Menschen mit besonderen Merkmalen als Attraktionen
Was waren das früher für Zeiten gewesen! Wies ein Mensch früher äußerlich etwas außergewöhnliche Merkmale, wie körperliche Einschränkungen, roten Augen oder sehr starken Haarwuchs auf, wurden diese zu ...
Was waren das früher für Zeiten gewesen! Wies ein Mensch früher äußerlich etwas außergewöhnliche Merkmale, wie körperliche Einschränkungen, roten Augen oder sehr starken Haarwuchs auf, wurden diese zu „Attraktionen“ erklärt. Möglichkeiten diese Attraktionen zu präsentieren waren die widerlichen Menschenschauen oder die Darbietung in einem Zirkus. Die Autorin schildert sehr bildgewaltig, aber auch unverblümt das Verhalten der Menschen in dieser Zeit. Der Zirkus der Wunder ist auch ein Zirkus von Trauer und Hoffnung.
In der Romanhandlung geht es um die junge Nell, welche aufgrund sehr vieler Muttermale von ihrem Vater als „Attraktion“ an den dubiosen und brutalen Zirkusinhaber Jasper verkauft wird. Dort soll sie eine der Hauptdarstellerinnen in „Jasper Jupiters Zirkus der Wunder“ werden. Jasper hat große Pläne und hofft nach vielen Stationen auf dem Land endlich in London den Durchbruch zu schaffen. Dabei ist ihm jedes Mittel recht. Wird es Nell gelingen den Spagat zwischen Schicksal und Hoffnung zu schaffen?
Die Hauptdarstellerin ist eine sehr schüchterne ängstliche Person. Ihr Hauptbeziehungspunkt ist ihr Bruder Charlie und sie ist das Opfer ihres Vaters. Doch entwickelt sich Nell im Laufe der Erzählung und erlangt mehr Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung. Neben ihrem Bruder Charlie sind der Zirkusinhaber Jasper, sowie sein Bruder Toby als bedeutsame Nebencharaktere zu nennen. Jasper ist der Antiheld und ich entwickelte einen großen Groll auf seine narzisstische und Lebewesen feindliche Art. Toby ist der schüchterne grobmotorische Bruder, welcher unter Jasper leidet. Doch seine Liebe zu Nell gibt ihm Hoffnung aus dessen Schatten zu treten.
Die Handlung spielt im viktorianischen England im Jahr 1866 und ist somit sehr gut zeitlich einordbar. Lediglich am Ende des Romans erfolgt ein Zeitsprung, welcher aber keine Probleme für das Gesamtverständnis bringt. Der Schreibstil der Autorin ist episch, bildhaft und sehr gut lesbar. Die Übersetzung in das Deutsche ist sehr gut und lesefreundlich gelungen. Das unverblümte Darstellen des damaligen gesellschaftlichen Verständnisses gegenüber Menschen, welche nicht in die Norm gepasst haben, hat mir sehr gut gefallen. Die Grausamkeiten auch gegenüber den Tieren, welche oft nicht artgerecht gehalten wurden, empfand ich als Tierfreund schade, aber sehr real dargestellt. Tierschutz war damals kein großes Thema. Das Fazit ist positiv. Eine schöne, aber auch tragisch untermalte Geschichte über das Verhalten und Denken der Menschen haben mich sehr nachdenklich werden lassen. Ein Zirkus der Wunder welcher manchmal Träume, aber auch hin und wieder Schicksale verbirgt, welche die Zuschauer nicht wahrhaben wollen.