Bedrückend realistisch
Wehrlos„Wehrlos“ beschreibt glaube ich den Albtraum aller Eltern, diese zermürbende Tatenlosigkeit, das Bangen und Hoffen, die Erlösung, die niemals kommt. Nora Benrath hat mir ihrem Buch einen erschreckend realistischen ...
„Wehrlos“ beschreibt glaube ich den Albtraum aller Eltern, diese zermürbende Tatenlosigkeit, das Bangen und Hoffen, die Erlösung, die niemals kommt. Nora Benrath hat mir ihrem Buch einen erschreckend realistischen Nervenkitzel geschaffen, der mir aber etwas zu wüst erzählt war.
Zum Inhalt: Als ihre Tochter Nele vom Spielplatz verschwindet, bricht für Mieke eine Welt zusammen. Eben hat sie ihre Tochter noch mit einem anderen Kind spielen sehen, plötzlich ist sie weg. Und Mieke stand quasi daneben. Neles Verschwinden bringt die Polizei auf eine wichtige Spur, denn sie ist nicht das einzige verschwundene Kind, nur hat bisher niemand mit einem kindlichen Täter gerechnet.
Was mir an diesem Buch sehr gut gefallen hat war, wie erschreckend realistisch die dargestellten Situationen sind und wie auf die Gefahr von Social Media in Bezug auf Selbstdarstellung und sensible Daten aufmerksam gemacht wird. Denn die Täten suchen ihre Opfer gezielt im Netz, bei der Kinder wie eine Ware in einem Onlinekatalog präsentiert werden. Und wer kennt sie nicht- die Instagram-Mamis die das gesamte Leben ihrer Kinder im netz offenlegen. Schon allein das sorgt für eine sehr beklemmende Stimmung.
Die Geschichte wird aus sehr vielen verschiedenen Perspektiven erzählt. Das macht sie einerseits nahbar, unter anderem weil auch aus Neles Sicht erzählt wird, was mir wirklich eine Gänsehaut bereitet hat, war mir aber letztendlich zu viel. Namen, Orte, Beziehung zur Familie verschwimmen. Es werden sehr viele Perspektiven eingeführt, die erstmal überhaupt nichts mit der Haupthandlung zu tun haben und die nicht aktiv zum Fortgang der Handlung beitragen. Außerdem wurde es dadurch für mein Empfinden sehr unübersichtlich.
Das Buch hat relativ lange gebraucht, um echte Fahrt aufzunehmen. Ist nicht unbedingt, weil es trotzdem von Anfang an sehr beklemmend und stimmungsvoll ist. Aber gegen Ende ging es plötzlich Schlag auf Schlag inklusive einer merkwürdigen Enthüllung zum persönlichen Bezug des Täters. Dies wird aber gar nicht weiter aufgegriffen und verarbeitet, was Fragen offenlässt und dadurch für mich total überflüssig war.
Fazit: top Thema, sehr aktuell und mit wichtiger Botschaft. Mit der Umsetzung der Autorin in ihrer Erzählstruktur habe ich gehadert, trotzdem ein sehr kurzweiliges Buch.