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Veröffentlicht am 18.02.2023

Eine Familiensaga mit Höhen und Tiefen im schillernden Odessa

Grandhotel Odessa. Die Stadt im Himmel
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„Grandhotel Odessa - Die Stadt im Himmel“ ist der Auftakt zur zweibändigen Reihe über Odessa und das titelgebende Hotel im 20. Jahrhundert. Erschienen ist der Roman bei Droemer-Knaur im Januar 2021.

Odessa, ...

„Grandhotel Odessa - Die Stadt im Himmel“ ist der Auftakt zur zweibändigen Reihe über Odessa und das titelgebende Hotel im 20. Jahrhundert. Erschienen ist der Roman bei Droemer-Knaur im Januar 2021.

Odessa, 1910: Ein besonderes Fest erwartet die Gäste des Grandhotel Odessa. Die junge Hotelerbin feiert ihren 21. Geburtstag und das soll gebührend gefeiert werden. Ein Ereignis, das noch viele Jahre in Erinnerung bleiben soll, allerdings anders als gedacht. Trotz ihrer Eifersucht auf die schöne Belle, verrät Oda ihrer Ziehschwester ihr großes Geheimnis: Sie hat sich in den neuen Star am Balletthimmel Odessas verliebt. Gemeinsam mit ihm möchte sie durchbrennen und ihren Vater vor vollendete Tatsachen stellen.

Ich gebe zu, ich mag diesen Trend hin zu Familiensagas im historischen Genre nicht wirklich. Gefühlt gibt es kaum noch etwas anderes. Manchmal gebe ich dem Genre allerdings noch eine Chance, wenn ich so wie hier, das Buch als Mängelexemplar entdecke. Odessa als Kulisse für einen historischen Roman fand ich spannend.
Der Schreibstil der Autorin lies sich angenehm lesen, allerdings war der melancholische Unterton nicht so ganz meins. Odessa wiederum fand ich toll beschrieben und ihr Status als ein Schmelztiegel der Nationen kam gut zu Geltung. Ich konnte mir gut vorstellen, eine Reise in diese Stadt zu unternehmen und dort meinen Sommerurlaub zu begehen. Aktuelle Ereignisse werden das wahrscheinlich für viele Jahre nicht mehr möglich machen.
Der Roman spielt hauptsächlich in der Zeit von 1910 bis 1917. Es gibt aber immer wieder Sprünge in die Vergangenheit zu den Hintergründen der Gründung des Hotels. Die Russische Revolution sendet seine Vorboten aus und es gibt einige Herausforderungen mit denen das Grandhotel in dieser Zeit umgehen muss. Der erste Weltkrieg bringt u.a. Schwierigkeiten bei der Nahrungsmittelversorgung mit sich und die Stimmung gegen den Adel und Großgrundbesitzer verschlechtert sich.
Bei den Personen im Buch bin ich sehr zwiegespalten. Es gab für mich zumindest nicht die Identifikationsfigur. Ich gebe zu, dass ich das schon sehr mag, wenn es Personen in einem Buch gibt, die mir sympathisch sind und die ich einfach nur mag und die dann sicherlich ein bisschen zu gut dargestellt sind. Hier gibt es an jeder Person durchaus etwas, was ich gut finde, aber oft genug eben auch Dinge, die ich verachtenswert finde.
Oda beispielsweise ist sehr fixiert auf das Grandhotel Odessa und stellt dies über ihr persönliches Glück. Der Kontrast zwischen ihr und Belle ist ein zentrales Thema im Buch. Oda ist hässlich, Belle ist schön. Oda wird die Liebe ihres Vaters entzogen, Belle wird damit überhäuft. Oda zieht sich diesen Schuh allerdings auch an und steht sich so selber im Weg, dennoch ist es auch bewundernswert was sie im Buch mit dem Hotel erreicht.
Ihr Vater wiederum ist über einige Leichen gegangen, um das Hotel überhaupt Wirklichkeit werden zu lassen. In den Rückblenden war das einfach kein schöner Freundeskreis, der sich um ihn und seine Zwillingsschwester gebildet hat. Es war so viel Falschheit, so viel böse Gedanken drin, die teilweise durchaus reflektiert wurden. Das überhebliche Verhalten wurde aber dennoch beibehalten und doch hat er mit dem Grandhotel etwas erschaffen. Dieser Traum des Hotels hat mir gut gefallen. Der Weg dahin eher weniger.
Wie ihr seht, in diesem Buch gibt es familiensaga-mäßiges Drama. Es war ok, aber es ist eben nicht so ganz meins. Ich bin schon froh, dass es nicht dieses Ding gab von wegen sie ist anders als andere Frauen. Das Drama wird aus den Konfliktpunkten, die bereits in der Vergangenheit geschaffen wurden, gezogen und diese wiederum wirken sich bis in die Gegenwart des Buches aus. Die Autorin hat eine geschickte Personenauswahl getroffen, die genug Reibungspotenzial bietet, um interessant zu sein. Der historische Hintergrund mit der russischen Revolution und dem ersten Weltkrieg hat mir gefallen. Wenn ich den zweiten Teil mal in der Mängelexemplar-Kiste entdecke, werde ich diesen sicher mitnehmen, weil mich die Veränderungen, die bis ins Jahr 1935 geschehen, sehr interessieren.
Zu Beginn des Buches gibt es einige Hinweise zum historischen Hintergrund und am Ende ein Glossar mit historischen sowie russisch/ukrainischen Begriffen. Eine Karte von Odessa sowie ein Personenverzeichnis sucht man vergebens. Insgesamt war das Zusatzmaterial für mich ausreichend.

Fazit: Eine Familiensaga, die für mich Höhen und Tiefen hatte. Der historische Hintergrund war interessant, die Personen und die insgesamt eher melancholische Stimmung hat mich eher zwiegespalten zurückgelassen. Odessa als Schauplatz hat mir sehr gut gefallen. Insgesamt eine Reihe, die man lesen kann, aber nicht unbedingt muss.

Veröffentlicht am 21.01.2023

Gruseliges Szenario, leider zu vorhersehbar und zu viele Wiederholungen

Nano
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„Nano - Jede Sekunde zählt“ von Phillip P. Peterson ist ein Katastrophen-Thriller, in dem es um sich selbst replizierende Nano-Maschinen geht. Erschienen ist der Roman bei Fischer TOR im November 2022.

Der ...

„Nano - Jede Sekunde zählt“ von Phillip P. Peterson ist ein Katastrophen-Thriller, in dem es um sich selbst replizierende Nano-Maschinen geht. Erschienen ist der Roman bei Fischer TOR im November 2022.

Der große Tag ist gekommen! Unter der Schutzschirm des Bundeskanzlers wurde lange Zeit zu Nano-Maschinen im Forschungszentrum Köln geforscht. Ein Experiment ist angesetzt, dass den Menschen in Deutschland und auf der Welt zeigen soll, dass Nano-Maschinen beherrschbar sind und mit ihnen ein neues Zeitalter anbricht. Es wurden hohe Sicherheitsvorkehrungen getroffen und die Gefahr, dass Nano-Maschinen in die Umwelt gelangen, wurde als vernachlässigbar eingestuft. Doch niemand hat wirklich mit einem Anschlag gerechnet. Während das Experiment läuft, erschüttert eine Explosion das Forschungsgebäude und die ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen erweisen sich als nicht stark genug. Nano-Maschinen gelangen in die Umwelt und ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Ich war sehr gespannt auf den neuen Roman von Phillip P. Peterson. „Vakuum“ als auch „Universum“ konnten mich begeistern und so sind die neu erscheinenden Romane des Autors für mich gesetzt. Anders diesmal ist, dass es als Thriller beworben wird. Mit sich selbst replizierenden Nano-Maschinen kann man das Buch aber definitiv auch dem Genre Science-Fiction zuordnen.
Ich war schnell im Geschehen drin. Der Autor lässt sich relativ viel Zeit, um das Katastrophen-Szenario aufzubauen. Das Experiment und die Möglichkeiten sowie die Gefahren der neuen Technik werden ausführlich erläutert und lassen einen für den weiteren Verlauf des Buches Böses erahnen. Natürlich tritt das Szenario ein, dass mit 99,99% Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen worden ist und es hat das Potenzial ähnlich endgültig wie die endgültigste Katastrophe in „Vakuum“ zu werden.
Am Anfang fiel es mir sogar recht schwer weiterzulesen, weil dieses Szenario so gruselig war. Manche Szenen hatten echtes Alptraum-Potenzial. Mit der Zeit begann sich das allerdings abzunutzen und für meinen Geschmack wiederholte es sich zu sehr, nur halt im immer größeren Ausmaß. Ich habe tatsächlich zum Schluss auch einiges quer gelesen. Einige Entwicklungen habe ich bereits recht schnell geahnt, auch die Lösung war mir recht schnell klar und es ist dann auch genauso gekommen.
Was wiederum sehr realistisch dargestellt ist, ist das absolute Versagen der Politik und unsere schöne deutsche Bürokratie. Ich kann mir das richtig gut vorstellen, wie wir einfach kostbare Zeit verplempern, weil wir müssen uns ja an Vorgaben und Regeln halten. Ups, jetzt geht die ganze Welt unter. Sorry, wollten wir nicht, aber jetzt ist leider zu spät. Ich kann mir das so gut vorstellen und ich möchte nicht dabei sein, wenn das passiert.
Das dieses Szenario einiges mit der Bevölkerung anstellt, versteht sich von selbst. Die Entwicklungen in dieser Hinsicht waren dramatisch und sicher nicht unrealistisch, dennoch war mir hier das ein oder andere zu viel und für eine Person in diesem Buch fand ich es auch sehr schade, dass die Rolle für lange Zeit nur darauf reduziert war.
Der Autor hat einen interessanten Personen-Mix zusammengestellt. Wir haben Wissenschaftler, die für die neue Technik brennen und das große Potenzial in ihr sehen sowie welche, die die Gefahren nicht unterschätzt wissen wollen. Es gibt den ehrgeizigen Forschungsleiter, der seine Karriere unbedingt mit einem Erfolg krönen will. Politiker, die dem Ende ihrer politischen Laufbahn, eine positive Wende geben möchten. Einsatzkräfte, die sich streiten als auch welche die pragmatisch handeln. Ich habe mit einigen Personen mitgefiebert und hätte andere am liebsten geschüttelt.
Mit den selbstreplizierenden Nano-Maschinen hat das Buch ein wissenschaftliches Thema. Dies wird wie immer gut verständlich von Phillip P. Peterson erklärt. Niemand muss für dieses Buch ein Wissenschaftscrack oder Technikfreak sein. Wie die Nano-Maschinen bekämpft werden können/müssen, ist schnell erklärt. Viel mehr geht es in dem Buch um das ganze drumherum. Aber dazu habe ich weiter oben bereits etwas geschrieben.
Am Ende des Buches gibt es ein kurzes und prägnantes Nachwort des Autors, was meine Vermutung bestätigt hat, dass es zu diesem Thema natürlich echte wissenschaftliche Theorien gibt und daran geforscht wird. Etwas anderes hätte mich bei dem Autor auch gewundert.

Fazit: Leider konnte mich dieses Buch nicht so sehr begeistern, wie seine Science-Fiction Bücher. Das Szenario ist absolut gruselig, leider bietet es in der Bekämpfung zu wenig Varietät und so wiederholt sich das selbe Schema immer wieder. Für mich war es dadurch zeitweise ein wenig langweilig. Sehr realistisch war in jedem Fall das Versagen unserer Politik und die Starrheit unserer Bürokratie. Wenn ihr richtig Bock auf Katastrophe habt, gibt dieses Buch euch definitiv diese Katastrophe, aber ich habe schon bessere Thriller dieser Art gelesen.

Veröffentlicht am 01.10.2022

Ein Roman mit breitem historischen Wissen über Ostfriesland

Im Bann des Adlers
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Im August 2022 ist der neue historische Roman von Daniel Wolf „Im Bann des Adlers“ im Goldmann-Verlag erschienen. Die Familie Osinge steht auch diesmal wieder im Mittelpunkt des Geschehens sowie die Friesische ...

Im August 2022 ist der neue historische Roman von Daniel Wolf „Im Bann des Adlers“ im Goldmann-Verlag erschienen. Die Familie Osinge steht auch diesmal wieder im Mittelpunkt des Geschehens sowie die Friesische Freiheit, der sich diese Familie und Warfstede verpflichtet fühlt.

Friesland, Ende des 14. Jahrhunderts: Die Familie Osinga führt fleißig Handel mit Koggen und anderen Schiffen. Auch dem jungen Folkmar Janns liegt das Bauen von Schiffen im Blut. Als er auch noch die junge Almuth kennenlernt und sich in sie verliebt, scheint alles zunächst gut, doch dann wird ihm ein Mord angehängt und er muss Warfstede verlassen. Seine Unschuld zu beweisen, scheint unmöglich, doch dann begegnet er den Vitalienbrüdern und schließt sich den berüchtigten Piraten an.

Ich hatte mich sehr auf den neuen Roman von Daniel Wolf gefreut. Seine historischen Romane sind für mich gesetzt, auch wenn diese meist so 800 - 1.000 Seiten stark sind. Ich liebe Geschichten, die im Mittelalter oder auch der Neuzeit spielen, die sich mit Kaufmannsfamilien beschäftigen oder wie in diesem Fall eine Familie von Schiffsbauern. Ich lerne gerne etwas über die Gegend, in der ich lebe. Dieses Kriterium wird durch den Handlungsort Ostfriesland erfüllt, auch wenn ich weiter nördlich im schönen Schleswig-Holstein lebe.
Ich habe gut ins Buch reingefunden, konnte mir das verschlafene Warfstede sowie Marienhafe vorstellen und habe mich anfangs sehr auf die kommenden Ereignisse gefreut. Die Familie Osinga ist so sympathisch wie eh und je, die Lastadie läuft gut, doch schnell ziehen graue Wolken am Horizont auf als die tom Brok, die Herrschaft über Warfstede und große Teile Ostfrieslands übernehmen. Die Grundlagen der Geschichte werden sehr schnell festgelegt, was an sich ok ist, wäre die Geschichte ab dann nicht so extrem durchschaubar.
Das hat mir die Freude an diesem Roman echt sehr genommen. Es ist sehr eindeutig, wer gut und wer Böse ist. Es gibt kein Dazwischen. Die Liebesgeschichte wird im ersten Kapitel angelegt und es ist klar, dass die sich am Ende kriegen werden. Der Bösewicht dieses Romanes wird auch sehr zeitnah präsentiert und man erahnt, welche Wendungen die Geschichte nehmen wird. Vielleicht habe ich mittlerweile zu viele dieser Romane gelesen, aber hier hatte ich das Gefühl, ich weiß von Anfang an, wie die Geschichte verlaufen wird und es gab in diesem Buch absolut keine überraschenden Wendungen für mich. Einige Erzählstränge waren für mich darüber hinaus zu sehr in die Länge gezogen, manches wurde mir zum Ende hin zu einfach gelöst. Ich wollte dieses Buch lieben, aber das Buch hat es mir echt schwer gemacht.
Gut fand ich, dass wir etwas über die politischen Verhältnisse jener Zeit erfahren, auch wenn einiges eher im Nachgang erzählt wird. Ich habe die Veränderungen in Friesland gerne mitverfolgt. Ich fand es spannend dabei zuzusehen, wie Keno sich mit der Zeit verändert und habe es genossen, welche Rolle Abbe hierbei spielt. Ich fand es interessant etwas über die Rechtssprechung in Ostfriesland zu erfahren und wie die Vitalienbrüder, die Hanse und die Westsee aufgemischt haben. Historisch hatte das Buch definitiv einiges zu bieten. Schiffsbau ist mir diesmal ein wenig zu kurz gekommen. Das ist diesmal mehr ein Randthema, was ich schade finde, da mir dies am Vorgänger mit am Besten gefallen hat.
Das ebook ist ausgestattet mit einem Personenverzeichnis, einem Glossar und einem kurzen Nachwort. Das ist definitiv ganz ordentlich und Karten sind in ebooks meist eher semi-gut zu betrachten. Ich bin mir sicher im Taschenbuch gibt es auch eine Karte.

Fazit: Ein Roman, der mit einem breiten historischen Wissen, über das Leben und die Verhältnisse in Ostfriesland aufwarten kann, das mir persönlich aber leider viel zu durchschaubar war und keine Überraschungen für mich bereit hielt. Für den routinierten Histo-Leser glaube ich etwas zu langweilig. Für Interessierte an der ostfriesischen Geschichte dennoch empfehlenswert, wenn man die Romanform bevorzugt.

Veröffentlicht am 03.09.2022

Ein Cyberpunk Roman mit vielen tollen Themen und starkem Start

Code X - Das Erwachen der Cybertechs
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„Code X“ von Lucinda Flynn erzählt von einer Zukunft, in der Technik und Menschen immer mehr miteinander verschmelzen und Megakonzerne die Macht haben. Erschienen ist der Cyberpunk-Roman bei Knaur im August ...

„Code X“ von Lucinda Flynn erzählt von einer Zukunft, in der Technik und Menschen immer mehr miteinander verschmelzen und Megakonzerne die Macht haben. Erschienen ist der Cyberpunk-Roman bei Knaur im August 2022.

Nach einem Vulkanausbruch 2097 ist der Data Space zusammengebrochen. Dort konnte man sich mit Hilfe des Cyberdice einloggen und in eine virtuelle Realität eintauchen. Während des Zusammenbruchs waren dort einige Menschen gefangen und nicht alle haben diesen überlebt. Doch diejenigen, die überlebt haben, haben besondere Fähigkeiten erworben, die es ihnen ermöglicht den Data Space zu verändern und ohne Hilfsmittel in ihn zu wechseln. Den Megakonzernen dieser Zeit gefällt das nicht und so machen diese Jagd auf die sogenannten Cybtertechs. Doch es lauern auch noch weitere Gefahren. Eine KI hat es sich zum Ziel gesetzt, ein weiteres Massensterben auszulösen…

Code X war eines der wenigen Bücher, in den Vorschauen, dass mich direkt angesprochen hat. KIs und der Verschmelzung von Mensch und Technik kann ich nur selten widerstehen. Irgendwie mag ich diese Themen. Diese bieten spannende Möglichkeiten, die zugleich faszinierend und gruselig sind.
Ich habe dementsprechend schnell ins Buch hinein gefunden. Es ist eine typische Cyberpunk-Welt, die sehr kapitalistisch geprägt ist, es gibt viel bunte Reklame in pink/violett, es gibt viel Technik überall und es ist alles ein wenig negativ behaftet, aber in diesem Buch schwingt auch ein Schimmer von Hoffnung mit rein.
Gerade am Anfang war die Geschichte fast schon etwas zu durchschaubar, aber das hat mich nicht großartig gestört. Es war interessant und spannend und ich bin den Ereignissen gerne gefolgt. Das erste Drittel des Buches habe ich fast in einem Rutsch gelesen. Die Art und Weise wie wir die KI kennenlernen hat mir sehr gefallen, gerade der Aspekt der unterschiedlichen Wahrnehmung der eigenen Umwelt. Erst mit der Zeit wurden mir die Dinge, die ich irgendwie hinnehmen muss, zu viel, dabei hatte das Buch davor so viel zu bieten.
Ich mochte es zum Beispiel sehr, dass komplizierte Sachverhalte in kleinere Happen aufgeteilt wurden, um sie Stück für Stück zu analysieren und so zu einem Ergebnis zu kommen. Sehr gefallen hat mir, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern auch viele Zwischentöne. Es ist nicht einfach Gut und Böse, sondern der eine kann Aspekte von jemand anderem besser nachvollziehen als jemand anderes. Es schwingt immer irgendwie eine tiefgründige Ambivalenz mit. Manche Verhaltensweisen im Buch liefen so ein bisschen meinem eigenen Werteverständnis zuwider und daran habe ich gemerkt, dass ich eben nicht mehr der jüngsten Generation angehöre.
Im letzten Drittel des Buches hat für mich leider nicht mehr viel einen Sinn ergeben und ich finde das so schade, weil ich vorher so viel gut fand und mir das Buch viel Spaß gemacht hat. Leider würde es zu viel spoilern, wenn ich darauf genauer eingehe. Ich kann nur sagen, für mich wären viele Protagonisten tot gewesen und es hat überhaupt keinen Sinn gemacht, dass sie so leicht aus manchen Situationen rausgekommen sind. Hätten die Konzerne so lax gearbeitet, dann wären die niemals so mächtig geworden, wie es dieses Buch als Prämisse voraussetzt.
Die Protagonisten in diesem Buch haben für mich eine gute Mischung ergeben. Jace ist anfangs eher ein Verlierer-Typ. Er möchte gerne in der Hierarchie seiner Arbeitsstelle aufsteigen, ist allerdings zu zögerlich und denkt manchmal sehr negativ über die Menschen. Ich fand es sehr schön, dass er in diesem Buch Leute kennenlernt, die dem ein bisschen entgegenwirken. Sam ist eine Hackerin mit einem gewissen Idealismus, die sich den Konzernen entgegenstellen und ihre Macht brechen möchte. Die Vielfalt der Nebencharaktere hat mir gut gefallen. Jede*r bringt was Eigenes in die Geschichte ein.
In Sachen Progressivität gibt es in diesem Buch die Verwendung von Neopronomen und es gibt Protagonisten mit Behinderung. Je öfter ich Bücher mit Neopronomen lese, desto normaler wird es für mich und es erscheint nicht mehr so schwierig, wie ich anfangs dachte. Beim Thema Behinderung gab es unterschiedliche Ansätze, wie damit umgegangen wird, was mir sehr gefallen hat.
Zusatzmaterial hat das Buch keines. Alles wird direkt im Roman erklärt und war für mich soweit verständlich. Ein bisschen Technik-Affinität würde ich voraussetzen und dann kann dieser Geschichte und seinen Konzepten gut gefolgt werden. Ich werde die Autorin auf jeden Fall weiter verfolgen und bin gespannt, welche Ideen sie in ihren nächsten Büchern umsetzen wird.

Fazit: Ein Cyberpunk-Roman mit vielen typischen Elementen, starkem Start und tollen Themen, der im letzten Drittel leider sehr unlogisch wurde. Insgesamt hat mich das Buch gut unterhalten und ich bin gespannt auf zukünftige Projekte der Autorin. Für Boomer ist das Buch wahrscheinlich nichts, aber für alle, die alterstechnisch darunter liegen und ein bisschen technikaffin sind, kann ich das Buch empfehlen.

Veröffentlicht am 20.08.2022

Ein bisschen mehr organische Entwicklung hätte dem Roman gut getan

Der Hunger nach Leben
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„Der Hunger nach Leben“ von Ella Zeiss ist der erste Band einer Dilogie, beider es um die Zwangskollektivierung und dem schweren Leben als Angehöriger eines verurteilten Volksverräters ergeht. Erschienen ...

„Der Hunger nach Leben“ von Ella Zeiss ist der erste Band einer Dilogie, beider es um die Zwangskollektivierung und dem schweren Leben als Angehöriger eines verurteilten Volksverräters ergeht. Erschienen ist der Roman im August 2022 bei Tinte und Feder.

Ukraine 1930: Schwere Zeiten brechen für die Familie Haffner an, als der Vater als Volksverräter verurteilt wird. Schon vorher hatte die Familie nur wenig, doch ab dann wird das Leben fast unmöglich. Noah bemüht sich verzweifelt darum, seine Mutter und seine jüngeren Geschwister zu ernähren und vor dem Verhungern zu bewahren. Auf diesen Streifzügen begegnet er eines Tages Jakobine, die zu einem leuchtenden Stern in seinem trostlosen Leben wird.

Ich habe mich sehr gefreut als ich von dieser neuen historischen Reihe von Ella Zeiss gelesen habe, denn die „Tage des Sturms“-Dilogie hat mich sehr berührt und mir die Geschichte der Russlanddeutschen in der Sowjetunion näher gebracht. Diese Reihe ist nun recht ähnlich angelegt, allerdings geht es hier nicht um die Zwangsumsiedelungen, sondern das harte Leben in einer deutschen Siedlung in der Ukraine.
Ich bin der Geschichte des Buches in weiten Teilen gerne gefolgt und die ein oder andere Sache im Buch hat mich dazu angeregt auch selber etwas zu recherchieren. Den Ort Großweide, der zusammen mit der gesamten Region in diesem Buch im Mittelpunkt steht, gibt es wirklich. Wir erfahren, welche Menschen sich in diesem Landstrich angesiedelt haben, etwas über ihren Glauben, wohin die Menschen auswandern wollten und wie sich das Leben durch die Zwangskollektivierung und die Herrschaft der Sowjets nach und nach verändert hat.
Ella Zeiss versteht es die Härten des Lebens unter dem Sowjetregime eindrücklich darzustellen. Ich war schnell in der Geschichte drin und habe mit Familie Haffner mitgefühlt. Auch wenn ich diese Schikanen bereits aus der ersten Reihe der Autorin kannte, haben mich diese doch wieder sehr mitgenommen. Allerdings war es mir diesmal fast schon etwas zu krass. Die erste Hälfte des Buches besteht eigentlich nur aus Hunger und immer größer werdender Hoffnungslosigkeit. Wie sich hier überhaupt jemand seinen Lebenswillen bewahren konnte, ist mir schleierhaft und leider konnte die Autorin dies ihrem Titel entsprechend zumindest für mich nicht klar herausstellen.
Ich war froh als es für die Familie wieder bergauf ging. Was diesen Wechsel bewirkt hat, wird allerdings nicht beschrieben. Es gibt einen Zeitsprung und das Leben ist noch immer nicht leicht, aber die Situation der Familie und Noahs hat sich bereits gebessert und geht weiterhin stetig bergauf. Es gibt plötzlich wieder Menschen, die nett zur Familie sind und wo vorher absolute Ablehnung war, wird ihnen wieder eine Chance gegeben in der Gesellschaft Fuß zu fassen.
Leider konnte mich die Liebesgeschichte in diesem Roman nicht erreichen. Jakobine erscheint einfach und Noah verliebt sich in sie. Das an sich wäre für mich sogar noch in Ordnung, aber die beiden gemeinsam hatten für mich nicht so wirklich die richtige Chemie miteinander. Die Liebesgeschichte wird quasi als Fakt mit eingeworfen, die einfach existiert. Sie ist einfach da, sie entwickelt sich nicht. Vielleicht bin ich da auch einfach anders, aber mir war das in dieser Hinsicht zu wenig. Da war für mich nichts, wo ich mitfühlen kann und daher habe ich das nicht so intensiv empfunden, dass sie Noah dem Lebenswillen gibt, der ihn die schlimme Zeit durchhalten lässt.
Es tut mir schon fast leid, dass ich auch recht viel zu kritisieren habe. Der Klappentext gehört auch dazu, denn dieser verrät die Handlung des Buches komplett. In meiner Beschreibung habe ich daher den zweiten Teil des offiziellen Klappentextes weggelassen. Das Buch erzählt eine interessante Geschichte und ich mag es gerade, dass es mal nicht in Deutschland oder England spielt. Ich bin immer wieder erstaunt darüber in welchen Gegenden Deutsche gesiedelt haben und die Geschichte der Russlanddeutschen finde ich so und so total spannend.
Um auch noch zu ein paar positiven Dingen zu kommen: Noah mochte ich gerne. Er ist zielstrebig und für seine Familie würde er alles tun und hat dementsprechend in diesem Teil auch viel gegeben. Dass er sich seinen Überlebenswillen bewahrt hat, finde ich absolut klasse und seinen Fleiß und den unbedingten Willen seinem Leben eine positive Wendung zu geben, bewundere ich sehr.
Jakobine hingegen ist in diesem Teil für mich sehr blass geblieben, es gab allerdings Anklänge, dass sich das im zweiten Band ändern könnte. Trotz meiner Kritikpunkte bin ich gespannt, wie es weiter gehen wird und welche Wendungen Noah, seine Familie und Jakobine erwarten werden.

Fazit: Ein solider historischer Roman über die Schreckensherrschaft der Sowjets, der in der Ukraine als Handlungsort, angesiedelt ist. Ella Zeiss versteht es den Leser emotional zu berühren, allerdings hätte ich mir ein bisschen mehr organische Entwicklung statt abrupter Wechsel gewünscht. Leider konnte mich die Liebesgeschichte nicht für sich einnehmen. Neugierig auf den nächsten Teil bin ich dennoch.