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Veröffentlicht am 03.01.2024

Auftakt einer Trilogie zum Hundertjährigen Krieg aus Söldnersicht

Essex Dogs
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Sommer 1346: englische Truppen setzen Fuß auf den Strand der Normandie. Es ist der Beginn eines Krieges, der dem englischen König die französische Krone sichern soll, welche er seit 1340 öffentlich beansprucht. ...

Sommer 1346: englische Truppen setzen Fuß auf den Strand der Normandie. Es ist der Beginn eines Krieges, der dem englischen König die französische Krone sichern soll, welche er seit 1340 öffentlich beansprucht. Mittendrin: 10 Söldner, die Essex Dogs, aus deren Perspektive der Feldzug erzählt wird. Und während ihnen das große, politische Geschehen weitgehend egal ist (sofern es sie eben nicht selbst betrifft) besteht ein starker Zusammenhalt der Gruppe, der in den blutigen Wirren des Krieges auf die Probe gestellt wird.
Das einfache Söldnerleben wird von Dan Jones unverblümt dargestellt: Schmutz, Blut, Durchfall, Grausamkeiten und Obszönitäten. Von höfischem Rittertum ist hier keine Spur, besonders eindrucksvoll ist die Einbindung kurzer Zitate aus historischen Quellen zu Beginn jedes Kapitels: schlichte Worte, die im krassen Gegensatz zu der dann faktisch-fiktiv vermischten, spannenden Handlung steht.
Von den 10 Söldner stehen zwei im Vordergrund: Loveday, der alternde Anführer der Gruppe, und Romford, der Jüngste. Vier weitere der Männer – Millstone, Pismire, Father und Scotsman – sind ebenfalls ausreichend charakterisiert, bei den zwei Walisern, die kein Englisch sprechen, besteht zur Gruppe wie zum Leser hin eine gewisse Distanz. Aber die zwei Schützen Tebbe und Thorp erscheinen durch den ganzen Roman als kaum ausgearbeitete Einheit. Hier hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht.
Der Krieg und das aggressive Kampfgeschehen ist der Kern der Handlung. Und während actionreiche Szenen extrem fesselnd geschrieben sind, können die wenigen Nebenhandlungen nicht mithalten. Ohne hier zu viel zu verraten: Lovedays Frau, das Verschwinden des ehemaligen Anführers und die mysteriöse Fremde sind allesamt Aspekte, die relativ farblos bleiben und nur ab und an auftreten, aber ohne weitere Konsequenzen. Zudem ist das Ende für meinen Geschmack etwas zu offen und dadurch unbefriedigend. Vielleicht kann man diese Umstände auf die primäre Tätigkeit des Autors als Historiker zurückführen.
Und zum Thema Geschichte: die nicht-kriegerisch Beteiligten am Feldzug sind überraschend unsichtbar. Bei der englischen Landung werden Köche und Viehtreiber genannt und an einer Stelle werden Überlegungen bezüglich der Versorgungslinie gemacht, deren erzählerische Abwesenheit lässt sich vielleicht als für die söldnerischen Blickpunkte im Gegensatz zum akuten Kampf weniger relevant entschuldigen. Dennoch ist es seltsam, dass bei allem historischen Realismus die typischerweise im Umkreis eines Heeres zu findenden Personen, wie z.B. Prostituierte, unerwähnt bleiben.
Jeder Mittelalterfan, der sich für unterhaltsame Militärgeschichte interessiert, aber keine exakten Beschreibungen von Heeresstärken, Strategien und Kriegswerkzeugen sucht, wird hier auf seine Kosten kommen.
Alles in allem ein spannender, fesselnder historischer Roman, der eine neue Perspektive auf den Hundertjährigen Krieg eröffnet.

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Veröffentlicht am 18.06.2023

Familie, Pflicht, Liebe und der Dreißigjährige Krieg

Das Erbe derer von Thurn und Taxis
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Der Krieg ist schon seit Jahren im Gange als der Zufall Gräfin Alexandrine von Taxis und Silas von Maringer, Sohn des Oberstallmeisters des Mainzer Kurfürstens, zusammenführt. Es funkt gehörig zwischen ...

Der Krieg ist schon seit Jahren im Gange als der Zufall Gräfin Alexandrine von Taxis und Silas von Maringer, Sohn des Oberstallmeisters des Mainzer Kurfürstens, zusammenführt. Es funkt gehörig zwischen den Beiden, doch Anstand und Erbregeln machen eine Verbindung unmöglich. Und so bahnen sich Alexandrine und Silas getrennt doch nie fernab voneinander einen Weg durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges.
Alexandrine von Taxis und ihre Kinder, deren Erbe sie tatkräftig verteidigt und erweitert, gab es wirklich, Silas ist der künstlerischen Freiheit der Autorin entsprungen. Beide seien hier als Beispiel für ein Phänomen angeführt, dass sich durch den gesamten Roman zieht: die gelungene Vermischung von Fakt und Fiktion. Das historische Gerüst wird mit bildlichen Alltagsdetails angereichert und vermittelt so das Gefühl einer realistischen, belebten Welt. Hierzu tragen nicht zuletzt die Nebencharaktere bei, die, egal ob sie wiederkehrten oder nur einmalig vorkamen, allesamt lebendig gestaltet waren. Bei den meisten der Hauptpersonen besteht eine eher realpolitische Einstellung was Konfessionen angeht.
Gelegentlich hatte ich den Eindruck, dass Silas Perspektive sich zu sehr um Alexandrine drehte bzw. sie zu seinem alleinigen Lebensmittelpunkt geworden ist, worüber er sich kaum um seine Familie kümmerte. Oder vielmehr nur, wenn diese ihn dazu aufforderte. Ansonsten galt ihm aus den Augen aus dem Sinn.
Auf die Gefahr hin zu spoilern, fast der gesamte Zeitraum des Dreißigjährigen Krieges wird hier erzählerisch abgedeckt, wobei Zeitsprünge und -raffungen natürlich unvermeidlich sind. Trotzdem entsteht nicht der Eindruck, dass man als Leser etwas Wichtiges „verpasst“ habe.
Zu Beginn findet sich ein Namensverzeichnis und am Ende des Romans ein hilfreicher Zeitstrahl mit den „Kernevents“ des Kriegs.
Alles in allem ein unterhaltsamer und bemerkenswert gut recherchierter historischer Roman, den in gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 23.05.2023

Einblick in bürgerliche Alltagsärgernisse vor über 100 Jahren

Ein bisserl schimpfen ein bisserl räsonieren
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In „Ein bisserl schimpfen, ein bisserl räsonieren“ hat Stefan Franke eine Auswahl an Lese/Beschwerdebriefen von 1909-1915 aus einer österreichischen Zeitung, der „Wiener Hausfrau“, zusammengestellt. Die ...

In „Ein bisserl schimpfen, ein bisserl räsonieren“ hat Stefan Franke eine Auswahl an Lese/Beschwerdebriefen von 1909-1915 aus einer österreichischen Zeitung, der „Wiener Hausfrau“, zusammengestellt. Die Briefe sind in 11 thematische Kategorien eingeteilt und zeichnen sich allesamt durch eine sehr höfliche Form des Beschwerens aus. Im Mittelpunkt stehen oftmals Aspekte, die auch heute immer wieder Konflikte aufkommen lassen, von der mangelhaften Hygiene anderer Personen, fehlerzogenen Kindern (und Ehemännern), Mode bis hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln.
Manche Klagen könnten der Gegenwart entstammen, andere hingegen offenbaren Missstände des historischen Alltags, die wir glücklicherweise hinter uns gelassen haben. Der eine oder andere Leserbrief sprüht geradezu vor Tatendrang, nicht selten werden konstruktive Vorschläge vorgestellt und argumentiert, wie ich es in heutigen Leserbriefen vermisse.
Mit Farbschnitt, geringer Größe, festem Einband und den kurzen Lese-Etappen ist das Buch ein hübscher und amüsanter Reisegefährte.
Alles in allem eine sehr kurzweilige Lektüre, perfekt zum Lesen „zwischendurch“ und durch die schöne Optik sicher auch ein gutes Geschenk.

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Veröffentlicht am 21.04.2023

Ein anderer Blick auf Hastings

Die Kinder des Earls
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Der ein oder anderer mag mit dem Cover, dem Teppich von Bayeux, das Thema des Romans schon auf den ersten Blick erahnen, doch „Wilhelm der Eroberer“ und „Hastings 1066“ dürften jedem bekannt sein: Wilhelm, ...

Der ein oder anderer mag mit dem Cover, dem Teppich von Bayeux, das Thema des Romans schon auf den ersten Blick erahnen, doch „Wilhelm der Eroberer“ und „Hastings 1066“ dürften jedem bekannt sein: Wilhelm, Herzog der Normandie, der sich die angelsächsische Krone erkämpfte und damit das Verhältnis von England und Frankreich in den folgenden Jahrhunderten komplizierter machte.
Hier nun legt Felicitas Dietrich einen hervorragend recherchierten Roman vor, in dem die Geschichte von Seiten der angelsächsischen „Verlierer“ von Hastings erzählt wird. Den Kern bildet die Familie des Earls Godwin von Wessex, einem der mächtigsten Männer des Angelsachsens seiner Zeit. Doch unantastbar ist seine Stellung nicht und die Schicksale seiner Kinder entwickeln sich -wenn auch immer miteinander verwoben- zutiefst unterschiedlich.
Ich würde den Roman als historischer als die meisten anderen historischen Romane bezeichnen. Ereignisse und Entwicklungen werden verständlich erklärt bzw. als Teil der Handlung erzählt, ein Personenregister und Liste von Begriffen sind als Orientierungshilfen vorhanden. Vielleicht liegt es an der Bedeutsamkeit historischer Kontexte, doch der Roman hat sich für mich nicht als Abschalt-Lektüre geeignet.
Generell bin ich kein Freund von Prologen und Epilogen, aber der Epilog hier hat mir ausgesprochen gut gefallen, er bildet einen gelungenen Abspann des Buches.
Alles in allem kann ich den Roman allen empfehlen, die sich für englische Geschichte interessieren oder eine bekannt geglaubte Geschichte aus einer anderen Perspektive erleben möchten.

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Veröffentlicht am 20.12.2022

historisches Familiendrama mit Krimianteil

Die Hafenärztin. Ein Leben für das Recht auf Liebe (Hafenärztin 3)
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Anne ist zurück in Hamburg, nimmt ihre Arbeit als Ärztin für die ärmsten Frauen wieder auf – und schon gibt es einen neuen Anlass zu ermitteln: Dreh- und Angelpunkt ist dieses Mal das chinesische Viertel ...

Anne ist zurück in Hamburg, nimmt ihre Arbeit als Ärztin für die ärmsten Frauen wieder auf – und schon gibt es einen neuen Anlass zu ermitteln: Dreh- und Angelpunkt ist dieses Mal das chinesische Viertel Hamburgs, das unter dem Andrang ausgenutzter Arbeiter und zwangsprostituierten jungen Frauen rasch anwächst. Als Anne van der Zwaan Zeugin des Mordes an einem der Mädchen wird, beginnt Berthold Rheydt zu ermitteln.
Noch bevor ich die erste Seite las, bin ich gleich zwei Irrtümern aufgesessen: Es handelt sich hier nicht um den letzten Band der Serie, im November 2023 erscheint ein vierter Teil. Dennoch hat das Ende dieses Bandes ein gewisses Abschluss-Feeling, ohne zu Spoilern sei nur gesagt, dass die Mehrheit der im ersten Roman begonnene Handlungsstränge hier beendet werden. Zweitens ging ich aufgrund des Untertitels „Ein Leben für das Recht auf Liebe“ davon aus, dass sich entweder der aufblühenden Romanze von Helene und Berthold etwas gehörig in den Weg stellen würde, oder aber Annes Liebesleben und damit das Thema Homosexualität zu jener Zeit angesprochen werden würde. Tatsächlich aber ist ersteres nicht der Fall und obwohl Anne sich im Laufe der Handlung verliebt, war dies relativ knapp gehalten. Ehrlich gesagt zu knapp, für mich war der Umschwung Annes bezüglich der betreffenden Frau von einer Bekannten hin zu Verliebten sehr plötzlich. Demgegenüber entwickelt sich die Beziehung von Helene und Berthold authentischer weiter, Sorgen und Zweifel kommen auf und werden überwunden.
Ich kann nicht beurteilen, inwiefern der Roman für Quereinsteiger geeignet ist. Einerseits werden Entwicklungen der beiden Vorgänger zusammengefasst, doch man hat einfach mehr davon, wenn man dies selbst mitgelesen hat und die Charakterentwicklungen erlebt, die hier auch sehr stark die Nebenfiguren betreffen.
Generell beschäftigt sich dieser Band stark mit den Beziehungen der Figuren zueinander, vor allem im Themenfeld Familie: Anne und ihr Vater, Helenes Eltern und ihr Bruder, sowie in geringerem Maße die Reimers.
Spannungsmäßig geht es ruhiger zu als in den Vorgängern, dennoch gibt es auch Action, besonders positiv in Erinnerung geblieben ist mir eine großartige Verfolgungsjagd.
Alles in allem ein gelungener Abschluss der Trilogie, der genügend Raum für und Lust auf einen Nachfolge-Band macht.

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