Aufwachsen im Kiez
Die preisgekrönte Journalistin und Juristin Iris Sayram widmet ihren ergreifenden, ungeschönten und authentischen Roman „Für euch“ ihrer Mutter Sonja – aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen im Kölner ...
Die preisgekrönte Journalistin und Juristin Iris Sayram widmet ihren ergreifenden, ungeschönten und authentischen Roman „Für euch“ ihrer Mutter Sonja – aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen im Kölner Kiez und Brennpunkt-Viertel der 1980er-Jahre, opfert sich die Mutter von der Putzfrau bis zur Prostituierten auf, um ihrer Tochter Iris ein besseres Leben zu ermöglichen. Der Vater Mustafa ist türkischer Einwanderer, verliert seine Arbeit bei Ford, ist spielsüchtig und hält sich meist bedeckt im Lösen von Familienproblemen. Eine bewegende, kluge und autobiografische Geschichte zwischen Gesellschafts-, Familien- und Milieuroman mit viel atmosphärischem Kölner Lokalkolorit sowie Dialekt und schonungslos ehrlichen Einblicken in eine Kindheit voller Schamgefühlen abseits der deutschen Wohlstandsgesellschaft.
Zwischen Rotlicht-Amüsements, Kaschemmen und Spielhöllen des Friesenwalls schildert Iris Sayram ihre Kindheit und Jugend voller klarsichtigen, warmherzigen Anekdoten, die mal humorvoll und mal hart-direkt ihr Heranwachsen unter schwierigen sozialen Bedingungen schildern. Die Mutter muss zwischendurch sogar ins Gefängnis und infiziert sich mit HIV – sie nimmt alles in Kauf, um ihre kleine Familie durchzubringen, nachdem sie ihre erste Familie verloren hat.
Die versierte Autorin hat mit „Für euch“ eine bewegende und empfehlenswerte Hommage an ihre Mutter und ungewöhnliche Herkunft geschrieben und öffnet präzise die Augen für andere soziale Blickwinkel – und obwohl ihre Lebensgeschichte in den 80er-, 90er-Jahren angesiedelt ist, bleiben die gesellschaftspolitischen Themen wie Kinderarmut und die dadurch fehlende Bildungsmöglichkeiten bis heute aktuell. Sayram hat sich nach oben gekämpft, ihr Abitur gemacht und erfolgreich studiert – mit der Kraft ihrer außergewöhnlichen Eltern und einem immensen inneren Willen. Ihr damaliges Schamgefühl lässt die Autorin nun hinter sich und wandelt es in ein sehr lesenswertes und unterhaltsames Denkmal für ihre Mutter, das auf ihrer ergreifenden Beerdigungsrede basiert.