Profilbild von Caillean

Caillean

Lesejury Star
offline

Caillean ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Caillean über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.02.2023

Wenn ein Straßenkater dir die Welt erklärt…

Frankie
0

…dann ist das teilweise äußerst lustig, teilweise etwas verschroben, teilweise drollig – aber auch teilweise unlogisch. Das ist eben die Schwierigkeit mit Menschen und Tieren – wir sind zu verschieden. ...

…dann ist das teilweise äußerst lustig, teilweise etwas verschroben, teilweise drollig – aber auch teilweise unlogisch. Das ist eben die Schwierigkeit mit Menschen und Tieren – wir sind zu verschieden. Und unsere Sicht auf die Dinge auch.

Aber wir sollten am Anfang beginnen – denn wie Frankie gleich zu Beginn feststellt, muss eine Geschichte einen Anfang haben (auch wenn sich ihm nicht erschließt warum). Frankie beobachtet im „verlassenen Haus“ einen Mann, der mit einem Faden spielt. Es ist der dickste Faden, den der Kater je gesehen hat (und er hat schon einiges gesehen!). Und er hängt von der Decke. Mit einem Knoten dran. Komisch, wundert sich Frankie. Bisher war im nicht bewusst, dass auch Menschen gern mit Fäden spielen. Noch dazu mit solchen. Jedenfalls, da Frankie den Mann beim Fadenspielen stört, hört der damit auf. Und so beginnt eine Geschichte, die (hoffentlich) doch noch für alle Seiten gut ausgeht – den Straßenkater vom Müllberg, den komischen, schlecht gelaunten Mann mit dem Faden (der immer nach Wasser riecht, das kein Wasser ist), den Professor, den muskulösen Eichkater, die Tierärztin und die hübsche Mieze von nebenan…

Ihr merkt schon – hier gibt’s einige besondere Charaktere zu entdecken und bei so manch drolliger Geschichte, die Frankie erzählt, bleibt einem das Lachen etwas im Hals stecken, wenn man als Leserin oder Hörerin ahnt, welches menschliche Verhalten hier gerade beschrieben wird…

Frankie erzählt frei von der Leber weg. Und er ist kein verwöhntes Stubenkätzchen – das merkt man sofort an seiner Erzählweise. Er hat in seinem Katerleben viel durchgemacht und so ist Frankie auch drauf – also nichts mit Niedlichkeitsfaktor, sondern durchaus mal harte Tatsachen. Auch wenn das typische Katzenverhalten immer wieder durchblitzt (dann ist schon mal Niedlichkeits-Alarm!).

Allerdings – und das ist nun mal das Problem, wenn der Mensch aus Katzensicht erzählt oder es zumindest versucht: so richtig logisch ist das manchmal nicht. So wundert sich Frankie einerseits, dass seine frühere Besitzerin ohne ein Wort des Abschieds in einem Auto mit bunten Lichtern verschwand und nie wiederkam (die Leser bemerken traurig „oh, sie ist gestorben und der Arme ist total verwirrt und weiß nicht was der Tod ist“), andererseits berichtet er kurz darauf davon, wie Trauerfeiern im Tierreich so ablaufen und philosophiert auf Frankie-Art über den Tod.

So richtig inhaltlich überzeugend war der Roman daher für mich nicht immer, zumindest wenn man auch auf Einzelheiten achtet. Im Großen und Ganzen jedoch ist es – besonders für Katzenfreunde – ein Erlebnis. Schließlich wolltet ihr doch bestimmt alle schon mal wissen, wie euer Vierbeiner wirklich tickt! Und vielleicht… vielleicht könnt ihr von ihm sorgar noch etwas lernen. Zum Beispiel, dass es durchaus Sinn macht, mehr zu schlafen, und sich weniger Gedanken zu machen über sich und die Welt…

Also, ich bin überzeugt, dass die Autorennamen Pseudonyme sind und in Wirklichkeit mein Kater Amadeus das Buch geschrieben hat. Gewisse Parallelen in Verhalten und Weltanschauung ließen sich einfach nicht verleugnen ;) Wenn ihr das Buch richtig genießen wollt, besorgt euch das Hörbuch! Ich bin mir sicher, in Schriftform kommt Frankies coole, lässige Straßenkater-Art nur halb so gut rüber wie in der fantastisch von Matthias Matschke gelesenen Hörfassung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.01.2023

Ermittlungen im Nachkriegs-Deutschland

Altes Leid 1
0

„Altes Leid“ ist der Beginn einer neuen Krimi-Reihe um eine Angehörige der weiblichen Polizei - einer neuen Polizei-Einheit im Hamburg der Nachkriegszeit. Ida Rabe hat sich mit viel Einsatz, Fleiß und ...

„Altes Leid“ ist der Beginn einer neuen Krimi-Reihe um eine Angehörige der weiblichen Polizei - einer neuen Polizei-Einheit im Hamburg der Nachkriegszeit. Ida Rabe hat sich mit viel Einsatz, Fleiß und Durchhaltevermögen einen Platz in dieser Einheit gesichert und ist fest gewillt, diesen auch zu behalten. Denn ein festes Einkommen ist unheimlich viel wert in diesen Zeiten, als viele Städter auf Land „hamstern“ fahren mussten.

Ich selbst habe von meiner Großmutter erzählt bekommen, wie es war, als die Städter nach dem Krieg in Scharen aus dem Zug fielen und wie eine Mückenplage über die Dörfer der Umgebung herfielen. Sie wollten Kartoffeln, Möhren, Obst - alles was man irgendwie zu Essen verarbeiten konnte und brachten dafür Silberbesteck, Schmuck oder Handwerksarbeiten mit.
Diese Hamsterfahrten spielen auch in diesem Buch eine große Rolle und ich war ehrlich entsetzt, als ich hörte, wie die Polizei mit den verzweifelten, hungrigen Menschen umgegangen ist, wenn sie erwischt wurden. Denn „hamstern“ war verboten. Es gibt eine Szene in „Altes Leid“, in der Ida als Neu-Polizistin gegen ihre Überzeugung arbeiten und auf dem Bahnhof Hamsterer dingfest machen muss. Diese ist mir aus dem Buch besonders in Erinnerung geblieben und wird wohl lange in meinem Kopf bleiben.

Das ist aber auch schon die Krux mit dem Buch, denn so gut mir die Schilderungen des Alltagslebens gefallen haben, habe ich doch recht wenig an dem Fortgang des Falls gehangen, den Ida hier verfolgt. Ein Serien-Vergewaltiger geht um in Hamburgs Umgebung und nach und nach fallen ihm scheinbar eine ganze Reihe von Frauen zum Opfer. Mitunter war ich etwas verwirrt davon, welche Frau nun welche Geschichte hatte, welche Verletzungen, welches Schicksal. Vielleicht lässt sich das beim Lesen (statt Hören) besser nachvollziehen, aber ich habe dadurch nicht so mitgefiebert wie mitunter bei anderen (historischen) Krimis.

Dennoch fand ich das Buch sehr interessant - wie schon erwähnt hauptsächlich wegen der bewegenden Schilderungen des Alltagslebens. Das machte für mich hauptsächlich den Wert des Buches für mich aus. 3,5 Sterne für einen soliden, aber noch ausbaufähigen Reihenauftakt!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.07.2023

Nicht ganz so spritzig wie der erste Band

Fräulein Anna, Gerichtsmedizin (Die Gerichtsärztin 2)
0

Der erste Teil dieser Reihe („Die Prinzregentenmorde“) hatte mich sehr positiv überrascht. Insbesondere der verbale Schlagabtausch zwischen Anna und dem Adligen Fitz von Weynand war amüsant zu lesen - ...

Der erste Teil dieser Reihe („Die Prinzregentenmorde“) hatte mich sehr positiv überrascht. Insbesondere der verbale Schlagabtausch zwischen Anna und dem Adligen Fitz von Weynand war amüsant zu lesen - da wollte ich natürlich den zweiten Teil nicht verpassen.

Der brauchte leider ein wenig, um in die Gänge zu kommen. Im ersten Drittel des Buches war mir die Handlung noch zu konfus, um einen roten Faden zu erkennen. Ein totes Baby in einem Hinterhof - wobei man schnell feststellt, dass es nicht umgebracht wurde, sondern eines natürlichen Todes starb. Ein totes Dienstmädchen, bei dem sich die Anzeichen für einen gewaltsamen Tod mehrten - das aber mit dem toten Baby nichts zu tun hatte... Mehrere „Töpfe“ wurden aufgemacht, ohne dass sich die Hinweise auf einen Zusammenhang verdichteten. Genau wie Anna und Fritz tappte ich lange Zeit im Dunkeln, ob es überhaupt Zusammenhänge geben würde und wie sich diese darstellen. Dadurch verlor das Buch aber in der ersten Hälfte für mich an Spannung. Wenn nicht erkennbar ist, dass sich die Handlungsstränge aufeinander zu bewegen, wird es manchmal etwas langatmig.

Dann kam im zweiten Teil aber richtig Spannung auf, als sich doch noch herauskristallisierte, welche Zusammenhänge es gibt. Ich wette, es kommt kein Leser auf den Twist, den die Autorin hier eingebaut hat (wobei ich mir dazu schon ein, zwei Fragen gestellt habe, wieso das Umfeld von Alfons Wendlinger jahrelang nichts gemerkt haben soll...). Aber sei’s drum - es war auf jeden Fall eine faustdicke Überraschung.

Etwas gefehlt haben mir in diesem zweiten Teil die herzerfrischenden Dialogszenen zwischen Anna und Fritz. Ich hatte den Eindruck, es ging diesmal zwischen den beiden nicht so spritzig zu wie noch in Teil 1. Hauptsächlich war es Fritz, der eloquente Spitzen verteilte, aber Anna wirkte nicht so schlagfertig wie noch im ersten Band.

Insgesamt war es für mich daher zwar ein sehr unterhaltsamer, aber diesmal nicht begeisternder historischer Krimi. Fans der „Totenärztin“ von René Anour können aber gern mal einen zweiten Blick riskieren auf Fräulein Anna, denn ich könnte mir vorstellen, dass sie an Anna durchaus ihre Freude haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.01.2023

Zwei Kriminalfälle und viel Spannung

Die Verbrechen der anderen
0

Ich kenne nur wenige deutsche Autoren, denen es richtig gut gelingt Zeitgeschichte zu transportieren. Frank Goldammer ist einer von ihnen. Seine Bücher haben neben meist komplexen und verzwickten Kriminalfällen ...

Ich kenne nur wenige deutsche Autoren, denen es richtig gut gelingt Zeitgeschichte zu transportieren. Frank Goldammer ist einer von ihnen. Seine Bücher haben neben meist komplexen und verzwickten Kriminalfällen auch diese besondere historische Komponente. Man glaubt ihm, was er da schreibt. Es fühlt sich „echt“ an. Und bei dieser Reihe stimmt das auch ganz und gar, denn der Autor ist selbst ein Kind der Wende und lässt diese Erfahrungen in seine Krimis einfließen.

Diesmal befinden wir uns im Februar 1990, mitten in der völlig chaotischen Zeitspanne nach dem Mauerfall und vor der Wiedervereinigung. Alte Strukturen sind noch fest in den Köpfen verankert und Neues wird einerseits euphorisch begrüßt, andererseits skeptisch beäugt. Jeder ist unsicher, keiner weiß, wie es weitergehen wird.
So erlebt der junge Dresdner Polizist Tobias Falck den Wende-Winter als eine Achterbahn der Gefühle und Gedanken, zumal auch privat so einiges zu klären wäre - doch welche Entscheidungen soll man treffen, wenn man sich so völlig im „Niemandsland“ befindet und keine Ahnung hat, wie sich das Leben weiterentwickeln wird?

Beruflich bekommt es Falck einerseits mit der Geschichte eines Mauerschützen zu tun, den die Eltern des getöteten Geflüchteten nun zur Rechenschaft ziehen wollen. Andererseits taucht plötzlich in der berühmten Gemäldegalerie Alte Meister die Kopie eines flämischen Gemäldes auf - wo doch eigentlich das Original hängen sollte!?

Beide Fälle beschäftigen Falck weit über Arbeitszeitgrenzen und Werktage hinaus, so dass er und seine Kollegen mit ihren Kräften am Ende sind. Doch kann man denn den Kollegen überhaupt noch trauen?

In einem komplexen Verwirrspiel aus Absichten, Zielen, Strategien und Ängsten lässt Goldammer seine Hauptfiguren straucheln. Die Fälle entsprechend der Stimmung der Zeit - völlig verwirrend. Und so tappen sowohl Polizei als auch Leser bis zum Schluss im Dunkeln über Täter und Motive.

Die vielen beteiligten Figuren und die ambivalenten Beziehungen zwischen ihnen stellen allerdings auch für geübte Krimileser eine Herausforderung dar, würde ich behaupten. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich vielleicht ein paar Notizen machen, um die Entwicklung der Geschichte konsequent verfolgen zu können. Für mich war es kein Buch zum „Nebenbeilesen“, ich musste mich schon sehr konzentrieren, um den Faden nicht zu verlieren und den Überblick zu behalten.

Ich frage mich allerdings, warum in diesem Buch zwei Fälle beleuchtet wurden, die aus meiner Sicht beide für sich allein auch Potential für einen ganzen Band gehabt hätten.

Ich bin gespannt, wie es mit Tobias Falck und seinen Kollegen weitergeht - hoffentlich so spannend und turbulent wie in diesem Roman!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.12.2022

Neues Leben in unsicheren Zeiten

Fräulein Gold: Die Rote Insel
0


Im bereits 5. Band der Hulda-Gold-Reihe begleiten wir die hochschwangere Hulda durch ihr neues Leben. Nach dem Tod ihres Verlobten Johannes ist sie als ledige werdende Mutter vielen Schwierigkeiten ausgesetzt. ...


Im bereits 5. Band der Hulda-Gold-Reihe begleiten wir die hochschwangere Hulda durch ihr neues Leben. Nach dem Tod ihres Verlobten Johannes ist sie als ledige werdende Mutter vielen Schwierigkeiten ausgesetzt. Ihre Stelle als Hebamme im Krankenhaus musste sie aufgeben, ihre Wohnung am Winterfeldtplatz ebenso.

Sie hilft nun ihrer Bekannten, der Ärztin Grete Fischer, in ihrer Praxis und kann in einer kleinen Wohnung im Souterrain der Praxis wohnen. Doch ihr neuer Kiez ist berüchtigt… die „Rote Insel“ – ein Gebiet zwischen zwei Bahnstrecken - ist eine Hochburg der Kommunisten und immer wieder Schauplatz von Unruhen. Da auch Grete und ihr Lebensgefährte überzeugte Kommunisten sind, wird Hulda in die Unruhen auf der Roten Insel direkt hineingezogen.

Wie in jedem ihrer Hulda-Gold-Romane gelingt es Anne Stern auch diesmal wieder, ein umfassendes und authentisches Bild des Berliner Lebens in den 1920er Jahren zu zeichnen. Die verschiedenen politischen Strömungen und die Umstände, unter denen die Berliner versuchen ihr Leben zu gestalten, schildert sie anschaulich, so dass man immer wieder das Gefühl hat mittendrin zu sein.

Mir haben diesmal besonders Huldas Reflexionen ihres eigenen Zustands gefallen – jahrelang hat sie Frauen auf Geburten vorbereitet, sie begleitet während und nach der Geburt und ihnen mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Doch jetzt merkt sie auf einmal, wie es ist „auf der anderen Seite“ zu stehen und selbst diese Situation zu durchleben. Ihre Zweifel und ihre Erkenntnisse fand ich sehr schön wiedergegeben, sehr wirklichkeitsnah und nachvollziehbar.

Im Herbst 2023 geht es dann schon mit Band 6 weiter – das Buch enthält auf den letzten Seiten schon eine Leseprobe zu „Die Lichter der Stadt“. Ich werde gern wieder mit dabei sein!


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere