Ein episches, lebendiges, einfühlsames und gedankenvolles Meisterwerk
Carrie Soto is BackNachdem mich Taylor Jenkins Reid in "The Seven Husbands of Evelyn Hugo" tief beeindruckt hat, und auch "Daisy Jones & The Six" mich überzeugen konnte, habe ich beschlossen, mich langsam aber sicher durch ...
Nachdem mich Taylor Jenkins Reid in "The Seven Husbands of Evelyn Hugo" tief beeindruckt hat, und auch "Daisy Jones & The Six" mich überzeugen konnte, habe ich beschlossen, mich langsam aber sicher durch das ganze Repertoire der Autorin durchzulesen. Als nächstes auf dem Plan stand für mich deshalb "Carrie Soto is Back", welches ich in den letzten Tagen als Hörbuch geradezu inhaliert habe. Nach 417 emotionalen und mitreißenden Seiten kann ich nun verkünden: Taylor Jenkins Reid hat hier mal wieder ein episches, lebendiges, einfühlsames und gedankenvolles Meisterwerk geschrieben!
“Other women in tennis—blond women with big boobs and long legs—often get modeling contracts at age seventeen. They show up on the cover of men’s magazines within a year or so of hitting the court for the first time. But not thicker women, like me. Or dark-skinned women like Carla Perez or Suze Carter. Not women who are British Chinese, like Nicki, or downright scary in their intensity like her either. Not the women who aren’t skinny and white and smiling. And yet, no matter what type of woman you are, we all still have one thing in common: Once we are deemed too old, it doesn’t matter who we used to be.”
Zunächst wie immer einige Worte zum Cover: Wie bei Taylor Jenkins Reids anderen Romanen wird das Cover von einem Ausschnitt der Hauptfigur eingenommen. In diesem Fall sieht man die dunkelhaarige Carrie Soto, die in einem weißen Sport-Top und mit vor Schweiß glänzendem Gesicht den Kopf in den Nacken legt und die Augen geschlossen hat. Ein großer, weißer Titel, ein Farbverlauf im Hintergrund und fertig ist das einfache aber gut getroffene Cover. Zum Glück hat sich der deutsche Verlag auch dazu entschieden, den englischen Originaltitel beizubehalten, welcher passender nicht sein könnte. Toll fand ich auch die kleinen Easter Egg Crossover zu "Daisy Jones & The Six" und "Malibu Rising", die TJR-Fans bestimmt auffallen werden.
“Luckily, I did not need to be pretty. My body was built to wage war.”
Doch steigen wir inhaltlich in diese Geschichte ein... An der Oberfläche handelt "Carrie Soto is Back" vor allem von einem: Tennis. Egal ob in dem Rückblick, in dem Carries Karriere als Tennisprofi von ihrer Kindheit bis zu ihrem Ausscheiden aufgrund einer Verletzung geschildert wird, oder später während ihrem Comeback, es vergeht kaum eine Seite, ohne dass hier nicht trainiert wird, wir Spiele verfolgen oder Strategien zurechtgelegt werden. Da ich für Tennis als Sport noch nie wirklich etwas übrighatte und auch nur oberflächliches Wissen zu den Regeln habe, sollte man meinen, dass mich das gelangweilt hat. Aber falsch gedacht! Während ich mit Carrie um den Sieg gebangt habe, habe ich langsam, aber sicher meine Begeisterung für diesen Sport entdeckt und konnte teilweise beim Hören des Buchs kaum still sitzen bleiben. Taylor Jenkins Reid nimmt uns mit grafischen Beschreibungen der Matches und Carries Innenleben mit auf den Platz, sodass man beinahe meint, selbst das Ploppen des Balls hören und die Gerüche des Platzes in der Sonne riechen zu können. Spätestens nach den letzten Seiten hatte ich wahnsinnig Lust, selbst mal einen Schläger in die Hand zu nehmen, oder zumindest ein Tennisspiel im TV zu verfolgen.
“I am so grateful, right now, for every match and every win and every loss and every lesson that I have behind me. It feels so good, right now, to be thirty-seven years old. To have figured at least some things out. To know the ground underneath my feet.”
Je länger man sich in "Carrie Soto is Back" vertieft, desto mehr bemerkt man jedoch, dass das Tennis - so spannend und lebensecht es auch geschildert ist - überhaupt nicht das Herz der Geschichte ist. Man könnte das Tennis theoretisch durch jede andere Sportart austauschen und könnte damit eine vergleichbare Geschichte erzählen. Was wirklich im Fokus des Romans steht, ist Carrie Soto als Figur und ihre wahnsinnige Entwicklung, die sie von Anfang bis Ende durchmacht. Die große Stärke der Bücher von Taylor Jenkins Reid ist, dass sich die fiktiven Figuren so lebensecht anfühlen, dass man meint, man könne sie googeln. Dabei schreibt die Autorin häufig von überlebensgroßen Stars, die man aber auch so gut kennenlernt, dass man sich wie ein Teil ihrer Familie fühlt. Die Protagonistinnen haben dabei immer Ecken und Kanten und sind nicht immer klare Identifikationsfiguren, aber sie finden dennoch in jedem Fall einen ganz eigenen Weg, sich ins Leserherz zu schleichen und dort häuslich einzurichten. So auch Carrie Soto.
“I keep thinking, I don’t cry on the court. I don’t cry on the court. But then I think, Maybe it’s a lie that you have to keep doing what you have always done. That you have to be able to draw a straight line from how you acted yesterday to how you’ll act tomorrow. You don’t have to be consistent. You can change, I think. Just because you want to. And so, for the first time in decades, I stand in front of a roaring crowd and cry.”
Wir lernen die Sportlerin als knallharte Kämpferin kennen, die in der Öffentlichkeit kaum Emotionen zeigt, die neben dem Platz keine Beziehungen oder Freundschaften pflegt und für die einzig und allein der Sieg zählt, weshalb sie sich über die Jahre den Namen "Kampfmaschine" eingehandelt hat. In der Öffentlichkeit ist sie nicht beliebt, doch keiner kann ihr absprechen, eine großartige Tennisspielerin zu sein. Zumindest bis sie verletzungsbedingt aussteigt und sie mit ansehen muss, wie eine jüngere Spielerin ihren Rekord für die meisten Grand Slam Siege bricht. Auch wenn sie verschlossen, hart und unbarmherzig wirkt, verliebt man sich beim Lesen dennoch in diese brillante Frau voller Kampfgeist und Siegeswille und stellt sich mit ihr einer letzten Saison als Profi entgegen, die die wichtigste ihrer Karriere werden wird. Zuzusehen, wie sie nicht nur den Spaß an ihrem Sport wiederentdeckt, den sie durch all den Druck, den sie sich selbst macht, verloren hat, sondern auch ihr Herz öffnet, immer mehr Beziehungen zu anderen Menschen aufbaut und vor allem lernt, zu verlieren, um zu erfahren, was es bedeutet, eine wirkliche Gewinnerin zu sein, ist einfach wundervoll!
“Falling in love is really quite simple,” she says. “You want to know the secret? It’s the same thing we are all doing about life every single day.” I look to her. “Forget there’s an ending.”
Die Liebesgeschichte zum ebenfalls alternden Tennisprofi Bowe steht dabei anders als im Klapptext suggeriert dezent im Hintergrund und lässt Raum für die zwei wirklich relevanten Liebesgeschichten, die hier erzählt werden: die von Carrie und ihrem Vater Javier und die von ihr zu sich selbst und all den Möglichkeiten, die sich ihr bieten, wenn sie mehr in sich sieht als nur die "Kampfmaschine". Besonders tief berührt hat mich dabei Javi, welcher als Nebenfigur genügend Tiefe besitzt, um ein weiteres Buch zu füllen. Gemeinsam mit anderen tollen Nebenfiguren wie Carries Agentin Gwen oder ihre Gegnerin Nikki lehren uns Bowe, Javi und vor allem Carrie einige wichtige Lektionen über Altern in Würde, Umgang mit Leistungsdruck, Ansprüche der Gesellschaft an Frauen, familiäre Beziehungen und wahre Größe.
“We live in a world where exceptional women have to sit around waiting for mediocre men.”
Auch wenn einige Aspekte der Geschichte - nun, vorhersehbar möchte ich es nicht nennen, aber zumindest im Verlauf der Erzählung unvermeidbar sind, wusste ich bis 5 Minuten vor dem Ende des Buches nicht, wie die Geschichte ausgehen würde. Vor allem das letzten Drittel ist so voller entscheidender Momente und Schlüsselszenen, dass ich beim Hören wild auf und ab gehen musste. Wie die Autorin den Roman am Ende auflöst, empfand ich als sehr stimmig und gebe nun tief berührte 5 Sterne!
Fazit:
In "Carrie Soto is Back" erzählt Taylor Jenkins Reid ein episches, lebendiges, einfühlsames und gedankenvolles Meisterwerk über Tennis, Altern in Würde, Umgang mit Leistungsdruck, Ansprüche der Gesellschaft an Frauen, familiäre Beziehungen und wahre Größe.