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Veröffentlicht am 06.02.2023

Liebe und Intrigen in Venedig

Shape of Love - Mit jeder meiner Fasern (Love-Trilogie, Band 1)
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Cleo ist überglücklich, ihr Praktikum im Rahmen ihres Studiums bei der renommierten Modedesignerin Ornella Russo absolvieren zu dürfen. Doch gleich am ersten Tag läuft einfach alles schief.
Alessandro ...

Cleo ist überglücklich, ihr Praktikum im Rahmen ihres Studiums bei der renommierten Modedesignerin Ornella Russo absolvieren zu dürfen. Doch gleich am ersten Tag läuft einfach alles schief.
Alessandro hat es als Male Model an die Spitze geschafft, doch der Preis dafür ist lebensgefährlich hoch, und er möchte sich bei seiner Nonna in Venedig eine Auszeit gönnen. Schnell wird klar, dass daraus wohl nichts werden wird.

Die süße Geschichte punktet von Beginn an durch ein einzigartiges Ambiente in Venedig. Mit viel Liebe und einem guten Blick für Details lässt die Autorin die Lagunenstadt, ihre Bauwerke und das Lebensgefühl dort vor dem Auge ihrer Leser:innen auferstehen. Dazu gibt es spannende und teils auch bedrückende, weil sehr realistische Einblicke in die harte Welt der Mode. Dort geht es nicht gerade zimperlich zu, und der Druck und die Konkurrenz sind immens. Und natürlich tummeln sich im Modeatelier herrlich schräge Typen.

Ganz besonders überzeugt der New Adult-Roman jedoch mit Cleo und Alessandro. Mit viel Einfühlungsvermögen stehen bei der curvey Cleo ihre schlechten Erfahrungen mit Bodyshaming und sich daraus gebildete Komplexe im Vordergrund. Mich beeindruckte die Person der Cleo aber vor allem durch ihren Kampfgeist und ihre Art, gegen Probleme anzugehen. Cleo duckt sich nicht, auch wenn sie innerlich leidet, sondern rückt ihr Krönchen zurecht und stellt sich ihren Gegnern mit Mut und Cleverness entgegen. Ein sehr cooles Frauenbild, das hier vermittelt wird! Aber auch bei Alessandro dürfen wir einen Blick hinter die ach so perfekte Fassade werfen und stoßen hier auf Unsicherheit und Ängste. Mir gefiel vor allem die Tiefe der Charakterschilderungen besonders gut.

Ein New Adult-Roman, der erfreulich positiv aus der Masse heraussticht und voll überzeugen konnte!

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Veröffentlicht am 02.02.2023

Waren es Pferde oder Zebras?

Der Tote von Wiltshire - Lockyer & Broad ermitteln
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Ein Toter in einer Scheune, die Haushälterin Hedy Lambert mit einem blutverschmierten Messer daneben – der Fall ist klar, und so wandert Hedy hinter Gitter. Seit nunmehr 14 Jahren sitzt sie ihre Strafe ...

Ein Toter in einer Scheune, die Haushälterin Hedy Lambert mit einem blutverschmierten Messer daneben – der Fall ist klar, und so wandert Hedy hinter Gitter. Seit nunmehr 14 Jahren sitzt sie ihre Strafe ab, doch nun wendet sie sich an den damals ermittelnden Detective Inspector Lockyer wegen vermeintlicher neuer Hinweise.

Der englische Krimi bringt alle Zutaten eines klassischen Slow-burn mit. So werden wir behutsam in die Geschichte eingeführt, lernen Lockyers dienstliche und private Seite kennen und erhalten Einblicke nicht nur in den damaligen Fall, sondern auch wie es Lockyer selbst kürzlich ergangen ist. Keineswegs ist er der gefeierte Held, sondern nach einer äußerst grenzwertigen Aktion wurde er in die Abteilung für Cold Cases versetzt, wo er nun mit seiner Kollegin Constable Gemma Broad den neuen Hinweisen im Fall des Toten in der Scheune von Professor Ferris nachgeht. Dem Fall, in dem er damals maßgeblich beigetragen hat zur Verurteilung von Hedy Lambert, die schon damals seine Gefühle verwirrt hat.

Die Autorin nimmt sich viel Zeit, ein aussagekräftiges Bild der Sachlage und aller beteiligter Personen sowie der Gegend von Wiltshire zu entwerfen. Gerade die Landschaft und die Ortschaften tragen viel zur Atmosphäre der Geschichte bei, liefern sie doch den für England so typischen Regen, matschige Wege und baufälligen Charme. Dennoch ist bei aller Ausführlichkeit kein Satz zu viel, und ganz sicher treten in der Erzählung keine Längen auf. Viel mehr verdichten sich Atmosphäre und gleichermaßen die Hinweise nach und nach, was zu einer wohldosierten Spannungssteigerung führt. Die Schatten der Vergangenheit hängen düster über allen Beteiligten, die Frage nach Schuld und Verantwortung lastet schwer. Und nicht zuletzt sind es die verdeckten Gefühle, die maßgeblich zu den Entwicklungen beitragen.

Es ist ein klassischer Whodunit-Krimi zum Mitraten, nachdem das Feld der in Frage kommenden Personen kammerspielartig begrenzt ist. Mehrere Plot-Twists sorgen für Überraschungsmomente, und bis zum Schluss kann man sich nicht sicher sein, an was man bei Hufgetrappel denken soll: An Pferde oder Zebras? An das Nächstliegende oder das eher Unwahrscheinliche? Obwohl ich durchaus auf der richtigen Spur war, konnte mich die Autorin doch immer wieder auf eine falsche Fährte locken, ehe sich am Ende alle Puzzleteile auf wundersame Weise ineinanderfügen.

Für mich ein perfekter klassisch-englischer Kriminalroman!

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Veröffentlicht am 12.01.2023

Als das Grauen in die Eifel kam

Ginsterhöhe
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Die Schrecken des 1. Weltkriegs trägt Albert Lintermann in der Seele und auf seinem entstellten Gesicht, als er 1919 in sein Heimatdorf in der Eifel zurückkehrt, auf den Hof der Familie. Während seine ...

Die Schrecken des 1. Weltkriegs trägt Albert Lintermann in der Seele und auf seinem entstellten Gesicht, als er 1919 in sein Heimatdorf in der Eifel zurückkehrt, auf den Hof der Familie. Während seine Eltern dankbar sind, dass er im Gegensatz zu seinem besten Freund überhaupt noch am Leben ist, wendet sich seine Ehefrau Bertha entsetzt von ihm ab. Doch in Wollseifen muss das Leben nach dem Krieg weitergehen. Das karge Leben in der Eifel mit ihren steinigen Böden bringt auch raue Charaktere hervor, doch wenn es darauf ankommt, hält die Dorfgemeinschaft zusammen.

Wir begleiten Albert und das ganze Dorf Wollseifen in drei Abschnitten durch den Roman, nämlich 1919 bis 1928, in dem sich das Dorf und die Familie vom Krieg erholen und heilen. Der Abschnitt von 1930 bis 1939 bringt den Schrecken der Nazis nach Wollseifen, und im letzten Abschnitt von 1939 bis 1949 wird letztendlich der Untergang besiegelt.

Das Leben und die rauen, aber herzlichen Dorfbewohner in Wollseifen fand ich hervorragend geschildert. Da sitzen doch einige Charakterköpfe im Wirtshaus bei Silvio beisammen. Keine Feingeister, sondern Eifelbauern und Handwerker, die allesamt zupacken müssen, um in dieser abgelegenen Gegend zu überleben. Da wird geboren und gestorben, wiederaufgebaut und fortgeführt. Einzig der Lehrer sorgt in eingeschobenen Auszügen aus seinem Tagebuch für differenziertere Betrachtungen. Schlagartig ändert sich alles, als Wollseifen in den Fokus der Nazis gerät. Die Stimmung im Dorf schlägt um, und die plötzliche Bedeutung der Region stellt sich alsbald als Fluch heraus.

Für mich war sehr anschaulich die Fassungslosigkeit herausgearbeitet, mit der der kriegsversehrte Albert einem neuen Krieg gegenübersteht, in dem nun plötzlich seine Söhne das gleiche Leid wie er durchleiden müssen. Das Eifeldorf und die Umgebung fand ich hervorragend geschildert. Auch die Charaktere empfand ich als authentisch für Region und Zeit. Den zurückhaltenden Schreibstil fand ich für dieses Setting genau richtig; er trug für mich wesentlich zur nüchternen Atmosphäre bei. Dass dem Roman eine wahre Begebenheit zugrunde liegt, habe ich erst aus dem Nachwort erfahren, und dies hat mich fassungslos zurückgelassen.

Klare Leseempfehlung für dieses Stück Zeitgeschichte!

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Veröffentlicht am 05.01.2023

Bunt und wunderschön wie ein Korallenriff

Korallenträume und Floridaliebe
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Schwebend im warmen Wasser über bunten Korallen tauchen – das ist Julias Traum, den sie sich vor dem Antritt ihrer ersten Stelle als Lehrerin erfüllen will. So lässt sie ihre Heimatstadt Wien mit ihrer ...

Schwebend im warmen Wasser über bunten Korallen tauchen – das ist Julias Traum, den sie sich vor dem Antritt ihrer ersten Stelle als Lehrerin erfüllen will. So lässt sie ihre Heimatstadt Wien mit ihrer Mutter, den Geschwistern und ihrem langjährigen Freund hinter sich und stürzt sich ins Abenteuer. Das beginnt leider mit einem ziemlichen Schock, denn kaum angekommen, macht ihr Freund per Telefon Schluss mit ihr! So hatte sich Julia das nicht vorgestellt. Doch da gibt es Korallen, um deren Aufforstung sich Julia kümmern muss, und ihre Zimmergenossin Allie lässt ihr auch keine Zeit für schlechte Laune, und nicht zuletzt wäre da noch Greg mit den meeresblauen Augen, dessen Drohne im Korallenbecken abstürzt.

Julia ist eine vielschichtige Protagonistin. Weil sie nach dem Tod ihres Vaters für die jüngeren Geschwister sorgen musste, war sie in Wien gefangen in Verantwortung und vorgegebenen Bahnen und erlebt nun in Florida eine regelrechte Befreiung. Eine zuckersüße Liebesgeschichte bildet das Sahnehäubchen auf dem Palatschinken.

Der Roman sorgt beim Lesen für eine ordentliche Portion Fernweh: Landschaft und Menschen, Klima, Musik, Gerüche und Farben sind so lebendig geschildert, dass man sich beim Lesen unwillkürlich auf die Florida Keys versetzt fühlt. Das karibische Lebensgefühl und die Leichtigkeit werden hervorragend vermittelt. Dazu kommen wahnsinnig interessante Schilderungen des Korallenriffs und der Aufforstungsarbeit. Auch weitere Gegenden von Florida lernen wir mit Julia kennen bei einem Roadtrip nach Cape Canaveral. Auf dieser Reise fand ich es besonders schön, wie realistisch und nicht beschönigend alles geschildert wird. Hut ab an die Autorin, dass eben nicht alle Motels cleane Designerzimmer haben, und auch einmal ein Blick weg von der Touri-Route auf staubige Parkplätze geworfen wird! Das schenkt der Geschichte mehr Realität und Tiefe.

Für mich war dieser Roman der perfekte Start in das neue Lesejahr!

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Veröffentlicht am 28.12.2022

Die Nebel der Vergangenheit

Die Bücher, der Junge und die Nacht
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Es ist eine rätselhafte, bildgewaltige Reise in die Vergangenheit, die uns in drei Zeitebenen führt. 1943 entsteigt ein gefangen gehaltener Junge den Trümmern des Graphischen Viertels in Leipzig nach dessen ...

Es ist eine rätselhafte, bildgewaltige Reise in die Vergangenheit, die uns in drei Zeitebenen führt. 1943 entsteigt ein gefangen gehaltener Junge den Trümmern des Graphischen Viertels in Leipzig nach dessen nahezu vollständiger Zerstörung. 1933 erleben der Buchbinder Jakob Steinfeld und sein jüdischer Gehilfe Grigori Gomorov am eigenen Leib, wie die Nazis mit Gewalt nach der Macht greifen. 1971 ist der Buchhändler Robert Steinfeld auf der Jagd nach seltenen Büchern. Die Geschichte in allen Zeitebenen wandelt auf den Spuren der Verlegerfamilie Pallandt sowie des Buchbinders Jakob Steinfeld und später dessen Sohn Robert.

Der Roman besticht vor allem durch seine bildhafte Ausgestaltung. Allein mit Worten webt der Autor geheimnisvolle Kulissen wie das Graphische Viertel mit seinen niemals stillstehenden Druckmaschinen, dem stets in der Luft liegenden Ruß, mysteriösem Nebel und den verwinkelten Gassen. Das historische Zeitgefühl aller Ebenen ist hervorragend getroffen. Da wäre das Jahr 1933 mit dem Aufstieg der Nazis, die überall zu spürende Judenfeindlichkeit. Die Gefahr ist fühl- und sogar regelrecht greifbar. Die Zeitebene von 1971 hingegen führt uns nicht nur in die 70er Jahre in München mit Mode und Lebensgefühl, auch die damalige DDR wird überzeugend geschildert.

Die Geschichte selbst lebt und atmet die Magie der Bücher. Ob Buchdrucker oder Buchbinder, Buchhändler oder gar Verfasserin, sie alle verbindet die Hingabe an die Welt des geschriebenen Wortes. Dabei gelingt es dem Autor, nicht nur an historischen Fakten zu verhaften, sondern auch mystische Elemente einzubringen, phantastische Möglichkeiten anzudeuten. Dieses Spiel übt beim Lesen einen unwiderstehlichen Sog aus und man taucht immer tiefer in die Geschichte ein.

Am Schluss des Buchs arbeitet sich der Autor beinahe sachlich an der Aufklärung aller Rätsel ab, da hätte nach dem hervorragend komponierten Roman und dem Spannungsaufbau auch gerne noch ein Knalleffekt kommen dürfen, aber dies ist Meckern auf allerhöchstem Niveau.

Über ein kleines Rätsel hüllt der Autor jedoch einen mystischen Nebel, und so bleibt am Ende das Spiel mit der Magie.

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