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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.12.2022

Athmospärisch dichter hist. Krimi

Die Wilderin
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Sophie Reyer entführt uns mit ihrem historischen Roman in sie karge und schroffe Bergwelt Tirols von 1900.

Um ihre Familie zu erhalten, muss Theres, die einen kleinen Bergbauernhof betreibt, wie weiland ...

Sophie Reyer entführt uns mit ihrem historischen Roman in sie karge und schroffe Bergwelt Tirols von 1900.

Um ihre Familie zu erhalten, muss Theres, die einen kleinen Bergbauernhof betreibt, wie weiland schon ihr Vater zur Bockbüchse greifen und das eine oder andere Stück Wild zu erlegen.

Als dann ein Mann erschossen aufgefunden wird, gerät Theres unter Verdacht, da man bei ihm ein rotes Tuch findet, das Theres gehört.

Die Dorfbewohner wollen es schon immer gewusst haben, denn wer wildert, schießt auch auf Menschen. Und so scheint das Urteil bereits festzustehen, denn auch für den Postenkommandanten ist Theres schuldig. Nur Inspektor Andreas Schmidt hat so seine Zweifel und sucht nach Beweisen für Theres‘ Unschuld.

Meine Meinung:

Wie wir es von Sophie Reyer gewöhnt sind, begibt sie sich mit ihren Romanen in eine mystische Ebene. Im Fall der „Wilderin“ sind die Tiroler Sagengestalten der Saligen sehr präsent. Die saligen Frauen werden als scheue, aber hilfsbereite und weise Frauen beschrieben, die in Not geratenen Menschen helfen. Das zeigt sich letztlich auch beim Prozess gegen die Theres. Es scheint als ob die Saligen der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen, denn nun werden alte Konflikte aufgelöst und der wahre Täter meldet sich.

Obwohl das Leben auf der Alm mehr als karg ist und Theres zahlreiche Schicksalsschläge hinnehmen muss, verzagt sie nicht. Sie nimmt das Schicksal so an, wie es ist.

Sophie Reyer zeichnet ein Sittenbild des Tirols zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das diesen Roman zu etwas Besonderem macht. Wir erleben Theres in ihrer ganz eigene Welt, die abgeschottet vom übrigen Weltgeschehen auf ihrer Alm ums Überleben kämpft. Theres lebt im Einklang mit der Natur und entnimmt nur das, was sie für das Überleben braucht. Diese Eigenständigkeit, dieses Anders sein ist den Dorfbewohnern ein Dorn im Auge.

Fazit:

Ein historischer Krimi nach einer wahren Begebenheit, der mehr Sittenbild einer Region als Kriminalroman ist, aber durch seine bildhafte Sprache besticht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 19.12.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Fräulein Gold: Die Rote Insel
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In diesem nunmehr 5. Band der Reihe rund um Hebamme Hulda Gold steht, neben den politischen Unruhen von 1926, ihr eigenes Schicksal als ledige Mutter im Fokus.
Nach dem Unfalltod ihres Verlobten Johann, ...

In diesem nunmehr 5. Band der Reihe rund um Hebamme Hulda Gold steht, neben den politischen Unruhen von 1926, ihr eigenes Schicksal als ledige Mutter im Fokus.
Nach dem Unfalltod ihres Verlobten Johann, lebt Hulda nun in Schöneberg, auf der sogenannten Roten Insel, einem Stadtteil, der hauptsächlich von der Arbeiterschaft bewohnt wird. Sie arbeitet bei Grete Fischer, einer Ärztin, die in Not geratene Frauen unterstützt. Allerdings geben Gretes politische Ansichten, die ihrem Freund, einem militanten Kommunisten, hörig ist, Anlass zu Sorge.

Hier, unter der Arbeiterschaft ist Hulda eine Außenstehende, die trotz ihres einnehmenden Wesens und der Hilfsbereitschaft scheel angesehen wird.
„Wo zum Teufel gehörte sie nun hin? Wo würde sie akzeptiert werden – und gleichzeitig sie selbst sein können?“ (S. 77)

Als ein Kohlenhändler in ihrer unmittelbarer Nähe erschlagen worden ist, ist für die Roten klar, dass die Mörder in den Reihen der Braunen zu finden sein werden. Doch Hulda zweifelt an dieser Theorie und stellt eigene Überlegungen und Nachforschungen an. Dabei trifft sie ihren früheren Freund Karl North wieder, der als Ex-Polizist und nunmehriger Privatermittler, Erkundigungen in Schöneberg einzieht.


Meine Meinung:

Anne Stern gelingt es auch im 5. Fall die Zeit der Weimarer Republik sehr gut einzufangen. Deutschland steuert langsam auf bürgerkriegsähnliche Zustände zu: Kommunisten und Sozialisten gegen die immer stärker werdenden Nationalsozialisten.

Gut gefallen hat mir, dass Karl North wieder eine größere Rolle spielen darf.

Hulda Gold macht eine langsame, aber unaufhörliche Wandlung durch. Sie ist zerrissen. Einerseits freut sie sich auf ihr Kind, andererseits weiß sie nicht, wie es weitergehen soll. Sie teilt nun das Schicksal zahlreicher lediger Mütter: kein Einkommen und nur eine feuchte Kellerwohnung. Letztlich springt sie über ihren Schatten und beginnt jene Brücken, die sie vor kurzem abgebrochen hat, wieder aufzubauen. So nimmt Kontakt mit Johanns Eltern auf und erneuert ihre Freundschaften am Winterfeldplatz. Und siehe da, die alten Freunde ihres früheren Lebens sagen ihr Unterstützung zu.

Man darf gespannt auf den nächsten Band sein, der im Herbst 2023 erhältlich sein wird. Eine kurze Leseprobe macht neugierig.

Anne Sterns Schreibstil ist fesselnd und mitreißend. Manche Leserinnen wird die genaue Schilderung des politischen Umfelds vielleicht nicht so interessieren, doch in meinen Augen macht genau das, neben dem Lokalkolorit Berlins, den Reiz dieser Reihe aus.

Fazit:

Wer diese Reihe einmal begonnen hat, wird Hulda Golds Lebensweg weiter verfolgen wollen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 19.12.2022

Hat mich gut unterhalten

Der Kärntner Yeti
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Die Wohnung von Wendelin Kerschbaumer, seines Zeichen Chefinspektor in Wien, wird verwüstet. Daraufhin nimmt er Urlaub und begibt sich wieder einmal nach Bad Kleinkirchheim. Doch auch hier in den Kärntner ...

Die Wohnung von Wendelin Kerschbaumer, seines Zeichen Chefinspektor in Wien, wird verwüstet. Daraufhin nimmt er Urlaub und begibt sich wieder einmal nach Bad Kleinkirchheim. Doch auch hier in den Kärntner Bergen schläft das Verbrechen nicht. Diesmal sieht er sich dem legendären Schneemenschen Yeti gegenüber. Doch wie kann das sein? Die Heimat des Yeti ist doch das Himalayagebiet?

Meine Meinung:

Stefan Maiwald hat auch diesmal wieder einen herrlich skurrilen Krimi geschaffen, der durch sein Lokalkolorit und Streifzüge durch die Kärntner Kulinarik besticht. Gleichzeitig spricht er ein viel diskutiertes Thema an: Raubbau an den Pilzen. Plätze auf denen die begehrten Schwammerl wachsen, werden wie der Augapfel gehütet und die Koordinaten innerhalb der Familien weitervererbt. Da kann es schon einmal sein, dass um diese geheim zuhalten, zu ungewöhnlichen Mitteln gegriffen wird.

Der Schreibstil ist humorvoll und der Krimi lässt sich an einem trüben Nachmittag locker lesen.

Fazit:

Wer einen humorvollen, spannenden Krimi mit skurrilem Personal lesen will, ist hier goldrichtig. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 19.12.2022

Wissenschaft und ihre Feinde

Die Medizin und Ihre Feinde
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„Den Impfstoff gegen Ignoranz gibt es schon, er heißt Bildung. Er sollte in möglichst großen Dosen an Menschen jeden Alters verabreicht werden. Auffrischungen sind unerlässlich.“ (S. 171)

Nicht erst seit ...

„Den Impfstoff gegen Ignoranz gibt es schon, er heißt Bildung. Er sollte in möglichst großen Dosen an Menschen jeden Alters verabreicht werden. Auffrischungen sind unerlässlich.“ (S. 171)

Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist klar, dass die (Schul)Medizin auch ihre Feinde hat. Schon zu Zeiten Maria Theresias (1730-1780) gab es Befürworter und Gegner der damals neuartigen Inoculation, der ersten Impfung gegen die gefürchteten Pocken.

Journalist und Autor Herbert Lackner geht gemeinsam mit dem Onkologen Christoph Zielinksi diesem Phänomen nach. Interessanterweise ist nicht immer das „thumbe Volk“ gegen neue Erkenntnisse, sondern auch der eine oder andere Intellektuelle wie Immanuel Kant. Nebenbei nützen Politiker einst und jetzt die Verunsicherung für ihre eigenen Ziele.

In folgenden Kapiteln werfen die beiden einen Blick auf die Medizin und ihre Feinde:

In den Fängen der Religionen
Die Hexenjagd - große Bühne für Verschwörungstheoretiker
Der Aufklärer als Impfgegner
Vernunft und Unvernunft
Lebensreformer - die grüne Flucht vor der Moderne
Eine ganz besondere Krankheit
„Rassenhygiene“ und „Wehrbiologie“
Ein Hoch der Wissenschaft
Mit allen Mitteln
Die Rückkehr der Radikalen
„Hausverstand“ schlägt Wissenschaft
Die Internationale der „Verschwörungstheoretiker“
Die Wissenschaftsgegner und die medizinischen Fakten
Von Kinderblut und Kanaldeckeln

Auf die Frage, warum besorgte Mütter und abseitige Verschwörungstheoretiker gemeinsam gegen die Erkenntnisse der Wissenschaft marschieren, kann leider keine eindeutige Antwort gegeben werden.

Fazit:

Eine gelungene Übersicht über wissenschaftsfeindliche Phänomene, die es der Wissenschaft seit Jahrhunderten nicht leicht machen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 19.12.2022

Rückt die Illusion vom beschaulichen Biedermeier zurecht

Halbseidenes biedermeierliches Wien
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Dieser Streifzug durch Wien ist der fünfte Teil einer Reihe, die sich einerseits mit Kriminalgeschichten des historischen Wiens in der jeweiligen Epoche als auch mit der Geschichte selbst beschäftigt. ...

Dieser Streifzug durch Wien ist der fünfte Teil einer Reihe, die sich einerseits mit Kriminalgeschichten des historischen Wiens in der jeweiligen Epoche als auch mit der Geschichte selbst beschäftigt.

Diesmal ist das biedermeierliche Wien im Fokus des Autors Günter Zäuner. Als Biedermeier oder auch Vormärz werden die Jahre zwischen 1815 und 1848 bezeichnet. Zu Beginn steht das Ende der Napoleonischen Kriege und der Neuordnung Europas am Wiener Kongress 1814/15 und am Ende die Revolutionen von 1848.

Die 16 Geschichten, die nicht alle wirklich als kriminell zu bezeichnen sind, geben einen Einblick in eine Zeit, die vom Spitzelwesen des Fürsten Metternich dominiert wird. Die Menschen ziehen sich in ihre Wohnungen (soferne sie welche haben) zurück und frönen der Privatsphäre mit Walzerklängen und scheinbarer Idylle.

Dass es hier in Wien auch anders zugegangen ist und die Mehrheit der Bewohner unter äußerst prekären Umständen gelebt haben, zeigt diese Anthologie auf.
Weder waren die Wiener Wäschermädel so süß, noch liegt das Glück auf der Straße. Vielmehr sind die Wäscherinnen sowohl den Unbillen des Wetters als auch der Ausbeutung durch ihre Arbeitgeber ausgesetzt.

Jeder Geschichte ist ein tabellarischer Abriss der Geschichte vorangestellt, so dass der Leser weiß, wann was wo sonst noch geschehen ist.

Mir gefällt diese Art von Kriminalgeschichten. Autor Günter Zäuner wirft mit diesem Buch einen Blick auf die äußeren Umstände der Zeit und rückt das häufig verklärte Bild des Biedermeiers zurecht. Der Tanz auf dem brodelnden Vulkan, der sich 1848 entladen wird, ist bereits deutlich spürbar.


Fazit:

Gerne gebe ich dieser Anthologie, die das fälschlich verklärte Biedermeier, wieder in das rechte Licht rückt, 5 Sterne.