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Veröffentlicht am 29.01.2023

Eine Partitur auf Bahngleisen

Der kalte Glanz der Newa
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Auf den Bahngleisen in der Nähe des Lagodasees bei Leningrad in einem eiskalten Winter im Jahre 1951 werden fünf Leichen gefunden, drei Männer und zwei Frauen. Die Leichen sind wie bei Notenlinien auf ...

Auf den Bahngleisen in der Nähe des Lagodasees bei Leningrad in einem eiskalten Winter im Jahre 1951 werden fünf Leichen gefunden, drei Männer und zwei Frauen. Die Leichen sind wie bei Notenlinien auf den Bahngleisen abgelegt worden. Die Hände wurden den Opfern abgetrennt, die Zähne entfernt und die Gesichter zerschnitten, damit sie nicht identifiziert werden können.
Es ist der erste Fall für Leutnant Levol Rossel von der hiesigen Polizei und stellt fast nicht zu lösende Herausforderungen an ihn sowie an seinen Vorgesetzten Hauptmann Lipuchin. Rossel, der in jungen Jahren ein begabter Violinist am Konservatorium war, durch Folterung der Miliz und der damit verstümmelten und verkrüppelten Hände aber nicht mehr spielen konnte erkennt, dass der Mörder etwas mit Musik zu tun haben muss.
Schnell sitzt der Polizei Stalins gefürchtetes Ministerium für Staatssicherheit im Nacken. Der Fall soll schnellsten geklärt werden, denn der Leningrader Parteitag steht bevor, wo die ranghöchsten Politiker des Landes erwartet werden. Da will man glänzen und einen guten Eindruck hinterlassen. Ein Hoch und Tief für Rossel, der bei den Ermittlungen zum wiederholten Mal in die Fänge der Volksmiliz vom MGB gerät.

Mein Fazit:
Die Autoren Chris Rickaby und Barney Thompson schreiben gemeinsam unter dem Pseudonym „Ben Creed“. Mit diesem Buch haben Sie ihren Debütroman veröffentlicht.
Das Machtgefüge vom Ministerium für Staatssicherheit (MGB) wird authentisch beschrieben sowie auch die Ängste des russischen Volkes. Allerdings gibt es auch Ungenauigkeiten, sei es durch Lücken in der Recherche oder fehlerhafte Übersetzungen (Bsp.: Schreibweise Beria ist nicht ganz korrekt, genau muss es Berija (Lawrentij Pavlovitsch Berija) heißen. Dieser war nicht nur stellvertretender Ministerpräsident der UdSSR, sondern auch Chef des sowjetischen Geheimdienstes).
Ob es sich laut der britischen TIMES um den besten Thriller 2020 handelt, kann ich nicht beurteilen, dazu fehlen mir die Vergleiche. Wer sich für Zeitgeschichte interessiert und zusätzlich auf Spannung setzt, ist hier aber genau richtig.

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Veröffentlicht am 08.06.2022

Coastal Airways Flug 416 bitte melden

Flug 416
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Flugkapitän Bill Hoffman hätte eigentlich ein paar Tage frei gehabt und hatte sich darauf gefreut, mit seiner Familie etwas zu unternehmen. Da ihn aber sein Chef bittet, außerplanmäßig einen Flug von L.A. ...

Flugkapitän Bill Hoffman hätte eigentlich ein paar Tage frei gehabt und hatte sich darauf gefreut, mit seiner Familie etwas zu unternehmen. Da ihn aber sein Chef bittet, außerplanmäßig einen Flug von L.A. nach New York zu übernehmen, lässt er sich dazu überreden. Eine fatale Entscheidung, wie sich schon bald nach dem Start herausstellen sollte.
Ein Anrufer im Cockpit informiert Bill darüber, dass er seine Frau Carrie und seinen zehnjährigen Sohn Scott sowie das zehn Monate alte Baby Elsie in seine Gewalt gebracht hat. Bill soll entweder das Flugzeug mit über 140 Passagieren an Bord zum Absturz bringen oder er wird seine Familie töten. Etwas mehr als sechs Stunden hat er dazu Zeit - genau so lange, wie der Flug dauern wird.
Schnell wird der Crew klar, dass der Entführer einen Komplizen an Bord haben muss.

Mein Fazit:
Der Debütroman von T. J. Newman ist ein absoluter Pageturner, von der ersten bis zur letzten Seite. Viel Input aus ihrer Zeit als Flugbegleiterin lässt die Autorin mit einfließen.
Bis zum Schluss weiß man nicht, welches Ende die Flugzeugentführung nehmen wird und ob Bills Familie am Leben bleibt. Das Cover bezeichne ich als durchaus gelungen. Es ist schlicht, aber prägnant und in düsteren Farben gehalten – so düster wie die Lage der Crew an Bord.
Ich warte schon mit Spannung auf einen weiteren Roman von ihr.

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Veröffentlicht am 17.05.2022

Europa bis Südafrika hin und zurück

Der Flug der Störche
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Die Störche ziehen jedes Jahr im Spätsommer von Europa bis nach Zentralafrika und kehren im Frühjahr wieder zurück. Der weltbekannte Schweizer Ornithologe Max Böhm studiert das Verhalten der Vögel genau ...

Die Störche ziehen jedes Jahr im Spätsommer von Europa bis nach Zentralafrika und kehren im Frühjahr wieder zurück. Der weltbekannte Schweizer Ornithologe Max Böhm studiert das Verhalten der Vögel genau und beringt Sie auch, um seine Beobachtungen durch Helfer in den einzelnen Ländern auf der Flugroute zu dokumentieren.
Als im kommenden Frühjahr die Störche nicht zurückkehren, ist Böhm stark beunruhigt. Er heuert den jungen Louis Antioche an, der der Flugroute der Vögel folgen soll, um den Grund zu erfahren, warum die Rückkehr der Störche ausgeblieben ist.
Bevor sich Antioche auf den Weg machen kann, ist Böhm plötzlich verschwunden und er findet ihn tot und übel zugerichtet in einem Storchennest. Trotzdem macht sich Antioche auf den Weg und folgt einer Route des Grauens und es ist nicht vorauszusehen, wie sie endet.

Mein Fazit:
Der beste Thriller, den ich seit langem gelesen habe – phantastisch und grausam zugleich. Kein Leerlauf durch unnötiges aufblähen der Handlung, Spannung von Anfang bis Ende.

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Veröffentlicht am 26.06.2024

Hass – Leid – Liebe

Wenn sie lügt
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Waldesroda ist ein kleiner trister Ort in Thüringen, wo ein verschlossener Menschenschlag lebt. Dort ist damals vor neunzehn Jahren ein unfassbares Verbrechen geschehen, das das Leben komplett verändert ...

Waldesroda ist ein kleiner trister Ort in Thüringen, wo ein verschlossener Menschenschlag lebt. Dort ist damals vor neunzehn Jahren ein unfassbares Verbrechen geschehen, das das Leben komplett verändert hat. Diese Vergangenheit hat Auswirkungen auf die Gegenwart.

In zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt der Autor abwechselnd aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Zum besseren Verständnis sind die Kapitel jeweils mit »NORAH«, »GORAN« und »ER« übertitelt. Cliffhanger an den Kapitelenden dienen dazu, zum Weiterlesen anzuspornen. Das hat Geschke sehr gut umgesetzt.

Rolaf, Peggy, Marcel, Lisa, Daniel, Norah und Goran sind eine eingeschworene Teenager-Clique. Als sich Norah in den vier Jahre älteren David verliebt, bekommt die Clique erste Risse. David will nicht, dass Norah sich weiter mit ihren Freunden trifft. Aus unerklärlichen Gründen ermordet David ein Liebespärchen und wird kurz nach der Tat und seiner Flucht von der Polizei für tot erklärt. Norah ist fortan nur noch die »Freundin des Killers«. Schweigen nach der Tat bringt die Clique endgültig auseinander.

Weil beide der Vergangenheit entfliehen wollen, zieht Norah nach Dresden und Goran nach Berlin.

Neunzehn Jahre später – Norah ist längst wieder in ihre Heimat zurückgezogen – brechen die alten Wunden wieder auf. Mysteriöse Drohbriefe tauchen plötzlich bei Norah auf. Dort werden Dinge erwähnt, die außer ihr nur noch David wissen konnte. Zudem nennt sie der Briefeschreiber »Äffchen«, so wie David sie liebevoll genannt hatte. Ist es ein Indiz dafür, dass er bei seiner Flucht nicht ums Leben gekommen und jetzt zurückgekehrt ist? Ein spannendes Element, das der Autor hier eingebaut hat.

Auch Goran kehrt aus Berlin zurück. Norahs Mutter Elisabeth, zu der Goran immer ein besonderes Verhältnis hatte, erzählt ihm von den Drohbriefen und bittet ihn, zurückzukommen. Norah und Goran hatten schon immer eine engere Beziehung zueinander, wollten sich dies aber nie eingestehen.

In einer auktorialen Erzählweise wird uns das Leben der Protagonisten Norah und Goran vor neunzehn Jahren und in der Gegenwart als Erwachsene mit Mitte dreißig geschildert. Dazwischen erfahren wir aus den Kapiteln, die mit »ER« beginnen, von einer Person voller Wut und Hass, die sich rächen will. Aber an wem und für was?

Im Laufe der Handlung wird »ER« immer mehr zum zentralen Thema. Norah und Goran versuchen, sie oder ihn ausfindig zu machen. Es kann sich nur um jemanden im näheren Umfeld von Norah handeln. Im Ausschlussverfahren derer, die es sein könnten, wird der Kreis immer kleiner.

Wenn man als aufmerksamer Leser die richtigen Schlüsse zieht, kommt man der Lösung schon bald auf die Spur. Es gibt nur eine Person, die die Drohbriefe geschrieben haben kann, auch wenn Geschke versucht, immer wieder andere Fährten zu legen.

Fazit:

Nach »Das Loft« (2022) und »Die Verborgenen« (2023) ist dies der dritte Stand Alone-Thriller von L. Geschke. Wie man hört, will der Autor sich demnächst wieder einer neuen Reihe widmen.
Die Charaktere der einzelnen Figuren sind sehr gut ausgearbeitet. Das trifft in erster Linie auf Norah und Goran zu.
Was in diesem Thriller weiterhin auffällt, ist die Tatsache, dass wir keine polizeilichen Ermittlungen haben, geschweige denn ein Ermittlerteam – lediglich ein oder zweimal wird ein Polizeieinsatz am Rand erwähnt.
Eingefügte Absätze mit Fallzahlen aus der Kriminalstatistik sind interessant und aufschlussreich. Das hat mir sehr gut gefallen.
Leider konnte mich das Setting nicht ganz überzeugen. Eingefügte Plot-Twists hätten die Handlung bereichert. Von der Dynamik her ist »Wenn sie lügt« nicht der stärkste Stand-Alone des Autors.

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Veröffentlicht am 14.05.2024

Ein Experiment mit verheerenden Folgen

Der dreizehnte Mann
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Wer könnte so eine Geschichte besser in Szene setzen als der ehemalige Strafverteidiger Florian Schwiecker und der Rechtsmediziner Michael Tsokos. Sie lassen dabei tief hinter die Kulissen des deutschen ...

Wer könnte so eine Geschichte besser in Szene setzen als der ehemalige Strafverteidiger Florian Schwiecker und der Rechtsmediziner Michael Tsokos. Sie lassen dabei tief hinter die Kulissen des deutschen Rechtssystems blicken. Der spannende Fall um ein Tötungsdelikt vor dem Hintergrund eines Missbrauchs-Skandals ist in Anlehnung an ein reales Experiment entstanden. Die beiden Autoren legen allerdings Wert darauf, dass die hier vorkommenden Charaktere und die Handlung fiktiv und frei erfunden sind.

Pflegekinder wurden Anfang der 1970er-Jahre über einen längeren Zeitraum an pädophile Männer vermittelt. Dies alles geschah mit Duldung, Unterstützung und Ermöglichung von sexualisierter Gewalt durch die Jugendämter.

Jörg Grünwald und Timo Krampe leben beide in zerrütteten Familienverhältnissen, so dass sich das Berliner Jugendamt einschaltet und die beiden Jungen in die Obhut von Olaf Haarmann gibt. Da Haarmann pädophil ist, kann man erahnen, welchen seelischen und körperlichen Qualen die beiden Jungen ausgesetzt sind. Mit achtzehn verlässt Jörg diese Umgebung, und als Timo sechzehn ist, entzieht er sich der Obhut durch Flucht. Danach verlieren sich die beiden zunächst aus den Augen.

Jahre später treffen sich die beiden Freunde wieder und beschließen, mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit zu gehen. Nachdem sie weder bei der Polizei noch beim Jugendamt oder sonstigen öffentlichen Einrichtungen Gehör finden, wenden sie sich an die Journalistin Anja Liebig, die ihre Geschichte als Artikel in der Zeitung veröffentlichen will.

Ab da nimmt das Schicksal seinen Lauf, und plötzlich ist einer der beiden Männer tot. Handelt es sich um Mord? Will jemand die Veröffentlichung des Missbrauchs-Skandals verhindern oder was steckt dahinter?

Ein renommierter Strafverteidiger und sein Freund sowie Privatermittler, eine Staatsanwältin, eine Journalistin, ein Rechtsmediziner, ein Hacker und die Leiterin des Jugendamtes Berlin-Nord versuchen gemeinsam Licht in diesen vertrackten Fall zu bringen.

Im letzten Drittel des Buches werden wir viel über das deutsche Rechtssystem erfahren. Es wird ausführlich und präzise erklärt. Erst ab diesem Zeitpunkt ist die Handlung für mich zu einem wahren Justiz-Krimi geworden.

Nachdem die Spannungskurve deutlich zunimmt, ist die Auflösung ein wahrer Paukenschlag, mit dem ich nicht gerechnet habe.

Fazit:

Ein solches Experiment wie das hier Geschilderte finde ich abartig und pervers. Wie kann man auffällig gewordene Kinder auf Vermittlung der Jugendämter in die Obhut von pädophilen Männern geben?
Kurze Kapitel, die zum Teil als Cliffhanger enden, sind immer ein gutes Stilmittel. Einige Male waren mir die Kapitel allerdings zu kurz (manchmal nur eine Seite). Diese jeweils mit Ortsangabe und Uhrzeit zu betiteln ist eine Geschmacksfrage – mich hat es nicht gestört.
Die Schreibweise ist flüssig, die Handlung nimmt einen spannenden Verlauf und zum Ende hin eine überraschende Wende. Ich vergebe vier Sterne.

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