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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.02.2023

Spannung auf zwei Zeitebenen

Kuckuckskinder (Ein Falck-Hedström-Krimi 11)
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Fjällbacka ist eigentlich sehr beschaulich, doch als kurz hintereinander zwei Verbrechen geschehen, ändert sich das Bild drastisch. Ein Fotograf wird, während er in den letzten Vorbereitungen ...

Fjällbacka ist eigentlich sehr beschaulich, doch als kurz hintereinander zwei Verbrechen geschehen, ändert sich das Bild drastisch. Ein Fotograf wird, während er in den letzten Vorbereitungen des Arrangements seiner neuesten Ausstellung steckt, brutal mit einer Nagelpistole erschossen. Kurz darauf wird auf den bekannten Schrifsteller Henning Bauer, dem die Verleihung des Literaturnobelpreises verkündet wurde, verübt.
Während Patrik Hedström und sein Team noch unsicher sind, in welche Richtungen die Ermittlungen gehen werden, stößt Patriks Frau Erica Falk auf einen ungeklärten Mord an Lola - einer Trans-Frau, die in den 80ern gelebt hat und zusammen mit ihrem Kind ermordet wurde. Da Erica Romane, basierend auf wahren Kriminalfällen, schreibt, fährt sie nach Stockholm und wühlt in der Vergangenheit. Dabei ahnt sie nicht, dass sie dabei auch den Hintergründen der aktuellen Morde näher kommt.

Ich habe vor geraumer Zeit schon Bücher von Camilla Läckberg gelesen, konnte mich jedoch nicht an die Biographie oder das Privatleben des Paares erinnern. Umso gespannter war ich, was die Ermittlungen in deren 11. Fall zutage bringen.
An Camilla Läckberg mag ich, dass sie - im Gegensatz zu anderen skandinavischen Kriminalromanen - nicht so düster und trist daherkommt. Außerdem baut sich die Spannung recht schnell auf und steigt kontinuierlich an. Die Erzählung auf den beiden Zeitebenen hat mir sehr gut gefallen und die einzelnen Geschehnisse und Zusammenhänge wurden so clever miteinander verstrickt und verarbeitet.

Mal wieder ein sehr gelungener Fall aus der Feder von Camilla Läckberg.

Veröffentlicht am 19.02.2023

Bewegender Roman, der strukturellen Rassismus thematisiert

Salomés Zorn
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Salomé ist 16 Jahre alt und muss eine sechsmonatige Strafe in einer Jugendhaftanstalt absitzen. Dahingebracht hat sie Wut. Wut über ihre Klassenkameradinnen, das Mobbing und den Rassismus, den sie tagtäglich ...

Salomé ist 16 Jahre alt und muss eine sechsmonatige Strafe in einer Jugendhaftanstalt absitzen. Dahingebracht hat sie Wut. Wut über ihre Klassenkameradinnen, das Mobbing und den Rassismus, den sie tagtäglich erfahren muss. Salomé ist in einer niederländischen Provinz aufgewachsen, wo ihre Hautfarbe fremd ist und von den Nachbarinnen und Mitmenschen nicht gern gesehen wird. Salomés Vater kommt aus Kamerun und hat selbst Rassismuserfahrungen erlebt, vor denen er seine Töchter lieber bewahren möchte. Damit diese mit ihrer Wut umgehen können, besorgt ihr Vater einen Punchingball für die Garage und zeigt ihnen, wie sie ihre Faust wirkungsvoll einsetzen können. Die enttäuschten Augen ihres Vaters, als Salomé aufgrund ihrer Wut und des Einsatzes ihrer Fäuste festgenommen wird, kann sie nicht vergessen. In der Jugendhaftanstalt soll sie über sich und ihr Verhalten nachdenken - mit Unterstützung des Therapeuten Frits, der sich in einer TV-Sendung rassistisch geäußert hat und Salomé daher alles andere als geeignet oder sympathisch erscheint.

Simone Atangana Bekono hat mit "Salomés Zorn" einen bewegenden Roman geschrieben, der die tiefe Wut Salomés in ihren Gedanken, Erinnerungen und Gefühlen deutlich zum Ausdruck bringt. Sie erzählt von verschiedenen Situationen, in denen sie rassistisch beschimpft wurde, die Herausforderungen, die nur ihr gestellt wurden und von der Wut, gegen sie immer wieder ankämpfen musste und vor der ihr Vater sie nur bedingt schützen kann. Schauplatz ist hier eine niederländische Provinz, aber die Strukturen und Mechanismen, das Mindset der Gesellschaft, die hier exemplarisch Salomés Familie gegenübertritt und die Konsequenzen und Lebensfragen, die Salomé sich während ihrer Haft stellt, existieren und wirken überall.

Ein sehr beklemmendes und bewegendes Buch aus Sicht einer 16-Jährigen, die ganz viel und gleichzeitig sehr wenig versteht - sämtliche Fragen und gesellschaftliche Aspekte jedoch allein für sich ausmachen muss, obwohl die Strukturen das Problem sind und nicht sie.

Veröffentlicht am 29.01.2023

Intensiv, hat mich vollkommen in den Bann gezogen

Liebewesen
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Caroline Schmitts Schreibstil würde ich als intensiv beschreiben. Sie changiert zwischen sehr speziellem Humor, Tatkraft und Euphorie, Depression, Aufbruch und Stillstand. Und das alles geht wechselnd ...

Caroline Schmitts Schreibstil würde ich als intensiv beschreiben. Sie changiert zwischen sehr speziellem Humor, Tatkraft und Euphorie, Depression, Aufbruch und Stillstand. Und das alles geht wechselnd Hand in Hand und konnte mich von Beginn an begeistern.
Lio ist jung, hat nie eine Beziehung geführt und hat eine starke abstoßende Haltung zu Sex. Ihre Freundin und Mitbewohnerin Mariam möchte sie jedoch immer wieder zu Dates überreden und schubst Lio so in Max' Arme. Was als absurdes und komisches Date beginnt, entfaltet sich langsam zu einer ehrlichen und offenen Liebe - mit Höhen, Tiefen und immer neuen Herausforderungen, was das Zulassen und Benennen von Gefühlen angeht. Endlich fühlt Lio annährend, was wohl auch andere Menschen beim Sex fühlen, traut sich in der Beziehung aufzublühen und nimmt sich und ihren Körper an.
Bis sie ungewollt schwanger wird und sich erneut mit sich, ihrem Körper und vor allem ihrer Vergangenheit auseinandersetzen und eine Entscheidung treffen muss.

Ich mag Lios Sichtweise, ihre Perspektive und ihren Ton sehr gern. Es wird schnell klar, dass sie sich selbst als verkorkst sieht und auf der Suche ist. Ihre Kindheit und Jugend ist geprägt durch ihre kalte, gewaltvolle Mutter, ihren gleichgültigen Vater und ein traumatisches Erlebnis, das sie lange nicht aufgearbeitet hat. Max hingegen kämpft gegen seine Depressionen an, bringt Buntes in Lios und seine Beziehung und tänzelt trotzdem immer wieder am Abgrund.
Mit "Liebewesen" hat Caroline Schmitt nicht nur einen fantastischen Neologismus geschaffen, sondern auch ein brillantes Debüt vorgelegt. Sie thematisiert queere Liebe, Missbrauch, Beziehungsängste, -sorgen und -sehnsüchte sowie Identitätsfragen und Kinder(nicht)wunsch.
Bereits nach den ersten Seiten hat sie mich vollständig in ihren Sog gezogen, ich habe Lios und Max' gemeinsame Zeit wie im Rausch verfolgt und wurde mit vielen Gedanken und Gefühlen zurückgelassen.

Ein fantastisches Buch, das eine wichtige Stimme für unsere Gesellschaft und all die immer noch tabuisierten Themen sind.

Veröffentlicht am 22.01.2023

Brillanter Pageturner

NIGHT – Nacht der Angst
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Emily beschließt, recht überstürzt das College zu verlassen. Seit ihre Mitbewohnerin und enge Freundin Maddy von einem Serienmörder, dem sogenannten Campus-Killer, ermordet wurde, hält sie es am Campus ...

Emily beschließt, recht überstürzt das College zu verlassen. Seit ihre Mitbewohnerin und enge Freundin Maddy von einem Serienmörder, dem sogenannten Campus-Killer, ermordet wurde, hält sie es am Campus und in ihrem Zimmer nicht mehr aus. Zu groß sind ihre Schuldgefühle, dass sie Maddy allein in der Bar gelassen hat, sie im Streit auseinandergingen und ihre letzten Worte an Maddy gemein und grässlich waren. Sie will so schnell weg wie nur möglich und Unterschlupf bei ihrer Grandma in Ohio finden. Als sie am Schwarzen Brett eine Mitfahrgelegenheit bei Josh ergattert, kann sie ihr Glück kaum fassen. Doch nur wenige Zeit nachdem sie bei ihm eingestiegen ist, merkt sie, dass er ihr nicht die Wahrheit gesagt hat. Charlie ist sich sicher, dass sie ins Auto des Campus-Killers gestiegen ist und sich in großer Gefahr befindet.

"Night" ist seit langem mal wieder ein Thriller, der mich total gepackt hat und den ich in zwei Schüben verschlungen habe. Dass Charlie nicht sicher in Joshs Auto ist und sich dringend aus seinen Fängen befreien sollte, ist schnell klar. Wie sie das schaffen soll und ob sie die Nacht im Auto überlebt, ist für die Leser*innen genauso unklar wie für Charlie selbst. Daher habe ich die Geschehnisse im Auto, die Dialoge mit Josh und die möglichen Fluchtmöglichkeiten für Charlie mit größter Anspannung verfolgt. Der flüssige Schreibstil, die sich langsam bedrohlich aufbauende Spannung sowie die kurzen Kapitel haben den packenden Effekt nur verstärkt.

Ein packender Pageturner, dessen Ausgang lange Zeit nicht absehbar und überraschend für mich war.

Veröffentlicht am 04.01.2023

Absolut lesenswert

Miss Kim weiß Bescheid
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Cho Nam-Joo erzählt in "Miss Kim weiß Bescheid" von acht Frauen und entblättert deren Lebensgeschichten. Größtenteils wird dabei in der Ich-Form erzählt, was das Eintauchen in die Gedanken, das Nachfühlen ...

Cho Nam-Joo erzählt in "Miss Kim weiß Bescheid" von acht Frauen und entblättert deren Lebensgeschichten. Größtenteils wird dabei in der Ich-Form erzählt, was das Eintauchen in die Gedanken, das Nachfühlen und auch das Identifikationspotential enorm verstärkt. Denn eines ist klar: Auch wenn hier das Leben von acht verschiedenen Frauen, die unter diversen gesellschaftlichen Problemen im patriarchaisch geprägten Korea leiden, erzählt wird, stehen sie exemplarisch für jede andere Frau weltweit.
Die Frauen sind unterschiedlich alt, haben eine unterschiedliche Familienbiographie und stehen an verschiedenen Lebenspunkten. Allen gemein ist jedoch, dass sie ihre (aktuelle) Situation reflektieren und in Bezug zu sich und der Welt bzw. der Gesellschaft setzen. Thematisiert werden unter anderem Hatespeech im Internet gegen eine bekannte Autorin, die Befreiung aus einer toxischen Beziehung, das heimliche Filmen von Frauen, Cyber Mobbing und häusliche Gewalt.
Umgesetzt ist das in sehr intensiven, eindringlichen Worten, die bei mir eine bedrückende Atmosphäre erzeugten, weil so viele (unterdrückte) Emotionen mitschwangen.

Für mich schon jetzt ein absolutes Highlight, ein Buch das mir noch eine ganze Weile in Erinnerung bleibt und das weltweite Frauenbild sehr gut spiegelt ohne dabei Männerhass zu produzieren oder darzustellen.