Komm in die Puppenstube
Das PorzellanmädchenNachdem ich die Reihe rund um den Ermittler Nils Trojan noch nicht gelesen habe, Band 1 "Der Federmann" aber noch in meinem SuB Regal steht, dachte ich mir mit einem Stand alone des Autors kann man nun ...
Nachdem ich die Reihe rund um den Ermittler Nils Trojan noch nicht gelesen habe, Band 1 "Der Federmann" aber noch in meinem SuB Regal steht, dachte ich mir mit einem Stand alone des Autors kann man nun nichts falsch machen und ich kann ihn endlich kennenlernen.
Gleich vorweg kann ich sagen, dass der Spannungslevel wirklich hoch war und der Autor mit der Psyche des Leser gekonnt spielt. Und trotzdem fehlte mir irgendetwas, das mir das Gefühl gab, dieser Thriller ist Extraklasse und hat 5 Sterne verdient. Aber liest selbst....
Der erste Teil der Geschichte spielt im Jahre 2003 und geht über die ersten fünf Kapitel des Buches. In diesem Abschnitt wird ein junges Mädchen von einem Mann entführt, der sich mit einer Gasmaske unkenntlich macht und den sie "das Insekt" nennt. Im Zimmer ihres Martyriums sitzt neben ihr eine alte Porzellanpuppe mit zwei unterschiedlich blauen Augen. Diese hat, wie das entführte Mädchen, dunkle Haare und eine sehe helle Haut und wirkt irgendwie gruselig. Trotzdem ist sie für sie eine Art "Bezugsperson". Dem Mädchen gelingt es zu entkommen, doch der Entführer wird nie überführt und das entlegene Haus nicht gefunden.
Im zweiten Teil lernen wir die damals Entführte als erfolgreiche Thrillerautorin Luna Moor kennen. In ihren Büchern versucht sie die damalige Tat zu verarbeiten. Für ihren neuersten Thriller hat sie sich selbst die Latte sehr hoch gelegt, denn Luna zieht in den Schuppen des Hauses, indem einst ihr Martyrium begann. Als zweiwöchigen Mitbewohner hat sie den fünzehnjährigen Leon an ihrer Seite, den Sohn ihrer Freundin Anna, die in die Vereinigten Staaten reisen musste und sie bat Leon diese Zeit aufzunehmen. Luna ist dies gar nicht recht, denn sie möchte den Täter von damals reizen und ihre eigene Geschichte in ihrem neuen Thriller verpacken. Sie möchte ihn aus der Reserve locken und endlich überführen....
In zwei Handlungssträngen lässt Max Bentow den Leser an den Ereignissen rund um Luna und ihren Roman teilhaben. Einmal erzählt er die Geschichte, wie Luna mit Leon in den Schuppen des Hauses einzieht, indem sie damals gefangen gehalten wurde. Die düstere und unheimliche Stimmung des einsam gelegenen Anwesens und die Tatsache, dass darin ein Mord passiert ist, sorgt schon für leichte Gänsehaut.
Im zweiten Handlungsstrang begeben wir uns in die Story, die Luna schreibt und lesen praktisch ein Buch im Buch. Wir erhalten durch Leon Einblick in Lunas Manuskript, der sich verbotener Weise auf seinen Stick eine Kopie zieht. Was Leon liest, lässt ihn fortan nicht mehr los. Lunas Hauptprotagonistin, die sie Maria nennt, erlebt eine Geschichte, die der von Luna sehr ähnelt, doch Maria sinnt auf Rache. Sie hat keine Hemmungen das Beil, das sie immer mit sich herumträgt, auch einzusetzen und zieht eine Blutspur durch Berlin. Gemeinsam mit Leon rätselt man und fragt sich insgeheim: Was ist hier Wahrheit und was Fiktion? Dieses Übereinandergreifen von Realität und Fantasie ist der Stoff, auf den der Autor aufbaut. Die sprechende Porzellanpuppe tut dazu ihr Übriges....
Der Autor kommt in seinem Thriller ohne große Rahmenhandlung und mit nur wenigen Protagonisten aus. Die Geschichte wirkt spektakulär und manchmal auch absurd, sie ist gespickt mit kleinen Horrorelementen, die für mich trotzdem zu wenig waren, dass ich mich richtig gruseln hätte können (und ich bin eigentlich kein Leser des Horror-Genres...noch nicht). Mit unvorhersehbaren Wendungen hält Max Bentow den Leser an der Stange, die Spannungskurve bleibt konstant oben und auch ich habe mir den einen oder anderen Fingernagel abgekaut.
Leider bleiben auch die Figuren etwas an der Oberfläche, obwohl die Personenzahl sehr beschränkt ist. Während Luna gut charakterisiert wird und man ihr ihre Ängste und den Zweifel an ihrer eigenen Zurechnungsfähigkeit abnimmt, hätte ich mir von den Nebenfiguren doch etwas mehr erhofft. Auch Leon erschien mir als Fünfzehnjähriger doch etwas zu erwachsen.
Der Autor hat den Fokus eher auf die Spannung und die Psyche des Lesers angelegt und das ist ihm großteils auch gelungen. Den Täter habe ich trotzdem in der zweiten Hälfte des Buches erraten....
Schreibstil:
Der Schreibstil ist sehr einfach und nicht wirklich anspruchsvoll. Bei einem Thriller lege ich normaler Weise keinen großen Wert auf den Schreibstil, aber hier fiel mir doch die eher anspruchslose und schlichte Wortwahl auf. Trotzdem gelingt es dem Autor mithilfe der kurzen Sätze und Beschreibungen das Haus, die Umgebung und vor allem die Puppen sehr bildhaft darzustellen.
Die Kapitel sind ebenfalls kurz gehalten, die Schrift ist eher groß und diese Faktoren ermöglichen das Ruck-zuck-weglesen der Inhalts. Spannung ist sehr wohl vorhanden, aber mit seiner Art des Schreibens konnte mich der Autor nicht wirklich gewinnen.
Fazit:
Die vier Sterne vergebe ich für Spannung, Nervenkitzel und die düstere, unheimliche Stimmung des einsam gelegenen Anwesens, welche der Autor grandios eingefangen hat. Der Schreibstil und die etwas abstruse Handlung, die manchmal ein bisschen mystisch angehaucht ist, konnte mich allerdings nicht gänzlich überzeugen.