Cover-Bild Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm
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17,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Goldmann
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 01.02.1992
  • ISBN: 9783442304431
Janosch

Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm

Roman
Auch das Dorf Poremba an der polnischen Grenze bleibt 1935-1945 nicht unberührt. In diesen Zeiten wächst Cholonek heran – in Jahren, in denen der Glaube an den neuen Führer enttäuscht und die Hoffnung, dass nun alles besser wird, sich als trügerisch erweist. Dennoch sind es auch Zeiten, in denen es noch Schmuggler, Zigeuner und Pferdehändler gibt, wo bei großen Hochzeiten Schweine geschlachtet und Trinkgelage in der Kneipe von Kapitza abgehalten werden.

Cholonek nimmt uns mit in eine versunkene Welt – liebevoll und warmherzig, aber mit einem untrüglichen Sinn für Eitelkeiten und Lächerlichkeiten. Janosch erzählt, ohne zu verklären – und doch ist alles zum Weinen schön. So sagt der alte Schwientek: »Alles ist Mist. Aber dann möchte man sich manchmal auf die Erde setzen und sich vor Freude ins Hemd weinen.«

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.12.2022

Kindheit und Kritik

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Dieses Buch war ein Geschenk mit den Worten "Passt zu dir" und ich wusste lange nicht, warum. Texte aus den 70er Jahren empfinde ich oft als schwermütig, weil ihnen noch die Nachkriegszeit anzumerken ...


Dieses Buch war ein Geschenk mit den Worten "Passt zu dir" und ich wusste lange nicht, warum. Texte aus den 70er Jahren empfinde ich oft als schwermütig, weil ihnen noch die Nachkriegszeit anzumerken ist. Noch dazu mit einem so feierlichen Untertitel. Andererseits reizte mich genau das. Und dass es einer der ersten veröffentlichten Schriften des Kinderbuch-Autors Janosch ist. Und wahrscheinlich starke autobiografische Züge an seine Kindheit trägt.

Rezi enthält Spoiler.

Worum geht es?

Das Buch spielt in einer fiktiven Kleinstadt in den polnischen Westgebieten, die damals zu Deutschland gehörten. Die Handlung umfasst Ende der 20er Jahre bis kurz nach Kriegsende Mitte der 40er. Dabei nimmt die Zeit bis zum Kriegsbeginn den größten Teil des Buches ein, der Krieg selbst wird eher aus der Ferne beschrieben.

"Cholonek" ist ein Pottpurri an Figuren und Handlungen in dieser Kleinstadt. Der rote Faden ist das Leben des kleinen Cholonek und seiner Familie. Obwohl das Kind selbst wenig Raum einnimmt, erfahren wir viel über seine Großmutter, die Matriachin der Familie, und ihre steten Gedanken. Gleiches gilt für Vater Stanik und Mutter Mickel - der eine strebt nach Ruhm, die andere ist gottesfürchtig. Und alle stecken zu sehr in ihrer Blase, um ihr entfliehen zu können.

Das Setting

Etwas, das mich auch monatelang nach dem Ende beeindruckt hat, war die Umgebung. Anfangs kam mir der Ort wie ein Dorf vor, am Ende wie eine Kleinstadt. Es gibt eine Bahn, aber nur eine Gemeinschaftstoilette im Haus. Die unteren Wohnungen sind feuchter und daher weniger begehrt. Das Haus wird mit Farbe gestrichen, die nicht länge hält. Vieles funktioniert über persönliche Beziehungen. Das Kind wird in der Wohnung entbunden. Schließlich waren es die 20er Jahre. Viele Dinge, die für uns heute selbst verständlich sind, gab es damals nicht. Und trotzdem fühle ich damit verbunden.

Von einem zum anderen

Bereits die Geburt des kleinen Cholonek nimmt ca. 100 Seiten ein, in denen es mehr um all die Bewohner der Kleinstadt geht. Vom Vater des Choloneks hin zu dessen Vater hin zu einem Bekannten, der mal gehört hat, dass ... Ständig stirbt jemand durch Gewalt oder unglückliche Zufälle. Einerseits war das sehr interessant, anderseits frustrierend, weil ich nicht vorangekommen bin. Es war leicht den Überblick zu verlieren und die Figuren zu vergessen.

Später wird es nicht besser, aber die Hauptfiguren bekommen mehr Profil und die Historie nimmt mehr Raum ein.

Der Stanik und die Mickel

Die Eltern des Kleinen mögen sich nicht mehr, der Cholonek war ein Zufallsprodukt. Seinem Vater wird oft vermittelt, er könne nichts, und tatsächlich wechselt er häufig die Arbeit. Später kommt er als Handelsvertreter zu Wohlstand und kompensiert seine Minderwertigkeitskomplexe, in dem er (unechte?) Stradivaris anhäuft. Vermeintlich für den Sohn, der jedoch kein musikalisches Talent besitzt.

Im Gegensatz dazu die Mutter, die vor allem will, dass aus ihrem Sohn ein guter Christ wird und die ihren Mann belächelt. Letztlich ist Mickel gefangen zwischen ihrer dominanten Mutter und dem unsicheren Stanik. Und vor allem in einer Gesellschaft, die sie hindert, eigene Entscheidungen zu treffen. Janosch baut ihr sogar einen Ausweg: Nach einem unrühmlichen Erlebnis wird Mickel mit dem Kind auf's Land geschickt und erlebt dort eine Parallelwelt. Alle bewundern sie, weil sie aus der Stadt kommt und die Atmosphäre ist wertschätzend. Ich mochte dieses positive Gefühl sehr und dachte, dass sie dort das findet, was sie sucht. Aber sie nimmt es nicht an.

Der Cholonek

Ich dachte, dass das Kind der zentrale Punkt ist, aber von ihm wird nur in wenigen Episoden erzählt. Auf mich wirkt Cholonek sehr unsicher, weil er die Ideale seiner Eltern nicht erfüllen kann. Er ist ein introvertiertes Kind, das keine richtige Förderung erhält. Bezeichend ist, dass er sich nicht einmal traut, seinen Penis anzufassen, weil der Pfarrer sagt, dass diese Gefilde verboten sind. Er versucht, alles richtig zu machen und scheitert. Cholonek wird gemobbt und letztlich von ehemaligen Mitschülern erschossen und im Wald verscharrt. Interessieren tut das keinen.

Die Mutter

Die Mutter versucht, alles zusammen zu halten und ihre drei Töchter gut unterzubringen. Sie weiß mit Geld und ihrem alkoholkranken Mann umzugehen und findet für jedes erdenkliche Problem eine Lösung. Sie lästert gern und gibt anderen die Schuld an ihrem Unglück. Leider lässt sie sich von einem Ex-Freund ihrer Tochter um den Finger wickeln, was ihr Untergang ist. Dieser vermittelt ihr aufgrund seines schönen Äußeres und seiner höflichen Art soviel Positives, das sie vieles übersieht. Dass er wegen sexueller Nötigung gesellschaftlich verurteilt wird, redet sie klein. Und als er wegen Veruntreung (?) ins Gefängnis muss, arbeitet sie hart, um ihn freizukaufen. Obwohl sie mit diesem Mann keine körperliche Beziehung hat und er ihr außer Nettigkeiten nichts gibt, hält sie daran fest. Letztlich stirbt sie an Überarbeitung.

Der Krieg

Der Zweite Weltkrieg, die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und Kommunisten und die Übernahme der Gebiete durch die Russen tangieren das Kleinstadtleben nur weng. Stanik profitiert von der Flucht und Plünderung jüdischer Bürger, weil er so neue Stradivaris bekommt. Er ist eher Oppurtunist. Verbrechen der Roten Armee gibt es und auch der titelgebene Gott aus Lehm zerbricht, während sein Besitzer ermordet wird. Die Taten des Krieges werden genauso grausam, nüchtern, ein bisschen sensationsgeil erzählt wie andere Tode im Buch. Die Titelfiguren überleben jedoch.

Fazit

Es ist schwer, all die Puzzelteile zusammenzuhalten und ein Gesamtbild zu sehen. Letztlich ist "Cholonek" eine Mischung aus liebevoller Hommage an die eigene Kindheit und der Kritik an einer Gesellschaft, die nur an das Jetzt denkt und die ihren Mitgliedern den Raum nimmt, sich zu entwickeln. Weil ein Schutzpanzer einen nicht nur vor der Außenwelt schützt, sondern einem auch die Verantwortung für sich selbst nimmt. Aber wahrscheinlich gibt es diese Parallelwelten noch heute und Bücher darüber auch.

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