„Besser Sarkasmus und freche Sprüche als diese Angst in den Augen, diese Hilflosigkeit, gegen die ich nichts tun konnte.“
(Tessa über Luca in Tagmond)
Worum geht’s?
Tessa hat für alles im Leben einen Plan: Nach der Ausbildung zur Krankenschwester will sie neben der Arbeit im Berliner St.-Alex-Krankenhaus ein Studium absolvieren und dann im Management Karriere machen. Und irgendwann ihre Jugendliebe Martin heiraten. Länger als unbedingt nötig auf der Kinderonkologie-Station des St.-Alex-Krankenhauses zu bleiben, gehört nicht zu Tessas Plan. Auch nicht, dass das Schicksal ihres zwölfjährigen Patienten Luca, der schon viel Schlimmes durchgemacht hat, sie so berührt. Und schon gar nicht Beck, der planlose Rettungsassistent mit dem großen Herzen. Aber es läuft eben nicht alles im Leben nach Tessas Plan …
Tagmond ist Band 2 der St. Alex-Reihe. Das Buch ist in sich geschlossen, die Charaktere der Vor-und Folgebände kommen am Rande bereits vor. Vorkenntnisse sind nicht nötig.
Inhaltliche Hinweise
Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive durch Tessa erzählt. Im Buch ist sexuell expliziter Content enthalten. Das Buch befasst sich unter anderem mit der Thematik Krebs und Verlust.
Meine Meinung
Nachdem mich Anne Lück mit Nachtleuchten sehr überraschen konnte, war für mich klar, dass ich Tagmond unbedingt lesen möchte. Der tolle Schreibstil, die gut verpackten Gefühle und die vielseitigen Einblicke in den Krankenhausalltag waren einfach super. Und das, obwohl ich gar kein Fan von Krankenhausbüchern bin. Aber die St. Alex-Reihe ist auch einfach so viel mehr.
In diesem Buch begleitet man Tessa, die nach ihrer Ausbildung als Krankenschwester im St. Alex arbeitet, aber eigentlich Management studiert. Sie hospitiert auf der Kinderonkologie und ist hier wahnsinnig unglücklich. Das viele Leid, die Kinder, die Belastung – alles macht sie fertig. Hinzu kommt, dass ihr auf den ersten Blick perfektes Leben – toller Job, gute Karriereaussichten, ein gut situierter Freund, eine schöne Wohnung – sie bedrückt. So merkt man von Anfang an, wie sehr Tessa struggelt und wie unglücklich sie in wirklich jedem Aspekt ist. Ich würde lügen, wenn ich sage, Tessa war mir von Anfang an sympathisch, denn das war nicht so. Im Gegenteil, war ich anfangs fast schon enttäuscht, weil ihre Gedanken bedrückend waren, sie die Arbeit irgendwie nicht wirklich wertgeschätzt hat und nur „weg“ wollte. Doch je länger ich las, desto mehr verstand ich: Hier teilt die Autorin wahnsinnig intime und komplizierte Einblicke in den Kopf von jemandem, der täglich das unvorstellbare erlebt und hierbei versucht, Menschen zu retten. Und so begibt sich der Leser auf eine Reise mit Tessa, die mit vielen Hochs und Tiefs, sehr viel Hoffnung und vielen Enttäuschungen in Tessas Leben gepflastert sein wird.
Und so verliebte ich mich Seite für Seite in Tessa, die anfing, ihr eigenes Leben, ihre Wünsche und Vorstellung zu reflektieren und hierbei beginnt, für sich selbst einzustehen. Das betrifft vor allem ihre Beziehung, die in jeder Sicht bedrückend ist. Der Freund kaum zuhause, hört ihr wenig zu, interessiert sich nicht für ihre Arbeit und zum Teil (unbewusst) herabwertend, da kann kaum jemand glücklich sein. Hier möchte ich auch direkt den Disclaimer setzen, dass das hier keine richtige Dreiecks-Geschichte ist, Tessa Love-Interest Beck aber während der Beziehung kennenlernt. Das ist für mich auch einer der Gründe, wieso Tagmond weniger eine Liebesgeschichte als vielmehr eine Entwicklungsgeschichte für mich ist. Es geht nicht primär um Beck und Tessa, ob und wie sie sich liebenlernen. Es geht um Tessa, die im Laufe der Geschichte nach vorne und zurück schaut und hierbei für sich erkennt, was sie will und was nicht (mehr). Ich mag diese Art der Geschichten sehr gern, wo nicht die Liebesgeschichte das Ziel ist, sondern der Weg der Charaktere im Fokus steht. Entwicklungsgeschichte, durch und durch.
Daher kann ich zu Beck und Tessa auch nur wenig sagen, denn es passiert nicht so viel zwischen ihnen. Es geht vielmehr um die Kraft, die beide sich geben. Beck spielt leider im Buch generell eine sehr untergeordnete Rolle, auch da er nicht als Erzähler installiert ist und man somit nur recht wenig über ihn (und leider gar nichts über seinen Job) erfährt. Dafür erfährt man aber viel über die Arbeit auf der Kinderonkologie, den Umgang mit Patienten und Familien, die Belastung und Bedrückung im Alltag des Personals. Dennoch ist Thema nicht überpräsent, aber man merkt, dass hier Erfahrungswerte der Autorin hinterstecken. Die täglichen Herausforderungen und auch die Atmosphäre werden sehr liebevoll und auch sehr ehrlich geschildert, und so beinhaltet die Geschichte auch den ein oder anderen Schock- und Trauermoment. Aufhänger ist hierbei aber vor allem Luca und die Verbindung von Luca und Tessa ist einfach auf so vielen Ebenen ein Highlight, denn es beeinflusst Tessas Entwicklung maßgeblich. Luca ist ein aufgeweckter, frecher Junge, der mit seinen spitzen Bemerkungen für so manche Lacher sorgt. Wie die Autorin das Thema Kinderheim, Pflegefamilie und auch die Auswirkungen auf Tessa eingebracht hat, fand ich bemerkenswert. Und so war ich, ehe ich mich versah, schon beinahe mit dem Buch durch, weggesuchtet an einem halben Nachmittag und komplett in das Buch hineingezogen, als die Autorin mit einem unglaublich großen und schmerzhaften Schocker daherkommt. Was es ist und wie es ausgeht? Verrate ich nicht. Aber es war sehr schlimm. Und hat mir gezeigt, wie involviert man doch in die Geschichte schlussendlich war.
Mein Fazit
Tagmond ist für mich ein Buch, welches nicht als Liebesgeschichte, aber als Lebensgeschichte überzeugen kann. Protagonistin Tessa legt eine wundervolle Entwicklung hin und gewährt interessante Einblicke in ihre Gedanken, die Storyline mit Luca sorgt für Lacher und Verzweiflung. Die Lovestory spielt jedoch kaum eine Rolle, was mich angesichts Tessas starker Entwicklung aber gar nicht gestört hat. Absolute Leseempfehlung.
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]