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Veröffentlicht am 13.06.2024

Hach, wie schön!

Was der Morgen bringt
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Hach, es ist doch einfach wunderbar, wenn ein Roman einfach nur schön und wohltuend ist! Und genau das ist „Was der Morgen bringt“ von Eva Ibbotson – ein Roman für die Seele, eine wunderbare Liebesgeschichte ...

Hach, es ist doch einfach wunderbar, wenn ein Roman einfach nur schön und wohltuend ist! Und genau das ist „Was der Morgen bringt“ von Eva Ibbotson – ein Roman für die Seele, eine wunderbare Liebesgeschichte mit Charakteren, die man am liebsten sofort in einer Netflix-Serie sehen würde, dabei ist die Story aber, allein schon wegen des historischen Kontexts, alles andere als oberflächlich.

Der Roman spielt unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg: die Jüdin Ruth Berger lebt in Wien; im Gegensatz zu ihren Eltern, die Österreich bereits verlassen haben, ist ihr die Flucht nicht gelungen. Als der englische Wissenschaftler Quin Sommerville, der ihrem Vater freundschaftlich verbunden ist, ihr anbietet sie pro forma zu heiraten, damit sie legal ausreisen kann, geht sie auf das Angebot ein, nichtahnend, dass es nicht so einfach sein wird, dieses Arrangement wieder aufzulösen.

Eva Ibbotson hat mir mit ihrer Liebesgeschichte auf jeder Seite Freude bereitet, auch wenn der Text sprachlich manchmal nah an der Jugendliteratur vorbeischrammte, das ein oder andere Klischee eingefügt wurde und auch einige Wendungen vorhersehbar waren. „Was der Morgen bringt“ ist sehr viel Gefühl und Liebe, einfach etwas fürs Herz, aber eben auch von seinem Personal her gut erdacht. So kann Quin Sommerville es beinahe mit Jane Austens Mr. Darcy aufnehmen, er gehört auf jeden Fall zu den Romanhelden, die man so schnell nicht vergisst. Zwar könnte man die Figurenkonzeption dahingehend kritisieren, dass sie vielleicht etwas zu stark auf stereotype Darstellungen setzt, aber Ibbotson gibt sich so viel Mühe mit ihren Figuren, betrachtet selbst die kleinste Nebenfigur, wie z.B. die unsympathische Psychologin aus Breslau, noch mit liebevoller Aufmerksamkeit, dass man mühelos über etwaige Reduzierungen auf hervorstechende Eigenschaften hinwegsehen kann.

Dazu unterhält und fesselt die Geschichte, denn die Verwicklungen des Herzens und die Tatsache, dass man als Leser die Missverständnisse und Irrungen der Protagonisten amüsiert durchschaut, bieten ein abwechslungsreiches und kurzweiliges Lesevergnügen und das alles spielt sich wahlweise vor der immer gut funktionierenden Kulisse Londons oder der dramatisch-wilden Küstenlandschaft Northumberlands im Norden Englands ab – tatsächlich ist „Was der Morgen bringt“ einer der wenigen Romane, die ich in diesem Jahr fast ohne Unterbrechungen durchgelesen habe und den ich schließlich mit einem etwas wehmütigen Seufzer zuklappte, denn „Hach, es war einfach schön!“ Meine romantische Seele konnte jubilieren und bittet den Kampa-Verlag um mehr Eva Ibbotson!


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Veröffentlicht am 04.11.2023

Abgrund und Alltag in Carthago Nova

Ich, Sperling
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Wer nach einem gemütlichen historischen Wohlfühl-Schmöker sucht, sollte die Finger von „Ich, Sperling“ lassen, denn der Roman ist harter Tobak, aber guter.
James Hynes taucht mit seinem Protagonisten ...

Wer nach einem gemütlichen historischen Wohlfühl-Schmöker sucht, sollte die Finger von „Ich, Sperling“ lassen, denn der Roman ist harter Tobak, aber guter.
James Hynes taucht mit seinem Protagonisten der vielen Namen (Maus, Antinoos, Antiochus, Pusus) tief in eine Identitätssuche ein, die sich in Carthago Nova (dem heutigen Cartagena/Spanien) entspinnt, während das Römische Reich in seinen letzten Zügen liegt. Pusus, mittlerweile gealtert und nun Jakob genannt, erinnert sich an seine Kindheit in der hispanischen Hafenstadt, die alles andere als angenehme Erinnerungen beinhaltet. Wie könnte sie auch? Auf einem Sklavenschiff in der Stadt gelandet, von dem Dominus eines Bordells gekauft, wächst der kleine Junge zwischen den Wölfinnen genannten Prostituierten auf, verrichtet erst Botendienste und Küchenarbeiten bis er schließlich selbst zur Wölfin wird.

James Hynes schont seine Leser nicht. Das römische Reich mit seinem auf Sklaven beruhenden System wird in seiner Grausamkeit und Brutalität bis ins letzte Detail, also auch bis in die Zellen der Wölfinnen, ausgemalt. Zwar wird auf erotische Schauwerte verzichtet, aber der geschilderte Geschlechtverkehr ist nichts für empfindliche Gemüter.
Ebenso rau wird der Alltag in dem Viertel, in dem die Taverne „Helikon“ liegt, mit seinen Gerüchen und Geräuschen, seinen Gebäuden und seinen Menschen geschildert, sehr plastisch und überaus lebendig– als Leser ist man mittendrin im täglichen Leben einer römischen Provinzstadt und lernt nebenbei ganz viel über römische Gesellschaftsklassen, Handwerker, Handel, Regeln und Gesetze – alles aus der Perspektive derer, die ganz unten im Ansehen stehen und keine Stimme haben.

So beeindruckend dieses tiefe Eintauchen in die Welt der Antike ist – man ist wirklich ganz dicht dran – so grausam, fordernd und brutal ist es zu lesen, wie der Protagonist selbst in seiner grenzenlosen Abhängigkeit in die Prostitution gezwungen wird. Viele Details und Szenen sind unerträglich, verdeutlichen aber wie ausweglos die Situation und wie groß die Ohnmacht und Abhängigkeit von Sklaven war. Inmitten all der Rohheit und Gewalt eröffnen sich allerdings immer wieder Momente großer Zuneigung und Liebe – im Rahmen ihrer Möglichkeiten kümmern sich die Wölfinnen um den Jungen, der so nicht nur etwas Wärme erfährt, sondern auch ein Mindestmaß an Bildung.

Neben der Erkundung der Abgründe der römischen Gesellschaft, ihres opportunistischen Verhältnisses zum frühen Christentum und ihres Alltags, legt Hynes den Fokus auf die eingangs erwähnte Identitätssuche: Wer kann man sein, wenn man seine Wurzeln nicht kennt, nichts über die eigenen Herkunft weiß, nur raten kann, aus welchem Land man kommt? Wer kann man sein, wenn man keinen Namen hat, nur „Junge“ heißt und letztlich ein Objekt ist, das jederzeit wieder auf dem Markt verkauft werden kann? Wie wirken sich Traumata und fehlende Nestwärme, Gewalt und Brutalität, Unfreiheit und dauernde Angst auf das Heranwachsen aus?

Auch wenn der Roman nur eine fiktionale Antwort auf diese Fragen geben kann, ist diese doch überaus überzeugend und nachvollziehbar, nicht zuletzt, weil dem Autor mit seinem Protagonisten eine Figur gelungen ist, die die Sympathie auf sich zieht, mit der man mitleidet und um die man bangt, die sich aber nie selbst bemitleidet, sondern in überaus sachlichem Ton die Begebenheiten der Vergangenheit schildert. Hinzu kommt, dass das erzählende Ich von Beginn an jede Lesererwartung im Keim erstickt und der Roman dadurch schon weitab vom traditionellen historischen Roman mit seiner Tendenz zu vorgezeichneten Handlungskurven und Figurenzeichnung liegt – ich hätte mir lediglich gewünscht, dass man mehr über die Jahre, die zwischen Antinoos und Jakob liegen, erfährt.

Das Carthago Nova aus „Ich, Sperling“ fühlt sich so echt an, wie es nur geht. Mitreißend und spannend wird hier eine Geschichte ausgebreitet, die sich so wohl hunderttausendfach im Römischen Reich zugetragen haben könnte. Sprachlich anspruchsvoll mit sehr viel historischem Hintergrund lässt einen „Ich, Sperling“ sprachlos, erschüttert und beeindruckt zurück. Eine Leseempfehlung, allerdings nichts für zartbesaitete Seelen.

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Veröffentlicht am 12.09.2023

Der Familie auf der Spur

Porträt auf grüner Wandfarbe
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Das „Porträt auf grüner Wandfarbe“ hätte ich ja zu gern einmal selbst gesehen, am liebsten natürlich in seiner angestammten Umgebung auf dem Gutshof nahe Köslin an der Ostsee. Da ergeht es mir wie der ...

Das „Porträt auf grüner Wandfarbe“ hätte ich ja zu gern einmal selbst gesehen, am liebsten natürlich in seiner angestammten Umgebung auf dem Gutshof nahe Köslin an der Ostsee. Da ergeht es mir wie der etwas blass geratenen Protagonistin Gwen, die völlig unvermutet nach der Wende von ihrer Tante Lily zu einer Reise auf den Spuren ihrer Familie nach Polen ermuntert wird und dabei so manches Beziehungsgeflecht, Geheimnis und Schmuckstück zutage fördert.

Elisabeth Sandmann nimmt den Leser mit auf eine Expedition durch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu einer detektivischen Schnitzeljagd durch Familienschweigen, falsche Annahmen und Entfremdungen. Aufgespannt wird diese kurzweilige und faszinierende Familiensaga zwischen bildhübschen, detailliert beschriebenen Kulissen wie Oxford, Schloss Elmau, Salzburg und der Ostsee, Orte, die Dreh- und Angelpunkte in der Familienhistorie sind.

Bevölkert wird der Roman von einer Vielzahl von Personen, denen die Autorin viel Zeit widmet. Während die flamboyante Großmutter Ilsabé mitunter etwas überzeichnet erscheint, kann man sich mit allen anderen Figuren (trotz leicht stereotyper Tendenzen) sehr gut anfreunden. Besonders erfrischend ist, dass es in diesem Roman mal keinen unsympathischen Bösewicht von der Stange gibt. Die Tragödien, der Kummer und das Leid, die die Familie heimsuchen, sind allesamt dem zeitlichen Kontext und der politischen Lage geschuldet. So kann man sich mit dem Figurenpersonal durchweg zuhause fühle, sich an den verschiedenen Handlungssträngen erfreuen und rätseln, welche Wendung das Schicksal wohl als Nächstes bereithält, auch wenn so manche Entwicklung sich zunehmend andeutet und daher nicht zu überraschen vermag. In diesen leichten Kritikpunkt spielt auch der Eindruck hinein, dass der Roman an einigen Stellen zu deutlich konstruiert ist. Zwar passt bei der Handlung ein Puzzlestück ins andere, aber der Fluss des Geschehens wird zu stark in den Dienst der Konstruktion gestellt – es muss sich schließlich alles irgendwie am Ende fügen. Mich persönlich hat dies nicht gestört, ich war eher von dem sehr übertriebenen Teegenuss der Figuren irgendwann genervt.

Für mich ist „Porträt auf grüner Wandfarbe“ ein süffiger, sehr gut lesbarer, niemals langweiliger Schmöker mit sympathischen Figuren, einem Hauch Nostalgie und malerischen Settings, der einem herrliche Lesestunden zum Abtauchen bescheren kann. Im Vergleich zu vielen anderen Romanen des Genres bietet er deutlich mehr Abwechslung, ist ansprechend konzipiert und stimmt mit seinem Thema des Verlusts durchaus nachdenklich. Ich hätte am Ende zwar auch mit sehr viel weniger Happy End leben können, aber vermutlich fordert dieser Roman einen solchen Abschluss, um der Trauer des Lebens etwas entgegensetzen zu können. Eine Leseempfehlung für Liebhaber von üppigen Familiensagas mit Niveau, die jedoch damit leben können, dass die Überraschungen, die die Vergangenheit bietet, begrenzt sind.

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Die düsteren Seiten der Schönwalds

Schönwald
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Die Schönwalds sind sicherlich keine Familie zum Liebhaben, aber sie bieten einiges an Erzählstoff. Ruth, Hans-Harald und ihre drei längst erwachsenen Kinder Chris, Karolin und Benni haben sich in ihrem ...

Die Schönwalds sind sicherlich keine Familie zum Liebhaben, aber sie bieten einiges an Erzählstoff. Ruth, Hans-Harald und ihre drei längst erwachsenen Kinder Chris, Karolin und Benni haben sich in ihrem „Familienleben“ gut eingerichtet, das zumindest oberflächlich nur deshalb so reibungslos funktioniert, weil jeder hier alles für sich behält, niemand über Gefühle oder Wahrheiten spricht und mehr oder minder zufrieden damit ist, belanglos nebeneinander her zu existieren.

Wie bei einem Kammerspiel treibt Familie Schönwald nach Jahrzehnten milde interessierter Koexistenz auf einen großen Showdown zu, als sich alle Familienmitglieder treffen zur Eröffnung von Karolins Buchladen für queere Literatur treffen, bei der es zu einem Skandal kommt. Dieses Ereignis nutzt Philipp Oehmke als Auftakt für tiefe Einblicke in die Vergangenheit und Gegenwart der Familienmitglieder. Ausführlich beleuchtet er Schlüsselmomente in der Entwicklung seiner Figuren, zeigt eindrücklich auf, warum diese so werden mussten, wie sie sind. So wird der Roman zu einer breitangelegten, überaus durchdachten Charakterstudie einer ganzen Familie, ihres Beziehungsgeflechts und ihrer mangelnden Kommunikation.

Darüber hinaus gelingt es Oehmke äußerst vergnüglich, mitunter haarscharf an der Satire vorbeistreifend, den Finger in die Wunden heutiger und vergangener deutscher Befindlichkeiten zu legen. Der Text ist sehr oft frech, politisch zum Glück nicht immer korrekt, dafür aber ehrlich, genau auf den Punkt und durchaus auch subtil ironisch. Hier wird mit allerlei Hysterie und vermeintlich gerade herrschendem Mainstream aufgeräumt – es tut tatsächlich sehr gut, mal einen Text zu lesen, der sich etwas traut und die Absurditäten unserer Zeit (wie z.B. Wohlstands-Bio-Kost, Dorf-Lifestyle und völlig ahnungslose Social-Media-Moralisten) vom Podest holt. Oehmkes Beobachtungsgabe ist messerscharf und mitunter fast respektlos, aber stets zutreffend und manchmal auch mit einem Hauch von Nostalgie verbrämt (ein Highlight ist z.B. die Beschreibung der Senator-Lounge der Lufthansa).

Eingebettet sind diese sehr unterhaltsamen Kommentare in einen äußerst lesbaren Text, der einen enorm hohen Unterhaltungswert bietet. Die Handlungsorte und einzelnen Handlungsaspekte sind ausgezeichnet beschrieben und bilden den passenden Hintergrund für die Irrungen und Wirrungen der Familie Schönwald. Vom Tennisclub über den Unibetrieb bis hin zum Hospital in Islamabad und der teuren psychologischen Praxis in Köln-Hahnwald – in diesem Roman wirkt alles authentisch und lebensecht, sicherlich auch, weil der Bezug zu realen Personen wie der Trump-Gefolgschaft geschaffen wird. Oehmke ist mit „Schönwald“ – was für ein Name für eine sehr deutsche Familie – ein unterhaltsames, punktgenaues und sehr zeitgeistiges Porträt von Menschen gelungen, die nicht mit, aber auch nicht ohne einander leben können.

Das Einzige, was man an dem Roman bemängeln könnte, ist, dass er aufgrund seiner Konstruktion der Rückschauen und Perspektivenwechsel oftmals den Eindruck erweckt, in jedem Kapitel zwei Schritte vor und einen zurück zu machen. Einige Ereignisse werden mehrfach aufgegriffen und dann aus der Sicht verschiedener Figuren betrachtet. Dies ist sowohl für das Verständnis der Situation als auch der Figur sinnvoll, führt aber mitunter zu einem Hauch von Langatmigkeit und dem Eindruck, dass der Text etwas auf der Stelle tritt.
Dennoch: „Schönwald“ ist absolut lohnenswert, sicherlich ganz besonders wenn man selbst der Generation X angehört. Feiner Humor, eine gründliche Auseinandersetzung mit Figuren, ein klarer und kritischer Blick auf deutsche Befindlichkeiten und die Fallstricke familiären Miteinanders wurden selten so gekonnt vereint.

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Veröffentlicht am 20.12.2022

Wenn die Krise kommt...

Connemara
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Nicolas Mathieu hat mich in seinem neuen Roman „Connemara“ für Hélènes Geschichte begeistern können. Obwohl das Buch nicht sonderlich schlank ist, hat es mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen ...

Nicolas Mathieu hat mich in seinem neuen Roman „Connemara“ für Hélènes Geschichte begeistern können. Obwohl das Buch nicht sonderlich schlank ist, hat es mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen und gefesselt. Es besticht durch seine Glaubwürdigkeit, seine relativ ruhige und gelassene Erzählweise, die es aber versteht äußerst präzise Sachverhalte, Emotionen und Kummer in Worte zu fassen, ohne dabei distanziert oder zu dramatisch zu wirken.

Besonders seine Figuren sind Nicolas Mathieu außerordentlich gelungen. Authentisch, wahrhaftig und nachvollziehbar, ausgestattet mit dem ein oder anderen Identifikationsmoment segeln seine Protagonisten, die bereits im Mittelalter angekommen sind, durch ihre Unzufriedenheit, Niederlagen, Versäumnisse, Wünsche, Begierden und amourösen Verwicklungen. Da die Beschreibungen frei von Sentimentalitäten sind, ist die rückhaltlose Darstellung der Gefühlswelten in sich auf eine besondere Weise berückend schön und ungekünstelt, ehrlich und echt. Diese Glaubwürdigkeit, die sich vor allem in Hélènes Arbeitswelt und ihrem Familienleben zeigt, ist vom Burn-out in Paris über die Rückblenden in ihre Vergangenheit bis zu ihren versuchten Neustarts überzeugend und tatsächlich auch erfrischend.

Ein Manko, ohne dass ich sicherlich gut hätte auskommen können (das aber wie immer Geschmackssache ist), ist die immer wieder in den Mittelpunkt gestellte Sexualität und Intimität – dass muss sicherlich nicht in diesem Ausmaß ausgeführt werden, auch wenn es sich um einen Roman handelt, der ein Liebesverhältnis zentral setzt. Das kann man bestimmt auch gemäßigter umsetzen.

Dennoch: mir hat er Roman sehr viel Freude bereitet, ich schätze den reflektierten Umgang mit gesellschaftlichen Erwartungen und Normen und dem allgemeingültigen Rollenverständnis und mag es, wie Mathieu diese Komponenten ans Licht zerrt und dem Leser einen Einblick in die französischen Gegebenheiten gewährt. Ich empfinde die Lektüre daher als lohnenswert und kann den Roman mit ein paar Abzügen empfehlen.

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