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Veröffentlicht am 13.01.2023

Weniger Fleisch und Sahnesoße

Beinahe vegan
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Martin Kintrup legt mit „Beinahe vegan“ ein Kochbuch vor, das nicht strikt auf tierische Lebensmittel verzichtet, sondern diese lediglich stark reduziert. Dabei folgt der Autor dem Konzept, 90 Prozent ...

Martin Kintrup legt mit „Beinahe vegan“ ein Kochbuch vor, das nicht strikt auf tierische Lebensmittel verzichtet, sondern diese lediglich stark reduziert. Dabei folgt der Autor dem Konzept, 90 Prozent der Kalorien durch pflanzliche Zutaten abzudecken. Das wäre wohl ein zumutbares Level für unseren Planeten.

Ich habe einige Rezepte aus den Kategorien Frühstück, Suppen, Salate und Süßes bereits nachgekocht und kann mich geschmacklich nicht beschweren. Zudem sieht das Ergebnis fast immer ansprechend aus, so dass auch das mitessende Auge sehr zufrieden ist. Die Gestaltung des Kochbuchs ist übersichtlich. Es gibt jeweils eine Spalte, in der die Zutaten mit ihren Mengenangaben enthalten sind. Die Zubereitung selbst ist als textliche Schritt-für-Schritt-Anleitung umgesetzt. Diese war für mich durchgehend leicht verständlich. Dennoch empfehle ich vor der Zubereitung einmal das ganze Rezept zu lesen. Manchmal bietet es sich an, einzelne Schritte vorzuziehen. Angegeben ist zudem eine Zubereitungsdauer. Alle im Buch enthaltenen Rezepte sind auf 4 Personen ausgelegt. Zur Motivation ist von fast jedem Rezept ein Foto eingefügt. Für mein Empfinden hätte man dies ruhig für sämtliche Rezepte tun können, weil ansonsten die unbebilderten Rezepte einen Nachteil in der Zubereitungshäufigkeit haben.

Darüberhinaus habe ich nur wenig Kritikpunkte. Ich hätte mir zu jedem Rezept noch die Angabe des Brennwerts gewünscht, idealerweise aufgeteilt nach pflanzlich und tierisch. Das hätte die Glaubwürdigkeit des 90%-Versprechens erhöht. So hatte ich teilweise den Eindruck, dass doch recht viel Tier verarbeitet wird. Die Tipps für vegane Rezeptvariationen hätten für mich kreativer sein können. Weglassen oder Hackfleischersatz nutzen sind mir zu lapidar. Hinsichtlich der Zutaten wird relativ oft Zucker, wenn auch in überschaubarem Maß, verwendet, obwohl die Gerichte auch ohne diesen Zusatz schmecken. Wer hier achtsam ist, muss halt leichte Anpassungen vornehmen. Dem gegenüber stehen allerdings die Gewürze, die wunderbar kombiniert zum Einsatz kommen. Fast alle hatte ich schon im Haushalt, was ich sehr begrüße. Ich mag es nicht so gern, wenn spezielle Zutaten Platz verschwenden, nachdem eine geringe Menge für ein Einzelrezept benötigt wurde.

Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit diesem Kochbuch. Es motiviert mich wirklich, anders zu kochen und Neues auszuprobieren. Gern empfehle ich es weiter.

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Veröffentlicht am 11.01.2023

Witziges Gedankenexperiment

Gezählte Tage
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Martin Häusler strickt mit „Gezählte Tage“ eine bunte Geschichte um eine zur Legende gewordene Aussage von John Lennon, er habe seine Seele dem Teufel verkauft, und lobt den Ruhm der Beatles als Preis ...

Martin Häusler strickt mit „Gezählte Tage“ eine bunte Geschichte um eine zur Legende gewordene Aussage von John Lennon, er habe seine Seele dem Teufel verkauft, und lobt den Ruhm der Beatles als Preis für Lennons Seele aus. Ähnlich wie bei Goethes Faust inszeniert der Autor das Seelengeschäft, geht im Verlauf aber noch weit darüber hinaus.

Wer sich einen nicht durchgehend ernst gemeinten neuen Blickwinkel auf die Beatles, insbesondere John Lennon gönnen möchte, ist hier genau richtig. Natürlich werden nicht nur Fakten präsentiert. Diese werden viel mehr von fantastischen Ideen umsponnen, die richtig Spaß machen. Man muss sich aber darauf einlassen können.

Sehr gefallen hat mir die Anfangszeit der Band, der erfolglose Teil wie auch der Start der Beatlemania. Die Auseinandersetzung mit den beiden Extremsituationen war an dieser Stelle das Herzstück des Romans. Die Art und Weise, wie die Jungs damit umzugehen wussten, kommt deutlich glaubwürdig rüber. Die Überforderung ist an vielen Stellen spürbar. Ein weiterer Zugewinn für mich war die Sicht von John Lennon auf die Geschehnisse. Er ist als Ich-Erzähler implementiert und berichtet aus seiner Sicht von den Zwistigkeiten mit Paul McCartney, von der Entstehung seiner Beziehung zu Yoko und seiner Wahrnehmung der Friedensbewegung. Da ich altersbedingt keine Live-Wahrnehmung der Beatlemania habe, ist darüberhinaus meine bisherige, über die Balladen der Beatles definierte Einschätzung der Bandmitglieder als Saubermänner erstmalig deutlich korrigiert worden. Ich hatte nicht erwartet, dass ihnen genau wie anderen der schnelle Ruhm zu Kopf gestiegen ist und sie dadurch als arrogante Rowdys durch die Lande zogen.

Die witzig ausgeschmückte Geschichte der Beatles wird getragen von einem ansprechenden Schreibstil, von dem ich mich gern mitnehmen lies. Lediglich im zweiten Drittel gab es einen kleinen Hänger im Lesevergnügen. Hier war die Geschichte etwas trocken entlang der reinen Fakten weiter erzählt worden.

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Veröffentlicht am 27.12.2022

Brutale Morde

Rotwild
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Im zweiten Fall von Ingrid Nyström und Stina Forss wird es brutal. Die ermordeten Personen sind nicht einfach nur tot, sondern auch übel zugerichtet. Damit sollte man für diese Ermittlungen nicht zu zart ...

Im zweiten Fall von Ingrid Nyström und Stina Forss wird es brutal. Die ermordeten Personen sind nicht einfach nur tot, sondern auch übel zugerichtet. Damit sollte man für diese Ermittlungen nicht zu zart besaitet sein. Alles beginnt mit einem Lehrer, dessen Leichnam von Pfeilen durchbohrt in der Nähe einer Veranstaltung von Bogenschützen aufgefunden wird.

Zunächst gestalten sich die Ermittlungen schwierig. Es gibt kaum Hinweise, niemand hat etwas gesehen oder etwas Ungewöhnliches bemerkt. Als dann eine zweite Leiche auftaucht, erhöht sich der Druck auf das Ermittlerteam. Hinzu kommen die persönlichen Probleme, die auf den einzelnen Charakteren lasten. Trotz allem fördern die Ermittlungen ein Puzzleteil nach dem anderen ans Tageslicht, langsam fügt sich ein Bild zusammen.

Natürlich werden wir Leser lange auf die Folter gespannt. Erst ganz zum Schluss gewinnen wir echte Erkenntnis. Dafür dürfen wir im Vorfeld falschen Fährten folgen und uns der Spannung hingeben. Die Aufklärung ist dann ziemlich spektakulär.

Ingrid Nyström hat mir dieses Mal nicht so gut gefallen. Sie ist verständlicherweise hauptsächlich mit sich selbst und ihrer Familie beschäftigt und kann sich nicht hundertprozentig auf den Fall konzentrieren. Zudem schien sie hier im zweiten Fall mehr mit ihrer Rolle als Leitende Ermittlerin zu hadern. Vielleicht war auch die Summe aus privaten Problemen und den schwierigen Ermittlungen einfach zu viel.
Erstaunlicherweise hat ihr dieses Mal ihre deutschschwedische Kollegin Stina Forss nicht noch zusätzliche Herausforderungen beschert. Ihre Intuition ist natürlich weiterhin gegeben, aber ganz so impulsiv wie im ersten Teil war sie nicht unterwegs.

Insgesamt fand ich diesen zweiten Fall nicht so stark, vielleicht auch weil die spektakulären Morde mehr Action vermuten ließen. Der Krimi war dennoch spannend und ich bin den beiden Ermittlerinnen gern gefolgt. Da noch viele weitere Fälle folgen werden, ist es auch gut die Charaktere richtig kennen zu lernen. Ich lese auf jeden Fall weiter.

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Veröffentlicht am 04.12.2022

Ein Verwundeter in einem kranken Land

Unter der Drachenwand
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Es tobt der Zweite Weltkrieg. Veit Kolbe ist Soldat, in Russland verwundet. Seine wuchernde Beinverletzung hat ihm Urlaub in Mondsee verschafft. Doch die offensichtliche Verletzung ist nicht der einzige ...

Es tobt der Zweite Weltkrieg. Veit Kolbe ist Soldat, in Russland verwundet. Seine wuchernde Beinverletzung hat ihm Urlaub in Mondsee verschafft. Doch die offensichtliche Verletzung ist nicht der einzige Schaden, den der Krieg Veit Kolbe zugefügt hat. Immer wieder suchen ihn die Erlebnisse des Krieges in seinen Träumen und Visionen heim. Dabei empfindet Veit weit größere Angst als in Russland am Ort des Geschehens, als er noch mitten drin war. So fürchtet der Verwundete auch die alle paar Wochen stattfindenden Arzttermine , wo geprüft wird, ob er wieder zurück ins Feld kann.

Im Schatten der Drachenwand liegt Mondsee beschaulich und beschützt fernab von den kriegsgebeutelten Großstädten des Reiches. Die Kinderlandverschickung unterhält mehrere Lager dort. Ansonsten ist nicht viel los für einen Verwundeten. Um dem Trübsal zu entkommen, schreibt Veit Kolbe Tagebuch. Dieses bildet nun ergänzt von postalischer Korrespondenz weiterer Charaktere den Text, den wir lesen.

Arno Geiger schafft eine düstere Atmosphäre von einem Land kurz vor dem Kollaps. Die Jugend wird als Kanonenfutter verheizt, während die Älteren noch Aufrichtigkeit und Rechtmäßigkeit predigen. Der Mangel an Lebensmitteln und Kleidung hat auch den letzten erreicht. Viele Menschen befinden sich auf der Flucht. Über stete Briefwechsel versuchen die verstreuten Familien in Kontakt zu bleiben und sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Die Bedeutung der Post wird vom Autor hervorragend herausgearbeitet. Mir war das gar nicht so bewusst.

Zeitweise liegt die Hoffnungslosigkeit so stark zwischen den Zeilen, dass das Lesen müßig wurde. Interessant war die Lektüre für mich trotzdem. Besonders erstaunt hat mich das Nicht-Glauben-Wollen an die bevorstehende Katastrophe. Die jüdische Familie ist den Schritt der Flucht aus Wien letztlich nicht schnell genug angegangen, dann hat sie sich nicht weit genug von deutschem Einflussgebiet entfernt. In Darmstadt haben die Leute ebenfalls nicht daran geglaubt, dass die Bombardements die Stadt dem Erdboden gleich machen könnten. Nicht wenige haben bis zuletzt noch an einen Sieg geglaubt.

Insgesamt lesenswert.

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Veröffentlicht am 01.12.2022

Ein wahrhaftiger Held

Codename: Sempo
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Gern begegne ich zunehmend mehr Beiträgen zu historischen Gegebenheiten, die sich fernab von Europa angespielt haben. Noch interessanter sind sie thematisch für mich, wenn es wie in dieser Biografie über ...

Gern begegne ich zunehmend mehr Beiträgen zu historischen Gegebenheiten, die sich fernab von Europa angespielt haben. Noch interessanter sind sie thematisch für mich, wenn es wie in dieser Biografie über Chiune Sugihara direkte Zusammenhänge mit der europäischen Geschichte gibt.

Die Biografie startet mit Sugiharas Schulzeit und durchläuft chronologisch die verschiedenen Schritte seiner Ausbildung. Danach werden stationsmäßig die ihm zugestandenen Posten im Auftrag des Außenministeriums aufgeführt. Bis hierhin erscheint die Biografie etwas trocken. Doch die aufgeführten Fakten helfen die späteren Ereignisse zu verstehen. Es folgt die Zeit als Vizekonsul in Kaunas, wo Sugihara sein Lebenswerk vollbringt. Hier erfahren wir auch, wie es zum Codenamen SEMPO gekommen ist. Danach treibt der Krieg die Familie vor sich her. Von Kaunas geht es nach Bukarest, bis es dort aufgrund bevorstehender Bombardements auch zu gefährlich wird.

Die Biografie beschränkt sich allerdings nicht nur auf das politische Schaffen Sugiharas, sondern beschäftigt sich auch stets mit dessen familiärer Situation. Während zunächst das Verhältnis zu Vater und Mutter thematisiert wird, geht es später um die Beziehung zu Klaudia Semjonowa Apollonow. In diesem Kontext wird Sugiharas Haltung zum Glauben analysiert. Richtig ans Herz gewachsen ist mir Chiune Sugihara allerdings erst als Familienvater mit Kräutergarten. Die Chemie zwischen ihm und seiner zweiten Frau Yukiko passt perfekt. Darüberhinaus gefällt mir einfach die von beiden gelebte weltoffene, integrierende Haltung. Yukiko sorgt stets dafür, dass ihre Kinder umfänglichen Kontakt zu den Kindern im Umfeld haben. Chiune begegnet Menschen auf Augenhöhe, lädt sie zu sich ein, lässt sich einladen, kommt schnell mit vielen in angenehmen Kontakt.

Rund wird die Biografie durch das Aufführen von Stimmen Geretteter. Sie geben jeweils einen Teil ihrer eigenen Geschichte preis und werfen rückblickend noch einmal ein besonderes Licht auf Sugihara. Wo die Quellen für die Biografie widersprüchlich waren, setzt sich Andreas Neuenkirchen in einer Art Nachlese kontrovers mit den verschiedenen Sichtweisen auseinander.

Insgesamt ist Codename: Sempo für mich eine gut recherchierte Biografie eines in Deutschland eher unbekannten Protagonisten. Sie hat mir einen neuen Blickwinkel auf Japan und seine Kultur ermöglicht. Gern empfehle ich die Lektüre.

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