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Veröffentlicht am 20.03.2023

Eindrucksvolles Debüt

Dalee
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MEINE MEINUNG
Mit seinem Debüt „Dalee“ ist dem deutschen Auslandsreporter und Autor Dennis Gastmann ein berührender und wundervoll warmherzig erzählter Abenteuerroman gelungen, der uns in eine fremde, ...

MEINE MEINUNG
Mit seinem Debüt „Dalee“ ist dem deutschen Auslandsreporter und Autor Dennis Gastmann ein berührender und wundervoll warmherzig erzählter Abenteuerroman gelungen, der uns in eine fremde, exotische Welt eintauchen lässt. Es ist eine faszinierende, sehr einfühlsam erzählte Geschichte über Zusammenhalt, Freundschaft, Neuanfänge und Abschiednehmen und über die lebenslange Beziehung und tiefe Verbundenheit zwischen Mensch und Tier.
Die aparte Ausgangsidee des Romans mit ihrem exotischen Schauplatz auf einem fernen Archipel basiert tatsächlich auf wahren Begebenheiten. Man spürt deutlich, wie ausgiebig der Autor für dieses Buch recherchiert hat, sich mit fremden Kulturen auseinandergesetzt und auch die tropische Natur vor Ort mit ihren Widrigkeiten, ihrer atemberaubenden Vielfalt und Urgewalten hautnah miterlebt hat.
Angesiedelt ist die Handlung Mitte des 20. Jahrhunderts. Erzählt wird die Geschichte rückblickend aus der Perspektive des alten Protagonisten und Ich-Erzählers Bellini, der uns an seinen berührenden Kindheitserinnerungen teilhaben lässt. So erleben wir aus der bisweilen herrlich kindlichen Sicht des 11jährigen Jungen die aufregenden Ereignisse rund um den Weggang seiner Familie aus Kalkutta und ihren hoffnungsvollen Neuanfang in der Fremde auf einer tropischen Andamaneninsel und ehemaliger Standort eines britischen Strafgefängnisses, wo sein Vater als Elefantenführer mit seinem Arbeitselefanten Dalee für einen reichen Unternehmer zur Abholzung des wertvollen Tropenholzes Arbeit gefunden hatte.
Dank des wundervoll bildhaften, farbenprächtigen Erzählstils konnte ich mühelos in die tiefgründige Geschichte abtauchen und mich an der Seite des jungen Ich-Erzählers auf eine abenteuerliche und äußerst ereignisreiche Reise ans andere Ende der Welt begeben. Ob nun die exotische Basaratmosphäre mit dem ungewöhnlichen Elefantenrennen zur Rekrutierung der Arbeitstiere, die abenteuerliche Schiffspassage über den indischen Ozean mit den Grauen Riesen an Bord, die beschwerlichen Anfänge im unwirtlichen Urwald oder den mühsamen Aufbau einer Siedlung für die bunt gewürfelte Truppe an angeworbenen Arbeitern und ehemaligen Sträflingen - Gastmann gelingt es hervorragend, eine unnachahmliche und oftmals märchenhaft-mystische Stimmung heraufzubeschwören, die einen unweigerlich in ihren Bann zieht. Mit der Ankunft und dem Wirken des deutschen Direktorenehepaars auf der Insel, dem Aufeinandertreffen von indischer Arbeitsmoral und Aberglauben mit deutscher Lebenseinstellung und disziplinierter Arbeitsauffassung bauen sich allmählich immer mehr Konfliktfelder auf. Die Herausforderungen im Alltag sind angesichts der schwierigen Arbeitsbedingungen für Mensch und Tier, den vielen im Dschungel lauernden Gefahren und der klimatischen Extreme ernorm. Auch wenn der junge Ich-Erzähler, an dessen Zweifeln, Gedanken und Gefühlen wir unmittelbar teilhaben, die subtilen Spannungen zwar wahrnimmt und beschreibt, so kann er die verhängnisvollen Zusammenhänge aufgrund seines jungen Alters aber nicht erfassen, was seine Schilderungen unfreiwillig komisch wirken lassen. Als immer deutlicher wird, dass der 50jährige Dalee langsam alt wird und nicht nur seine Kräfte schwinden, sondern er allmählich auch launischer, unberechenbarer und schließlich vergesslich wird, nimmt die Tragödie unweigerlich ihren Lauf.
Sehr nachdenklich stimmen die Schilderungen über die allgegenwärtige Arroganz und grenzenlose Gier der „weißen Kolonialisten“, die damals ohne Skrupel und Respekt Mensch und Natur ausbeuteten und Raubbau betrieben. Hervorragend haben mir auch die anschaulichen Beschreibungen der üppigen Natur, der artenreichen Flora und Fauna gefallen, die vor meinem inneren Auge eine atemberaubend farbenprächtige und exotische Welt entstehen ließen. Gastmann lässt in seine Geschichte zudem interessante historische Informationen, spirituelle und kulturelle Aspekte einfließen.
Sehr spannend sind die Passagen, in denen wir faszinierende Details über das uralte, traditionelle Handwerk des Mahuts (Elefantenführer) erfahren und die innige, freundschaftliche Beziehung zwischen den Großen Grauen mit ihren unbändigen Kräften und ihrem Mahut am Beispiel von Bellinis Vater miterleben. Gekonnt bringt Gastmann zudem uns die erstaunlich empfindsame Seele der Elefanten nahe. Es bereitet viel Spaß mitzuerleben, wie Dalee durch den Ozean schwimmen kann und sogar eine künstlerische Ader zu haben scheint.
Die Charakterisierung der verschiedenen Persönlichkeiten ist zwar mit all ihren Ecken und Kanten facettenreich, bleibt aber dennoch etwas vage, so dass ich mich nicht immer in ihr Innenleben hineinversetzen und ihr Verhalten nachvollziehen konnte. Auch wenn die Geschichte erst allmählich Spannung aufbaut, gelingt es Gastmann, uns mit Handlungstwists immer wieder zu überraschen, und lässt diese mit einem wundervollen, sehr stimmigen Ausklang enden.

FAZIT
Eine berührende, einfühlsam erzählte Geschichte, die uns in eine exotische, ja unwirkliche Welt eintauchen lässt, und ein außergewöhnliches Leseabenteuer, das man sich nicht entgehen lassen sollte!

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Veröffentlicht am 16.02.2023

Fesselnde Entdeckungsreise in die faszinierende Welt der Rabenvögel

Raben
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MEINE MEINUNG
In seinem lehrreichen Buch „Raben“ nimmt uns der international renommierte Rabenforscher Thomas Bugnyar mit auf eine fesselnde und unterhaltsame Entdeckungsreise in das Leben, Denken und ...

MEINE MEINUNG
In seinem lehrreichen Buch „Raben“ nimmt uns der international renommierte Rabenforscher Thomas Bugnyar mit auf eine fesselnde und unterhaltsame Entdeckungsreise in das Leben, Denken und Fühlen der Rabenvögel.
Bekannt sind sie für ihre verblüffende Intelligenz, clevere Benutzung von Werkzeugen und ihr außergewöhnlich soziales Miteinander. Doch was steckt tatsächlich hinter den Verhaltensweisen und dem komplexen Sozialverhalten dieser faszinierenden Vögel, die seit jeher als Kulturfolger Begleiter der Menschen sind?
Äußerst spannend ist es also „Das Geheimnis ihrer erstaunlichen Intelligenz und sozialen Fähigkeiten“ zu ergründen – wer wäre hier geeigneter als der österreichische Biologe und Verhaltensforscher Thomas Bugnyar. Bereits seit seiner Dissertation stehen Raben und Krähen im Mittelpunkt seiner kognitionsbiologischen Studien. Als Professor für Kognitive Ethologie an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien mit seinem Wissenschaftlerteam erforscht er die Evolution von Intelligenz, soziale Intelligenz und die höheren kognitiven Fähigkeiten bei Vögeln und Primaten. Zudem ist er Leiter der Forschungsstation Haidlhof im österreichischen Bad Vöslau.
Dank der gelungenen Unterstützung von Patricia McAllister-Käfer präsentiert uns Thomas Bugnyar seine spannenden wissenschaftlichen Erkenntnisse sehr allgemeinverständlich und abwechslungsreich. Gekonnt gibt Bugnyar uns Einblicke in die interessante, aber auch sehr anspruchsvolle Arbeit der Kognitionsbiologie. Darüber hinaus räumt er mit vielen Mythen und Vorurteile auf, die den Rabenvögeln angedichtet werden.
Er versteht es hervorragend, uns die Aufgabenstellungen und Herangehensweise der Verhaltensforschung sehr lebendig und kurzweilig zu vermitteln, so dass das Lesen auch für Laien richtig Spaß macht! Die vielen eingebundenen Fotos der tierischen Probanden in Verbindung mit farblich abgesetzten Kapitel-Überschriften lockern den Text zudem angenehm auf, veranschaulichen Erklärungen und Beispiele und sorgen für Abwechslung.
Anschaulich erläutert er verschiedenste Verhaltensexperimente mit ausgetüfteltem Versuchsdesign, deren oberstes Ziel es natürlich ist, aussagekräftige Muster zu erkennen und möglichst schlüssige Kausalzusammenhänge als Ergebnis zu erhalten. Vor allem das Einflechten persönlicher Erlebnisse und Anekdoten machen den Autor und sein Team höchst sympathisch. So erfahren wir über die ausgeprägte Neophobie der Raben, ihre Bewegungsmuster und lernen zudem vieles über ihre erstaunlich komplexen und kognitiv höchst anspruchsvollen Fähigkeiten. Diese zeigen sich beipielsweise in ihren ausgeprägten Hang zum Bluffen und Tricksen sowie ihre beeindruckenden Versteck- und Plündertaktiken. Äußerst faszinierend sind auch die Informationen über die hochentwickelten Kommunikationsfähigkeiten, die Ausbildung individueller Persönlichkeiten und die komplexen Sozialbeziehungen der Raben, die manchmal erstaunliche Gemeinsamkeiten mit uns Menschen aufweisen.
Bugnyars hohe Wertschätzung für „seine" faszinierenden Studienobjekte spürt man auf jeder Seite dieses Buchs und seine große Begeisterung für seine Forschungsarbeit ist ansteckend. Neben dem interessanten „Wissenstransfer“ weckt er Verständnis für das bisweilen widersprüchliche Rabenverhalten und appelliert an den Schutz dieser wundervollen Tiere, über die es noch viel zu erforschen gibt.

FAZIT
Ein lehrreiches und unterhaltsames Sachbuch über das Leben und Fühlen der Raben und ein faszinierender Ausflug in die Kognitionsbiologie! Eine ganz besonders mitreißende Lektüre - für alle Raben-Fans und alle, die es noch werden wollen!
Zu Recht findet sich „Raben“ auf der Shortlist zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2023!

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Veröffentlicht am 15.02.2023

Alles Wissenswerte zum Nachhaltigen Gärtnern

Wenn nicht jetzt, wann dann?
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MEINE MEINUNG
Im Zeitalter der Wasser- und Luftverschmutzung, des Klimawandels, des Verlusts der Biodiversität und der Bodendegradation spüren wir immer deutlicher wie gefährdet die Natur ist. Dabei kann ...

MEINE MEINUNG
Im Zeitalter der Wasser- und Luftverschmutzung, des Klimawandels, des Verlusts der Biodiversität und der Bodendegradation spüren wir immer deutlicher wie gefährdet die Natur ist. Dabei kann jeder einzelne einen wichtigen Beitrag zu ihrem Schutz leisten, denn auch im Kleinen können wir mit einem ressourcenschonenden Garten oder auf dem Balkon einen nachhaltigen und verantwortungsbewussten Beitrag leisten.
In ihrem sehr aufschlussreichen Sachbuch „Wenn nicht jetzt, wann dann? - Ressourcenschonend und nachhaltig gärtnern“ gibt uns die Autorin Manuela Gaßner eine Vielzahl an wichtigen Informationen, interessantem Hintergrundwissen und tollen Anregungen an die Hand.
Die promovierte Agrarwissenschaftlerin ist als Dozentin, Autorin und Keynote Speakerin ausgewiesene Expertin für die Themen Pflanzenernährung, nachhaltige Agrarwirtschaft, Urban Farming, Klimawandel und Konsumverhalten und beschäftigt sich zudem intensiv mit der Vermeidung von Müll und einem nachhaltigen Lebensstil.
Ehe man mit einer ganzheitlich nachhaltigen Bewirtschaftung des Gartens loslegen kann, ist es nicht nur für Einsteiger in die Thematik Nachhaltiges Gärtnern hilfreich, zunächst ein gewisses Grundlagenwissen zu erlangen, um die vielfältigen Zusammenhänge besser verstehen zu können. „Angesichts der Fülle an Informationen, Wissen, stetigen Veränderungen, komplexen Zusammenhängen und den lokalen wie globalen Auswirkungen unserer Handlungen, ist dieses Thema eine große Herausforderung.“
Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt die Einteilung in folgende Themenbereiche:
Mensch & Ressourcen, Erde, Pflanzen, Wasser, Luft, Erdöl, Metalle, Holz & Papier, Strom, Enterresten, Unsere immateriellen Ressourcen und SERVICE
Zur besseren Übersicht und Lesbarkeit werden die einzelnen Ressourcen in eigenen Kapiteln behandelt, obwohl es eigentlich keine geschlossenen Kreisläufe gibt und alles miteinander interagiert.
Von Vertical Gardening, über Permakultur und bio-veganes Gärtnern bis hin zu Zero Waste hier finden wir viel Interessantes zum Nachlesen und viele wertvolle Tipps und Tricks für gutes, verantwortungsvolles Gärtnern. Die hierbei behandelten Themen sind höchst vielfältig, geben aufschlussreiche Einblicke und sind sehr anschaulich aufbereitet. So lassen sich praktisches Wissen und spannende Anregungen auch im eigenen Garten gut umsetzen.
Die Autorin erklärt sehr verständlich, wie man wertvolle Ressourcen schonend einsetzt, fruchtbare Boden fördert, nachhaltig düngt, Kreislaufwirtschaft betreibt, Wasser und Energie spart, Müll vermeidet und den Garten für seltene Tier- und Pflanzenarten attraktiv gestaltet. Bereits beim Pflanzenkauf sollte man für den nachhaltigen Anbau regionale Arten und Sorten auswählen und auf eine umweltschonende Produktion von Pflanzen und Saatgut achten. Nicht zuletzt geht die Autorin auch auf die immateriellen Ressourcen ein, denn schließlich ist ein Garten auch ein Ort von Glück, Zufriedenheit und Gemeinschaft sowie der allgemeinen Gesundheit zuträglich
Sehr gut gefallen haben mir auch die praktischen DIY-Tipps für Upcycling, Recycling und zum Verwerten von Gemüse und Obst, die dabei helfen, Zero-Waste-Kreisläufe im eigenen Garten einfach zu etablieren. Letztlich ist das Geheimnis eines ökologischen Gartens stets ein ausgewogenes Geben und Nehmen – eine wichtige Message, die ich aus diesem Buch mitnehmen konnte.
Die schönen stimmungsvollen Farbfotos mit inspirierenden Impressionen in unterschiedlichen Formaten sind ein besonderes Highlight dieses gelungenen Handbuchs und illustrieren den Inhalt hervorragend. So nimmt man das Buch immer wieder gerne zum Stöbern zur Hand.
Aufgelockert wird der Text neben den Bildern auch durch unterschiedliche Formatierungen und farblich abgesetzten Kästen mit tabellarischen Zusammenstellungen, wichtige Zusatzinformationen sowie übersichtliche Illustrationen. Kästchen für besonders wichtige Informationen lässt sich das Sachbuch gut lesen und wirkt freundlich und kurzweilig. unterschiedliche Formatierung auch abwechslungsreich und leserfreundlich aufgebaut.
Abgerundet wird das Buch unter der Rubrik „Service“ mit einer Zusammenstellung interessanter und nützlicher Links zu weiterführender Literatur, einem alphabetischen Register zum Nachschlagen sowie einem Bildnachweis.

FAZIT
Ein informatives und empfehlenswertes Sachbuch rund um das Thema ressourcenschonend und nachhaltig Gärtnern - mit jeder Menge nützlicher Tipps und viel Hintergrundwissen!
Für alle Einsteiger, die einen bewussten und schonenden Umgang mit verschiedenen Ressourcen in ihrem Garten umsetzen wollen, sehr lehrreich!
Aber auch für ambitionierte Hobby-Gärtner finden sich hier noch viele hilfreiche Anregungen und Denkanstöße! Auf in den Garten!

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Veröffentlicht am 01.01.2023

Ein eindringlich geschriebener, sehr bewegender Roman

Dschinns
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MEINE MEINUNG

Mit ihrem zweiten Roman »Dschinns« ist der deutschen Autorin und Journalistin Fatma Aydemir ein faszinierender und sehr bewegender Familienroman gelungen, der es zu Recht auf die Shortlist ...

MEINE MEINUNG

Mit ihrem zweiten Roman »Dschinns« ist der deutschen Autorin und Journalistin Fatma Aydemir ein faszinierender und sehr bewegender Familienroman gelungen, der es zu Recht auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2022 geschafft hat.
Im Mittelpunkt der 1999 in Deutschland angesiedelten Geschichte steht das Schicksal der Gastarbeiterfamilie von Emine und Hüseyin Yilmaz und ihren vier Kindern Ümit, Peri, Hakan und Sevda, die im Gegensatz zu ihren Eltern weitgehend in der deutschen Gesellschaft sozialisiert sind.
Thematisch kreist der Roman um verpasste Lebensträume, prägende Folgen der schwierigen Familienkonstellation und patriarchale Strukturen, Suche nach eigener Identität, Unabhängigkeit und Sexualität, fehlende Mutterliebe sowie Generationenkonflikten. Doch auch die Problematik von Migration, Rassismus, Benachteiligung, Verlust der eigenen Sprache, von Heimat und seinen kulturellen Wurzeln greift die Autorin gekonnt in ihrem facettenreichen Roman auf.
Äußerst bewegend erzählt die Autorin in ihrem fesselnden Ausgangsszenario vom 59-jährigen Hüseyin, der vor 3 Jahrzehnten als Gastarbeiter aus der Osttürkei nach Deutschland kam und nach harter Arbeit seinen wohlverdienten Frühruhestand in seiner mühsam ersparten Eigentumswohnung in Istanbul genießen möchte. Doch sein großer Traum erfüllt sich tragischer Weise nicht mehr, denn am Tag seines Einzugs verstirbt er an einem Herzinfarkt. Die zu Hüseyins Bestattung anreisenden Hinterbliebenen haben neben ihrer Trauer und widersprüchlicher Gefühle eine Menge unaufgearbeiteter Probleme, Verwundbarkeiten, Sorgen aber auch heimliche Sehnsüchte im Gepäck. Konfrontiert mit ihrer komplizierten Familiengeschichte kommen ganz unerwartet unangenehme Wahrheiten, verborgene Familiengeheimnisse und sorgsam gehütete Lebenslügen ans Licht, die bislang unausgesprochen blieben und nun das hartnäckige Schweigen in der Familie durchbrechen.
Der Roman ist in sechs verschiedene Kapitel unterteilt, in denen abwechselnd aus der jeweiligen Perspektive eines anderen Familienmitglieds erzählt wird. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, jeder Figur eine ganz individuelle Stimme und eigene Sichtweise zu geben. Die höchst unterschiedlichen Charaktere sind mit ihrer persönlichen Beziehung zu den Eltern und unterschiedlichen Hintergrundgeschichten äußerst lebendig. facettenreich und tiefgründig angelegt und wirken sehr authentisch. Zudem werden in jedem Kapitel aufschlussreiche Details aus ihrer persönlichen Lebensgeschichte und einschneidende Erlebnisse beleuchtet und bedeutsame Einblicke in ihre Stärken und Schwächen sowie Persönlichkeitsentwicklung gewährt. Kleinen Mosaiksteinchen gleich fügen diese sich allmählich zu einem aufschlussreichen Gesamtbild zusammen, das schließlich beim erschütternden Finale den Blick auf eine sehr beklemmende Dimension freigibt.
Die wendungsreiche, berührende Geschichte, die mich zunehmend in den Bann gezogen und sehr nachdenklich zurückgelassen hat, erhält durch die Perspektivwechsel und die allmählich zutage tretenden, miteinander verwobenen Enthüllungen eine ganz eigene Dynamik.
Der sehr eindringliche und feinfühlige Schreibstil hat mich überaus fesseln und sprachlich sehr überzeugen können.
Ob nun Hüseyins jüngster Sohn Ümit, die beiden Töchter Peri und Sevda, sein zweiter Sohn Hakan bis hin zu Emine, der Mutter und Hüseyins Frau, mit deren Sicht sich am Ende der Kreis schließt, - sie alle sind verletzte, einsame Seelen, die zwar ihre eigene, von gesellschaftlichen und familiären Zwängen beeinflusste Geschichte erzählen, und doch vereint sie alle trotz aller Entfremdung voneinander ihre verhängnisvolle Familiengeschichte.
Schließlich fügen sich am Ende die vielen unterschiedlichen, beiläufig eingeflochtenen Aspekte zu einem höchst aufschlussreichen Familienportrait zusammen, das betroffen macht und sehr nachdenklich stimmt. Nach einem spektakulären, unerwarteten Twist lässt die Autorin ihre geniale Geschichte sehr gelungen ausklingen.

FAZIT
Ein eindringlich erzählter, berührender und sehr tiefgründiger Roman über eine tragische Familiengeschichte, dunkle Familiengeheimnisse und sorgsam gehütete Lebenslügen!

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Veröffentlicht am 21.12.2022

Grandioser Abschluss

Labyrinth der Freiheit
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MEINE MEINUNG
Nach dem gelungenen Auftakt „Schatten der Welt“ und der äußerst fesselnden Fortsetzung „Revolution der Träume“ lässt der deutsche Erfolgsautor Andreas Izquierdo seine fesselnde historische ...

MEINE MEINUNG
Nach dem gelungenen Auftakt „Schatten der Welt“ und der äußerst fesselnden Fortsetzung „Revolution der Träume“ lässt der deutsche Erfolgsautor Andreas Izquierdo seine fesselnde historische Saga nun mit „Das Labyrinth der Freiheit“ in einem grandiosen Finale enden.
Die gelungene Mischung aus lehrreichem, historischen Roman und berührender Geschichte über die unbesiegbare Freundschaft zwischen den Freunden aus Kindheitstagen Carl, Artur und Isi, die in einer Welt voller Turbulenzen und Umbrüche so manche Schicksalsschläge zu verkraften haben, hat mich wieder sehr begeistern können.
Auch ohne die beiden ersten Teile zu kennen, lässt sich dieser Roman gut lesen; doch ist es für das Gesamtverständnis empfehlenswert, die Vorgeschichte der drei Jugendfreunde aus dem westpreußischen Thorn, ihre Entwicklung im Laufe des Ersten Weltkriegs und ihren Neuanfang in Berlin zu kennen.
Dank des lebendigen, bildhaften und sehr mitreißenden Schreibstils fällt es nicht schwer, an der Seite der Protagonisten ins schillernd ambivalente Berlin der 1920ger Jahre einzutauchen.
Gekonnt vermittelt Izquierdo ein stimmiges und authentisches Bild der damaligen bewegten Zeit und Metropole voller Kontraste. Lebendig und atmosphärisch dicht portraitiert er das Alltagsleben der Bevölkerung, das schon lange vor der eigentlichen Hyperinflation im Herbst 1923 durch die fortschreitende Geldentwertung völlig aus den Fugen geriet. Hautnah lässt er uns am Schicksal der Menschen teilhaben - während die einen weiterhin dem Luxus frönen und sich in dekadente Vergnügungssucht oder perverse Sexorgien flüchten, befinden sich die meisten Berliner in einem Überlebenskampf, in dem bittere Armut, Mangelversorgung, Hunger, Ausbeutung und Kriminalität vorherrschen. Izquierdo versteht es zudem hervorragend, sorgsam recherchierte zeitgeschichtliche Geschehnisse anschaulich und spannend in seine Handlung einfließen zu lassen.
Mit einem genial inszenierten, ja geradezu filmreifen Einstieg ist es dem Autor auf Anhieb gelungen, mich zu fesseln. Aus der rückblickenden Perspektive des sympathischen Protagonisten Carl erleben wir die sich regelrecht überschlagenden Geschehnisse rund um das Freundestrio, die passend zur damaligen Krisenstimmung recht düster und beklemmend wirkten. Rasch wurde ich in die äußerst packende und temporeiche Geschichte hineingezogen und verfolgte voller Anteilnahme und Spannung, wie die drei Freunde Carl, Artur und Isi sich gegen eine beinahe übermächtige rechte Verschwörergruppe zur Wehr setzen versuchen. Trotz einiger beschaulicher und berührender Momente, die einen etwas zur Ruhe kommen lassen, versteht es Izquierdo, immer wieder die Spannung anzuziehen, ungute Vorahnungen heraufzubeschwören und eine unterschwellige Bedrohungskulisse aufzubauen. Alles läuft auf eine finale Konfrontation zwischen dem Freundestrio und ihrem eigentlichen Widersacher hinaus, der schließlich in einem nervenaufreibenden, erbitterten und scheinbar ausweglosen Kampf auf Leben und Tod mündet, dessen Hintergründe mich völlig überrascht haben.
Die Geschichte lebt vor allem von den äußerst facettenreich angelegten Figuren, die mit ihren detailliert ausgearbeiteten Ecken und Kanten sehr lebensnah wirken und mit ihren unerwarteten Entwicklungen für so manche Überraschung sorgten. Diese wundervoll lebendigen Charaktere sind mir im Laufe der wendungsreichen Saga ans Herz gewachsen, so dass ich immer wieder mit ihnen hoffen und bangen musste.
Ob nun der sensible Carl, der als Kameramann bei der UFA untergekommen ist, der abgebrühte, vom Krieg gezeichnete Artur, der als geschäftstüchtiger Boss seine Unterwelt-Etablissements führt oder die selbstbewusste, kämpferische Isi, die nach dem Mordanschlag etwas neben sich steht und mit ihrem provokanten Verhalten das Unglück geradezu heraufbeschwört – trotz ihrer charakterlichen Unterschiede sind sie stets füreinander da und setzen sich darüber hinaus auch bedingungslos für andere Schwache in diesen schwierigen Zeiten ein.
Nach einer Fülle von fesselnden Verwicklungen und unerwarteter Wendungen bewegender Momente endet die Geschichte in einem absolut packenden, fulminanten Finale. Das Ende dieser grandiosen Saga kam für meinen Geschmack fast etwas zu abrupt, denn gerne hätte ich sie noch weiter auf ihren bewegten Lebenswegen begleitet. Und so bin ich schon etwas traurig, mich von diesen wundervollen Charakteren zu verabschieden, und male mir nun aus, was das Schicksal wohl für die drei Freunde Carl, Artur und Isi noch alles bereithalten mag.

FAZIT
Ein fesselnder und wendungsreicher Abschluss dieser gelungenen historischen ›Wege der Zeit‹-Saga - mit lebendigen, sympathischen Charakteren, tollem Berliner Lokalkolorit und fundierter zeitgeschichtlicher Kulisse.
Ein dicht erzähltes, sehr empfehlenswertes Leseerlebnis!

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