Die irakischstämmige Aida verleugnet ihre Herkunft, was immer wieder zu Streit mit ihrem Freund führt. In ihrer Not setzt sie sich hin und beginnt aufzuschreiben, was sie nicht sagen kann.
Geboren in einem iranischen Flüchtlingslager, kam sie mit ihren Eltern und der älteren Schwester in die Schweiz. Die Mädchen gehen zur Schule, aber ihre Eltern kommen mit dem westlichen Alltag nicht zurecht und verklären mehr und mehr ihre Heimat. Der Vater, ein konservativer Theologe, beschliesst schliesslich, mit der ganzen Familie in den Irak zurückzukehren. Aber was für die Eltern die Heimat ist, die sie einst verlassen haben, ist für die beiden Schwestern ein fremdes Land. Als die Ältere verheiratet werden soll, fliehen sie nun ihrerseits und gelangen als unbegleitete Minderjährige in die Schweiz. Aber auch sie lässt die Vergangenheit nicht los.
Wieder gelingt es Usama Al Shahmani, vielschichtig von der grossen inneren Anstrengung von Flüchtlingen bei ihren Integrationsbemühungen zu erzählen und dabei immer ein Fenster zur Hoffnung offenzulassen. Und nicht zuletzt überwindet er selbst die Mühsal des Exils durch das Verschmelzen der arabischen mit der westlichen Kultur im Erzählen.
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Lesejury-Facts
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Der Roman über Aida, der die Sprache fehlt, um ihrem Freund mehr über ihr Vorleben und ihre Flucht zu erzählen, hat mich sehr berührt. Die Sprache ist modern und dennoch sehr poetisch, wenn Sprichwörter ...
Der Roman über Aida, der die Sprache fehlt, um ihrem Freund mehr über ihr Vorleben und ihre Flucht zu erzählen, hat mich sehr berührt. Die Sprache ist modern und dennoch sehr poetisch, wenn Sprichwörter und arabische Unterhaltungen auf Deutsch wiedergegeben werden. Man kann Aidas Empfindungen und die Kluft zu ihren Eltern gut nachempfinden. Vielen Kindern, die in eine andere Kultur als die ihrer Eltern hineinwachsen, wird es ähnlich gehen, egal aus welchen Gründen und aus welchem Land sie gekommen sind. Die Frage nach dem, was Heimat ist, wird für jeden anders beantwortet. Mir hat besonders gut gefallen, dass diese Geschichte aus der Sicht eines Mädchens bzw. einer jungen Frau erzählt wird, die größtenteils in der Schweiz aufgewachsen ist, da dies die Unterschiede und Unzumutbarkeit des Lebens als Frau in manchen Ländern noch deutlicher macht. Sehr lesenswert und zeitlos!
Bereits der erste Roman des 1971 geborenen irakisch-schweizerischen Schriftstellers Usama Al Shahmani, „In der Fremde sprechen die Bäume arabisch“, hat mich begeistert und auch sein zweites Werk habe ich ...
Bereits der erste Roman des 1971 geborenen irakisch-schweizerischen Schriftstellers Usama Al Shahmani, „In der Fremde sprechen die Bäume arabisch“, hat mich begeistert und auch sein zweites Werk habe ich nach einigen erfüllenden Lesestunden zufrieden zugeklappt.
Was für eine beeindruckende und berührende Geschichte!
Die junge Irakerin Aida, die Erzählerin dieser Geschichte, arbeitet in einer Bibliothek und hat seit neun Jahren einen festen Freund, mit dem sie inzwischen zusammenlebt.
Aida ist frei und unabhängig. Sie lebt selbstbestimmt und könnte, von außen betrachtet, mit ihrem Leben zufrieden sein.
Aber über ihrem Leben schwebt eine düstere Wolke. Sie spricht nicht über ihre Herkunft. Sie wirkt unnahbar, innerlich ambivalent, suchend und nicht angekommen.
Ihr Freund Daniel, ein Schweizer Ethnologiestudent, interessiert sich für ihre Vergangenheit und stellt viele Fragen, aber der Zeitpunkt, um über das Belastende und Traumatische zu reden muss der Richtige sein.
Immer wieder streiten die beiden wegen ihres Schweigens.
Manchmal ist Schreiben einfacher als Reden und genau deshalb beginnt Aida eines Tages, das Unsagbare niederzuschreiben.
Sie beschließt, sich schreibend mit Schmerz, Trauer und Verlust, auseinanderzusetzen.
Aber nicht streng chronologisch, sondern eher ihren springenden Gedanken und aufblitzenden Assoziationen folgend.
Wir lernen eine irakische Flüchtlingsfamilie kennen.
Die Eltern sind 1991 aus politischen Gründen aus dem Irak in die Schweiz geflohen.
Wehmut und Heimweh haben sie niemals verlassen.
Der Vater, ehemaliger Landwirt und konservativer Theologe, hat Schwierigkeiten, sich einzugliedern und auch die Mutter verweigert letztlich die Anpassung.
Sie überwinden die Sprachbarriere nicht, was Schritt für Schritt in den sozialen Abstieg führt.
Nach dem Sturz Saddams und dem Ende der Diktatur beschließen die, wieder in ihr über die Zeit verklärtes Heimatdorf am Euphrat zurückzukehren.
Es ist ein Entschluss, der ihre beiden halbwüchsigen Töchter Nosche und Aida erschüttert und schockiert, weil die Schweiz ihr Zuhause ist.
Sie gehen dort zur Schule, sie haben dort ihre Freunde.
Sie wollen nicht in einem fremden und männerdominierten Land leben, in dem das Kopftuch unumgänglich und die Religion derart mächtig ist.
Als die ältere der beiden Schwestern in dem irankischen Dorf verheiratet werden soll, wachsen Unmut und Rebellion.
Sie fürchten um ihre Freiheit und um ihre Selbstbestimmung und beschließen, heimlich in ihre Heimat Schweiz zurückzukehren.
Die riskante Flucht gelingt den beiden, aber kaum in der Schweiz angekommen, passiert etwas Schreckliches.
Die jüngere Schwester Aida ist nun, mit nur 16 Jahren, auf sich allein gestellt...
„Im Fallen lernt die Feder fliegen“ ist ein gleichermaßen zarter und feinfühliger wie bild- und wortgewaltiger Roman über Heimatgefühl und Heimatverlust, Zugehörigkeitsgefühl, Herkunft, Integration, Freiheit, Flucht, Ankommen und Beziehungen.
Die Sprache ist, ebenso wie im Vorgängerroman, bildhaft und poetisch.
Ich genoss es, in die Geschichte und in die Sprache einzutauchen
Ich empfehle dieses bereichernde und unterhaltsame, tiefgründige und vielschichtige, gefühlvolle aber zu keinem Zeitpunkt kitschige, klischeehafte oder gefühlsduselige zweite Werk von Usama Al Shamani, der 2002 mit Anfang 30 wegen eines regimekritischen Theaterstücks aus dem Irak flüchten musste, sehr gerne weiter.
Wie schon der Titel andeutet, hat Usama Al Shahmanis Prosa oft poetische Züge. Und es gibt einen Aspekt, den ich überaus schätze: Menschlichkeit und Einfühlsamkeit. Daher habe ich viel übrig für die Hauptfigur, ...
Wie schon der Titel andeutet, hat Usama Al Shahmanis Prosa oft poetische Züge. Und es gibt einen Aspekt, den ich überaus schätze: Menschlichkeit und Einfühlsamkeit. Daher habe ich viel übrig für die Hauptfigur, die ein junge irak-stämmige Frau in der Schweiz ist. Es gibt in ihrer Vergangenheit schmerzhaftes, offenbar auch Verluste, die sie nicht einmal ihren Freund verrät.
Der Roman verdeutlicht die Zerrissenheit und die Konflikte, die insbesondere junge Frauen betrifft, die die Erwartungen ihrer Kultur erfüllen sollen, aber auch die Freiheit und Toleranz ihrer jetzigen Umgebung wollen.
Dass die Flüchtlingssituation so glaubhaft dargestellt wird, macht die Emotionen der Erzählerin nachvollziehbar.
Die Stärke des Buches ist, dass es ein Mitfühlen und verstehen ermöglicht.
Ein gutes Buch. Man darf auf den nächsten Roman des Autors gespannt sein. Er wird voraussichtlich im August erscheinen.