Profilbild von Dreamworx

Dreamworx

Lesejury Star
offline

Dreamworx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dreamworx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.03.2023

Um nicht austauschbar zu sein, musst Du anders sein. (Coco Chanel)

Der Traum vom Leben
0

1992. Das Leben der 17-jährigen angehenden Friseuse Luise Jensen wird von einem Moment auf den anderen auf den Kopf gestellt, als sie einen Wettbewerb für sich entscheiden kann und dort Starfriseur Udo ...

1992. Das Leben der 17-jährigen angehenden Friseuse Luise Jensen wird von einem Moment auf den anderen auf den Kopf gestellt, als sie einen Wettbewerb für sich entscheiden kann und dort Starfriseur Udo Hammer auffällt, der ihr sofort das Angebot macht, für ihn als Assistentin zu arbeiten. Für Luise, die bisher nur das Leben in Ostfriesland und den heimischen Kuhstall von innen kennt, sich eher für eine graue Maus und wenig attraktiv hält, ist es die langersehnte Chance, ihre Träume wahr werden zu lassen. Luise reist mit Hammer nach Paris, um den Models für die Prêt-à-porter-Shows der großen Modedesigner den richtigen Look zu verpassen. Unvorhergesehen bringt der Ausfall eines Models Luise schließlich selbst auf den Laufsteg und einen Vertrage mit der Agentur ELLE ein, der ihr die Türen für eine Karriere in der schillernden Modewelt öffnet. Aus dem Landei Luise wird das Modell Lou, das in kürzester Zeit unter die Supermodels mischt, um selbst eins zu werden…
Katharina Fuchs hat mit „Der Traum vom Leben“ einen unterhaltsamen Roman basierend auf einer wahren Geschichte vorgelegt, der den Leser in die Glitzer-Glamourwelt der Fashionmodels eintauchen lässt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil beamt den Leser schnell in die frühen 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, wo er als Schatten von Lou deren märchenhafte Karriere vom hässlichen Entlein zum Schwan in der glitzernden Modewelt hautnah mitzuerleben. Während die Autorin mit bildhafter Sprache den damaligen Zeitgeist wieder aufleben lässt, liefert sie gleichzeitig den musikalischen Soundtrack mit, der den Leser während der Lektüre immer wieder zum Mitsummen animiert. Louise ist ein echtes Landei und noch nie aus dem platten Ostfriesland und dem Bauernhof ihrer Eltern herausgekommen. Fast über Nacht findet sie sich in der Modemetropole Paris wieder und muss erst Supermodels für die berühmten Modeschauen stylen, um sich dann selbst als eine von ihnen auf dem Laufsteg wiederzufinden. Große Designer- und Modelnamen, die jedem aus der damaligen Zeit ein Begriff sind, säumen Luises Geschichte. Fuchs zeichnet ihren rasanten Aufstieg nach, wie ihn Models wie Franziska Knuppe, Julia Stegner, Toni Garn, Eva Padberg oder die verstorbene Tatjana Patitz wohl schon vor ihr erlebt haben, denn sie alle wurden in der Menge entdeckt und fanden schnell ihre Förderer und ihren angestammten Platz unter den internationalen Supermodels. Gleichzeitig gibt die Autorin auch einen Einblick hinter die glamouröse Fassade der Modewelt, wo der Konkurrenzkampf hart und der Verzicht auf vieles groß ist.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt und nehmen den Leser mit auf eine schillernde Reise in die Modewelt. Luise, zu Beginn noch recht naiv und unbedarft, muss schnell erwachsen werden. Ihre Selbstzweifel begleiten sie auf ihrem Weg nach oben, doch ihr fehlt es an dem Quäntchen Mut, auch mal nein zu sagen, wenn es sie überfordert oder ihr widerstrebt. Etwas mehr Selbstbewusstsein und Eigenliebe hätte ihrem Charakter gut getan.
„Der Traum vom Leben“ ist nicht nur die Geschichte einer Traumkarriere für viele junge Mädchen, sondern auch ein schöner Streifzug durch Paris mit seinem Laissez-faire und den weltbekannten Modehäusern. Unterhaltsame und farbenfrohe Lektüre verbunden mit einer Zeitreise und nettem Kopfkino haben eine Leseempfehlung verdient.

Veröffentlicht am 19.02.2023

Ohne Schatten gibt es kein Licht, man muss auch die Nacht kennen lernen. (Albert Camus)

Blankenese - Zwei Familien
1

1919 Hamburg. Der Halbjude John Casparius steht vor den Scherben seines Lebens, denn nicht nur der Krieg hat seine grausamen Spuren bei ihm hinterlassen, auch die gelöste Verlobung sowie die fast ruinierte ...

1919 Hamburg. Der Halbjude John Casparius steht vor den Scherben seines Lebens, denn nicht nur der Krieg hat seine grausamen Spuren bei ihm hinterlassen, auch die gelöste Verlobung sowie die fast ruinierte Reederei seiner Familie. Als er eines Morgens an der Elbe jedoch der jungen Sattlerin Leni Hansen begegnet, schöpft er neuen Lebensmut. Obwohl die beiden aus völlig unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammen, steht schon bald die Hochzeit ins Haus, was vor allem Johns wohlhabender Familie ein Dorn im Auge ist. Doch Leni setzt sich mit ihrer freundlichen Art alsbald im Casparius-Haushalt durch. Das glückliche Eheleben erhält bald einen Dämpfer, als John Kenntnis von den Vorwürfen der Hansen-Familie erhält, die seine Familie für den Tod von Lenis Vater geben und sich um Lenis Liebe betrogen fühlt. Er verlässt die eheliche Wohnung und lässt Leni allein bei seiner Familie zurück, um sich einzig auf das Geschäftliche zu konzentrieren. Kann diese junge Ehe noch gerettet werden?
Michaela Grünig hat mit „Licht und Schatten“ den Auftakt ihrer Blankenese-Saga vorgelegt, der nicht nur mit einem sehr gut recherchiertem historischen Hintergrund glänzt, sondern auch mit einem Mix aus dramatischen Familiengeschichten und Liebe unterhält. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser ins Hamburg des vergangenen Jahrhunderts reisen, um dort über einen Zeitraum von 20 Jahren die Geschehnisse um die Familien Casparius und Hansen hautnah mitzuerleben. Über wechselnde Perspektiven steht der Leser mal an der Seite von Leni, mal an der ihrer Mutter Irma und mal an der von John, wo er deren Gedanken- und Gefühlswelt gut erkunden kann und jeden von ihnen näher kennenlernt. Lenis Vater Gustav kam als Kapitän bei einem Schiffsunglück ums Leben, worunter die Familie Hansen immer noch leidet und die Reederei Casparius verantwortlich macht. Ausgerechnet Tochter Leni und Casparius-Erbe John verlieben sich ineinander, da sind Schwierigkeiten praktisch vorprogrammiert. Während die Jungvermählten ihre Probleme miteinander haben, verwebt die Autorin den historischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung. So bekommen die Nazis immer mehr Zulauf, deren rassistische Ideologien und Judenfeindlichkeit auch vor den Familien der Protagonisten nicht Halt macht. Vor allem aber ist es Grünig hervorragend gelungen, die Diskrepanz der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und ihren Standesdünkel aufzuzeigen. Gleichzeitig zeichnet sie mit Irmi Hansen das Bild einer hart arbeitenden Frau, die ihre Familie in Zeiten von großer Armut mit ihrem Lokal irgendwie durchbringen muss. Der Spannungsbogen wurde gemächlich angelegt, steigert sich aber immer mehr in die Höhe, so dass der Leser sich kaum von den Seiten trennen kann.
Die Charaktere sind liebevoll mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet und erlauben dem Leser, sich an ihre Fersen zu heften. Leni ist eine liebenswürdige junge Frau, die sich durchaus zu behaupten und andere für sich einzunehmen weiß. John ist ein sturer, bockiger Kerl, der lieber an Gerede glaubt, als sich selbst ein Bild zu machen, was ihm nicht gerade die Sympathien zufliegen lässt. Lenis Mutter Irma ist eine starke, mutige Frau, die hart arbeitet und sich trotz einiger Schicksalsschläge nicht unterkriegen lässt. Johns Schwester Felicitas wird Leni eine echte Freundin, auf die sie sich verlassen kann.
„Licht und Schatten“ unterhält mit einem gelungenen Mix aus Familiengeschichten, Geheimnisse, Liebe und einiges an Dramatik. Der historische Hintergrund ist exzellent recherchiert und lässt die Zeit nach dem 1. Weltkrieg in Hamburg wieder lebendig werden. Verdiente Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 22.01.2023

Wer aus dem Weizen einen Kuchen haben will, muß das Mahlen abwarten. (Shakespeare)

Café Buchwald
0

1896. Emma Buchwald hat schon als junges Mädchen am Schürzenzipfel ihres Vaters gehangen, der Tag für Tag in der familieneigenen Backstube die feinsten Baumkuchen und Gebäck fertigt und als Hoflieferant ...

1896. Emma Buchwald hat schon als junges Mädchen am Schürzenzipfel ihres Vaters gehangen, der Tag für Tag in der familieneigenen Backstube die feinsten Baumkuchen und Gebäck fertigt und als Hoflieferant des preußischen Prinzenhofes einiges Ansehen genießt. Als Vater Gustav plötzlich verstirbt, ist die Zukunft des Familiengeschäftes in Gefahr, zumal auch eine bereits erworbene Dependance in Berlin gerade mitten im Umbau steckt. Der einzige Ausweg scheint eine Verlobung mit dem Gesellen Fritz zu sein, um den Fortbestand der Bäckerei zu sichern, doch Emma hat bei einem ihrer Lieferwege an den königlichen Hof einen Ausflug ins Museum gemacht und dort den Architekturstudenten Max Kolbe kennen- und lieben gelernt. Als Emmas Mutter Adele sowie Max‘ Vater von der heimlichen Verbindung erfahren, unternehmen sie alles, um diese zu unterbinden, denn es gibt ein Geheimnis, dass beide Familien verbindet und nie ans Tageslicht kommen soll. Wird das Café Buchwald gerettet? Und was wird aus der Liebe zwischen Max und Emma?
Maria Wachter hat mit „Café Buchwald“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der vor der Kulisse der bis heute bestehenden Berliner Konditorei Buchwald das fiktive Schicksal der Familie erzählt. Mit flüssig-leichtem, bildhaftem und gefühlvollem Erzählstil fängt die Autorin den Leser sofort ein und schickt ihn auf Zeitreise ins 19. Jahrhundert in das Haus und die Backstube der Buchwalds, wo er nicht nur der Familie ganz nahe kommt, sondern direkt an ihrem Leben teilnimmt. Über wechselnde Perspektiven lernt der Leser die Gedanken- und Gefühlswelt der unterschiedlichsten Protagonisten kennen. Vor allem Emma wächst einem ganz schnell ans Herz mit ihrer positiven Einstellung, die Dinge in die Hand zu nehmen. Die Beschreibungen der Backstube nebst den unterschiedlichsten Zubereitungen der Köstlichkeiten lassen nicht nur Bilder im Kopf des Lesers entstehen, sondern vermitteln auch die angenehme Caféhaus-Atmosphäre, die einen nach Gebäck und Kaffee lechzen lässt. Emmas geschäftliche Ambitionen ebenso wie die Familienverwicklungen und das gut gehütete Geheimnis lassen den Leser das Buch kaum aus der Hand legen. Die Autorin hat gut recherchiert und den historischen Hintergrund der damaligen Zeit schön mit ihrer Geschichte verwebt. Der Leser erhält einen guten Eindruck der damaligen Lebensumstände sowie gesellschaftlichen Gepflogenheiten, die Emma in ein Korsett hineinzwängen wollen, das sie aber nicht tragen will.
Den Charakteren wurde liebevoll Leben eingehaucht, besitzen glaubwürdige menschliche Ecken und Kanten, die den Leser sofort für sich einnehmen und er sie bei ihren Unternehmungen auf Schritt und Tritt verfolgt. Emma ist eine liebenswürdige junge Frau, die ihren eigenen Kopf besitzt und sich nicht um Konventionen schert. Sie liebt ihre Familie und versucht alles Notwendige, um deren Lebensunterhalt zu sichern. Mit ihrer offenen, ehrlichen Art gewinnt sie schnell an Ansehen und Respekt. Max ist ein Architekturstudent mit Visionen, der die Mietskasernen seines Vaters verabscheut. Er besitzt Anstand und Moral, nur an Durchsetzungsvermögen mangelt es ihm manchmal. Fritz ist ein lieber Kerl, der selbst nicht so genau weiß, was er will. Ebenso wichtig sind Adele, Gustav, Korte Senior sowie die Buchwald Bediensteten für die Handlung.
„Café Buchwald“ ist ein historischer Roman, der dem Leser neben kurzweiligen Lesestunden auch ein schönes Kopfkino beschert. Familiengeschichte, eine junge Liebe, der ständige Geruch von Gebäck und ein Geheimnis, das erst ganz am Ende offenbart wird, bieten gute Unterhaltung und erlauben das Eintauchen in ein anderes Jahrhundert. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 17.01.2023

Rettendes Erbe

Geheimnisse von Tanner Hollow
0

Als Honor McBride von ihrer Großtante ein Haus in dem kleinen Städtchen Tanner Hollow erbt, ist dies der rettende Strohhalm die mehrfache verwitwete Mutter, die kurzerhand ihre Kinderschar in den Wagen ...

Als Honor McBride von ihrer Großtante ein Haus in dem kleinen Städtchen Tanner Hollow erbt, ist dies der rettende Strohhalm die mehrfache verwitwete Mutter, die kurzerhand ihre Kinderschar in den Wagen verfrachtet und der Zukunft in einem neuen Umfeld eine Chance gibt. Doch so schnell wird sie alten Ballast nicht los, denn ihr verstorbener Mann hat sich mit schlimmen Typen eingelassen, die sich nun an ihre Fersen geheftet haben. Honors überstürzte Flucht hält die Gauner nicht auf und ihr Neuanfang in Tanner Hollow steht unter keinem guten Stern, auch wenn sie in dem kleinen Ort schnell von den Bewohnern und vor allem von Nachbar Eli Marschall aufgefangen und unterstützt wird…
Lynette Eason hat mit „Geheimisse von Tanner Hollow“ den 3. Band ihrer Tanner-Hollow-Reihe vorgelegt, der auf spannende und unterhaltsame Weise Krimielemente mit einer Familien- und Liebesgeschichte in sich vereint. Der flüssige und fesselnde Erzählstil gibt dem Leser von Beginn an die Möglichkeit, sich als Honors Schatten an ihre Fersen zu heften und ihr Schicksal hautnah mitzuerleben. Honor hat schon einiges in ihrem Leben mitgemacht. Die Ehe mit dem falschen Mann hat ihr nicht nur Misshandlungen eingebracht, nach seinem Tod muss sie mit ihren Kindern nun auch um ihr Leben fürchten, denn Gauner wollen sie für die Taten ihres Mannes zur Rechenschaft ziehen. Honor lebt immer in Angst um sich und ihre Familie, die sie mit ihrem Erbe in Tanner Hollow nun in Sicherheit wiegt. Nachbar Eli nimmt sie ebenso freundlich in Empfang wie der Rest der Stadtbewohner. Honor erfährt zum ersten Mal, was es heißt, Vertrauen entgegengebracht zu bekommen, ebenso Hilfe und Unterstützung. Aber die Flucht war nur eine kurze Atempause, denn der Vergangenheit entkommt man nicht. Die Autorin versteht es sehr gut, ihren Spannungslevel im Verlauf ihrer Geschichte konstant weiter zu steigern. Gleichzeitig zeichnet sie für den Leser eine Kleinstadt mit hilfsbereiten Bewohnern, die Neuankömmlingen freundlich und unterstützend beispringen und ihnen die Aufnahme in die Gemeinschaft erleichtern. Die ebenfalls eingewebte Liebesgeschichte bringt Auflockerung neben der unterschwellig ständig lauernden Gefahr.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und warten mit authentischen menschlichen Ecken und Kanten auf. Der Leser fühlt sich in ihrer Mitte sofort wohl und folgt ihnen gern auf Schritt und Tritt, um keinen Handlungsaugenblick zu verpassen. Honor musste schon einige Schicksalsschläge hinnehmen und gleichzeitig für ihre Kinder da sein. Sie ist eine liebevolle Mutter, die gleichzeitig in ständiger Angst lebt. Sie besitzt ein großes Misstrauen gegenüber allen und muss erst wieder lernen zu vertrauen. Elis Marshall ist ein liebenswerter Mann mit großem Herzen und viel Geduld sowie Einfühlungsvermögen. Er ist hilfsbereit und unaufdringlich.
„Geheimnisse von Tanner Hollow“ vereint neben Krimispannung auch Familienschicksal und Romanze in sich. Verdiente Leseempfehlung für eine packende und kurzweilige Lektüre, die eine unterhaltsame Auszeit spendiert.

Veröffentlicht am 04.12.2022

Zu viel Vertrauen ist häufig eine Dummheit, zu viel Misstrauen immer ein Unglück. (Johann Nestroy)

Die Kunstschätzerin
0

1866. Kunstkuratorin Eleanor Sheffield übernimmt nach dem Tod ihres Vaters das Familienunternehmen „Sheffield Brothers“, denn auch ihr Onkel ist gesundheitlich nicht auf der Höhe. Der Auftrag, als Verwalterin ...

1866. Kunstkuratorin Eleanor Sheffield übernimmt nach dem Tod ihres Vaters das Familienunternehmen „Sheffield Brothers“, denn auch ihr Onkel ist gesundheitlich nicht auf der Höhe. Der Auftrag, als Verwalterin für eine Kunstsammlung tätig zu werden, behagt Eleanor gar nicht, denn es handelt sich hierbei um das Erbe von Harry Lydney, in den sie einmal unglücklich verliebt war und vielleicht sogar geheiratet hätte. Harrys Vater hat mit dem Auftrag die Auflage verfügt, dass Eleanor entscheiden soll, ob sein Sohn die Sammlung erhalten soll, oder diese doch besser im South Kensington Museum aufgehoben wäre, da der verstorbene Lord befürchtet, Harry könnte einige Kunstwerke schnell zu Geld gemacht zu haben. Eleanor ist gar nicht wohl bei dem Gedanken, ihrer ehemaligen Liebe wieder gegenüber zu stehen, um den Auftrag auszuführen und ihn auf seine Ehrlichkeit hin zu überprüfen, nagen die Verletzungen und der Vertrauensbruch der Vergangenheit doch immer noch schwer an ihr…
Sandra Byrd hat mit „Die Kunstschätzerin“ einen historischen Roman vor der Kulisse des viktorianischen Englands vorgelegt, der den Leser nicht nur in die Bedeutung alter Kunstschätze sowie die Echtheitsprüfung zur damaligen Zeit unterweist, sondern auch mit einer komplizierten Liebesgeschichte unterhält, in der es um das Finden der Wahrheit und um die Zurückgewinnung von Vertrauen geht. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt den Leser gedanklich ins 19. Jahrhundert nach England reisen, wo er an Eleanors Seite die Ereignisse hautnah miterleben darf. Eleanor ist kunstbegeistert und hat sich viel von ihrem Vater abgeschaut. Das Führen eines Geschäfts war zur damaligen Zeit für eine ledige Frau eher ausgeschlossen, da ihre geschäftlichen Möglichkeiten sehr beschränkt waren und ihr die Gesellschaft praktisch Fesseln anlegte. Obwohl die Arbeit an der Kunstsammlung des verstorbenen Lords eine Bereicherung für ihr Geschäft wäre, sind die damit verknüpften Auflagen ein großes Problem für Eleanor, da sie ihrer großen Liebe Harry auf den Zahn fühlen soll, der sie doch so schmählich im Stich gelassen hat, um dann mit einer anderen aufzutauchen. Eleanor muss klug und gewitzt handeln, ihre eigene Enttäuschung hinten anstellen und vor allem pragmatisch vorgehen, aber die eigenen Gefühle spielen ihr immer wieder einen Streich und erschweren ihr die Aufgabe. Die Autorin hat gut recherchiert und den historischen sowie gesellschaftlichen Hintergrund gekonnt mit ihrer Geschichte verwoben. Der christliche Aspekt wurde unaufdringlich hineingearbeitet und umfängt die Themen Vertrauen in Gott und das Finden der Wahrheit.
Die Charaktere sind gut ausgestaltet und mit realistischen menschlichen Ecken und Kanten versehen, die es dem Leser erlauben, ihnen auf leisen Sohlen zu folgen. Eleanor ist eine zurückhaltende Frau, die zwar einige Schicksalsschläge durchstehen muss, sich aber gerade in der damaligen Zeit mutig behauptet, sich nicht unterkriegen lässt und ihre innere Unsicherheit nicht an die Oberfläche geraten lässt. Harry ist ein charmantes Schlitzohr, dem sein Fehler aus der Vergangenheit wohl bewusst ist und der nichts unversucht lässt, diesen wieder gut zu machen.
„Die Kunstschätzerin“ ist ein unterhaltsamer historischer Roman, der vor der Kulisse des viktorianischen Englands neben einer komplizierten Liebesgeschichte vor allem die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten sowie die Rolle der Frau zur damaligen Zeit thematisiert. Verdiente Leseempfehlung für kurzweilige Lesestunden und eine ausgesprochen gute Recherchearbeit!