Es ist noch nicht vorbei....
Wir befinden uns in Berlin 1967, inmitten der politischen Studentenunruhen. Die vier jungen Leute, die wir schon in dem genialen Buch "Kinder dieser Zeit" kennenlernen durften, sind nun sechs Jahre später ...
Wir befinden uns in Berlin 1967, inmitten der politischen Studentenunruhen. Die vier jungen Leute, die wir schon in dem genialen Buch "Kinder dieser Zeit" kennenlernen durften, sind nun sechs Jahre später in ihrem Beruf angekommen.
Julius und Emma sind verheiratet und wünschen sich ein Kind. Doch nach einer Fehlgeburt ist das Schweigen in die Ehe eingekehrt und Emma erholt sich nur langsam. Ihre Arbeit als Dolmetscherin schenkt ihr eine gewissen Ablenkung und Julius arbeitet als Professoer an der Universität, ein Schmelztiegel zu dieser Zeit.
Max und Alice sind ebenfalls verheiratet, jedoch haben sie nicht ursprünglich aus Liebe geheiratet obwohl es eine nach wie vor eine starke Anziehung zwischen ihnen gibt, sondern um ihrer gemeinsamen Tochter Lisa eine Familie zu schenken. Alice arbeitet sehr erfolgreich als Journalistin und Max ist Anwalt und setzt sich ganz besonders für Holocaustüberlebende ein.. Alles könnte ruhig seinen Gang gehen, doch in diesen Zeiten war es in Berlin alles andere als ruhig.
Mit dem Schah-Besuch beginnt eine ungeahnte Studentenrevolte, auf die der Staatsapparat der jungen Demokratie mit unglaublicher Härte reagiert. Mit dem brutalen Tod von Benno Ohnesorg, einem Studentenführer, ist kein Halten mehr in der Stadt, erst recht nicht als die ungeschönte Wahrheit ans Licht kommt. Es war interessant zu lesen, wie vehement versucht wurde, die Wahrheit zu vertuschen, zu verschleiern durch massive oder eher diffuse Drohungen. Parallelen zu heute konnte ich durchaus erkennen.
Für die beiden Schwestern wird es gefährlich, als Emma die frühere Sängerin Irma Assmann kennenlernt und es ihrer Schwester Alice erzählt, nicht wissend, dass Alice die Sängerin von früher kennt und um die Umtriebe von Irma weiß. Deren Nähe zum KGB zieht die Aufmerksamkeiten verschiedener Geheimdienste auf die Schwestern und ihre Ehemänner, denn keiner von ihnen ist ein unbeschriebenes Blatt. Emma macht auch die Bekanntschaft einen kleinen Waisenjungen Luca, der ihr Herz auf eine ganz besondere Weise berührt und mit dem sie sich befreundet und ihm helfen will. Doch Luca hat etwas gesehen, dass er nicht sehen sollte....
Dann trifft Alice auch noch Fritz, einen jungen Mann aus ihrer noch "aktiven" Zeit und erfährt dass seine Schwester von der Stasi bedroht wird. Aus einem schlechten Gewissen heraus will sie ihm mit ihren Kontakten als Journalistin der Studentenbewegung und zu verschiedenen Fluchthilfeorganisationen helfen, was sie in eine für sie nicht vorhersehbare Gefahr bringt, denn nicht jeder Freund ist auch ein Freund. Gemeinsam mit Alice lernt der Leser das undurchdringliche und weitläufige unterirdische Tunnelnetz von Berlin kennen was ich unglaublich spannend fand.
Auch Max und Julius werden auf subtile und hinterhältige Weise versucht wieder für Spionagezwecke gewonnen und rekrutiert zu werden und sich dagegen zu wehren ist für die beiden Männer alles andere als einfach, denn Geheimdienste sind dafür bekannt raffinierte Fallen zu entwickeln und sie dann bei Bedarf zuschnappen zu lassen.
Claire Winter ist mit diesem Buch wieder eine soo gute und spannende Geschichte gelungen, die man auch erstmal für sich lesen kann, der Vorgängerband ist nicht notwendig, doch wer "Kinder des Aufbruchs" hat wird sich garantiert auch "Kinder dieser Zeit" holen, um die Anfänge zu kennen:)). Die Autorin hat wieder einmal sehr gut recherchiert und nimmt den Leser auf eine sehr authentisch geschilderte Zeitreise mit, einige geschichtliche Fakten kannte ich noch nicht im Detail, doch das Agieren der Mächtigen erinnert mich sehr an die heutigen Demonstrationen. Sehr gelungen fand ich auch die charakterliche Weiterentwicklung der Protagonisten und wie sich ihre Beziehungen in solchen Krisenzeiten bewähren. Das hat mir sehr gut gefallen, ich war sofort wieder in der Geschichte drin und freue mich ehrlich gesagt auf eine Geschichte, die in der Zeit des Mauerfalls spielt, auch das würde Claire Winter ihren Lesern wieder auf eine ganz unnachahmliche Weise präsentieren.
Absolut lesenswert!