Nicht sein bester Roman, aber trotzdem ein Roman der fesselt, nachhallt und zum Nachdenken anregt.
Ein Jahr im Leben eines Wiener Schriftstellers, zwischen Drogen, Alkohol und Frauen. Ein Abenteuer, das Jonas und seine große Liebe Marie bis zum Südpol führen soll. Und ein dreizehnjähriger Junge, der ...
Ein Jahr im Leben eines Wiener Schriftstellers, zwischen Drogen, Alkohol und Frauen. Ein Abenteuer, das Jonas und seine große Liebe Marie bis zum Südpol führen soll. Und ein dreizehnjähriger Junge, der leidenschaftlich Schach spielt, um seinem Alltag zu entfliehen. Dazu Nebenfiguren wie aus einem Tarantino-Film: Ein Anwalt der Hells Angels, ein WingTsun-Großmeister und eine Mörderin, die die Leichen ihrer Liebhaber mit einer Kettensäge zerlegt. Die wirkliche Welt trifft auf die Sehnsucht nach einem anderen Leben. Und Thomas Glavinic gelingt das große Kunststück, all das in einen mitreißenden Roman über die entscheidenden Fragen zu verwandeln: Wer will ich sein? Und habe ich den Mut, die richtigen Entscheidungen dafür zu treffen?...(Klappentext)
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"Wer wir sind, wissen wir nicht. Beim letzten Durchzählen kam ich auf mindestens drei Personen, die jeder von uns ist. Erstens die, die er ist, zweitens die, die er zu sein glaubt, und drittens die, für die ihn die anderen halten sollen." (Seite 7)
..und somit auch in den drei Hauptprotagonisten dieses Romans, mehr oder weniger ausgeprägt, deren Perspektiven und Gedanken sich abwechseln.
* Der Autor: Typ mit einem sehr zügellosen und aufwendigen Lebensstil - säuft, knallt sich exzessiv mit Drogen die Birne weg und vögelt alles was nicht bei 3 auf dem Baum ist. Einzig sein Kind kann ihn hin und wieder aus seiner Selbstzerstörung reißen.
* Jonas - der Hauptcharakter vieler vorhergegangener Romane von Glavinic begleitet den Leser auch hier wieder - Vielreisender, Vegetarier und Tierschützer, nicht minder selbstzerstörisch veranlagt wie oben genannter Autor und dabei mit seiner Freundin Marie (auch sie ist Glavinic-Lesern bereits bekannt) eine Expedition zum Südpol zu planen.
* Der Junge - ein 13-jähriges Genie mit einer leichten Form des Asperger-Syndroms, altklug, Leseratte und aus mehr oder weniger schwierigen Familienverhältnissen
Alles beginnt mit dem 1. Januar an dem alle drei Geburtstag haben und ab diesem Zeitpunkt begleitet der Leser sie ein Jahr lang.
Auf den ersten Blick scheinen sie, außer dem Geburtsdatum, nichts gemeinsam zu haben, doch im Verlauf wird klar, dass sie so gut wie ein und dieselbe Person sein könnten, nur in verschiedenen Altersstadien.
Alle drei sind auf jeden Fall Denker und Grübler, ob sie nun über den Sinn des Lebens oder des Daseins (ist ja irgendwie nicht ganz das Gleiche) oder über Alltägliches nachdenken.
Alle drei sind auf der Suche nach sich selbst, nach ihrem Ich und alle drei haben den Jonas-Komplex (= psych./Angst vor der eigenen Größe, Selbstwertmangel) und die große Frage ist - werden sie finden was sie suchen?
Der Autor hat einen ganz eigenständigen und unvergleichbaren Stil und dieser Roman ist wieder ein typischer Glavinic. Ein Roman mit skurrilen Personen, abgedrehten Dialogen, mit viel sarkastischem und morbiden Humor, schockierend, derb, aber auch genauso tiefsinnig, philosophisch und wahr.
Zudem lässt der Autor wieder Autobiographisches einfließen und das Jahr 2015 Revue passieren.
Dies alles auf fesselnde und beeindruckende Art und Weise...zumindest meistens.
Jonas und den Jungen hätte ich ewig begleiten mögen und verschlang diese Passagen. Bei dem Autor verhielt es sich manchmal anders. Nach der Hälfte ging mir dieses Besaufe, Gekokse, Rumgepimpere und regelmäßige Aufwachen mit Filmriss auf die Nerven. Es war so als würde man in einer Zeitschleife festhängen und immer das Gleiche lesen. Einzig seine Gedankengänge und die schrägen Dialoge rissen es wieder raus. Hier wäre weniger besser gewesen.
Zum Nachdenken und vor allem zum bewussten Denken regt dieser Roman aber definitiv an. Steckt in uns allen doch in gewisser Weise dieser Autor, Jonas und Junge - hier auch wieder, mehr oder weniger ausgeprägt.
Dieser Roman treibt uns an mehr Mut aufzubringen - Mut zur Individualität, Mut zur Gedankenfreiheit, Mut der Mensch zu werden der man ist und sein will und vor allem Mut zum Risiko, selbst wenn das Risiko nur darin besteht sich zu verlieben oder auch mal Verantwortung abzugeben, denn nur so findet man sich selbst.
(zumindest ist das meine Interpretation, daher ist der letzte Absatz ohne Gewähr ^^).
Fazit:
Nicht sein bester Roman, aber immer noch ein typischer Glavinic und äußerst lesenswert.
Abgedreht, skurril, morbid und gleichzeitig so tiefsinnig und zum Nachdenken anregend. So etwas schafft wirklich nur dieser Autor.
Von mir gibt es daher eine absolute Leseempfehlung!