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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.01.2023

Ein Parforceritt - in der Tat

Alle Wege führen nach Rom
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„Alle Wege führen nach Rom: Die kürzeste Geschichte der Antike“ ist ein wunderbar ausgearbeitetes Sachbuch, das sein Publikum spielerisch leicht mit anderthalb Jahrtausenden Menschheitsgeschichte bekannt ...

„Alle Wege führen nach Rom: Die kürzeste Geschichte der Antike“ ist ein wunderbar ausgearbeitetes Sachbuch, das sein Publikum spielerisch leicht mit anderthalb Jahrtausenden Menschheitsgeschichte bekannt macht. Ich bin erstmals durch den doch etwas ulkigen Titel auf das Buch aufmerksam geworden und als sehr geschichtsinteressierte Person, wollte ich es unbedingt mal mit diesem Werk versuchen.
In 8 gut ausgearbeiteten Kapiteln nimmt uns der Autor und begeisterte Historiker Michael Sommer mit auf eine turbulente Rundreise durch die Vergangenheit. Der flotte, einnehmende und gut verständliche Schreibstil macht es dabei sehr leicht sich zwischen den Seiten schnell zurecht zu finden. Und wer vielleicht die Sorge hat, nur einen weiteren dicken Geschichtswälzer vorzufinden, der dazu verdammt ist im Regal zu verstauben, irrt gewaltig, denn mit ca. 270 Seiten ist dieses Buch in der Tat die wohl kürzeste Zusammenfassung der Antike. Es klingt durchaus nach einer Herausforderung so viel Wissen auf so wenigen Seiten einzufangen, aber es ist dem Autor durchaus gelungen, dieses Kunststück zu vollbringen. Mir hat dieses Tempo gut gefallen, denn für ein Sachbuch ist es doch irgendwie erfrischend, dass es auch mal kurz und knackig sein kann.
Etwas überraschend war, dass der Autor einen so starken Schwerpunkt auf die politischen Entwicklungen der epochalen Abschnitte legt. Die Verknüpfung von der heutigen Zeit mit der Antike entwickelt sich hier schnell zum zentralen roten Faden, daher sollte man zum Lesen neben einem Interesse für Geschichte, auch ein wenig Interesse für politikwissenschaftliche Themen mitbringen.
Alles in allem hat mir dieses Sachbuch gut gefallen. Man konnte auf jeder Seite die Begeisterung des Autors für sein Fachgebiet herauslesen und das ist definitiv ansteckend. Wer jetzt nach etwas sucht um bereits vorhandenes Wissen zu vertiefen, wird mit dieser doch sehr kompakten Darstellung der Antike vermutlich keinen Volltreffer landen, ich persönlich fands aber super, um meine Kenntnisse ein wenig aufzufrischen. Und ich kann mir gut vorstellen, dass selbst Geschichtsmuffeln sich für diese temporeiche Erzählung erwärmen könnten. So oder so ist „Alle Wege führen nach Rom: Die kürzeste Geschichte der Antike“ die Leseempfehlung alle mal wert.

Veröffentlicht am 02.01.2023

Alte Liebe rostet nicht

Remember when Love was new
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Wer nach einer gefühlvollen, authentischen und fesselnden Liebesgeschichte sucht, sollte Anne Goldbergs „Remember when Love was new“ unbedingt eine Chance geben.
Leena und Hamish waren ein perfektes Team. ...

Wer nach einer gefühlvollen, authentischen und fesselnden Liebesgeschichte sucht, sollte Anne Goldbergs „Remember when Love was new“ unbedingt eine Chance geben.
Leena und Hamish waren ein perfektes Team. Ein perfektes Paar. Bis Leena eines Tages eine SMS auf ihrem Handy erhielt, die ihr Herz in einen Scherbenhaufen verwandelte. Und während Hamish Stonehaven verließ, um sich woanders ein neues Leben aufzubauen, fegte Leena die Scherben zusammen und ging ihren eigenen Weg. 13 Jahre sind seitdem vergangen, in denen Leena heilen, ihre Jugendliebe vergessen und dem erwachsenen Hamish erfolgreich aus dem Weg gehen konnte, wann immer er sich in Stonehaven blicken ließ. Doch damit ist es auf einen Schlag vorbei, denn Leena muss einen neuen Schüler in ihrer Klasse begrüßen und der Vater des 7-jährigen Nick Findlay ist kein anderer als Hamish.
Mir ist es von Anfang an sehr leicht gefallen in die Geschichte hinein zu kommen, was vor allem an dem einnehmenden Schreibstil der Autorin lag. Er ist lebendig, humorvoll, sehr emotional und baut einen tollen Sog auf. Man erlebt die Geschichte aus wechselnder Perspektive und kann so in die Gedanken von Leena und Hamish gleichzeitig eintauchen. Mir hat das gut gefallen und gerade bei Hamish empfand ich es als sehr hilfreich, um seine Figur und seine Beweggründe besser zu verstehen.
„Remember when love was new“ lebt definitiv von seinen authentischen Charakteren. Leena, eigentlich Aileen, war mir gleich sympathisch und sie wächst einem schnell ans Herz. Sie ist empathisch, bodenständig und hat eine gute Intuition, die ihr besonders in ihrer Rolle als Lehrerin sehr zugute kommt. Ich fand ihren Umgang mit den Schülern wirklich klasse und tatsächlich gehörten die Szenen in der Schule zu meinen Favoriten. Etwas schade fand ich hingegen, wie Leena sich teilweise von Hamish behandeln ließ, ohne wirklich mal für sich einzustehen. Andererseits hat sie nun mal eindeutig ein Helfersyndrom und dieser ‚Makel‘ hat sie auch sehr menschlich und echt wirken lassen.
Auch Hamish ist ein Charakter mit Ecken und Kanten. Er macht es einem nicht unbedingt leicht, ihn gern zu haben und ich empfand ihm gegenüber nicht dieselbe quasi-intuitive Sympathie wie es bei Leena der Fall war. Er kann grantig sein und unliebsam und es gab einige Aussagen, die mir ganz und gar nicht gefallen haben. Aber er ist ein wirklich toller Vater und tut alles, was er kann, um es Nick trotz ihrer schweren Situation so einfach wie möglich zu machen. Liest man diese Szenen, wie er mit seinem Sohn umgeht, sich für ihn einsetzt und kämpft kann man gar nicht anders als sich für Hamish zu erwärmen.
Schließlich ist da auch noch der kleine Nick. Ich habe selten ein so liebenswertes Kind als Begleitfigur in einem Roman erlebt und allein sein Beitrag zur Geschichte macht „Remember when Love was new“ absolut lesenswert.
Mir hat das Buch wirklich gut gefallen und spätestens ab der Hälfte habe ich es nicht mehr aus der Hand legen können. Auch schön fand ich, dass es nicht allein um die Liebesgeschichte geht, sondern Nicks Ängste und Sorgen ebenfalls stark mit einbezogen werden. Das hat die Handlung definitiv vielseitiger und interessanter gemacht. „Remember when love was new“ ist ein fesselnder und emotionaler Roman mit authentischen Figuren, der seine Leserschaft spielend leicht um den kleinen Finger wickeln kann.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.11.2022

Ein Buch, bei dem sich die Geister scheiden

Der mexikanische Fluch
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Mit „Der mexikanische Fluch“ von Silvia Moreno-Garcia ist der international gefeierte Schauerroman nun auch in deutscher Übersetzung erschienen.
Erzählt wird die Geschichte der jungen Noemí. Sie kommt ...

Mit „Der mexikanische Fluch“ von Silvia Moreno-Garcia ist der international gefeierte Schauerroman nun auch in deutscher Übersetzung erschienen.
Erzählt wird die Geschichte der jungen Noemí. Sie kommt aus wohlhabendem Hause, führt ein Leben voller Partys, liebt Tänze und Musik und sucht – sehr zum Missfallen ihres Vaters - noch nach dem richtigen Studium, um sich selbst zu verwirklichen. Doch Noemís Sorglosigkeit findet ein jähes Ende, als sie ein verstörender Brief ihrer Cousine erreicht. Hat Catalania ihren Verstand verloren oder steckt tatsächlich etwas hinter den konfusen Behauptungen der jungen Frau? Will ihr frisch angetrauter Ehemann Virgil Doyle sie tatsächlich vergiften? Und was bedeuten all die anderen bizarren Andeutungen in ihrem Brief?
Zutiefst beunruhigt reist Noemí ins mexikanische Hochland, um in dem düsteren Familiensitz der Doyles nach ihrer Cousine zu sehen. Dort stößt sie schon bald auf ein undurchdringbares Gespinst von Geheimnissen, Mysterien und menschlichen Abgründen.
„Der Mexikanische Fluch“ ist zweifellos ein Buch, bei dem sich die Geister scheiden werden. Es basiert auf dem klassischen Bild des abgelegenen, knarrenden Herrenhauses inklusive nebligen Privatfriedhof, eigentümlicher Familie und düsterer Vergangenheit. Es vereint viele Elemente des klassischen Schauerromans, wer auf eine Explosion an Horror und Action hofft, wird jedoch zwangsläufig enttäuscht. In meinen Augen kreiert die Autorin eine eher unterschwellige, langsam gärende Atmosphäre der Beklommenheit, mit einzelnen Szenen die durchaus Gänsehaut und Ekelpotential mitbringen. Mich hat das sehr mitreißen und begeistern können, ich glaube aber auch, dass viele das anders sehen werden.
Den Schreibstil der Autorin habe ich als sehr einnehmend und atmosphärisch erlebt. Die teilweise ausschweifenden Beschreibungen, ungewöhnlichen Ausdrucksweisen und evidenten Wiederholungen waren anfangs gewöhnungsbedürftig, dennoch gelingt es der Autorin recht schnell eine sehr stimmungsvolle, düstere und schaurige Atmosphäre zu erschaffen, die die Seiten durchdringt und einen unwiderstehlichen Sog kreiert. Darin besteht für mich der entscheidende Pluspunkt dieser Lektüre.
Interessanterweise war es diese Atmosphäre und Anspannung, die mich weiterlesen ließ. Allein aufgrund der Handlung war „Der Mexikanische Fluch“ nämlich kein Page-Turner. Im Grunde passiert während zwei Drittel des Buches nicht viel. Noemí verbringt die ersten 250 Seiten damit, im Haus oder auf dem Grundstück herumzustreunen und lebhafte Albträume zu haben. Sicherlich gibt es von Zeit zu Zeit Informationen, die relevant für die Handlung sind, aber im Großen und Ganzen gab es keine nennenswerte Entwicklung.
Als sich die Dinge in High Place dann endlich zuspitzen, fühlt es sich an, als wäre auf den letzten Seiten eine Unmenge an Material und Wendungen hineingestopft worden. Mir persönlich war das etwas zu viel, zu hektisch und es fehlte der Aha-Moment, die Art von Plot-twist, die einen vor den Kopf zu stoßen weiß und komplett überrascht.
Auch die Charaktere in diesem Buch waren für mich eine zweischneidige Klinge. Einerseits waren sie sehr interessant ausgearbeitet, besonders die Doyles waren jeder für sich spannende, wenn auch enorm unliebsame Figuren, die einander gut ergänzt haben. Lediglich Francis, der jüngste der Familie, fällt augenscheinlich aus dem Raster.
Zudem muss der Schauplatz des Romans unbedingt hervorgehoben werden. High Place ist so gegenwärtig und lebendig, dass es sich de facto als eigenständige Figur präsentiert. Es ist die perverse Imitation eines Heims, zugleich korrupt und korrumpierend und hat seine Bewohner fest im Griff. Meisterhaft und außergewöhnlich bezieht die Autorin diesen Ort in diese Geschichte mit ein und kreiert damit einen ungeahnten Schrecken.

Und dann ist da schließlich noch die Heldin des Romans, Noemí Taboada. Sie ist definitiv kein Fräulein in Nöten, sondern wird den Lesern vorgestellt als eine eigensinnige, intelligente und entschlossene junge Frau. Wenn jemand fähig ist, das Grauen in High Place zu entschlüsseln, dann ist das Noemí. Leider hatte ich im Laufe der Geschichte immer stärker das Gefühl, dass Noemí ihren anfänglichen Schneid verliert. Ihre Versuche sich gegen die Doyles, besonders gegen Virgil, aufzulehnen haben bisweilen etwas kindlich Trotziges an sich und es blitzt nur noch gelegentlich die junge, einnehmende Frau durch, die sie zu Beginn der Geschichte ist. Auch wirkte ihre Figur insgesamt eher oberflächlich auf mich.
Unterm Strich konnte ich den Charakteren in diesem Buch viel abgewinnen, aber ein ‚Makel‘ den sie in meinen Augen alle teilen, ist die Eindimensionalität. Bei keinem zeigt sich eine nennenswerte Charakterentwicklung, kein Wachstum und leider auch keine Überraschungen. Die Rollen sind von Anfang an klar verteilt und ändern sich im Laufe der Geschichte kaum.
Mein abschließendes Fazit fällt trotz der Kritikpunkte jedoch positiv aus. Obwohl mir rückblickend all diese Sachen und noch mehr zu Figuren und Handlung aufgefallen sind, habe ich es während des Lesens nicht als sehr störend empfunden. Ich war so gefangen in dieser Atmosphäre aus kalter Beklommenheit und Anspannung, dass ich gar nicht anders konnte, als weiterzulesen. Es war so packend und befremdlich, wie ich es mir beim Lesen des Klappentextes erhofft hatte.
„Der Mexikanische Fluch“ ist ein Buch, auf das man sich möglichst unvoreingenommen einlassen sollte, doch wer sich von der Atmosphäre mitreißen lässt, wird diese Leseerfahrung bestimmt zu schätzen wissen.

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Veröffentlicht am 02.11.2022

Bewegende Second-Chance-Romance

No Longer Yours - Mulberry Mansion
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"No longer Yours" ist der neue Roman von Autorin Merit Niemeitz und entführt seine Leser und Leserinnen erstmals in das traumhafte Setting der Mulberry Mansion.
Die altehrwürdige aber heruntergekommene ...

"No longer Yours" ist der neue Roman von Autorin Merit Niemeitz und entführt seine Leser und Leserinnen erstmals in das traumhafte Setting der Mulberry Mansion.
Die altehrwürdige aber heruntergekommene Villa wurde von den Besitzern für ein außergewöhnliches Projekt zur Verfügung gestellt, das junge Studierende sucht, um das wunderschöne Gebäude zu neuem Glanz zu führen.
Jurastudentin Avery ist eine der Auserwählten und kann ihr Glück kaum fassen, ist sie doch verzweifelt auf der Suche nach einem Ort, der es ihr erlaubt, einmal ganz neu anzufangen und ihre belastende Vergangenheit hinter sich zu lassen. Die Mulberry Mansion soll ihr sicherer Hafen sein.
Leider erfährt diese Hoffnung schon bald einen jähen Dämpfer als Avery herausfindet, dass einer ihrer Mitbewohner niemand anderes als Eden, ihre erste große Liebe ist. Eden, der sie vor zwei Jahren aus heiterem Himmel abservierte und sang und klanglos aus ihrem Leben verschwand. Eden, der jetzt so abweisend und verschlossen ist, dass Avery kaum noch den Jungen wiedererkennt, den sie einst über alles liebte.

"No longer Yours" gehört definitiv zu den besseren New-Adult-Romanen, die ich dieses Jahr gelesen habe. Der Schreibstil von Autorin Merit Niemeitz ist einnehmend, flüssig und hat eine ganz eigene Note, die mir gut gefallen hat. Nach wenigen Kapiteln war ich voll in der Geschichte drinnen und von da an flogen die Seiten nur so dahin. Geschrieben wird haupsächlich aus der Perspektive von Avery, obwohl es auch ein paar wenige aus der Sicht von Eden gibt. Da hätte ich mir gewünscht, dass es, wenn man sich schon für Perspektivwechsel entscheidet, etwas ausgeglichener zwischen den Protas aufgeteilt wird.
Das Buch lebt ganz und gar von dem außergewöhnlichen Setting. Die Autorin hat durch ihre Worte diesen besonderen Ort, die Mulberry Mansion zum Leben erweckt, als sei die alte Villa ein lebender, atmender Protagonist in der Geschichte, der irgendwie alles zusammen zu halten scheint. Ich hatte beim Lesen so viele Bilder im Kopf, von der Küche, den Zimmern, dem Garten, selbst vom Dachboden, sodass ich mich ganz und gar in diese Umgebung hineinträumen konnte. Ich freu mich schon auf Teil 2 der Reihe, einfach wegen der Gelegenheit wieder an diesen Ort zurückzukehren.

Abgesehen von meiner Begeisterung für das Setting, hat mir auch die Handlung ganz gut gefallen. Die "großen persönlichen Geheimnisse" von Avery und Eden waren keine Riesenüberraschung, aber gut ausgearbeitet und glaubhaft in die Geschichte mit eingebunden. Ich persönlich finde es manchmal etwas anstrengend, wenn bis zum bitteren Ende höchstens angedeutet wird, was dem oder derjenigen in der Vergangenheit passiert ist, besonders wenn es nach einer Weile schon offensichtlich wird. Hier fand ich das alles noch in Ordnung. Es liest sich, als würde man erst Averys Traumata aufarbeiten und dann ist irgendwann Eden an der Reihe. So wirkte es auf mich noch recht ausbalanciert. Mit über 500 Seiten ist das Buch recht lang und ich fand das hat man zeitweise auch gemerkt. Ich würde zwar nicht sagen, dass es langatmig war, gerade in der ersten Hälfte gab es allerdings Längen.

Ein Grund warum ich am Ende nicht bei den vollen 5 Sternen lande ist, dass ich von Avery als Protagonistin nicht so angetan war. Ich bin etwas zwiegespalten, weil Avery sich einerseits durchaus bewusst ist, dass sie nicht der herzlichste und sympathischte Mensch ist, wird aber auch irgendwann reflektierter was ihre Ansichten angeht. Man sieht da also eindeutig ihre Entwicklung, was prinzipiell eine tolle Sache ist.
Andererseits gibt es einige Szenen, die mich ein ums andere Mal die Augen haben verdrehen lassen. ZB ist sie ganz offensichtlich nicht über Eden hinweg und es ist schon etwas unglaubhaft, dass sie sich gerade am Anfang andauernd versucht darin zu bestärken, dass sie genau das ist. Gleichzeitig stichelt sie und provoziert, um irgendwelche Reaktionen aus Eden herauszukitzeln, was ich ehrlich gesagt recht und anstrengend kindisch fand.
Ihre Schwarz-Weiß-Betrachtungsweise war auch nicht so mein Fall, obwohl es prima zu ihrem Charakter gepasst. Dadurch wurden ihre Reaktionen auf gewisse Dinge zumindest glaubhaft.
Ein regelrechter Störfaktor war für mich aber ihre Haltung zu Recht und Gerechtigkeit. Ist zwar schön und gut, dass sie aufgrund ihrer Vergangenheit Probleme mit manchen Themen hat, aber einige Aussagen waren schlicht zum Kopfsschütteln. Nach einem Jahr Jurastudium den Unterschied zwischen zB Mord und Totschlag nicht (an) zu erkennen, ebensowenig dass jeder Mensch ein Recht auf effektive Verteidigung hat, lässt einen daran Zweifeln, wie sie es so lange in ihrem Studium ausgehalten hat, geschweige denn wie unpassend ihr Berufswunsch ist.
Ich will nicht außer Acht lassen, dass sie auch hier eine deutliche Entwicklung durchmacht, was diese ganzen Kritikpunkte etwas entschärft, aber ihre rechthaberische und teilweise radikale Art war mir persönlich etwas zu viel des Guten.

Im Vergleich dazu fand ich Edens innere Konflikte und Probleme einfach etwas ansprechender umgesetzt. Zwar hat er auch eine eher negative Grundhaltung, aber seine Gedanken und Gefühle angesichts seiner Vergangenheit fand ich doch sehr glaubhaft ausgearbeitet. Ich hätte mir sogar gewünscht, noch ein paar mehr Kapitel aus seiner Sicht lesen zu können.

Ein großes Plus in der Geschichte waren auch die interessanten Nebenfiguren, was hauptsächlich die Leute aus der Mulberry Mansion WG betrifft. Sie haben alles einfach perfekt abgerundet und ich freu mich jetzt schon darauf in den Fortsetzungen mehr über die anderen zu lesen.

Alles in allem fällt mein Fazit zu "No longer Yours" echt positiv aus. Obwohl besonders Avery nicht auf Anhieb diese Sympathie weckt, macht die Entwicklung zwischen ihr und Eden und auch ihrer persönlichen Charakterentwicklung dieses Buch zu einer spannenden und super emotionalen Reise. Mit der Mulberry Mansion hat die Autorin einen Ort geschaffen, der seinen Leser/innen ein außergewöhnliches zu Hause bietet, in das man nur zu gerne wieder zurückkehrt. Und es ist diese Kombination aus Emotionalität und Atmosphäre, die dieses Buch zu einem tollen New-Adult-Roman macht.

Veröffentlicht am 28.06.2022

Potential nicht ganz ausgeschöpft

Wie man sich einen Lord angelt
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„Der Lady’s Guide – Wie man sich einen Lord angelt“ ist ein historischer Liebesroman der seine Leser direkt ins Herz der Londoner Ballsaison des Jahres 1818 transportiert. Auf diesem gesellschaftlichen ...

„Der Lady’s Guide – Wie man sich einen Lord angelt“ ist ein historischer Liebesroman der seine Leser direkt ins Herz der Londoner Ballsaison des Jahres 1818 transportiert. Auf diesem gesellschaftlichen Mienenfeld der High Society muss jeder Schritt sitzen, jede Locke muss perfekt gelegt, das Benehmen tadellos sein. Es gilt ganz schön viel zu lernen über die Regeln und Konventionen dieser schillernden, makelfeindlichen Parallelwelt und ein Fehltritt kommt für Miss Kitty Talbot nicht in Frage. Dafür hängt viel zu viel von dem Erfolg ihres Vorhabens ab.
Nach dem Tod beider Eltern stehen die Talbot-Schwestern vor dem finanziellen Ruin. Unmöglich lassen sich die horrenden Spielschulden des Vaters aus eigener Kraft begleichen. Kitty, die älteste der Schwestern, sieht nur eine Option, um ein solches Schicksals abzuwenden. Sie muss reich heiraten. Und wo ließe sich ein besserer Kandidat für dieses Vorhaben finden als auf den Bällen der Lords und Ladys in London.
Wundersamerweise findet sich schon bald ein wohlhabender Junggeselle, den die unkonventionelle junge Frau von sich begeistern kann, doch hat sie dabei nicht die Rechnung mit seinem älteren Bruder gemacht. Lord Radcliff durchschaut Kittys Absichten sofort und ist fest entschlossen seinen kleinen Bruder vor dieser Heiratsschwindlerin zu beschützen. Allerdings täte er gut daran, die Entschlossenheit Kittys nicht zu unterschätzen...
Mein Fazit zu diesem Roman fällt insgesamt ganz gut aus. Die äußere Gestaltung ist wirklich gelungen und obwohl ich persönlich kein Fan von Personen auf Covern bin, finde ich die Aufmachung hier schön gemacht. Auch das Innenleben ist mit viel Detailliebe behandelt worden und macht dieses Buch durchaus zu einem Hingucker.
Inhaltlich hat mich dieser erste Teil des Lady’s Guide nicht vollständig abholen können. Die Idee, die der Handlung zugrunde liegt, hat mir echt gefallen und auch die Bewerbung als Kombination von Jane Austen und Bridgerton weckte auf Anhieb meine Neugierde. Alles in allem konnte der Roman aber nicht die Begeisterung wecken, die ich mir gewünscht hätte.
Der Schreibstil ist okay, lässt sich flüssig und angenehm lesen und ist in weiten Teilen auch bildhaft genug, dass die Vorstellungskraft geweckt wird. Nicht ganz so gefallen haben mir die teilweise willkürlich auftretenden Perspektivwechsel. Grundsätzlich mag ich solche Wechsel sehr, allerdings war in diesem Fall für mich nicht immer nachzuvollziehen, dass gerade einer stattgefunden hat. So beginnt man ein Kapitel aus der Sicht Kittys und liest dann auf einmal aus Radcliffs Perspektive weiter. Da hätte ich mir einfach etwas mehr Trennschärfe gewünscht.
Zuletzt hat es sich beim Lesen auch sprachlich nicht immer authentisch angefühlt.

Die Handlung fand ich alles in allem okay. Auf jeden Fall unterhaltsam mit seinen Wendungen und kleineren Kniffen, aber eben auch mit Längen. Abgesehen von den Ereignissen am Ende hatte ich mehr das Gefühl, eher einer Abfolge von Ereignissen zu folgen als einem sorgfältig ausgetüftelten Spannungsbogen. Das Buch schlägt definitiv mehr auf die Austen-Seite und porträtiert eine etwas Realitäts-nähere Liebesgeschichte als zB die Bridgerton Romane. Dieser Aspekt hat mir tatsächlich sehr gefallen. Kittys Kampf gegen ein beschädigtes Familien-Image und ihre Bereitschaft alle Gedanken an Romantik beiseitezuschieben, um das zu tun, was für die Familie am besten ist, wurde sehr überzeugend dargestellt.
Schade auf der anderen Seite war, dass es meiner Ansicht nach nicht gelungen ist, Kitty über diesen Kampf hinaus auszugestalten. Sie war mir nicht direkt unsympathisch, aber als Protagonistin einfach zu unausgewogen. Natürlich startet sie in einer schrecklichen Lage und muss auf gewisse Weise skrupellos vorgehen, um ihre Familie zu retten, aber mir hat die Emotionale Verbindung zu ihr gefehlt, um diesen Aspekt auszubalancieren. So wirkte sie auf mich überwiegend „nur“ skrupellos, selbstmitleidig, berechnend und manipulativ. Umso mehr, wenn man sie einer durch und durch arglosen und lieben Person wie Archie de Lacy gegenüberstellt.
Gegenüber von Radcliff hat sich das gebessert, weil er offensichtlich die einzige Person war, die sie nicht ohne weiteres blenden oder austricksen konnte. Trotzdem hat mir auch hier die Emotion gefehlt. Die meiste Zeit konnte ich die Chemie zwischen Kitty und Radcliff einfach nicht spüren, was sehr schade war.
Versteht mich nicht falsch, das klingt jetzt vermutlich alles sehr kritisch, aber ich will damit nicht sagen, dass es ein schlechtes Buch oder nicht lesenswert war. Das ist es nicht. Es hat durchaus Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen und der Ladys Guide hat definitiv Unterhaltungsfaktor. Die Charaktere sind insgesamt sympathisch und es gibt hie und da etwas mitzufiebern. Mir persönlich hat allerdings einfach dieses gewisse Etwas gefehlt, dass die Geschichte besonders oder einprägsam macht, dieses Etwas, das einen mitreißt und emotional an die Geschichte bindet. Trotzdem ist „Wie man sich einen Lord angelt“ ein schönes Buch für zwischendurch und ist durchaus einen Blick wert!