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Veröffentlicht am 14.02.2023

Die bewegende Geschichte einer Familie – großartig erzählt

Saubere Zeiten
2

Jakob sitzt im Wohnzimmer, er schaut sich die Familienfotos an. Ein Schnappschuss zeigt seinen Großvater am Strand, an der Hand sein kleiner Sohn, Jakobs Vater. Lange haben sie sich nicht gesehen, doch ...

Jakob sitzt im Wohnzimmer, er schaut sich die Familienfotos an. Ein Schnappschuss zeigt seinen Großvater am Strand, an der Hand sein kleiner Sohn, Jakobs Vater. Lange haben sie sich nicht gesehen, doch nun ist er hier, in Trier, seiner alten Heimat. Sein Vater liegt in der Klinik, es geht ihm nicht gut.

Jakob sieht sich in seinem Elternhaus um. In seinem ehemaligen Zimmer holt ihn die Vergangenheit ein, er entdeckt Tagebücher seines Großvaters und viele von seinem Vater besprochene Tonbänder. Diese führen ihn zurück in eine Zeit, als sein Großvater jung war. Vieles hat er erfunden, er war ein genialer Tüftler. Er, der ehemals kleine Drogist, hat ein Waschmittel auf den Markt gebracht, das der Familie zu Wohlstand verhalf. Wie es scheint, konnte er aber nicht mit Geld umgehen und so haben sie letztendlich alles wieder verloren.

„Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, dass mein Vater mit mir spricht.“ Konnten Vater und Sohn nicht offen miteinander kommunizieren? So viel Sprachlosigkeit war zwischen ihnen und nun hört Jakob die Geschichte von seiner Familie zwischen den Fahrten ins Krankenhaus und den Tonbändern, die ihn zurückführen ins Nazi-Deutschland und ihn später dann nach Brasilien fliegen lassen, nach Rio de Janeiro. Dort trifft er auf Bella, die vor langer Zeit hierher ausgewandert ist. Sie ist es, die ihm ein nicht ganz unwesentliches, lange gehütetes Geheimnis anvertraut.

Andreas Wunn verrät zum Schluss, dass zwar die Fakten rund um das Waschmittel, das sein Großvater erfunden und ihn zu kurzem Reichtum verholfen hat, die seiner Familie sind, alles andere jedoch ist fiktiv. Es ist eine von ihm gut erdachte Geschichte, die aber genau so gewesen sein könnte.

Nachdem ich das Buch zugeklappt habe, musste ich erst mal ganz tief durchatmen, habe mir das Cover nochmal näher betrachtet und die empfundene Sprachlosigkeit trotz der räumlichen Nähe zwischen Vater und Sohn erst so richtig gespürt. „Saubere Zeiten“ waren es im übertragenen Sinne beileibe nicht, niemand kann sich von Schuld reinwaschen.

Die generationenübergreifende Geschichte um die Familie Auber hat mich sofort gefesselt, dem so einnehmenden Schreibstil konnte und wollte ich mich gar nicht entziehen, hier stimmt alles. Die so unterschiedlichen Charaktere sind allesamt authentisch dargestellt, es sind Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen. Neben Großvaters immer größer werdendem Familienunternehmen mit all den familiären Facetten, auch denen um Jakobs Vater, hat Jakob auch von sich erzählt. Dabei hat er geschickt mit den Zeitebenen gespielt, die Übergänge sind fließend, sie gelingen mühelos, gleiten perfekt ineinander über. Ein großartiges Buch, eine beeindruckende Geschichte, die von mir eine absolute Leseempfehlung erhält.

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Veröffentlicht am 11.02.2023

Historisch, spannend, lesenswert

Das Gelübde der vergessenen Tochter
2

„Du bist im Kloster Tannhöhe… Der Pförtner hat dich halb erfroren vor dem Tor gefunden.“ Schreckliches ist passiert, man hat sie überfallen und ihren geliebten Julian getötet. Sie hat sich tot gestellt, ...

„Du bist im Kloster Tannhöhe… Der Pförtner hat dich halb erfroren vor dem Tor gefunden.“ Schreckliches ist passiert, man hat sie überfallen und ihren geliebten Julian getötet. Sie hat sich tot gestellt, nur so konnte sie ihnen entkommen. Was ist geschehen? Die junge Frau weiß, dass sie nichts von sich preis geben darf. Wer sie ist, woher sie kommt – sie gibt vor, es nicht zu wissen. Die Klosterschwestern nennen sie schließlich Laya.

Der Auftakt der historischen Bergkloster-Dilogie entführt ins 12. Jahrhundert. Der noch junge Orden der Prämonstratenser unterhielt Doppelklöster, in denen Frauen und Männer unter der Leitung eines gemeinsamen Ordensoberen streng getrennt voneinander lebten.

Nach den dramatischen ersten Seiten lässt mich Layas Schicksal nicht mehr los. Das Klosterleben wird sehr facettenreich beschrieben. Ich lese nicht nur davon, ich bin gefühlt mittendrin, lerne sie näher kennen wie etwa Philippa von Berg, die Magistra des Frauenkonvents oder Hilda, die sich bald mit Laya anfreundet. Auf verschlungenen Pfaden komme ich auch Ansgar, der als einfaches Ordensmitglied im Männertrakt seine Tage verbringt, näher. Und immer wieder schwingt das Verschwinden junger Frauen mit, sie alle eint die roten Haare.

Das Leben damals, vor beinahe 900 Jahren, war ein anderes. Ich bekomme Einblick in das karge Dasein der Bauern, auch in das wiederum ganz andere Leben der Adeligen in ihren Burgen. Nicht immer stehen Gefühle an erster Stelle, familiäre Zwistigkeiten, Intrigen viel Hinterhältiges bleibt nicht aus.

Manuela Schörghofer ist in ihrem Metier, sie kennt sich in dem, was sie ihren Lesern auf sehr unterhaltsame Weise näherbringt, gut aus. Entführt sie ins Mittelalter, beschreibt die Lebensart dieser doch seltenen Klosterform anschaulich, ihre Figuren sind lebendig, man fühlt mit ihnen, bangt um sie, möchte ihr Schicksal direkt beeinflussen, sie an die Hand nehmen. Ihr mitreißender Erzählstil saugt einen direkt ein, man möchte das Buch nicht weglegen, aufwühlende Szenen wechseln sich mit geheimnisvollen Andeutungen ab.

Und dann ist es viel zu schnell vorbei, „Das Gelübde der vergessenen Tochter“ ausgelesen. Ein Lichtblick tut sich auf, ein zweiter Band folgt, auch wenn es noch ein Weilchen dauern mag. Wer historische Romane mag, ist hier bestens bedient.

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Veröffentlicht am 09.02.2023

Hans, der Inselkönig

Der Inselmann
2

„Vater kann gut werfen, dachte der Junge, hoch und weit… Eines Tages werfe ich auch so hoch und so weit wie er. Dann sind wir glücklich, dann sind wir frei.“

Noch warten sie darauf, dass sie auf die ...

„Vater kann gut werfen, dachte der Junge, hoch und weit… Eines Tages werfe ich auch so hoch und so weit wie er. Dann sind wir glücklich, dann sind wir frei.“

Noch warten sie darauf, dass sie auf die Insel übersetzen können. Vater wird ungeduldig, Mutter sitzt da in der Kälte und rührt sich nicht und da ist noch er, der Junge von gerade mal zehn Jahren. Anfang der 60er Jahre zieht es die Roleders auf eine unbewohnte Insel, sie liegt inmitten eines großen Sees.

Dirk Gieselmann erzählt von Hans, dem Inselkönig, dem Unverwechselbaren, in einer sehr zarten, poetischen und doch bildgewaltigen Sprache. Von einer Welt zwischen Traum und Wirklichkeit, von einem stillen Helden, der eher in sich selbst seinen Frieden findet. Auf seiner Insel ist er glücklich, das Schicksal lässt ihn dennoch nicht hierbleiben, die Schule fordert ihren Tribut und auch danach kehrt er lange nicht zurück. Die Insel jedoch vergisst er nie, er trägt sie in seinem Herzen und sieht sie in den herrlichsten Farben, hört seinen Hund bellen, die Schafe blöken. Die Sehnsucht treibt ihn irgendwann zurück, auf diese von ihm nie vergessene Insel.

Hans hat sein Paradies schon lange gefunden. Auf der Insel im See. In sich selbst. Allen Widrigkeiten zum Trotz war sie immer sein Zufluchtsort. „Ist diese Geschichte traurig? Ist sie schön?“ Ja, sie ist beides – traurig, melancholisch und doch wunderschön. Ein behutsam erzähltes Porträt um einen, der sich selbst genug ist, der ungestört und frei das Inselleben schon lange verinnerlicht, der nie ein anderes gewollt hat. Ein berührendes Debüt, das lange nachklingt.

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Veröffentlicht am 27.01.2023

Sehr fesselnd

Der Riss
2

„Der Riss“ hat viel zu bieten. Er erzählt auf sehr unterhaltsame Weise von der weitgehend unbekannten Antarktis, von den Folgen, die ein Abschmelzen des Eisschildes für uns alle hätte. Die gewaltigen Rohstoffvorkommen ...

„Der Riss“ hat viel zu bieten. Er erzählt auf sehr unterhaltsame Weise von der weitgehend unbekannten Antarktis, von den Folgen, die ein Abschmelzen des Eisschildes für uns alle hätte. Die gewaltigen Rohstoffvorkommen wecken Begehrlichkeiten, sie locken so manche Glücksritter an. Es sind die ganz harten Typen, die in ihrer unendlichen Gier vor nichts zurückschrecken…

…und da ist er, der für ihn so ergreifende Augenblick - eine Spalte von gut fünf Metern Breite und einer nicht zu überblickender Länge tut sich vor ihm auf, das Ski-Doo ist darin verschwunden und um ein Haar wäre er selbst in den Abgrund gezogen worden. Endlich kommt Drok, der extra dafür entwickelte Roboter, zum Einsatz. Er ist gewandt und kräftig genug, unter dem Eisschild nach Diamanten zu suchen. Der lang ersehnte Augenblick der Wahrheit ist nun endlich da… Um diesen Riss rankt sich der rasante Thriller, der tiefe Einblicke in die menschliche Psyche gewährt.

Ein großes Vulkanfeld ist in der Westantarktis entdeckt worden. Die Folgen eines Ausbruchs wären katastrophal, ein Anstieg des Meeresspiegels wäre der Untergang vieler Küstenregionen. Noch ist unklar, ob diese schlafen oder aktiv sind.

Die Forscher Emilio Rauwolf und Pietro Maltatesta sind unterwegs mit dem Pistenbully, jedoch hat Maltatesta ganz andere Absichten. Er will nach Diamanten suchen, dabei kann er Emilio so gar nicht gebrauchen - beide Männer werden vermisst. Vier Wochen später trifft die Geologin Antonia Rauwolf auf der Forschungsstation Neumayer III ein. Sie soll Maltatestas Aufgaben übernehmen, jedoch liegt ihr Hauptaugenmerk auf der Suche nach Emilio, ihrem verschollenen Bruder.

Gespannt verfolge ich Antonias Weg. Von Anfang an begegnen ihr die meisten Kollegen nicht gerade wohlwollend und doch lässt sie sich nicht von ihrem eigentlichen Ziel, Emilio aufzuspüren, abhalten. Die Geschwister sind Kinder der Antarktis, ein tiefer Blick zurück in die Vergangenheit erzählt davon. Antonia lässt sich weder von den eisigen Temperaturen noch von den Schneestürmen abhalten, ihre eigentlichen Feinde sind eher die Menschen. Nicht alle, aber doch so einige.

Aus zwei ganz und gar entgegengesetzten Perspektiven wird hier erzählt. Der Antarktisvertrag verbietet die wirtschaftliche Ausbeutung des Eislandes. Die Antarktis ist das größte Naturschutzgebiet der Erde und so soll es auch bleiben. Was verbirgt sich unter den seit Jahrmillionen unberührt und weitgehend unerforschten vier Kilometer hohen Eismassen? Nicht nur dieser Frage geht der Wissenschaftsjournalist Thilo Winter nach. Er beschäftigt sich unter anderem mit dem Klimawandel, einhergehend mit den abtauenden Gletschern und der Zukunft der Polargebiete. Entstanden ist ein atmosphärisch dicht erzählter Thriller, in dem er gekonnt Fakten und Fiktion vermengt.

Die Story fesselt sofort, der Schreibstil ist so mitreißend, dass ich das Buch gar nicht weglegen mochte. Mit und um Antonia habe ich gebangt, nicht nur die unwirtliche Umgebung hat mich frösteln lassen, auch Maltatesta und seine unheilvolle Mission haben dazu beigetragen, sein Helfer blieb lange unsichtbar und hat mich letztendlich überrascht. „Der Riss“ im ewigen Eis ist ein lesenswerter Thriller, den ich uneingeschränkt empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 21.01.2023

Ein rundum gelungener Krimi

In tiefen Seen
2

Commissario Grauner und Ispettore Saltapepe ermitteln wieder. „In tiefen Seen“ ist ihr mittlerweile achter Fall und der führt sie direkt hinein in eine verschwiegene Dorfgemeinschaft im Passeiertal, hinein ...

Commissario Grauner und Ispettore Saltapepe ermitteln wieder. „In tiefen Seen“ ist ihr mittlerweile achter Fall und der führt sie direkt hinein in eine verschwiegene Dorfgemeinschaft im Passeiertal, hinein in den Berg, in das ehemalige Bergwerk mit dem verzweigten Stollensystem, das man kennen muss, um sich zurechtzufinden.

„Der Charly wird sterben.“ Wer ist Charly? Ist das ein ernst zu nehmender Anruf? Saltapepe schaut gerade ein wichtiges Fussballspiel, als Grauner ihn abholt. Mitten auf einer Wiese wurde ein Toter gefunden, direkt daneben sind tote Vögel, Äpfel, Birnen und noch mehr, auch eine blutverschmierte rostige Sense liegt da. Was soll diese Inszenierung? Hat dies etwa mit dem ominösen Charly zu tun? Keiner der Dörfler kennt so einen, sie alle hüllen sich in Schweigen.

Commissario Grauner ermittelt in Südtirol, hier sind seine Wurzeln, hier ist er zuhause. Mit seiner Alba bewirtschaftet er seinen Hof, seine Kühe gehen ihm über alles. Auch der Autor ist hier aufgewachsen, er kennt die Gegend und den Menschenschlag gut, seine Figuren sind allesamt authentisch, ein wenig kauzig und sehr heimatverbunden. Dies gilt auch für Saltapepe, den es hierher verschlagen hat, ein Neapolitaner und Fussballfan durch und durch. Tappeiner, Grauners Assistentin, und die Praktikantin Donnachiara vervollständigen das Team.

Der Prolog gibt gleich mal Rätsel auf – träumt Grauner oder ist ihm etwas zugestoßen? Nicht nur diese Frage drängt mich weiter. Grauner wird doch nicht…? Nein, ich verrate nichts, schließlich muss ein Mord aufgeklärt werden. Daneben geht es hinein ins ehemalige Bergwerk, die Geologen sind in Sorge, dass der ganze Berg, der durch den Erzabbau unterhöhlt ist, herunterkommt.

Lenz Koppelstätter lässt sich von realen Fällen inspirieren, so auch hier. In dem verzweigten Bergbaugebiet zwischen dem Passeier- und dem Ridnautal fanden die Nazis das perfekte Versteck für ihre geraubten Kunstschätze. Der Kriminalfall rankt sich rund um diese verborgenen Gemälde und den aktuellen Mordfall. Die Aufklärung gestaltet sich schwierig, bei den weit verzweigten Ermittlungen geht jeder einer anderen Spur nach. Lange ist nicht klar, wie hier alles zusammenpasst. Die Lage ist ganz schön verzwickt, aber aufgeben ist keine Option. Sie alle haben ihre Eigenheiten, ich mag sie, kenne sie mittlerweile ganz gut und hoffe, dass ich noch viele Fälle mit Grauner & Co. lösen werde.

Ein unterhaltsamer Krimi, dessen lose Fäden sich zum Schluss gut zusammenfügen. Man muss die Vorgängerbände nicht unbedingt kennen – es sind in sich abgeschlossene Fälle - und doch möchte ich sie nicht missen. Zugegeben – ich bin ein Fan von ihnen allen, besonders Claudio Saltapepe, der Neapolitaner in Südtirol, hat es mir angetan. Und nun heißt es Abschied nehmen. Ciao, bis demnächst, wenn es wieder heißt: Commissario Grauner ermittelt.

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