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Veröffentlicht am 05.01.2023

Realistisch, berührend und mit britischen Rezepten aus dem Jahr 1942

Die Köchinnen von Fenley
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Audrey, Gwendoline, Nell und Zelda sind Konkurrentinnen im Kampf um eine Anstellung als Co-Moderatorin der BBC-Kochsendung im Radio „The Kitchen Front“. Sie sind die Protagonistinnen im Roman „Die Köchinnen ...

Audrey, Gwendoline, Nell und Zelda sind Konkurrentinnen im Kampf um eine Anstellung als Co-Moderatorin der BBC-Kochsendung im Radio „The Kitchen Front“. Sie sind die Protagonistinnen im Roman „Die Köchinnen von Fenley“ der in England geborenen Jennifer Ryan. Es ist das Jahr 1942 und mit dem Fortschreiten des Weltkriegs werden die Lebensmittel immer weniger. Von den vier Frauen wird daher nicht nur Kreativität bei der Rezeptwahl erwartet, sondern auch die Auswahl aus dem Angebot immer seltener werdender noch erhältlichen Lebensmitteln, damit die Gerichte ohne Probleme nachgekocht werden können

Audrey ist Kriegerwitwe, hat drei Söhne und bewohnt ein marodes Haus mit großem Garten. Mit dem Backen und dem Verkauf von Pies verdient sie ihren Lebensunterhalt. Lady Gwendoline ist ihre Schwester, die als Kind oft eifersüchtig darauf war, dass Audrey die Gunst der Mutter viel häufiger als sie erhalten hat. Inzwischen hat sie einen betuchten Mann und lebt in einem Herrenhaus. Die junge Nell ist bei ihr angestellt. Sie ist lernwillig und stellt sich an der Seite der Köchin bei der Zubereitung von Mahlzeiten geschickt an. Die vierte im Bunde der Frauen, die sich für den Wettbewerb angemeldet haben, ist Zelda, eine ausgebildete Köchin aus London. Derzeit ist sie Küchenchefin einer Betriebskantine in Fenley. Dort hat man noch nicht bemerkt, dass sie schwanger ist. Für jede der Frauen würde der Gewinn eine gute Chance sein, ihr Leben zu verbessern.

Zu Beginn ist die Konkurrenz unter den Frauen deutlich zu spüren. Sie halten Abstand voneinander und versuchen, durch ihre eigene Leistung aufzufallen. Vor allem Gwendoline nutzt ihre Stellung aus und versucht die anderen Bewerberinnen auszubremsen. Im Laufe der Geschichte zeigen die Frauen charakterliche Wandlungsfähigkeit

Es wird in drei Runden gekocht. Dabei vergeht einige Zeit, während der Alltag der vier Frauen für jede von ihnen neue Überraschungen bringt, meist unangenehme. Mit und mit stellt Jennifer Ryan die positiven Seiten der Konkurrentinnen dar. Sie zeigt, dass der anhaltende Krieg zwar ernüchternd ist, aber die Menschen dadurch immer mehr zusammenrücken. Jede der vier Frauen ist eigenwillig und energisch im Handeln, aber sie entdecken, dass sie gemeinsam noch mehr erreichen können, wenn sie ihre Stärken vereinen. Dadurch erhält die Geschichte eine wohltuende Wirkung.

Für ihren Roman hat Jennifer Egan die Versorgung der Bevölkerung Englands im Jahr 1942 sehr gut recherchiert. Während die Kapitel zwischen den Frauen als jeweilige Protagonistin wechseln, finden sich dazwischen immer wieder Rezepte, die original aus dieser Zeit erhalten geblieben sind. Ich fand es interessant zu erfahren, mit welchen Lebensmitteln, im Austausch zu den gewöhnlicherweise genutzten Zutaten, ein schmackhaftes Gericht zubereitet werden konnte.

In ihrem Roman „Die Köchinnen von Fenley“ beschreibt Jennifer Ryan vier Frauen, die in einer kleinen Stadt in der Nähe von London leben, im Jahr 1942 in einem Kochwettbewerb zunächst zu Konkurrentinnen werden und sich durch ihre Schicksale immer mehr annähern. Die Geschichte wirkt realistisch, ist berührend und bietet einige, ganz verschiedene Rezepte aus der damaligen Zeit. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und daher empfehle ich es gerne weiter.

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Veröffentlicht am 30.12.2022

Feinsinnig geschriebener, herzbewegender Roman

Café Leben
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Zwei unterschiedliche Frauen mit bewegter Vergangenheit sind die Protagonistinnen im Roman „Café Leben“ der englischen Autorin Jo Leevers. Jeder Mensch blickt auf verschiedene Begebenheiten in seinem bisherigen ...

Zwei unterschiedliche Frauen mit bewegter Vergangenheit sind die Protagonistinnen im Roman „Café Leben“ der englischen Autorin Jo Leevers. Jeder Mensch blickt auf verschiedene Begebenheiten in seinem bisherigen Leben zurück. Das (fiktive) „Projekt Lebensbuch“ in London möchte diese Geschichten erfassen. Vor allem bei schwerkranken Menschen eilt manches Mal die Zeit, um die Momente auf Papier oder im aufgenommenen Wort festzuhalten.

Eine dramatische Erinnerung aus ihrer Kindheit begleitet die 32-jährige Henrietta, die sich beim Projekt dafür bewirbt, die Erzählungen der Kunden niederzuschreiben und entsprechend dem Konzept daraus ein Buch zu erstellen. Die Krebspatientin Annie, Mitte 60, ist die erste, die ihr aus ihrem Leben erzählt. Deren ein Jahr jüngere Schwester verschwand als Jugendliche in einer regnerischen Nacht unauffindbar. Für Henrietta ist es unverständlich, dass Annie und ihre Eltern sich damit abgefunden haben. Doch Annie weicht ihren diesbezüglichen Nachfragen aus, so dass sie selbst zu den damaligen Geschehnissen zu recherchieren beginnt.

Jo Leevers hat mit Henrietta und Annie zwei interessante Figuren geschaffen, bei denen von Beginn an zu spüren ist, dass sie mit den erlittenen Schicksalsschlägen zwar verschieden umgehen, aber beide die Gedanken an das Vergangene auf ihre je eigene Weise verdrängt haben. Als Leserin war ich gespannt darauf, was beide zu verbergen wollen, was für eine gewisse Hintergrundspannung und einen Lesesog sorgte. Während Henrietta ihre eigenen Prinzipien hat und diese penibel verfolgt, auch wenn sie von höherer Stelle nicht erwünscht sind, fühlt Annie sich seit dem Tod ihres Ehemanns frei und ungebunden. Bereits durch ihre Kleidung ist sie auffällig, während Henrietta versucht, unscheinbar zu wirken. Für das, was sie liebt, setzt sie sich dennoch tatkräftig ein.

Die Kapitel wechseln zwischen den beiden Protagonistinnen. Obwohl es zunächst danach aussieht, als ob Henrietta und Annie nicht harmonieren, lernen sie, bestimmte Eigenschaften der jeweils anderen zu schätzen. Sie begegnen sich mit Respekt, der dafür sorgt, dass sie immer vertrauter werden und sich füreinander öffnen. Durch die Akzeptanz der weniger geschätzten Eigenschaften der jeweils anderen, gelingt es ihnen, sich auf dieselbe Gesprächsebene zu begeben und dabei Besorgnis auszudrücken und Verständnis und Wärme zu vermitteln.

Die Autorin schreibt einfühlsam über das Sterben, weil es zum Leben dazugehört, aber ohne es in den Vordergrund zu stellen und dem Roman dadurch die Leichtigkeit der Unterhaltung zu nehmen. Sie zeigt, dass bedrückende Ereignisse in jedem Lebensalter emotional verarbeitet werden sollten, denn man kann sie nicht ungeschehen machen.

Figuren, die sich in ihrem Leben weiterentwickeln oder weiterentwickelt haben, verborgene Geschichten in der Vergangenheit, die aufgedeckt werden wollen und ein berührendes gegenwärtiges Setting sind die Zutaten des feinsinnig geschriebenen, herzbewegenden Romans „Café Leben“ von Jo Leevers, den ich sehr gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 20.12.2022

Ein schönes Buch für die Adventszeit mit Geschichten und Rezepten

Ein ganzes Herz voll Weihnachten
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Vierzehn Autorinnen, darunter zwölf deutsche, tragen mit ihren Geschichten im Buch „Ein ganzes Herz voll Weihnachten“ dazu bei, ihre Leser und Leserinnen in eine festliche Stimmung zu bringen. Ausgewählt ...

Vierzehn Autorinnen, darunter zwölf deutsche, tragen mit ihren Geschichten im Buch „Ein ganzes Herz voll Weihnachten“ dazu bei, ihre Leser und Leserinnen in eine festliche Stimmung zu bringen. Ausgewählt und zusammengestellt wurden die Erzählungen von Lea Daume. Für mich ging es in der ersten davon mit Julie Caplin nach London, um dann in der nächsten zweihundert Jahre in die Vergangenheit nach Hamburg zu reisen. Weitere Stationen sind beispielsweise Nebraska, Schottland, Island, Österreich und die Nordseeküste.
Einige Geschichte spielen im Umfeld der Welt, die die jeweilige Autorin für ihre Figuren geschaffen und bereits ein Buch oder mehrere Bücher darin veröffentlicht hat. Dadurch lernte ich nicht nur die verschiedenen Schreibstile kennen, sondern konnte auch in verschiedene Buchuniversen hineinschnuppern wie zum Beispiel in Thielemanns Backhus mit Rebekka Eder, in den Reichstag mit Micaela A. Gabriel und ins Inselkrankenhaus auf Sylt mit Liv Holland. Mit Katharina Herzog freute ich mich, wieder nach Swinton-On-Sea zurückzukehren und den schon bekannten fiktiven Personen zu begegnen. Für das Verständnis der Erzählungen muss man die bereits erschienenen Romane der Autorinnen nicht kennen.
Zum Ende jeder Erzählung gibt es ein Rezept mit einem leckeren Gericht, Gebäck oder Getränk, das zur Advents- und Weihnachtszeit passt. Entsprechend des Fests der Liebe beherbergt jede Geschichte zwar eine gewisse Dramatik, endet aber wohlwollend. Mir haben die Auswahl und die Zusammenstellung der Erzählstücke sehr gut gefallen. Ich habe das Buch in der Adventszeit gelesen und mir haben sie die Freude aufs Weihnachtsfest vermittelt. Gerne empfehle ich es weiter.

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Veröffentlicht am 19.12.2022

Ergreifende und herzerhellende Geschichte - Das Buch zum Film

Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd. Eine bewegte Geschichte
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Eine Antwort auf die Frage „Zuhause ist nicht immer ein Ort, oder?“ ist der Antrieb des kleinen Jungen im Buch „Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd“ sich auf die Suche danach zu begeben, was ...

Eine Antwort auf die Frage „Zuhause ist nicht immer ein Ort, oder?“ ist der Antrieb des kleinen Jungen im Buch „Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd“ sich auf die Suche danach zu begeben, was ein Zuhause wirklich ausmacht. Die Geschichte wurde von dem Briten Charlie Mackesy erdacht und illustriert. Weil das Buch bei den Lesenden und Betrachtenden so gut ankam, hat der Autor und ein Produktionsteam dazu einen Film erstellt. Das nun vorliegende Buch trägt den Untertitel „Eine bewegte Geschichte“ wodurch es Bezug auf den Film nimmt. Die Formen in den Zeichnungen sind gegenüber der ersten Fassung noch weicher, runder und detaillierter, was ich als noch bewegender empfunden habe.
Es ist kalt und es schneit. Ein Junge hat sich verlaufen und findet den Weg nach Hause nicht mehr. Er trifft auf einen Maulwurf, der sich ein Loch an die Oberfläche gegraben hat. Jetzt ist der Junge nicht mehr einsam, denn gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach einer Möglichkeit, sein Zuhause zu finden. Doch zuerst befreien sie einen Fuchs und begegnen einem Pferd. Durch gemeinsame Erlebnisse kommen sie sich näher und entwickeln Verständnis füreinander.
Die zwischen den Freunden gesprochenen Sätze sind einfühlsam, manchmal poetisch und zum Nachdenken auffordernd. Dunklere Bilder und Gedanken wechseln zu hellen Illustrationen, die Hoffnung widerspiegeln. Die Farbgestaltung ist überwiegend in Blau- und Beigetönen sowie Weiß. Es macht Freude, die Zeichnungen zu betrachten. Beispielsweise gibt es beeindruckende Schneelandschaften, einen Sonnenuntergang oder den nächtlichen Himmel, die man auf sich wirken lassen sollte.
Die Freunde machen einander Mut und geben sich gegenseitig Kraft. Sie erleben Angst und teilen Freude miteinander. Dabei verschwinden alle Unterschiede zwischen ihnen und es kommt nur darauf an, dass sie füreinander Zuneigung empfinden. Das Verlangen des Maulwurfs nach Kuchen bringt Humor in die Erzählung. Die Suche führt den Jungen zu der Erkenntnis, dass ein Zuhause nicht an einen Ort gebunden sein muss, sondern auch durch Gefühle gebildet werden kann.
Am Beginn und am Ende des Buchs finden sich Noten einer „Hymn to the Robin“, die von Charlie Mackesy und Isobel Waller-Bridge komponiert wurde. Sie drückt die Stimmungslage des Jungen in den verschiedenen Situationen musikalisch aus.
Diese ergreifende und herzerhellende Geschichte der vier Freunde empfehle ich gerne weiter sowohl an ältere Leser und Leserinnen wie auch an jüngere, die das Buch gemeinsam mit Erwachsenen erkunden sollten.

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Veröffentlicht am 09.12.2022

Lesenswerte Fortsetzung - ein Muss für Lesende des ersten Teils

Das Tor zur Welt: Hoffnung
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Im zweiten Band der Dilogie „Das Tor zur Welt“ von Miriam Georg kehrt Claire, die bei ihrer Flucht nach Amerika erkrankt ist, wieder nach Hamburg zurück. Sie ist eine der beiden Protagonistinnen des Romans. ...

Im zweiten Band der Dilogie „Das Tor zur Welt“ von Miriam Georg kehrt Claire, die bei ihrer Flucht nach Amerika erkrankt ist, wieder nach Hamburg zurück. Sie ist eine der beiden Protagonistinnen des Romans. Im ersten Teil der Serie hat sie ihrer besten Freundin Ava die Chance auf ein besseres Leben in der Neuen Welt genommen. Mit ihrer Rückkehr und besten Vorsätzen für die Zukunft will sie ihr die Hoffnung zurückgeben, kämpft gleichzeitig mit ihrer Schuld und wünscht sich, dass auch sie selbst einen geeigneten Platz im Leben finden wird.
Ava, die zweite Protagonistin der Geschichte, hat während der abenteuerlichen Reise von Claire, eine neue Bleibe in der Nähe ihres Arbeitsplatzes in den Auswanderungshallen, der sogenannten BallinStadt, gefunden. Sie hat sich inzwischen Claires Mutter angenähert, die sich verzweifelt wünscht, ihre Tochter wiederzufinden. Für Ava geht der Alltag weiter. Obwohl ihr Traum in weite Ferne gerückt ist, gibt sie nicht auf. Sie ist freundlich und hilfsbereit und in ihrer Liebe zu einem verheirateten Mann gefangen.
Für den weiteren Verlauf der Erzählung ist die Kenntnis des ersten Bands sinnvoll. Die offengebliebenen Hintergründe zu mehreren Figuren aus dem ersten Teil deckt die Autorin im vorliegenden Roman schrittweise auf. Immer wieder ist ein Kapitel eingeschoben, dass mehrere Jahre vorher spielt. Darin sind die Figuren nicht immer benannt. Zum Ende hin lassen sich die Einzelschicksale jedoch in den Kontext einfügen.
Das große Können von Miriam Georg liegt in ihrem mitreißenden Schreibstil. Sie schreibt auch diesmal wieder vorstellbar und mit Liebe zum Detail. Einfühlsam stellt sie das harte kärgliche Dasein in einigen Gegenden Europas dar ebenso wie den Kampf der Frauen um mehr Rechte. Dadurch, dass Claire ihre gehobene Stellung als Tochter betuchter Eltern verloren hat, hebt die Autorin diesen Aspekt der Geschichte besonders hervor. Für einen raschen Lesefluss sorgt nicht nur die Frage, ob Claire Einfluss auf die Beziehung ihrer Mutter zu deren Arzt nehmen kann, sondern auch die spannende Schilderung von Möglichkeiten die Auswanderungswilligen zu betrügen. Außerdem lernt Claire, dass es verschiedene Auffassungen zum Thema Liebe gibt.
Die Ereignisse aus dem Jahr 1912 werden umrahmt von Begebenheiten aus dem Jahr 1963, bei denen ich von einer der Protagonistinnen lesen konnte, die das Alte Land aufsucht. Insgesamt hat mir der erste Teil noch etwas besser gefallen, weil ich die Handlung etwas agiler fand.
Mit „Das Tor zur Welt – Hoffnung“ findet die Dilogie von Miriam Georg eine lesenswerte Fortsetzung, die dem ersten Band kaum nachsteht. Wieder kommt es zu überraschenden Wendungen bis zu einem unerwarteten Ende. Der Freundschaft der beiden Protagonistinnen kann der Weg über viele Höhen und Tiefen nichts anhaben, auch wenn sie einige Strecken davon allein gehen müssen. Das Buch empfehle ich gerne weiter, für die Lesenden des ersten Teils ist es ein Muss.

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