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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.01.2023

Nicht überzeugend!

Stigma (Milosevic und Frey ermitteln 1)
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Thriller, in denen Gewalt gegen Frauen im Mittelpunkt steht, meide ich üblicherweise wie die Pest, vor allem dann, wenn es um das in diesem Genre gerne genommene Thema Sexualisierte Gewalt geht. Dass ich ...

Thriller, in denen Gewalt gegen Frauen im Mittelpunkt steht, meide ich üblicherweise wie die Pest, vor allem dann, wenn es um das in diesem Genre gerne genommene Thema Sexualisierte Gewalt geht. Dass ich dennoch zu „Stigma“ gegriffen habe, hat zwei Gründe. Zum einen wurde es mit den Aussagen „Für alle, die es leid sind, immer wieder dieselbe Geschichte über ermordete Frauen zu lesen: Dieses Buch ist für Euch.“ und „Auftakt einer feministischen Thriller-Serie“ beworben, zum anderen verbergen sich hinter dem Pseudonym Lea Adam die beiden Autorinnen Regina Denk und Lisa Bitzer, was mich auf das entsprechende Fingerspitzengefühl und den sensiblen Umgang mit dieser Thematik hoffen ließ. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn ich zuerst nach einer Leseprobe geschaut hätte, denn bereits während des Prologs löste sich diese Hoffnung in Luft auf und es war klar, wohin die Reise geht.

„Stigma“ ist ein Thriller über Selbstjustiz, Rache und Schuld, aber ist es auch ein feministischer Thriller? Diese Bezeichnung greift nur dann, wenn man damit zufrieden ist, dass weibliche Opfer von männlicher Gewalt zu Täterinnen werden und somit die Geschlechterrollen umkehren. Natürlich ist diese Selbstjustiz ein nachvollziehbar, aber dennoch sollte, ja muss man sie infrage stellen, wenn man den eigenen moralischen Kompass nicht aus den Augen verlieren will. Stellt sich allerdings die grundlegende Frage, ob es wirklich notwendig ist, eine Vergewaltigung oder einen Mord im Detail zu beschreiben, um Spannung zu erzeugen. Ich bin wirklich nicht zimperlich, aber das war selbst mir über weite Strecken zu viel, zu undifferenziert und konnte mich deshalb nicht überzeugen.

Veröffentlicht am 30.12.2022

Verschwendete Lesezeit

Das College
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Oxford, fiktives College. Eine Freundesclique. Zwei Zimmergenossinnen unterschiedlicher Herkunft: Hannah, die aufgrund ihrer schulischen Leistungen ein Stipendium erhalten hat und April, das It-Girl aus ...

Oxford, fiktives College. Eine Freundesclique. Zwei Zimmergenossinnen unterschiedlicher Herkunft: Hannah, die aufgrund ihrer schulischen Leistungen ein Stipendium erhalten hat und April, das It-Girl aus der wohlhabenden Familie, die ermordet wird. Ihr verurteilte Mörder, ein übergriffiger Pförtner, der aufgrund von Hannahs Aussagen des Mordes beschuldigt, angeklagt und verurteilt wird.

Zehn Jahre später: Ein Journalist, der nach dessen Tod im Gefängnis Hannah kontaktiert, sie verunsichert und Zweifel an der Schuld des Verurteilten in ihr weckt, sie dazu bringt, ihre damaligen Beobachtungen zu hinterfragen.

Der Handlung des Romans wird auf zwei Zeitebenen, Davor und Danach, aus Hannahs Sicht erzählt. Diese lebt mittlerweile in Edinburgh, erwartet ihr erstes Kind und ist mit Aprils ehemaligem College-Sweetheart Will verheiratet ist.

Beworben wird „Das College“ als Thriller, wobei die charakteristischen Thrillerelemente allerdings rar gesät sind. Der Roman ist eher das Psychogramm einer zutiefst unsicheren, traumatisierten Frau, die zwar ständig alles und jedes reflektiert, dabei aber keinen Schritt weiterkommt. Und das ist auch das zentrale Problem, das ich mit diesem Buch hatte. Die alternierenden Kapitel sind viel zu lang, ausführlich und sich inhaltlich wiederholend, als dass sie Tempo, geschweige denn Spannung erzeugen könnten.

Die Personen sind höchst oberflächlich und klischeehaft charakterisiert. Natürlich ist Opfer April vermögend und extrem attraktiv. Nicht zu vergessen natürlich auch intelligent, selbst wenn sie in all ihrer Oberflächlichkeit das gut zu verbergen weiß. Den Gegenpol dazu verkörpert Hannah, aus einfachen Verhältnissen, verhuscht und naiv, die sich noch nicht einmal traut, den übergriffigen Pförtner bei der Verwaltung zu melden. Sorry, Mrs Ware - hat man in England noch nichts von #Me Too gehört?

Last, but not least, spielen auch Oxford und das akademische Milieu eine höchst unglaubwürdige Nebenrolle. Eine vergebene Chance, denn gerade hier wären durchaus Möglichkeiten für interessantere Verwicklungen als die angebotenen möglich gewesen.

Veröffentlicht am 12.12.2022

Weder Krimi noch Flair

Der Mordclub von Shaftesbury – Eine Tote bleibt selten allein
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Penelope St. James wird von ihrem Boss auf‘s Land versetzt. In Shaftesbury soll sie eine Zweigstelle der Londoner Partnervermittlungsagentur aufbauen. Dass dieses Vorhaben unerwartete Komplikationen in ...

Penelope St. James wird von ihrem Boss auf‘s Land versetzt. In Shaftesbury soll sie eine Zweigstelle der Londoner Partnervermittlungsagentur aufbauen. Dass dieses Vorhaben unerwartete Komplikationen in vielerlei Hinsicht mit sich bringt, darf man voraussetzen. Glücklicherweise findet sie Unterstützung bei ihren Nachbarn, einem verwitweten Tierarzt und seiner aufgeweckten Tochter. Das tödlich verletzte Unfallopfer, das sie bei ihrer Jogging-Runde per Zufall entdeckt, wird da eher zur Nebensache.

„Ein charmanter Krimi voller England-Flair“, mit dieser Aussage wird „Der Mordclub von Shaftesbury“, offensichtlich als Reihenauftakt geplant, beworben. Bereits der Titel erinnert, gewollt oder ungewollt, an die Donnerstagsmordclub-Krimis des englischen Autors Richard Osman. Und auch die Protagonistin weist verblüffende Ähnlichkeiten mit M.C. Beatons Agatha Raisin auf.

Kommen wir zu dem England-Flair. Das erschöpft sich im Wesentlichen in der Erwähnung eines Herrenhauses samt dazugehörigem Earl, einer Teestube und den skurrilen älteren Damen des Buchclubs, wobei der englische Humor sich leider auch hier nicht offenbart. Die Ortsangaben? Geschenkt, zeugen sie auch nicht von besonderer Ortskenntnis. Shaftesbury wird in Cornwall verortet, gehört aber zu North Dorset und ist kein Weiler mit einer Handvoll Häusern sondern eine Kleinstadt. Und Middlesbourgh liegt ca. 5 Stunden Fahrtzeit entfernt in North Yorkshire. Unglaubwürdig, wenn Penelope lediglich für einen kurzen Einkaufsbummel unterwegs ist.

Was die Zuordnung dieses Buches zum Cozy Crime-Genre angeht, bin ich leider auch nicht überzeugt. Schon kurz nach Beginn ist klar, dass es zwischen Protagonistin und dem smarten Tierarzt knistert, nach fünfzig Seiten sind sie in Liebe entflammt, was sich durch den gesamten Roman zieht und den halbherzig konstruierten Mordfall überlagert, der erst gegen Ende wieder in den Fokus rückt und ruckzuck den Bösewicht entlarvt.

Sorry, aber das war entäuschend. Ein England-Urlaub und das entsprechende Pseudonym reichen leider nicht aus, um einen charmanten Krimi voller England-Flair zu schreiben.

Veröffentlicht am 25.11.2022

Eine Anhäufung von Banalitäten

Hell's Kitchen
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Christian Zaschke schreibt seit 2001 für die Süddeutsche Zeitung, zuerst in München, zwischen 2011 und 2017 in London und seit 2017 New York. Für seine Heimatredaktion hat er in dieser Zeit nicht nur über ...

Christian Zaschke schreibt seit 2001 für die Süddeutsche Zeitung, zuerst in München, zwischen 2011 und 2017 in London und seit 2017 New York. Für seine Heimatredaktion hat er in dieser Zeit nicht nur über die amerikanische Tagespolitik berichtet, sondern auch zusätzlich eine Kolumne gefüttert, in der er in 107 Beiträgen sein Leben in „Hell’s Kitchen“ beschrieben hat, diesem einstmals wegen seiner Bandenkriege und hoher Kriminalitätsrate berüchtigten Viertel in Manhattan, mittlerweile aber auch, wie so viele New Yorker Stadtteile mit Geschichte, der Gentrifizierung zum Opfer gefallen.

Aber darum geht es dem Autor nicht. Weder erfährt man Details zur Geschichte des Viertels, noch zu New York. Stattdessen nervt er mit nichtssagenden, inhaltsleeren und sich permanent wiederholenden Aussagen über sein Apartment im 17. Stock des ehemaligen Schwesternwohnheims, seinen ständig zitternden Friseur, der entweder alkoholabhängig oder an Parkinson erkrankt und deshalb nicht in der Lage ist, einen ordentlichen Haarschnitt hinzubekommen, die Schrottbar Rudy’s, deren Adresse aus welchen Gründen auch immer nicht genannt werden darf und in der er Stammgast ist. Tipps zu den interessanten und einzigartigen Ecken des Big Apple? Fehlanzeige, und sehr frustrierend für alle, die sich Infos über Erlebenswertes abseits der Touristenpfade von einem Insider erhoffen. Und unterm Strich null Erkenntnisgewinn für all diejenigen, die schon mehrfach in New York waren.

Mein Resümee? Eine Anhäufung von Banalitäten, die man sich getrost sparen kann. Da wäre selbst die Schilderung meines Aufenthaltes in der Notaufnahme in der Lower East Side unterhaltsamer gewesen.

Veröffentlicht am 06.11.2022

Ein Gesellschaftsroman, der gerne eine Kriminalgeschichte wäre. Oder doch umgekehrt?

Unschuld
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Im Zentrum von Takis Würgers neuem Roman „Unschuld“ steht Molly Carver, dreiundzwanzig, an Angststörungen und Panikattacken leidend und deshalb medikamentenabhängig. Sie lebt mit ihrem Onkel Mick in einer ...

Im Zentrum von Takis Würgers neuem Roman „Unschuld“ steht Molly Carver, dreiundzwanzig, an Angststörungen und Panikattacken leidend und deshalb medikamentenabhängig. Sie lebt mit ihrem Onkel Mick in einer kleinen Kellerwohnung in Queens, in der sämtliche Freiflächen mit Zeitungsartikeln über ihren Vater Florentin beklebt sind. Dieser hat sich des Mordes am Sohn der vermögenden Rosendales aus dem Hudson Valley schuldig bekannt und sitzt nun seit zehn Jahren in der Todeszelle. Nun steht der Termin für seine Hinrichtung fest und Molly, überzeugt von seiner Unschuld, bleiben nur 35 Tage, um diese zu beweisen. Dafür muss sie aber in die Vergangenheit eintauchen, und wo könnte das besser gelingen als auf dem Anwesen der Rosendales?

Ein Plot, der vertraut klingt und den wir aus zahlreichen Justizthrillern kennen. Allerdings sind es dort in der Regel die Profis, die sich dieser Herausforderung annehmen und seltener bis nie eine junge Frau mit zahlreichen Handicaps. Dieser Thriller-Aspekt tritt aber relativ schnell in den Hintergrund und macht Platz für jede Menge gesellschaftspolitischer Themen, die sich dem Autor bei seinen Aufenthalten in den Vereinigten Staaten offenbar aufgedrängt haben. Allerdings liegen diese, auch wenn man die amerikanischen Verhältnisse nur auch der Ferne betrachtet, so glasklar auf der Hand, dass man darüber kaum noch sprechen muss: Soziale Ungerechtigkeit, Superreiche, die über dem Gesetz stehen, Arme, die ihre Seele verkaufen, die Macht der Waffenlobby, tief verankert durch den zweiten Zusatzartikel zur Verfassung, Medikamentenmissbrauch, Todesstrafe und seltene Krankheit. Wenig überraschen, thematisch überfrachtet, aber genauso oberflächlich abgehandelt wie die Beschreibungen der persönlichen Beziehungen.

Ein Gesellschaftsroman, der gerne eine Kriminalgeschichte wäre? Oder doch umgekehrt? Funktioniert leider auf beiden Ebenen nicht zufriedenstellend.