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Veröffentlicht am 04.01.2023

Der Dreizehnte Bote kommt nach Moorweiher

Gespensterjäger in großer Gefahr (Band 4)
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Da der vierte Band der 'Gespensterjäger'-Serie bereits 2002 erschienen ist, kann man zu meinem Bedauern nicht davon ausgehen, dass die Autorin gedenkt, noch weitere Fortsetzungen zu schreiben, zumal sie ...

Da der vierte Band der 'Gespensterjäger'-Serie bereits 2002 erschienen ist, kann man zu meinem Bedauern nicht davon ausgehen, dass die Autorin gedenkt, noch weitere Fortsetzungen zu schreiben, zumal sie längst auf anderen Pfaden unterwegs ist. Wie auch immer aber – der Abschlussband, dem hier einige Gedanken zu widmen sind, hat es wahrhaftig in sich. Und Cornelia Funke übertreibt keineswegs, wenn sie empfiehlt, das Buch bei Anbruch der Dunkelheit zur Seite zu legen und es möglichst nicht an einsamen, nebelverhangenen Orten zu lesen!
Die um die abenteuerlichsten Einfälle nie verlegene Funke lässt es diesmal ungewohnt ernst zur Sache gehen, regelrecht furchterregend, als sie ihre drei Gespensterjäger, Hedwig Kümmelsaft, den elfjährigen Tom Tomsky, ihren trotz seines jungen Alters außerordentlich begabten und erfolgreichen Meisterschüler, und das sich leicht beleidigt fühlende, nichtsdestotrotz aber immer für amüsante Eskapaden gute Gespenst Hugo, in das von Geistern befallene Dorf Moorweiher schickt, wo der Junge die noch fehlende Aufgabe für sein drittes Gespensterdiplom absolvieren soll. Trotz unguter Vorahnungen, geschürt noch durch das reichlich seltsame Verhalten des herzlich unsympathischen Lotan Schleimblatt, Mitglied des Prüfungsausschusses der Gespensterjägervereinigung, hat der Junge zunächst keine Bedenken, die Klassifizierung und das Einfangen eines Gespenstes dritter Kategorie schnell zum Abschluss bringen zu können, sind er und seine beiden wackeren Mitstreiter doch schon mit weitaus gefährlicheren Spukerscheinungen, wie einem UEG (Unglaublich Ekelhaftes Gespenst), einem GRUBLIGEI (Grauenhafter Unbesiegbarer Blitzgeist) und zu guter Letzt sogar mit einem besonders bösartigen HISPEG (Historische Spukerscheinung) fertiggeworden!
Dass es dennoch sogar noch schlimmer kommen würde, ahnt keiner der drei mutigen Gespensterjäger, denn der NEPROSPEG (Negative Projektion einer Spukerscheinung) ist zwar unangenehm und aggressiv, doch ihn zu fangen gelingt Tom ohne große Mühen. Aufgabe erfüllt? Eigentlich schon! Warum aber reisen Kümmelsaft & Co dann nicht schleunigst ab, warum kehren sie diesem unwirtlichen Ort, an dem sich nach Gefangennahme des NEPROSPEG die Straßen in Schlammsümpfe verwandeln, nicht den Rücken?
Nun, die unerschrockene Hedwig Kümmelsaft spürt, dass noch viel mehr hinter den unheimlichen Vorfällen, von denen das Dorf lange schon geplagt wird, steckt, vor allem nachdem der NEPROSPEG sich als der 'zwölfte Bote' geoutet hat! Bote? Von wem? Hier kommt Gespenst Hugo zu Hilfe, der eigentlich hätte zu Hause bleiben müssen, denn Tom durfte laut der Regeln der Gespenstervereinigung nur einen einzigen Helfer für seine Prüfung mitnehmen. Also musste Hugo, wie alle Mitglieder seiner Gattung, derjenigen der MUGs (Mittelmäßig Unheimliches Gespenst) nämlich, sehr leicht gekränkt und Tom seine Entscheidung gegen ihn übelnehmend, zu einer List greifen. Und wie gut, dass er das getan hat, er, der nichts lieber tut als Menschen zu erschrecken! Denn durch ihn, den Insider, kommt ans Tageslicht, dass das Schreckliche, das im Hintergrund lauert, etwas sehr Altes und sehr Mächtiges ist, das im Übrigen in Moorweiher nicht zum ersten Mal auftaucht und nicht eher Ruhe gibt, bis es nicht das von ihm befallene Dorf dem Erdboden gleichgemacht hat. Und dieses Alte, Böse hat einen Namen, Zagoroth nennt es sich, ein Naturgeist, ein Minotaurischer Dämon, wie schließlich Tom herausfindet, als er dem wieder freigelassenen NEPROSPEG folgt – eine lebensgefährliche Mission, die dem Jungen beinahe das Leben gekostet hätte, denn dabei begegnete er auch dem gefürchteten Dreizehnten Boten, einem Todesgeist, dessen Blick denjenigen, der ihm nicht rechtzeitig ausweichen kann – und Tom kann das tatsächlich nicht! - kaum eine Stunde später ins Jenseits befördert, unweigerlich! Aber wozu sind Freunde da? Hedwig Kümmelsaft, so ideenreich wie ihre Erschafferin, handelt schnell und plant mit dem bärenstarken, sich vor nichts und niemanden fürchtenden Gastwirt und ehemaligen Boxer Erwin Hornhobel eine verzweifelte Rettungsaktion, von der sie sich gar nicht sicher ist, dass sie gelingen wird....
Was sie natürlich tut, denn da ist ja immer noch der Zagoroth unschädlich zu machen! Und wie sollte das gelingen, ohne Tom? Was dann kommt, da hat Cornelia Funke recht, sollte man wirklich nur bei hellem Tageslicht lesen – und sowieso nur dann, wenn man älter als acht Jahre alt ist, denn es geht gar grausig-gruselig zu Werke, und reichlich unappetitlich noch dazu! Dass Kümmelsaft & Co aber ihrem Ruf als weltbeste Gespensterjäger wieder einmal alle Ehre machen, versteht sich von selbst – und als sie schließlich Moorweiher und ihren neuen Freund Erwin Hornhobel, der sich über alle Maßen bewährt hat, gar zum Lebensretter geworden ist, verlassen, bleibt ihnen nur noch eines zu tun, sich nämlich auf den Weg zu machen zu dem verschlagenen Professor Schleimblatt, dem Misanthropen, wie er ärger nicht sein kann, der Tom in eine so außerordentlich gefährliche Lage gebracht hat, um sich, Kleingeist, der er ist – und noch viel mehr, wie wir bald sehen werden -, an Hedwig Kümmelsaft für eingebildete Kränkungen zu rächen. Doch wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten – und so endet die Geschichte doch noch auf die erheiternde Weise, mit der die Autorin diesmal weit weniger großzügig umgegangen ist als bei den drei Vorgängerbänden. Trotzdem ist der hier besprochene Band der vielleicht reifste der Serie, lässt wunderbar die Weiterentwicklung einer Schriftstellerin verfolgen, die ihre beachtliche Karriere einst mit dem Illustrieren von Kinderbüchern begonnen hat. So gesehen ist gerade der letzte Band im wahrsten Sinne eine 'reife Leistung', zeitlos, die Art von Geschichten einleitend, die sie später zur Bestsellerautorin der Kinder- und Jugendliteratur werden ließen. Bleibt zu wünschen, dass sie so produktiv und vor allem kreativ bleiben möge, wie sie es mehr als dreißig erfolgreiche Jahre lang zur Freude ihrer Leser, ob jung oder alt, immer gewesen ist!

Veröffentlicht am 02.01.2023

Das Ende der Blutigen Baronin

Gespensterjäger in der Gruselburg (Band 3)
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Ob sie denn selbst an Gespenster glaube wurde die Autorin Cornelia Funke einmal gefragt. Eigentlich schon, meinte sie, nur sei sie selber noch nie einem echten Gespenst begegnet, darum muss sie sich Gespenstergeschichten ...

Ob sie denn selbst an Gespenster glaube wurde die Autorin Cornelia Funke einmal gefragt. Eigentlich schon, meinte sie, nur sei sie selber noch nie einem echten Gespenst begegnet, darum muss sie sich Gespenstergeschichten ausdenken, um eines zu treffen! Nun, das tut sie – und hat gleich vier Bände 'Gespensterjäger' ersonnen, die ersten drei in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts. Diese sind geradezu ein Feuerwerk an skurrilen, erheiternden und gruseligen Ideen – der rechte Lesestoff für ein junges Publikum, das es gerne spannend und aufregend und manchmal auch ein wenig zum Fürchten hat. Wohliger Grusel freilich, denn wenn es auch recht haarsträubend zur Sache geht, so ist ein gutes Ende doch vorprogrammiert.
In vorliegendem dritten Band der 'Gespensterjäger'-Serie haben 'Kümmelsaft & Co, Experten in Sachen Gespenster und deren Bekämpfung, es mit einem gar fürchterlichen Exemplar der an Vielfalt überreichen Gespensterfamilie zu tun, mit einem HISPEG nämlich, einer 'Historischen Spukerscheinung', wie sie sehr bald feststellen, nachdem sie auf Burg Dusterstein, einem großen grauen Gebäude, das umgeben ist von schwarzen Wassergräben, ankommen. Herbeigerufen wurde die erstaunliche Truppe, bestehend aus der unerschrockenen und findigen alten Dame Hedwig Kümmelsaft, Gespensterkennerin par excellence, dem einstmals schüchternen und ängstlichen Jungen Tom Tomsky, inzwischen begabter Schüler Hedwigs, und MUG Hugo, übrigens durch das Fax eines gewissen Theodor Wurm, über den gleich noch mehr zu sagen sein wird. Hugo, so weiß der Leser der vorangegangenen Bände natürlich, ist höchstselbst ein Gespenst, ein 'Mittelmäßig Unheimliches Gespenst', um es genauer zu sagen. Mit Hugo, der es sich dereinst in Toms Keller gemütlich gemacht hatte, fing alles an – und anstatt verjagt zu werden, wie Tom das eigentlich beabsichtigt hatte, wurde er, durch sein 'Insider'-Wissen hochgeschätzt, zu einem wertvollen Mitglied der Gespensterjägerfirma Kümmelsaft, das stets aufs Neue für Erheiterung sorgt!
Aber zurück zur Geschichte! Herr Wurm und seine Ehefrau Amelie sind die neuen Verwalter von Burg Dusterstein, ein bodenständiges, vernünftiges Paar, das eigentlich so gar nicht schreckhaft ist. Aber was da Nacht für Nacht an Scheußlichkeiten in ihrem neuen Domizil geschieht, hat ihre Nerven aufs Schlimmste erschüttert, zumal sie sich die rätselhaften und unheimlichen Geschehnisse nicht erklären können und inzwischen an ihrem Verstand zweifeln. Für die erfahrene Hedwig ist schnell klar, mit wem sie es bei dem unheimlichen und bösartigen HISPEG zu tun hat: Es ist die Blutige Baronin, eine schon zu Lebzeiten im 17. Jahrhundert äußerst garstige, unangenehme Erscheinung, auf deren Konto mehrere Morde gehen, bis sie schließlich von ihrer Schwägerin in den Burggraben gestoßen wurde und dort ihr Leben aushauchte. Jetzt treibt sie als Gespenst ihr Unwesen, genauer gesagt als SPUMIDUV, ein 'Spuk mit dunkler Vergangenheit', als solcher eine überaus mächtige Gegnerin, bei deren Bekämpfung selbst die unverwüstliche Hedwig Kümmelsaft zunächst ratlos ist.
Doch ist ihr Einfallsreichtum, darauf kann der junge Leser vertrauen, ebenso groß wie der ihrer Erfinderin Cornelia Funke, und schon bald entsinnt sich Hedwig des berühmten italienischen Gespensterjägers Professor Boccabella, dem es als einzigem jemals gelungen ist, einem SPUMIDUV Herr zu werden. Gemeinsam mit Tom und Hugo, der hier zur Abwechslung dauerhaft blendender Laune, gar sprühend witzig ist, stets aufs Neue für Erheiterung sorgt und die Vernichtung der Blutigen Baronin als Riesenspaß auffasst, denkt sie sich einen abenteuerlichen Plan zur Vernichtung der bösartigen, herumwütenden Schreckgestalt aus – über den freilich an dieser Stelle kein Sterbenswörtchen verraten werden soll...
Fazit: ein herrliches Buch für Leseratten jeden Alters! Ein Buch zum Lachen, zum Staunen, ein Buch, das voller Witz, voller Überraschungen steckt, das durch Detailreichtum erfreut, das die Phantasie anregt – kurz, es hat, keine Überraschung bei einer Schriftstellerin wie der sprachlich überaus versierten Cornelia Funke, alles, was ein richtig gutes Kinderbuch ausmacht und das daher in keinem gut sortierten Bücherregal fehlen sollte!

Veröffentlicht am 30.12.2022

Geschichten, die hell leuchten

Mein kunterbuntes Weihnachtsalbum
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Über die Entstehung des Adventskalenders gibt es unterschiedliche Theorien; in gedruckter Form allerdings wurde er erstmals 1903 von dem Münchner Verleger Gerhard Lang herausgegeben – in Anlehnung an die ...

Über die Entstehung des Adventskalenders gibt es unterschiedliche Theorien; in gedruckter Form allerdings wurde er erstmals 1903 von dem Münchner Verleger Gerhard Lang herausgegeben – in Anlehnung an die Adventskalender, die er als Kind von seiner Mutter gebastelt bekam und die er als 'wundervolle Wartehilfe' bis zum ersehnten Weihnachtsfest nunmehr mit all den ungeduldigen Kindern, die die Adventszeit so erlebten, wie einst er selbst, teilen wollte. Die Idee, hinter die kleinen Türchen nicht nur Bildchen, sondern auch Schokolade zu packen, stammt übrigens auch von Lang! Inzwischen kann man die unterschiedlichsten Gestalten, die der ursprüngliche Adventskalender über mehr als ein Jahrhundert hinweg angenommen hat, kaum noch zählen – es gibt buchstäblich für jeden Geschmack etwas und man muss staunen über so viel unerschöpfliche Kreativität!
Wer aber die Adventszeit lieber mit kleinen Geschichten erleben möchte, der greift womöglich, sofern er das Glück hat, diesen Schatz zu entdecken, zu Rüdiger Marmullas 'Mein kunterbuntes Weihnachtsalbum', das nichts anderes ist als eben – ein Adventskalender. In 24 kurzen Kapiteln nähern sich ein Vater und seine Tochter dem Weihnachtsfest an; der Vater erzählt an jedem Tag der Adventszeit Geschichten, die, zunächst von ganz persönlichen Erfahrungen und Empfindungen geprägt, sich sehr schnell dem zuwenden, das die Essenz des christlichen Weihnachtsfestes ist, nämlich der Weihnachtsgeschichte, die nicht erst mit der Geburt des Erlösers begann, sondern bereits lange vorher. Er tut das auf eine ganz wunderbare Art und Weise, immer auf die Fragen und Anstöße der Tochter eingehend, in einfacher, ruhiger Sprache, mit der er direkt auf den Punkt kommt, das Wesentliche trifft, nicht nur den Sinn von Weihnachten definierend, sondern den Sinn unserer menschlichen Existenz. Kinder können das verstehen! Und wer da meint, dass der Glaube etwas Hochkompliziertes sei, sieht sich, wenn er Rüdiger Marmullas Gedanken auf sich wirken lässt, eines Besseren belehrt! Der christliche Glaube muss für alle Menschen verständlich sein, ist nicht nur die persönliche Domäne einer Minderheit hochgebildeter Theologen und Philosophen; er kommt aus dem Herzen, in das ihn liebevolle, schnörkellose Worte wie diejenigen, die der Autor seinem Erzähler in den Mund legt, hineinpflanzen und nähren, damit er wachsen und Früchte tragen kann.
Rüdiger Marmulla ist hier einmal mehr ein besonderes Kleinod gelungen, eines, dem man nach dem Lesen einen besonderen Platz aussucht im Bücherschrank, damit man es jederzeit griffbereit hat, spätestens im kommenden Advent und in jedem weiteren Advent, der einem beschert sein mag. Auf dass das 'Weihnachtsalbum' ein Licht entzünden möge in der so oft beschworenen stillen, der besinnlichen Zeit, die in der Realität aber so ganz anders aussieht ob der vielen Pflichten, mit denen viele Menschen gerade in der Vorweihnachtszeit zugeschüttet werden oder die sie sich gar freiwillig aufhalsen. Oder auch Trost spendet, wie der Autor in seinem Vorwort schreibt, denn ja, die Adventszeit ist eben auch eine wehmütige Zeit, je weiter man auf dem Pfad des Lebens voranschreitet, eine Zeit, in der ein schmerzhaftes Sehnen aufkommen kann, wenn man nicht aufpasst, nach den Menschen, mit denen man so manche unvergessliche Advents- und Weihnachtstage verbracht hat und die ihren irdischen Weg bereits vollendet haben. Ja, dann können Rüdiger Marmullas zu Herzen gehende, wahrhaftige Erzählungen, die von tiefem, unerschütterlichem Glauben geprägt sind, tatsächlich trösten und halten.... Danke dafür!

Veröffentlicht am 23.12.2022

Reisebuch zum Klimaschutz

Hannahs Reise
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Dass die Familie Steingässer sehr reiselustig ist und bereits, mit Kind und Kegel, mehr Länder bereist hat, als es die allermeisten Familien, auch aus finanziellen Gründen, jemals tun werden, war mir aus ...

Dass die Familie Steingässer sehr reiselustig ist und bereits, mit Kind und Kegel, mehr Länder bereist hat, als es die allermeisten Familien, auch aus finanziellen Gründen, jemals tun werden, war mir aus vorherigen Publikationen der Mutter, Jana Steingässer, bekannt. Auch in der Presse liest man mitunter den einen oder anderen Artikel über die Familie, der man ebenso die Möglichkeit gegeben hatte, in einer 25minütigen Doku über ihren mühsamen, aber, wenn das denn alles so stimmt, konsequent umweltschonenden Alltag zu berichten. Löblich das alles, sehr sogar. Doch wird mit keinem Wort darauf eingegangen, weder in der Presse, noch im Fernsehen, noch in dem hier zu besprechenden Reisebuch der besonderen Art, dass für ein solches Leben tatsächlich auch die Voraussetzungen gegeben sein müssen! Um nur ein Beispiel anzuführen – wie soll man auf die Umweltdreckschleuder Auto verzichten, wenn man täglich aufgrund seiner Wohnsituation darauf angewiesen ist, um etwa zur Arbeit zu kommen und dann auch noch rasch die Einkäufe für die Familie zu erledigen? Das ist kaum oder gar nicht zu schaffen, wenn man nicht, wie Steingässers, jung, gut zu Fuß und – freiberuflich ist, sie Autorin, er Photograph, und sich seine Zeit weitgehend nach Belieben einteilen kann. Und hier sind wir auch gleich beim Reisen! Freiberufler können sich die Schulferien freischaufeln, und das vier bis fünf Mal im Jahr. Wenn man dazu auch noch Reisebücher schreibt, ja, dann kann man Vergnügen und Arbeit wunderbar miteinander kombinieren! Und das ist ja auch völlig in Ordnung so und erfreut die Leser, die vom Sessel aus an den, stets ungewöhnlichen, oft sehr anstrengenden und unbequemen, aber immer einzigartigen Reisen voller wunderbarer und gewiss unvergesslicher Erlebnisse teilnehmen können...
Folgte Familie Steingässer, damals noch vollzählig, in dem 2019 erschienenen Buch 'Paulas Reise', das aus der Sicht der ältesten Tochter, Paula also, erzählt ist, noch den Spuren des Klimawandels, die sie buchstäblich um die Welt führten, so greift das aktuelle, schön aufgemachte Reisebuch in ansprechendem Großformat 'Hannahs Reise' einen wichtigen Teilaspekt des großen Themas auf, nämlich die Ressource Wasser und seine Verknappung überall auf der Welt. In den bereisten Ländern Italien, Spanien, Marokko, Israel und Jordanien (das Abschlusskapitel, das von einem Aufenthalt in Frankreich auf einem Katamaran berichtet, ist eher ein zusätzliches Highlight und hat mit dem eigentlichen Thema nicht unbedingt etwas zu tun) erfahren die Kinder hautnah, was Wassermangel bedeutet, was die Ursachen dafür sind, wie Wasser, ein Menschenrecht, zu einer Ware gemacht wird, an der ein paar Wenige verdienen und die überwältigende Mehrheit die Folgen des so produzierten Notstands zu tragen hat, und vieles mehr. Die Steingässer-Kinder, ohnehin schon in Sachen Umweltschutz sensibilisiert, sind betroffen, wie auch der Leser, dem viele der hier thematisierten Auswüchse der Wassernot so genau nicht bekannt sein dürften, und mögliche Lösungsansätze, um Wasser zu sparen, die ihre Mutter ihnen erklärt, sind für sie sehr verständlich und logisch, fallen auf fruchtbaren Boden. Da ist man als Leser schon voller Bewunderung für diese patente Mutter, die so umfassend Bescheid weiß und ihren Kindern entschlossen wertvolle Grundlagen mitgibt für die Gestaltung des späteren Lebens als Erwachsene...
Da es kaum möglich ist, die Ressource Wasser vollkommen eigenständig und losgelöst von allen anderen Facetten, die zum Klimawandel führen, zu betrachten, erleben Hannah und ihre Geschwister Mio und Frieda auf einer Fahrt mit einem Fischkutter vor Barcelona, was da so alles im Meer herumschwimmt, das da nicht hineingehört und vor allem, was dieser Wohlstandsmüll, der zum Großteil Plastik unterschiedlichster Provenienz ist, aber dazu noch alles Erdenkliche und Unerdenkliche, achtlos entsorgt, in dem empfindlichen Ökosystem Meer anrichtet, welchen nicht zu rechtfertigenden und kaum wieder gutzumachenden Schaden er den Fischen zufügt, deren Bestand ohnehin schon durch rücksichtsloses Überfischen gefährdet ist. Das, so ist zu spüren, war ein ziemlicher Schock für die Geschwister! Und an Stellen wie diesen wird die Schilderung besonders eindringlich...
Viele sehr kindgerechte Zusatzinformationen, Faktenwissen, wenn man so will, vervollständigen das durchgehend anschaulich bebilderte Buch, das am Ende noch eine ganze Reihe brauchbarer Tipps gibt, die den jungen Lesern bei ihren eigenen Bemühungen, mit dem knappen und so wertvollen Gut Wasser verantwortungsvoll umzugehen, ganz sicher hilfreich sein werden. Ratschläge nicht mit erhobenem Zeigefinger, der überhaupt – und erfreulicherweise – gänzlich fehlt in Hannahs Reisebuch, sondern immer so, dass man richtig Spaß haben kann mit dem Umweltschutz – ja, und am Ende auch noch das gute Gefühl, seinen eigenen Beitrag, so klein er auch sein mag, geleistet zu haben zur Bewahrung unseres so gefährdeten und längst nicht mehr gesunden blauen Planeten! Jeder kann etwas tun für den Umweltschutz und auch die kleinsten Bemühungen helfen schon, retten vielleicht eine Kröte oder einen Regenwurm, vielleicht auch etwas oder jemanden, von dem wir gar nichts ahnen – das ist für mich die Essenz, die Botschaft dieses sehr kurzweiligen Reiseberichts für Kinder, aber auch für Erwachsene, mit den nicht selten bedrückenden und erschreckenden Realitäten, die sich vor der reiseerfahrenen Familie Steingässer auftun. Von solchen Büchern, so meine ich, wünscht man sich unbedingt mehr – und wer weiß, schließlich wollen möglicherweise auch noch Mio oder die kleine Frieda ihre eigenen Reisegeschichten erzählen....

Veröffentlicht am 20.12.2022

Gefährliche Obsession

Dunkles Abbild
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Skandinavien-Thrillern haftet oft etwas Dunkles und Düsteres an, man spürt von Anfang an eine unbestimmbare, doch beharrliche, lauernde Gefahr, die sich dann, je weiter die Handlung voranschreitet, irgendwann ...

Skandinavien-Thrillern haftet oft etwas Dunkles und Düsteres an, man spürt von Anfang an eine unbestimmbare, doch beharrliche, lauernde Gefahr, die sich dann, je weiter die Handlung voranschreitet, irgendwann heftig Bahn bricht. Obwohl man genau dies erwartet, kann man sich des Schreckens, der einen dabei stets überkommt, kaum erwehren, ist wie gebannt, wider Willen fasziniert und spätestens dann nicht mehr in der Lage, das Buch zur Seite zu legen. 'Dunkles Abbild' macht da keine Ausnahme, obwohl der Autor Bernhard Stäber gebürtiger Deutscher ist, nun freilich Wahl-Norweger. Die düster-unheimliche Tradition seiner skandinavischen Krimikollegen jedoch führt er fort – und nebenbei gesagt nicht nur dieser, denn ich empfinde den Großteil der norwegischen Literatur als hart und freudlos, als schwermütig, um ein etwas positiveres Adjektiv zu finden. Vielleicht kommt das zwangsläufig, wenn man hoch oben im Norden, wo die Winter endlos lang und dunkel sind, seine Heimstatt hat, vielleicht färbt so etwas ab auf die Menschen, wird von ihnen absorbiert und Teil ihres Charakters? Wer kann das schon mit Bestimmtheit sagen?
Wie dem auch immer sei, für seinen neuen Norwegen-Krimi, genauer gesagt Psychothriller, hat sich der Autor ein Thema ausgesucht, das schon Befürchtungen in mir als Leser weckt, noch bevor sich das ereignet, was schließlich eine unaufhaltsame Lawine in Gang setzen wird mit sehr ungewissem Ausgang. Harmlos genug beginnt die Geschichte, die durchgängig von den beiden Protagonistinnen Silje Iversen und Katrine Haugland erzählt wird, und von daher, mangels eines auktorialen Erzählers, niemals objektiv sein kann. Positiv an dieser Erzählweise ist der Interpretationsspielraum, den sie dem Leser ermöglicht – hier im Roman unbedingt zu begrüßen!
Nun also: Katrine erkennt auf einer Zugreise die Photographin Silje, an die sie sich aus einem Jugendclub von früher erinnert, wie man bereits im Klappentext aufgeklärt wird, und die sie schon damals bewunderte. Silje hatte ihrer Meinung alles, was ihr selbst fehlte, eine unabhängige Persönlichkeit, die für sich alleine stehen konnte und keiner Bestätigung von anderen Menschen bedurfte. Silje freilich hat an Katrine keinerlei Erinnerungen und ist überhaupt, wie im Laufe der Handlung auffallen wird, vor allem mit sich selbst beschäftigt. Sie trauert dem nach, was der Beginn einer Karriere als Photographin hätte sein können und auch sollen, es aber nie geworden ist, denn ihr Sohn Simon wurde geboren, für den sie ganz alleine verantwortlich ist, und mit seinem Eintritt in ihr Leben schien sich ihre Kreativität verabschiedet zu haben. Obwohl sie bemüht ist, sich und den Jungen mit Kellnern und gelegentlicher Porträtphotographie über Wasser zu halten und sich immer wieder sagt, dass der Sohn das Wichtigste in ihrem Leben sei, kreisen ihre Gedanken immer und immer wieder um sich selbst und die verpasste Karriere – ein Verhalten, das der bereits erwähnten späteren Lawine gar einen kleinen Schubs verpassen wird.
Katrine auf der anderen Seite, die sich der verehrten Silje nun an die Fersen heftet und sie nicht mehr aus den Augen lässt, erscheint dem Leser bald nicht mehr nur merkwürdig und befremdlich, sondern es wird ihm rasch klar, dass es sich bei ihr um eine stark gestörte Person handelt, die überraschend schnell die Kontrolle über sich verliert, in dem Maße, wie sie ihren Entschluss, ihrem Idol äußerlich und innerlich so ähnlich wie möglich zu werden, in die Tat umsetzt. Und wirklich ändert sich ihr geducktes, unsicheres Verhalten mit jedem Schritt auf dem Weg ihrer Verwandlung in Silje, die von all dem nicht die geringste Ahnung hat, aber hätte haben können, würde sie nicht mit Scheuklappen durch die Gegend laufen und stattdessen dem, was um sie herum geschieht, ein wenig mehr Beachtung schenken würde. Unverständlich ist etwa, wie sie, die sie ständig in Angst vor dem Jugendamt lebt (die skandinavischen Behörden scheinen alleinerziehenden Müttern nicht über den Weg zu trauen in Punkto Erziehung), ihren Sohn dennoch immer wieder bei allen möglichen Betreuern ablädt, dabei die Alarmsignale, die das Kind aussendet ignoriert oder einfach beiseite wischt, den Jungen und seine – wichtigen, wichtigen! - Wahrnehmungen nicht ernst nimmt.
Ganz absorbiert in ein wertvolles Buch mit Zeichnungen des Crawley-Tarots, das sie in einem Antiquariat entdeckt hat und dem eine entscheidende Rolle in der Geschichte zukommt, wiewohl es an dieser Stelle etwas verwirrend wird und wenigstens von mir nicht mehr recht nachzuvollziehen, entgeht es Silje, dass sie längst von der kranken Katrine gestalkt wird, der tickenden Zeitbombe, die sich sogar Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft und immer mehr zu dem titelgebenden 'dunklen Abbild' ihrer selbst wird. Aber damit nicht genug, denn Katrine hat einen teuflischen Plan, um die vollständige Verwandlung in ihr Idol zu vollziehen. Dass sie dabei über Leichen gehen und vor nichts haltmachen wird, soll Silje sehr bald in einem wirklich umwerfend spannenden Finale am eigenen Leibe erfahren....
'Slow-Burner' nennt der Autor seinen Thriller – was oberflächlich betrachtet zutreffen mag. Doch ist der vermeintlich harmlose Beginn, dazu noch bei ungewöhnlich heißem Hochsommerwetter, trügerisch! Man muss sich nur hineindenken, hineinfühlen, horchen auf die Zwischentöne, um trotz der Hitze ein leichtes Frösteln zu verspüren, das sich bald zu einer ausgewachsenen Gänsehaut entwickeln wird, auf der sich schließlich sämtliche Härchen aufstellen werden. Ein Psychothriller par excellence, der sich einiger Kniffe und Tricks bedient, die den Leser zwar nicht in die Irre führen, seine Aufmerksamkeit jedoch ablenken, so dass der Showdown, der kommen musste, wie er in jedem (PsychThriller kommt, den Leser geradezu überfällt, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Nun, der Autor versteht ohne Zweifel sein Handwerk! Und er lässt auch keine losen Fäden hängen, die der Leser am Ende nach eigenem Gutdünken miteinander verknüpfen soll. All die Fragen, die ich mir während der Lektüre gestellt habe, waren am Schluss auf wundersame Weise beantwortet, es wurde tief genug in der kranken Psyche der verblendeten Katrine gegraben, um sich ein plausibles Bild von ihr und dem, was sie antreibt, machen zu können. Ein Bild, das es im Übrigen ermöglicht, gar ein wenig Mitgefühl zu spüren, wie es jeder verirrten, verwirrten, verwundeten Person zusteht, das aber ihre Untaten nicht in den Hintergrund treten lässt. Wird ein Opfer zum Täter, macht es sich schuldig, ohne Wenn und Aber. Und muss dafür die Konsequenzen tragen. Wie die in Katrines Fall aussehen mögen, bleibt offen....