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Veröffentlicht am 17.07.2017

Zu Recht ein vielgelesener Klassiker

Stolz und Vorurteil
1

Am 18.7.1817 starb Jane Austen - vor 200 Jahren. Ihr meist gelesenes, bekanntestes Werk, ist "Stolz und Vorurteil" - immer wieder neu aufgelegt und bereits mehrfach verfilmt, Vorlage für zahlreiche Adaptionen.
Der ...

Am 18.7.1817 starb Jane Austen - vor 200 Jahren. Ihr meist gelesenes, bekanntestes Werk, ist "Stolz und Vorurteil" - immer wieder neu aufgelegt und bereits mehrfach verfilmt, Vorlage für zahlreiche Adaptionen.
Der Roman in der Übersetzung von Andrea Ott erschien nun im Mai 2017 in einer Taschenbuchausgabe im Penguin Verlag. Nachdem mich die Übersetzung von Andrea Ott bereits mit "Vernunft und Gefühl" begeistern konnte, war für mich klar, dass ich auch unbedingt "Stolz und Vorurteil" in ihrer Übersetzung lesen wollte.
Das Cover der neuen Taschenbuchausgabe mit seinen frischen Farben gefällt mir sehr gut.


Jane Austen brilliert mit dieser Geschichte, die gespickt ist mit vielen abwechslungsreichen, sehr gut dargestellten Dialogen, mit beißender Satire, feinem Humor, mit Liebe, Leid und Veränderungen.
Es geht um die Familie Bennet und ihre fünf Töchter im heiratsfähigem Alter - alle sollen versorgt werden, heißt unter die Haube kommen, denn wenn eines Tages der Vater sterben sollte, würde sein ganzes Erbe an seinen Neffen fallen, da die Töchter nicht erben können. Mrs. Bennet, die Mutter, ist erfreut, als in einem Nachbargut ein Junggeselle einzieht, nach dem Motto " Es ist eine anerkannte Wahrheit, daß ein Junggeselle im Besitz eines schönen Vermögens nichts dringender braucht als eine Frau. "(Zitat, S. 5). Sie versucht mit allen Mitteln, die meist sehr peinlich und nicht standesgemäß sind, das Ziel der Verheiratung ihrer Töchter zu erreichen. Der reiche Junggeselle ist Mr. Bingley, aber es gibt auch noch weitere junge Herren, wie den Cousin mit der Pfarrstelle, Mr. Collins, den stolzen Mr. Darcy und den einnehmenden Mr. Wickham.

Die Geschichte wird aus Sicht eines Erzählers erzählt, der aber meist die Sicht und Gefühle von Elizabeth darstellt, hinzu kommen kleinere Rückblenden und Nebenbemerkungen zu den anderen Charakteren .
Elizabeth, die zweitälteste Tochter, ist - im Gegensatz zu ihrer Mutter - gebildet und vernünftig und weiß sich in Gesellschaft zu benehmen. Auf Mr. Darcy trifft sie das erste Mal bei einem Ball. Doch diese Begegnung, bei der sie eine abfällige Bemerkung von ihm über sich selbst hört, bekräftigt ihren ersten Eindruck von seinem Stolz und ihre Meinung über ihn steht fest, ein Heiratskandidat ist er somit ebensowenig wie ihr Cousin Mr. Collins. Der gefällige Mr. Wickham könnte ihr da schon eher zusagen....denn für Elizabeht steht fest, dass sie keinen Man heiraten wird, dem sie nicht in Liebe zugetan ist.

MIr haben die spritzigen Dialoge gefallen, die wunderbar ausgefeilten Charaktere der Handlung, die sich wandeln, deren Schein anfangs nicht nur die Protagonisten auf die falschen Fährten lockt. Aber vor allem die peinlichen Auftritte von Mrs. Bennett, die klugen Gedanken von Elizabeth und dazu die Handlung, die, auch wenn man durch Film und Bekanntheitsgrad des Romans schon einiges Vorwissen hat, dennoch immer spannend und abwechslungsreich bleibt.

FAZIT:
Man muss - gerade bei der Übersetzung von Andrea Ott - keine Angst haben so einen Klassiker zu lesen. Die etwa 600 Seiten des Romans flogen bei mir nur so dahin, ich habe mich in diese Zeit zurück versetzt gefühlt und auch wenn Jane Austen die Personen äußerlich nicht groß beschreibt, reicht es mir, dass sie die Charaktere so gekonnt, so brilliant, humorvoll und teils sarkastisch darstellen kann. Dazu gehört vor allem, dass die Dialoge und die Wesenszüge der Protagonisten so lebendig wirken. Austen gelingt es wunderbar die Entwicklung der Figuren über einen Zeitraum eines Jahres darzustellen, ihre Veränderungen, die Ereignisse, die dazu führen, in eine Handlung einzubauen, die einer wahrlich meisterhaften Kompostion gleicht.
Ein Roman, der es zu Recht verdient hat, ein vielgelesener Klassiker zu sein.

Veröffentlicht am 14.06.2017

Eine Geschichte mit Tiefgang

Everland
0

"Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen" (S. 170)

2 Expeditionen, die nach Everland, einer kleinen Insel in der Antarktis führen. Hundert Jahre, die dazwischen liegen. Auf den ersten Blick ...

"Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen" (S. 170)

2 Expeditionen, die nach Everland, einer kleinen Insel in der Antarktis führen. Hundert Jahre, die dazwischen liegen. Auf den ersten Blick scheinen die Bedingungen komplett anders zu sein, doch im Laufe der Geschichte zeigt sich eines, die Menschen, die gezwungen sind auf engstem Raum zusammen zu leben, fangen an sich zu verändern. Abgeschiedenheit, Einsamkeit, Gefahren ..... am Ende zeigt sich, wie weit der Einzelne bereit ist sich für die anderen einzusetzen oder das eigenen Leben zu schützen.

1913 erkunden drei Männer die Insel, Napps, Millet-Bass und Dinners. Schon nach dem Verlassen des Mutterschiffes geraten die drei mit ihrem Boot in einen Sturm, der sie entkräftet. Sie schaffen es aber dennoch bis nach Everland. Doch das Schiff, dass sie verlassen haben, muss nach dem Sturm zur Reparatur und kommt erst nach vielen Wochen wieder. Den Überlebungskampf, den die drei führen werden, wird sie herausfordern, sie an alle Grenzen führen und als endlich das ersehnte Schiff wieder kommt, wird nur noch einer der Männer gefunden werden.
2012 sind es zwei Frauen, Jess und Brix, und ein Mann, Decker, die Everland für zwei Monate erkunden werden. Der Aufenthalt läuft geplanter ab, mit vielem technischem Equipment und mit Funkverbindung. MIt der Möglichkeit jederzeit zurück zu kehren. Im Kopf haben sie die Geschichten des Kapitäns des damaligen Mutterschiffes, der die Geschichte der drei Männer auf Everland überliefert hat und dessen Logbuch und Buch zu etlichen weiteren Büchern und Filmen als Vorlagen gedient haben.
Doch auch diese drei stoßen bald an ihre Grenzen und dann zeigt sich, wer wie reagiert.

"Er war wild, optimistisch und unbesiegbar gewesen, und er hatte nicht geahnt, dass diese sonnigen Tage...mit zu den glücklichsten seines Lebens gehören würden.Er hatte ihnen keinen Wert beigemessen. Andere Tage würden kommen, unzählige andere mehr. Er hatte nicht gewusst, dass alles, was man geben und nehmen konnte, einen Wert hatte, so wie die eigene Kraft oder das Versprechen auf Zeit." (S. 324f)

Die Männer der ersten Expedition sind sich schnell im Klaren, dass sie in diesem Überlebungskampf nur minimale Chancen haben. Diese Gewissheit fordert sie nicht nur körperlich heraus, sondern auch ihre Gedanken, Gefühle und ihr Miteinander. Diesen Kampf als Leser mitzuerleben, ist nicht immer leicht, die Geschichte berührt.


Abwechselnd erzählt die Autorin die Geschichte der beiden Expeditionen. Nach und nach enfaltet sich der gesamte Hintergrund. Der Überlebungskampf der ersten Expeditionen, die zwischenmenschlichen Reibereien und Probleme, aber auch die Hintergründe der Konstellationen beider Gruppen. Unterschwellig ist immer eine Spannung spürbar. Die Protagonisten sind psychologisch sehr gut angelegt worden, man fühlt und leidet mit ihnen. Man fragt sich automatisch, wie weit wäre man selbst gegangen ?

Einerseits ist die Geschichte sehr faszinierend, andereseits aber auch beklemmend. Grandios erzählt die Autorin, zeigt, dass vieles nichts so ist wie es scheint.
Das Buch hat mich gepackt, durch die wechslenden Erzählstränge bleibt es immer abwechslungsreich. Die vorhandenen Parallelen kristallisieren sich erst nach und nach heraus.

"Die Schwachen werden nicht von den Starken getragen, sondern reißen sie mit in die Tiefe" (S. 68),
aber manchmal entwickeln die Schwachen eine ungeahnte Stärke und die Starken zeigen Schwäche. Dies darzustellen - und zwar glaubhaft- ist eine Kunst, die die Autorin beherrscht.

Durch viele Dialoge und beschriebenen Aktionen entsteht ein flüssiger Erzählstil, der mich gepackt hat, so dass ich die über 400 Seiten schnell gelesen hatte.

Fazit:
Der Roman ist tiefgründig, spannend, facettenreich, überraschend, unterhaltsam, fesselnd und fordert auch den Leser heraus über so einiges Nachzudenken. Für mich ist das Buch eines meiner Lesehighlights 2017!

Veröffentlicht am 08.06.2017

Spannendes Lesevergnügen

Gescheiterte Flucht
1

1850, Schlesien. Oberförster Albert Grüning lebt in seinem einsam im Wald gelegenen Forsthaus, er gilt als Sonderling im Dorf. Er scheut Kontakt zu Freunden und Mitmenschen, seine Hausangestellte Trine ...

1850, Schlesien. Oberförster Albert Grüning lebt in seinem einsam im Wald gelegenen Forsthaus, er gilt als Sonderling im Dorf. Er scheut Kontakt zu Freunden und Mitmenschen, seine Hausangestellte Trine hat es nicht leicht mit dem meist wortkargen und grantigen Chef.
Die Ruhe, in der Albert Grüning lebt, beginnt zu bröckeln, als ein Wilddieb in seinem Revier für Ärger sorgt. Immer wieder wird eines der Tiere in seinem Bezirk niedergeschossen, aber einfach liegen gelassen. Nur Spuren von genagelten Schuhen bleiben.
Und dann ist da auch noch die Sommerurlauberin Rahel von Bredow, die viel jüngere, gläubige Frau, ist die Erste, die ihn unvoreingenommen begegnet, nicht gleich abgeschreckt wird von seiner Art. Albert fühlt sich angezogen von ihr, das erste Mal seit den schlimmen Vorkommnissen in seiner Vergangenheit fängt er wieder an tiefe Gefühle zu entwickeln. Und just in diesem Moment taucht auch sein Erzfeind von früher wieder auf - von beiden Seiten ist der Rachedurst noch riesengroß.

"Gescheiterte Flucht" ist der Auftakt einer Romanreihe, die in Schlesien spielt und sich von 1850 bis ins Jahr 1920 ziehen wird. Erschienen sind bereits die Bände 1-4 der Hochwald-Saga, zwei weitere sollen noch folgen. Jedes Buch ist aber eine in sich abgeschlossene Geschichte, zusammen ergibt die Reihe eine Familienchronik.

Ich habe mit Band IV angefangen und habe nun - weil ich einfach begeistert von Schreibstil und Spannung, zusammen mit der Vermittlung des christlichen Glaubens war - angefangen, die Reihe von Beginn an zu lesen. Auch wenn (außer Rahel) alle Protagonisten hier völlig andere waren, ist es die Umgebung, das Forsthaus, das Wissen um eine Familienchronik in Verbindung mit dem Glauben, das was diese Hochwald-Saga eint.

Michael Meinert schafft es, dass die Protagonisten mehr sind als nur Worte in einem Buch, ich konnte sie mir sehr gut vorstellen, sie wirken lebendig und passen auch in die Zeit des 19. Jahrhunderts. Der ganze Kontext passt zum Zeitgeschehen. Man fliegt nur durch den Roman, denn es ist immer durch verschiedene Szenewechsel, durch Geheimnisse und spannenden Aktionen Bewegung mit im Geschehen. Die Protagonisten entwickeln und verändern sich - manche in die eine, mancher in die andere Richtung - alles bleibt authentisch. Nicht alles ist von Anfang an klar, vieles erklärt sich erst im Laufe des Lesens, auch das erhöht den Spannungsfaktor, genauso wie so manche lebensbedrohliche Situation. Es besteht bei der Hochwald-Saga eindeutig Suchtgefahr ! ;)

Vor allem die Vermittlung vom christlichen Glauben spielt bei den Büchern von Michael Meinert eine wichtige Rolle, so schafft er es lebendige Dialoge mit einzubauen, die auch dem Leser viel vermitteln können, Kraft geben und den Glauben stärken.

Fazit:
Spannung, abwechslungsreicher, lebendiger Schreibstil und gut charaktisierte Protogonisten machen den christlichen Roman zu einem Lesevergnügen !

Veröffentlicht am 08.06.2017

Emotionen pur

Das Leben fällt, wohin es will
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Marie ist das schwarze Schaf der Familie. Sie lebt nur in den Tag hinein, arbeitet mal hier mal da, zieht mit ihren Freunden gerne, oft und lang über den Kiez und mit der familieeigenen Werft will sie ...

Marie ist das schwarze Schaf der Familie. Sie lebt nur in den Tag hinein, arbeitet mal hier mal da, zieht mit ihren Freunden gerne, oft und lang über den Kiez und mit der familieeigenen Werft will sie nichts zu tun haben. Doch einmal im Jahr - beim alljährlichen Frühlingsfest der Werft- erscheint auch sie, notgedrungen und zu spät. Nachdem ihr Vater, als Besitzer der Werft, sich nach gesundheitlichen Problemen weitgehend aus dem Firmenalltag herauszieht, leitet ihre Schwester Christine mit dem Geschäftsführer Daniel Behnecke die Firma. Maries Auftritt auf dem Frühlingsfest ist (fast) wie jedes Jahr: schrill, auffallend und einfach unmöglich.
Noch ahnt Marie nicht, wie schnell sich ihr Leben schon in der nächsten Woche ändern wird. Denn Christine erzählt ihr von ihrer Krebserkrankung. Sie braucht Marie jetzt für ihre Kinder Max und Antonia und in der Firma. So gerne Marie auch Christine zu Hause helfen will, in die Ahrenswerft geht sie nur widerwillig - gerade weil ihr Vater sie da auch nur haben will, damit sie "einfach nur repräsentiert" und nicht um Entscheidungen zu treffen.
Aber auch mit den Kindern und der kranken Christine läuft es nicht so einfach, wie Marie es sich gedacht hat. Und in der Firma setzt sie einfach auf stur und macht sich dort nicht nur beim Geschäftsführer Daniel so richtig unbeliebt.

Schon von Anfang an wird man von diesem neuen Roman von Petra Hülsmann gefesselt. Marie ist am Anfang auch für den Leser eher unsymphatisch, erst nach und nach blickt man bei ihr hinter die Fassade und lernt sie zu verstehen. Und Marie beginnt sich zu verändern und sich immer mehr und mehr zu öffnen. Doch wenn man glaubt, dass alles einfach, leicht und glatt vonstatten geht, der täuscht. Es bleibt immer spannend und abwechslungsreich.
Es gibt so viele Emotionen in diesem Buch, so vieles, was einen beim Lesen fesselt und man kann mit dem Lesen einfach nicht aufhören. Die Geschichte ist ein Wechsbad der Gefühle, sie strotzt vor Humor zum Lachen, aber es gibt auch viel Herzschmerz, Familien- und Freunde-Zwist, vielen Momenten, die auf die Tränendrüsen drücken und dazu ist der Roman noch abwechslungsreich geschrieben , mit diesem besonderen Erzählstil der Autorin, der mich immer wieder gefangen nimmt. Einmal angefangen, möchte man gar nicht mehr aufhören zu lesen !!! Die Bücher von Petra Hülsmann sind immer etwas ganz besonderes und dieses ist für mich eindeutig das Allerbeste !

Fazit:
Emotionen pur, abwechslungsreich, spannend. Ein Wohlfühlroman, der aber auch auf die Tränendrüsen drückt, Protagonisten, die so toll charakterisiert und beschrieben wurden, dass man nicht glauben kann, dass sie eigentlich nicht existieren.
Hundertzwanzig-Prozent Leseempfehlung !

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Veröffentlicht am 16.05.2017

Spurensuche nach den Wurzeln

Marschmusik
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Erinnerungen an eine Kindheit und Jugendzeit. An eine Zeit, in der die Familie noch intakt war, der Vater am Leben und die Mutter noch nicht dement. Erinnerungen an eine Zeit mit großen Träumen und hohen ...

Erinnerungen an eine Kindheit und Jugendzeit. An eine Zeit, in der die Familie noch intakt war, der Vater am Leben und die Mutter noch nicht dement. Erinnerungen an eine Zeit mit großen Träumen und hohen Zielen. Als der Wunsch einst ein berühmter Posaunist zu werden noch den Alltag bestimmte und die Marschmusik im Musikzug nur der Anfang sein sollte. Erinnerungen an eine Zeit, als viele Menschen im Ruhrpott noch im Kohletagebau arbeiteten, bevor nach und nach die Zechen schlossen. Spurensuche in der Heimat, Spurensuche nach den Geschichten aus der Vergangenheit - bevor es zu spät ist.


„Du fährst in die Welt und weißt Bescheid, sagte Hartmann, schade nur, dass du nicht weißt, wie man die eigene Haustür aufschließt.“ (Zitat S. 27).

Der (namenlose) Protagonist fühlt sich wohlsituiert, glücklich, er hat alles was man zum täglichen Leben braucht. Doch er scheint zu "schweben", im fehlt die Bodenhaftung. Die Familie in der er groß wurde, hat sich "auserzählt" - glaubt er. Doch dann kommt Hans Hartmann, ein früherer Freund und Kollege seines Vaters und überzeugt ihn nachzuforschen, zu hinterfragen, sich Bilder anzuschauen und Geschichten zu hören.

Der Ich-Erzähler berichtet, erzählt. Man fühlt sich als Leser wie, als würde man ein persönliches Tagebuch lesen, in dem Protagonist festgehalten hat, wie alles begann, wie es dazu kam und was geschah und warum, nachdem er sich entschlossen hatte seine eigenen Wurzeln zu suchen.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert, „Unter Tage“, „Im Schacht“ und „Über Tage“.

Während sich der erste Teil vor allem in der Jetzt-Zeit abspielt, in der der Protagonist, der anders als seine seine Brüder vor der Heimat und dem Rest der Familie geflohen ist, erzählt, wie er sich aufrafft um für einige Tage die Mutter zu besuchen. Dabei zählt er die Tage, die Stunden bis er wieder entfliehen kann. Es geht um die Jugendzeit der Eltern, der Kohletagebau, aber auch um die eigenen Träume.

Im zweiten Teil geht es um den Besuch unter Tage, das Kennenlernen des Schachts, wie war es, was bleibt ? Eine Ära, die in Deutschland zu Ende geht.

Im dritten Teil erzählt der Autor linearer, hier geht es vor allem um die Kindheit und Jugendzeit, beginnt mit der Geburt des Protagonisten und endet aber auch wieder in der Jetzt-Zeit.Manches wiederholt sich in diesem Abschnitt, gerade eine Szene kurz vor der Geburt des Erzählers scheint mir vollständig gedoppelt.

„Was meinst du, sage ich, wird in einigen Jahren noch sein ? Wenn es das Haus nicht mehr gibt ? Was bleibt uns dann noch ? Wenn alles weg ist außer den Fotos und außer den Geschichten ?“ (Zitat S. 272). Fragen, die sich viele stellen. Ein Lauf der Zeit, der nicht aufzuhalten ist. Der Protagonist ist auf die Suche gegangen, bevor es zu spät war.

Jeder Teil hat seinen eigenen Klang, seinen eigenen Rhytmus. Zusammen bilden sie die Geschichte , sie passen zueinander. Einmal eingelesen passt auch die Erzählweise. Man muss sich einlesen auf den Fließtext, in dem wörtliche Rede nicht in Anführungszeichen gesetzt wurde, indem - gerade im ersten Abschnitt - die Zeiten zwischen Jetzt-Zeit und Vergangenheit häufig und nur durch einen kurzen Absatz getrennt, wechseln. Aber dran bleiben an der Geschichte lohnt sich.

Es ist Roman, der sich viel mit Vergangenheit beschäftigt, mit Wurzeln, eine Zeitreise zurück in die 80er und 90er Jahre. Der Protagonist ist im Roman 1982 geboren worden, genauso wie der Autor, der in einem Interview mit der WAZ sagt: „Das Buch hat schon sehr viel mit mir zu tun. Zugleich ist es aber auch ein wunderbares Spiel. An den entscheidenden Stellen ist es ein Roman.“ (WAZ, 08.03.2017).

Fazit:

Ein Roman der leisen, doch tiefen Töne. Ein Buch, bei dem man sich selbst erinnert. Eine Geschichte, die in vielen Bereichen doch fast jeden von uns beschäftigt. Heimat. Familie. Vergangenheit und das was bleibt.