"Ich mag Interviews"
1978 interviewte Jonathan Cott vom Rolling Stone Magazin die amerikanische "Multiintellektuelle" Susan Sontag. Das Interview begann in der Pariser Wohnung von Sontag und wurde fünf Monate später in ihrem ...
1978 interviewte Jonathan Cott vom Rolling Stone Magazin die amerikanische "Multiintellektuelle" Susan Sontag. Das Interview begann in der Pariser Wohnung von Sontag und wurde fünf Monate später in ihrem New Yorker Loft beendet. Insgesamt zwölf Stunden dauerte das Gespräch.
Der Titel bezieht sich auf die Wertschätzung Sontags, die sie sowohl der sogenannten Hochkultur als auch der Pop(ulär)kultur entgegenbrachte. Dieser Ansicht hat sie in ihrer Essaysammlung "Kunst und Antikunst" (1966) Ausdruck verliehen und stieß damit in vielen Teilen der Intellektuellen auf Unverständnis. Die eifrige Kinogängerin Sontag, die sich für alles begeistern konnte, war aber ihrer Zeit weit voraus. Denn was bestimmt heute den Alltag? Ist es die Hoch- oder die Populärkultur? Es hat eine Verschiebung stattgefunden, an die die Medien einen damals unvorstellbaren Anteil haben. In einer anderen ihrer bekannten Essaysammlungen, "Über Fotografie" (1977), kommen Gedanken zum Tragen, die sich auf die heutige Social-Media-Generation anwenden lassen. Im Interview spricht sie von einer "Vereinnahmung" durch die Kamera (S. 67). Andere spannende Passagen des Gespräches beziehen sich auf die Krebserkrankung der Autorin und die "Metaphern", die damit verbunden sind. Das Buch "Krankheit als Metapher" (1977) räumt mit vielen Vorurteilen gegenüber der Krankheit auf und macht bewußt, wie wir sprachlich damit umgehen. Es sei eine sehr ernste Krankheit, aber eben keine selbstverschuldete oder gar ein Stigma.
Das verschriftlichte Interview ist mit 127 Seiten bequem an einem Nachmittag zu lesen. Ein erläuterndes Vorwort sowie ein hilfreiches Personen- und Titelregister runden das Büchlein ab. Mir hat es wirklich gefallen und es liest sich auch gut, weil Sontag quasi druckfähig - großartig ausformuliert - in ganzen Absätzen auf die Fragen von Cott eingeht. Da haben die Antworten wirklich Substanz und man kann Gedanken der Autorin nachvollziehen. In Ergänzung zu ihren Texten und Biographien über sie (Schreiber gefällt mir besser als Moser) kann ich das Interview sehr empfehlen.