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Chrihart

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Veröffentlicht am 07.04.2023

Ungewöhnliche Liebesgeschichte im alten Athen

Xanthippe
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Das Cover des Buches „Xanthippe. Schöne Braut des Sokrates“ von Maria Regina Kaiser, im Fischer Verlag erschienen, zeigt zwei, fast verdeckte, grafische Symbole. Sie stellen einen Fisch dar. Er "schwimmt" ...

Das Cover des Buches „Xanthippe. Schöne Braut des Sokrates“ von Maria Regina Kaiser, im Fischer Verlag erschienen, zeigt zwei, fast verdeckte, grafische Symbole. Sie stellen einen Fisch dar. Er "schwimmt" auf blauem Coverhintergrund. Vielleicht ein Hinweis auf die Persönlichkeit des Sokrates als Menschenfänger? Alle gehen in sein Netz, auch wenn er äußerlich nicht dem damals gängigen griechischen Ideal (schwarzhaarig und muskulös) entsprochen hat.

Der erste Teil des Buches beschreibt den Beginn einer bezaubernden Liebesgeschichte im alten Athen, die sich nur langsam entwickelt. Die Liebe zwischen einem jungen Mädchen und einem alten Herrn entspinnt sich mit Hilfe von Erinnerungen aus der Kindheit des Älteren und dessen Wissen, das natürlich die Jüngere beeindrucken muss. Aber auch durch eine gewisse Geborgenheit fühlt sich das kluge Mädchen Xanthippe - die Halbwaise wird vom alkoholkranken Vater und dem geliebten Zwillingsbruder, der an der Front von Syrakus kämpft, allein gelassen - zu Sokrates hingezogen. Irgendwie musste ich dabei an den Film "Harold und Maude" denken, in dem sich ebenfalls zwei unterschiedlich alte Menschen finden. Im Laufe der Zeit spielen auch die klassischen Verführungsfrüchte, Äpfel, eine Rolle in der leichtfüßig erzählten Geschichte. Kaiser spart nicht mit Fachwissen über die damalige Zeit und flechtet die Fakten geschickt in den Erzählfluss. Es macht Spaß, die Geschichte zu lesen und ich bin gespannt, wie sich das ungleiche Paar doch noch finden wird. Denn erst einmal ist die Familie aus mehreren Gründen gegen die ungleiche Verbindung.

Im zweiten Teil des Buches gibt es dramatische Wendungen und Verluste im Leben der jungen Xanthippe. Sie lernt auch ihren Jugendfreund neu kennen, der aus dem Kriegsgeschehen zurückgekehrt ist. Die junge Frau muss sich zwischen zwei Männern entscheiden, während sie auf eine Nebenbuhlerin besonderen Ausmaßes trifft. Ich fand das Ende überraschend und interessant gelöst. Durch die Lektüre habe ich sehr viel über die Zeit des Sokrates gelernt und trotzdem hat die Geschichte nicht an Spannung eingebüßt. Eine wunderbare Möglichkeit, wie es hätte sein können. Eine glaubwürdige Geschichte, mit viel Liebe zu geschichtlichen Details. Man merkt, dass die Autorin vom Fach ist. Dennoch ist das Lesen ein besonderes Vergnügen, denn sie besitzt die Gabe, alles vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Ich habe mich sehr gefreut, die lebenshungrige und wissensdurstige Xanthippe kennenlernen zu dürfen.

Schön, dass im Nachwort die wirklich existierenden Personen und vermuteten Verwandtschaftsverhältnisse genannt werden. Auch finde ich interessant, dass Kaiser beschreibt, warum sie sich bewusst gegen die andere mögliche Version entschieden hat. Myrto wird ja zuweilen als zweite Frau des Sokrates eingeordnet und nicht Xanthippe.

Ich kann das Taschenbuch nur jedem wärmstens ans Herz legen, der mehr über den Alltag, die Sitten und Gebräuche Athens während des Krieges gegen Syrakus wissen möchte.

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Veröffentlicht am 26.03.2023

Die Schicksalsnacht, in der Frankenstein entsteht

Mary & Claire
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Markus Orths hat mit „Mary & Claire“ einen exzellent geschriebenen Roman, erschienen bei Hanser, vorgelegt. Er beschreibt darin vor allem die schicksalshafte Begegnung von vier jungen Schriftstellern, ...

Markus Orths hat mit „Mary & Claire“ einen exzellent geschriebenen Roman, erschienen bei Hanser, vorgelegt. Er beschreibt darin vor allem die schicksalshafte Begegnung von vier jungen Schriftstellern, die tatsächlich stattgefunden hat. 1816, im Jahr ohne Sommer, fanden sich das Paar Mary Godwin und Percy Shelley sowie Marys Schwester Claire Clairmont und Lord Byron in einer Villa am Genfer See zusammen, wo in einer schicksalshaften Nacht der Anfang des Klassikers Frankenstein entstanden ist.

Mary und Claire sind Stiefschwestern, im Charakter sehr unterschiedlich. Dennoch verstehen sich die miteinander konkurrierenden Frauen. Sie schreiben beide und verlieben sich in den gleichen Mann: Percy Shelley, einen Literaten. Die drei sagen sich von dem Elternhaus los, von den herrschenden Konventionen. Sie reisen und leben zusammen, bis Claire sich in Lord Byron verliebt, obwohl sie ihn nicht persönlich kennt. Die Gesellschaft reagiert mit Ächtung auf das Trio.

Marys Stiefschwester Claire beginnt Byron zu schreiben, vergöttert ihn regelrecht. Und der Literaturstar Byron geht tatsächlich auf seinen Groupie ein. Aber der Dandy liebt auch Männer. Damals sind homosexuelle Beziehungen in England verboten, auch deshalb muss er sich im Ausland aufhalten. Das Publikum reizt das Verbotene und Anrüchige in dieser Zeit. Mir gefällt die Szene besonders, in der die Hotelgäste Ferngläser ausgehändigt bekommen, um zu Byrons Villa und dem Quartett, wenn es sich auf dem Balkon aufhält, herüberschauen zu können.

Claire vernichtet leider ihren Roman „Idiot“ in der Gewitternacht, in der sie alle Opium nehmen und sie eine Art Schreibwettbewerb abhalten. Claire fühlt sich klein neben dem großen Lord Byron. Wie die anderen zweifelt sie an sich und ihren Fähigkeiten zu schreiben. Eine sehr plastisch und fantastisch geschriebene Szene ist die am Brunnen, in den sie ihr Manuskript versenkt. Auch die erotische Szene mit Percy und Mary, die sich im Regen lieben und später Schnecken im Haar haben, finde ich stark.

Alle erleiden mehrere Schicksalsschläge und müssen den Tod ihnen Nahestehender verkraften. Interessant finde ich die Feststellung im Buch, dass es Einsamkeit sowie Leiderfahrung oder auch das Erleben tiefer Gefühle bedarf, um künstlerisch tätig sein zu können. Ich habe das Buch in kurzer Zeit gelesen. Es ist eine schöne Sprache, in die der Autor seine Version der Geschichte kleidet. Es entsteht alles vor dem inneren Auge. Markus Orths hat nicht nur einen Roman über die berühmten Literaten und deren Zeit verfasst, sondern auch eine Hommage ans Schreiben. Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 09.02.2023

Krimi in bester Christie-Manier

Die Affäre Agatha Christie
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Erst dachte ich, der Roman von Nina de Gramont sei eine historisch begründete Lücke des Lebens von Agatha Christie, die die Autorin mit diesem Buch zu schließen gedenkt. Aber das Buch „Die Affäre Agatha ...

Erst dachte ich, der Roman von Nina de Gramont sei eine historisch begründete Lücke des Lebens von Agatha Christie, die die Autorin mit diesem Buch zu schließen gedenkt. Aber das Buch „Die Affäre Agatha Christie“, in dem die amerikanische Autorin die 11 vermissten Tage der Krimiautorin Christie in den Fokus nimmt und zu rekonstruieren versucht, hat noch ganz andere Qualitäten. Es ist ein Kriminalfall in bester Christie-Manier. Das Buch, im Insel Verlag erschienen, behandelt nicht nur die mysteriöse Geschichte rund um das Verschwinden der Krimiautorin, sondern auch die Geschichte der 10 Jahre jüngeren Geliebten von Archie Christie, weswegen er sich von Agatha trennte: Nan. Nan ist eine kühl berechnende Frau im Roman, deren englisches Herz immer noch für die verlorene irische Jugendliebe schlägt.

Hier erzählt Gramont noch eine ganz andere fiktive Geschichte. Denn der Leser folgt im ersten Teil des Buches ihren Erlebnissen mit Archie und Agatha, macht aber auch mit Nan rückblickende Ausflüge in ihre glückliche Jugend, die sie zeitweise bei der Tante in Irland verbrachte. Der Erzählstil ist so gewählt, als wäre Nan eine allwissende Erzählerin. Der Stil ist zwar anders als gewohnt, aber wenn man sich auf dieses sprachliche Experiment einlässt, wirkt er aus der Sicht der nicht durchschaubaren Frau stark hypnotisch.

Der Autorin gelingt der perspektivische Kunstgriff und nimmt Bezug auf die Perspektive, die Christie in dem Buch Alibi erstmalig anwendete, das 1926 erschien und ihren Weltruf begründete. Ebenso verwendet Gramont für den sich entwickelnden Fall Christies Lieblingsmordwaffe. (Gift wählte Christie so oft für ihre Fälle, da sie in einer Apotheke gearbeitet hat und so Wissen darüber sammeln konnte.) Es wimmelt nur so von Querverweisen. Der geübte Fanleser entdeckt sogar Namen, die in den Büchern von Christie vorkommen. Z. B. wären da die Namen Marston, Armstrong und Oliver (Freundin von Poirot) zu nennen. Das weist darauf hin, dass Gramont sich sehr gründlich mit der Person Christie, der Schriftstellerin und deren umfangreiches Werk auseinandergesetzt hat.

Auch gibt es noch eine weitere Handlungsebene. In Rückblenden erfahren wir ebenfalls von dem Schicksal junger lediger Mütter, die zu damaliger Zeit gegen ihren Willen in mitleidslos geführte Magdalenen-Klosterheime gesperrt wurden und denen ihre Kinder abgenommen wurden, um sie zur Adoption freizugeben. Die Klosterwäschereien glichen oftmals einem Arbeitslager, in dem die „gefallenen“ Mädchen zur Schwerstarbeit gezwungen wurden. Manche wurden von Priestern missbraucht. Ein dunkles Kapitel der grünen Insel, das in der Krimigeschichte eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Die Schilderungen Nans treffen einen mitten ins Herz.

Die Geschichte dreht sich immer schneller, wie eine Spirale. Die Suche nach der Autorin, die vergangenen Erlebnisse der Geliebten, die Beschreibungen der jungen Mütter und die Untersuchung der aktuellen Mordfälle durch den ermittelnden Inspektor sind so soghaft beschrieben, dass man das Buch als Leser schwer zur Seite legen kann. Die überraschenden Wendungen geben der Story immer wieder eine neue Richtung. Vier miteinander Verschworene zögern das Gefundenwerden heraus und der Leser fiebert mit ihnen mit. Und es sind viele Fäden, die Gramont am Ende geschickt miteinander verwebt und mit denen sie einen schlüssig raffinierten Schluss, ganz im Sinne von Agatha Christie, Gerechtigkeit einfordernd, kreiert. Ich war von dem meisterhaft erzählten Roman begeistert und vergebe die volle Punktzahl!

Veröffentlicht am 22.01.2023

Experimentelle Pionierkunst und freie Gefühle

Die Liebenden von Bloomsbury – Vanessa und die Kunst des Lebens
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Die Malerin Vanessa Bell und die Schriftstellerin Virginia Woolf werden als Schwestern beschrieben, sie sind beide hochsensible und nervlich angegriffene Künstlerinnen. Beide wollen nach dem Verlust der ...

Die Malerin Vanessa Bell und die Schriftstellerin Virginia Woolf werden als Schwestern beschrieben, sie sind beide hochsensible und nervlich angegriffene Künstlerinnen. Beide wollen nach dem Verlust der Eltern und eines Bruders und den traumatischen Erlebnissen eines Missbrauchs durch einen Halbbruder selbständig und unabhängig sein. Ihre Kunst weiterentwickeln. Das können sie auch, denn ihre Eltern waren vermögend. Virginia heiratet Leonard und Vanessa zieht nach einer Affäre mit Roger aufs Land. Vanessa gründet ihrer Zeit weit voraus eine WG mit Duncan und Bunny, einem bisexuellen männlichen Pärchen. Sie bekommt mit Duncan eine Tochter. In der Londoner Gesellschaft würde sie dafür geächtet und so wird ihr drittes Kind von ihrem Nochehemann Clive, der mittlerweile eine feste Geliebte hat, anerkannt. Die Künstler sind alle auf der Suche nach ihren wahren Gefühlen und versuchen ein freies Leben zu führen, ohne Korsetts jeglicher Art.

Der Erste Weltkrieg macht ihnen einen Strich durch die Rechnung, aber da sie kreativ sind, finden sie einen Weg dem Kriegsdienst durch Obstanbau zu entkommen. Das gelingt dem privilegierten Kreis besser als den einfachen Leuten. Letztere kommen in dem Roman nicht vor, der Fokus liegt auf dem kleinen Elitekreis und ihrem Pioniergeist in der Kunst und dem entrückten Künstlerleben. Die Geschichte macht die damalige Zeit, die Konflikte innerhalb der Gruppe und die jeweiligen Beziehungsverflechtungen anschaulich.

Die Autorin schreibt die Lebensgeschichte der beiden berühmten Frauen so intensiv, dass man sich im Raum wähnt, als sei man als Leser dabei. Man durchleidet die Nöte und Gefühle mit. Und den Kampf gegen die damaligen Konventionen. Die Reaktionen der Gesellschaft, wenn sich eine der beiden davon befreien will. Die Charaktere sind präzise gezeichnet. Die Gespräche und Diskussionen über Kunst sind nachvollziehbar. Die Umstände sind ausgezeichnet recherchiert und ab und an lässt Stefanie H. Martin einen Brief der beiden Schwestern einfließen. Es bereitet Vergnügen, in die Welt der Bloomsbury Group hautnah einzutauchen. Ich finde das Buch spannend geschrieben und kann die Lektüre empfehlen.

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Veröffentlicht am 15.02.2024

Nick und die erste große Liebe

Die Mur checkt’s nicht
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In dem Buch „Die Mur checkt’s nicht“ von Christoph Fromm, erschienen im Primero Verlag, macht die Hauptfigur Nick sein Abitur und verliebt sich in Hannah. Die ist aber nicht einfach, ist manchmal sogar ...

In dem Buch „Die Mur checkt’s nicht“ von Christoph Fromm, erschienen im Primero Verlag, macht die Hauptfigur Nick sein Abitur und verliebt sich in Hannah. Die ist aber nicht einfach, ist manchmal sogar richtig fies. Warum macht sie das? Sie hat aber auch etwas Geheimnisvolles und Wunderbares an sich. Beide spielen im selben Verein Fußball. Dann hat sie plötzlich einen anderen. Wie soll Nick ihr das verzeihen? Die Mur, also Nicks Mutter, ist nicht die Richtige, um ihn in Beziehungssachen zu beraten. Sie hat sich gerade von seinem Vater getrennt und ist zum neuen Mann gezogen. Sie checkt's nicht, nach Nicks Meinung.

Sein Bruder ist auch nicht der Richtige dafür. Für ihn hat nur sein Sport Priorität, er hat gar keine Beziehung. Er denkt nur daran, wie er mit seinem Verein gewinnen kann und achtet mit darauf, dass Nick in Form bleibt und ihm Torvorlagen liefern kann. Und seine Bros, die Freunde, haben auch alle ganz unterschiedliche Anschauungen zu dem Thema. Nick muss selber herausfinden, was er will. Dann lernt er auch noch selber eine andere Frau kennen und das Chaos ist perfekt. Nun weiß er schon gar nicht mehr Bescheid. Wie entscheidet er sich? Herz über Kopf?

Was will er wirklich? Dem muss er nachgehen. Es ist ein ruhiger langer Fluss, der sich vor dem Leser ausbreitet. Nick erzählt von seinem Alltag und seinen Mitmenschen. Vor allem teilt er dem Leser seine beobachteten und analytischen Gedanken mit. Aber auch seine Gefühle, seinen Schmerz und seine Zweifel. Spätestens nach dem zweiten Kapitel ist man mitten drin im Geschehen und nimmt die Jugendsprache mit dem Szenejargon als die Stimme der Hauptfigur wahr. Ein Jugendbuch der besonderen Art und nur für diejenigen zu empfehlen, die keine Action oder Spannung brauchen.

Ein Debüt, das davon handelt, dass man nicht immer sofort die wahre Liebe erkennt und nicht immer alles perfekt sein muss, wenn man auf sein Herz hört.

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