittelt Max Wolfe zwischen einer Roma-Siedlung, seinem Sport-Center und den Angehörigen der Ermordeten. Er steht gleichermaßen vor verschlossen Türen wie Verdächtigen und hebt auf seiner verzweifelten Suche nach dem entführten Kind fast wie nebenbei noch einen Pädophilenring aus.
Doch dass Wolfe alles andere als ein Superman ist, zeigt Tony Parsons in den Szenen, in denen er mit seiner Tochter redet oder mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Um den Fall zu lösen, muss er auch tief in der Vergangenheit der Opfer und deren Angehörigen bohren und fördert Schreckliches zu Tage. Gekonnt flicht der Autor am Ende die Fäden ineinander und auch wenn ein paar Fragen offen bleiben, Details nicht geklärt wurden, hat dieses Buch das gewisse Extra, dass es geradezu an den Händen kleben lässt.
Mit seinen grundsätzlich nüchternen, aber nicht gefühllosen Schilderungen treibt Parsons den Leser an Wolfes Seite durch London und lässt ihn am Ende jedes Kapitels mit einem Gemisch aus unbändiger Neugier und der Hoffnung auf ein gutes Ende sofort die nächste Seite umblättern.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Nur eine Frage der Zeit?

Das letzte Nashorn
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So vieles ist besonders an diesem Buch, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Lodewijk van Oord lässt diese Geschichte abwechselnd von den drei wichtigsten Personen aus ihrer Perspektive erzählen: ...

So vieles ist besonders an diesem Buch, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Lodewijk van Oord lässt diese Geschichte abwechselnd von den drei wichtigsten Personen aus ihrer Perspektive erzählen: Edo Morell, Sariah Malan und Frank Rida. Teilweise überschneiden sich die Berichte und man bekommt manche Ereignisse aus verschiedenen Sichtweisen präsentiert, aber manches erfährt man auch speziell nur zu den einzelnen Protagonisten.
Edo ist der Direktor eines Amsterdamer Zoos und hat einen ehrgeizigen Plan: er will alles neu strukturieren, den Zoo wieder zu einem richtigen Publikumsmagnet machen und nebenbei auch noch die Nashörner vor dem Aussterben retten. Dabei helfen sollen ihm Frank, der Teil des Zoovorstandes und sein bester Freund ist, und Sariah, eine Südafrikanerin mit Wurzeln in den Niederlanden, die auch die Nashörner retten will, wenn auch mit anderen Mitteln.
Ebenso wie Edo ist wohl der Autor ein Visionär, feilt er doch daran, wie Edo seine Pläne erklärt und damit wohl jeden überzeugen könnte, mitzumachen. Doch er beherrscht es nicht nur, flammende Plädoyers für Nashörner und Umbauten zu halten, sondern lässt auch den Zooalltag realistisch einfließen und schafft es nebenbei noch, den Schicksalen der Protagonisten Platz und ihnen somit eine Tiefe zu geben.
Eine zu Beginn fast simple Rettungsgeschichte wird dadurch zu einem intensiven Geflecht aus Vertrauen, Liebe, Vergänglichkeit, Hoffnung und Verzweiflung. Die verbliebenen Nashörner gehen zwischen den gutgemeinten Ideen und dem notwendigen Kommerz ein wenig unter und der Leser fiebert mit dem stattlichen Albrecht (der seinen Namen wohl einem berühmten Maler verdankt) bis zum Schluss mit. Ist es nur eine Frage der Zeit – bis entweder alles wie geplant funktioniert oder die letzten Nashörner nicht mehr zu retten sind?
Ein wenig abrupt endet die Geschichte und einiges wird nur angedeutet – wohl, damit der Leser sich selbst noch länger mit der Thematik auseinandersetzen kann. Was hätten Sie getan, welche Entscheidungen hätten Sie getroffen?
Dafür klärt sich, warum das Nashorn auf dem Cover auf dem Kopf steht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das „Kind im Manne“, das er nicht loswurde

Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte
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Dieser Roman macht Lust auf einen Urlaub in Südfrankreich. Auch wenn wir heute keine Vorteile mehr durch Geldwechsel genießen können, wie F. Scott und Zelda Fitzgerald in den 1920er Jahren und sich die ...

Dieser Roman macht Lust auf einen Urlaub in Südfrankreich. Auch wenn wir heute keine Vorteile mehr durch Geldwechsel genießen können, wie F. Scott und Zelda Fitzgerald in den 1920er Jahren und sich die meisten wohl keine Villa leisten können, nicht zu damaligen und ganz sicher nicht mehr zu aktuellen Preisen. Dennoch beschreibt die Autorin das Lebensgefühl, das die Amerikaner damals in Europa erfasst hat, sehr authentisch und braucht dafür nicht übertrieben viele Worte oder allzu blumige Beschreibungen. Man hat das Gefühl, der Erzähl- und Schreibstil orientiert sich auch ein wenig an den Launen des Herrn Fitzgerald. Ist er glücklich, liest sich der Text anders, als zu den Zeiten, wo er dem Alkohol zuspricht, nicht mehr an seinem Roman arbeitet und mit seiner Aufmerksamkeit heischenden Art sogar bei seinen engsten Freunden aneckt. Und obwohl der Roman, wie im Titel angedeutet, wirklich nur einen Sommer umschreibt und ein wenig Erklärungen zu den Jahren davor und danach, hat man das Gefühl, Scott und die anderen Hauptpersonen schon viel länger zu kennen.
Schonungslos erlebt der Leser, wie aus dem zufriedenen, selbstbewussten Schriftsteller ein unglückliches, verzogenes Kind wird, das, je älter es wird, umso streitbarer und für sein Umfeld unangenehmer wird. Scott kann sein „Kind im Manne“ nie ablegen und auch nicht mehr beherrschen. Emily Walton zeichnet ein eindringliches Psychogramm dieser speziellen Persönlichkeit, der letztlich auch daran zerbricht, als er wieder zurück in seine Heimat muss und dort aufgrund seiner Popularität nicht mehr ganz so unbehelligt tun und lassen kann, was er will.

Durch die umfangreiche Recherche und Beschäftigung mit den französischen Schauplätzen ist dieses Buch sowohl für diejenigen interessant, die Werke oder deren Verfilmungen von Fitzgerald kennen, aber auch für jene, die gerne einmal einen so ganz anderen Roman lesen und sich in die Zeit versetzen lassen möchten, als die Region um Cannes und Nizza noch relativ unbekannt war.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zauberhafter Roman über Familie und andere Werte

Der Trick
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Dieser Roman ist ein Schmuckstück an Erzählkunst und der Kunst, Biografien und Personen zu erfinden und die dann so in reale Ereignisse einzubetten, dass jedes Wort darin wahr sein könnte. Hier stimmt ...

Dieser Roman ist ein Schmuckstück an Erzählkunst und der Kunst, Biografien und Personen zu erfinden und die dann so in reale Ereignisse einzubetten, dass jedes Wort darin wahr sein könnte. Hier stimmt dies alles zusammen und je länger man liest, desto mehr bekommt man das Gefühl, schon mal etwas vom Zauberer Zabbatini gehört oder gelesen zu haben. So genau lässt der Autor immer wieder Details zur Entwicklung der Zauberei und ihrer Illusionen einfließen.
Doch seine Geschichte existiert (leider) nur in diesem wundervollen Buch. Lange Zeit wird das Leben von Mosche und Max abwechselnd in kurzen Abschnitten erzählt und später, allmählich, behutsam miteinander verflochten und der Leser hat auch die Möglichkeit, das eine oder andere vorauszuahnen und sich zu freuen, wenn er richtig lag. Zwei Generationen sind die beiden Protagonisten auseinander und nicht nur deshalb verläuft ihre Kindheit ziemlich unterschiedlich. Mosche wird in Prag geboren, Max lebt in Los Angeles, doch es gibt einiges, was die beiden Juden verbindet, ohne dass sie es wissen. Und ohne den einen gäbe es den anderen wohl nicht…

Mit einer ganz eigenen Erzählsprache führt der Autor den Leser am Beispiel Mosches durch die Wirren Mitteleuropas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vergleichbar finde ich hier nur den Stil von Patrick Süßkind in „Das Parfum“. Wem das also gefallen hat, der wird auch mit diesem Roman seine Freude haben und viele berührende Momente erleben. Auf den knapp 400 Seiten lässt Bergmann nichts aus: Seine Figuren leiden, kämpfen mit sich, dem Leben und den Umständen und werden nicht von einschneidenden Veränderungen verschont. Aber sie finden zwischendrin auch ihr Glück und auch amüsante Augenblicke finden ihren Platz.
Auf der Buchrückseite steht ein Satz, der haargenau passt: „Eine bewegende und aberwitzige Geschichte, die Zeiten und Kontinente umspannt, ein Roman über die Zerbrechlichkeit des Lebens und den Willen, sich verzaubern zu lassen.“
Ich kann nur jedem raten, diesem Satz zu folgen, sich auf die Geschichte einzulassen – dann wird man ganz von selbst verzaubert. Und das ist dann keine Illusion.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Als der Krieg das Leben bestimmte

Ab heute heiße ich Margo
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Der Autorin gelingt hier ein besonders vielschichtiger und authentischer Roman über eine Zeit, die in Europa tiefe Wunden hinterlassen hat. Exemplarisch für Millionen Menschen stellt sie hier mehrere Familien ...

Der Autorin gelingt hier ein besonders vielschichtiger und authentischer Roman über eine Zeit, die in Europa tiefe Wunden hinterlassen hat. Exemplarisch für Millionen Menschen stellt sie hier mehrere Familien und Einzelpersonen in den Vordergrund, die sich in der Zeit von 1936 bis 2000 auf unterschiedlichen und trotzdem verwobenen Wegen ihr Leben bestreiten. Der Leser begleitet Margo (die eigentlich Margarete heißt) bei den wichtigsten Stationen ihres Lebens: Eine Lehre im Fotoladen ihres Heimatortes Stendal, die erste Liebe, Krieg und Hochzeit, und all die folgenden Wirrungen, die den Menschen gegen Ende des Krieges widerfahren und die durch die Teilung Berlins für die im Osten lebenden nicht besser werden.
Unermesslich muss der Schmerz sein, der Margo und ihre Verwandten und Bekannten immer wieder einholt und vielleicht ist gerade das ein Faktor, warum dieser Roman auch heutzutage fasziniert und tief berührt. Weil wir heute uns eben nicht mehr vorstellen können, Stoff für Essen eintauschen zu müssen, über uns Kriegsflieger zu hören oder sich in seinem eigenen Heim (wenn man denn eines hatte) vor niemandem sicher zu fühlen.
Die Abschnitte im Buch werden abwechselnd aus der Sicht der wichtigsten Personen erzählt: Margo, Helene, Alard und zum Ende noch Margos Enkelin. Oft sind die Abschnitte voneinander unabhängig, da sich auch die Leben der drei getrennt haben, doch die wenigen Überschneidungen, die es gibt, sind von so elementarer Bedeutung, dass sie dadurch auch aus allen Perspektiven beleuchtet werden können. Vieles, was der Leser aus den Abschnitten herausliest, erschließt sich den Protagonisten oft erst nach und nach und es macht einen Teil der Spannung aus, sie dabei zu beobachten, was sie fühlen, als sie die Zusammenhänge verstehen und wie sie darauf reagieren.
Zu Beginn sind Alard, Margo und Helene eher lose miteinander bekannt, die beiden Frauen arbeiten beide im Fotoladen und fühlen sich zu Alard hingezogen. Aus diesen Bekanntschaften lässt Cora Stephan im Lauf der Zeit intensive, fast voneinander abhängige Beziehungen entstehen, bildet ein mitunter fatales Dreiecksgespann, das schlussendlich nicht nur das Leben der drei, sondern auch das ihrer Bekannten und Verwandten gefährdet.
Ein wenig schade fand ich, dass nicht Margo diesen Roman mit einer ihrer Tagebucheintragungen beendet, das hätte gut gepasst, ist sie doch auch die erste Person, die man hier kennenlernt. Dadurch gibt es noch eine Art „Abspann“, der für mich fast schon eine eigene Geschichte ergibt und somit hat man das Gefühl, dass es noch weitergehen hätte können.