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Veröffentlicht am 09.02.2023

Spannende Einblicke in die ADHS

Kirmes im Kopf
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Angelina Boerger hat sich schon immer schwer mit den Dingen getan, die unsere Gesellschaft von uns erwartet. Zeitmanagement funktioniert eher weniger und auch sonst läuft bei ihr vieles chaotisch ab. Manche ...

Angelina Boerger hat sich schon immer schwer mit den Dingen getan, die unsere Gesellschaft von uns erwartet. Zeitmanagement funktioniert eher weniger und auch sonst läuft bei ihr vieles chaotisch ab. Manche Dinge müssen einfach GENAU JETZT gemacht werden, und bleiben dann vielleicht doch halbfertig liegen, weil etwas anderes ruft. Egal, wie sehr sie sich anstrengt, ihr Gehirn funktioniert einfach nicht so, wie es für die anderen richtig wäre. Erst mit Ende zwanzig kann sie sich und anderen die ‚Kirmes in ihrem Kopf‘ erklären und anfangen, sich so anzunehmen, wie sie ist.

“Ich habe ADHS. Die Abkürzung ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Ich ticke etwas anders und brauche deshalb individuelle Strategien. Ich bin anders belastbar und muss meiner Psyche immer wieder Zeit geben, sich zu regenerieren. Durch die Diagnose habe ich das erkannt und konnte endlich ein bisschen Frieden mit mir selbst schließen. Seitdem habe ich es mir beruflich und privat zur Aufgabe gemacht, über psychische Gesundheit aufzuklären. Denn das Thema muss endlich raus aus der Tabuzone.”

Damit steht sie nicht allein da, viele Menschen werden erst im erwachsenen Alter diagnostiziert, der Weg zur Diagnose ist lang und beschwerlich, besonders als Erwachsene*r. Masking, also das ‚verdecken‘ von Symptomen, um nicht aufzufallen, kann dazu führen, dass Menschen mit ADHS zwar weniger Probleme in ihrem Umfeld bekommen, löst aber auch viel zusätzlichen Stress aus.

Obwohl die Zahl der Erwachsenen mit ADHS laut dem Verein ADHS Deutschland e.V. bei schätzungsweise 2,5 Millionen der deutschen Bevölkerung(2,8%) liegt, gibt es unheimlich viele Vorurteile und Missverständnisse. Ihr ist es wichtig, darüber aufzuklären und Menschen zu zeigen, dass sie okay sind, wie sie sind, denn das sind sie natürlich! Aber auch ohne eigene ADHS Symptomatik hat mir das Buch viel gegeben und mir geholfen, einige Dinge besser zu verstehen.

Zu Beginn arbeitet sie die wichtigsten Fakten ab, erklärt, was ADHS überhaupt ist und wie unterschiedlich die ADHS sich bei Erwachsenen äußert. Wir erfahren, wie die Diagnose entstanden ist und wie sie sich verändert hat. Außerdem räumt sie mit einigen Klischees auf und betont, dass Menschen es sich mit dem klassischen Bild des ‚Zappelphillipps‘ zu einfach machen.

Natürlich kann sie nicht für alle Erwachsenen mit ADHS sprechen, wie überall gibt es verschiedene Nuancen und trotzdem gibt es einige Punkte, die allgemein einfach gut zu wissen sind. Besonders profitiert das Buch aber immer wieder von ihren persönlichen Erfahrungen. Ihre Anekdoten haben mir sehr geholfen, das Ausmaß wirklich zu verstehen. Sie arbeitet außerdem viel mit Zitaten und Metaphern, wodurch ihre Ausführungen sehr anschaulich und verständlich werden.

Scham ist hier ein großes Thema. Lange lebt sie mit dem Druck von Außen. Sätze wie ‚Wenn du es wirklich willst, schaffst du das auch!‘ sind ihr nur zu gut bekannt. Die Dinge erledigen sich davon aber leider trotzdem nicht. Schon in der Schule wurde sie manchmal noch vor Stundenbeginn rausgeschickt, weil der Lehrer keine Lust auf eine quirlige Schülerin hat. Dass Depressionen eine häufige Folgeerkrankung sind, dürfte niemanden überraschen.

Sie spricht aber auch von den positiven Seiten der ADHS. Die Kreativität und die besondere Hingabe, wenn eine Aufgabe wirklich fesselt, sind eine große Bereicherung. Mit dem nötigen Wissen und einer Therapie ist ist die ADHS kein großes Hindernis, wäre da nicht eine Gesellschaft, die Leistung und Perfektion erwartet. Sie selbst verzichtet auf Begriffe wie ‚Betroffene‘, denn sie fühlt sich nicht besonders betroffen. Ihr Gehirn funktioniert einfach anders und daran ist überhaupt nichts verkehrt.

Ob ihr bei euch ADHS im erwachsenen Alter vermutet, oder vielleicht schon eine Diagnose habt, ob es Menschen in eurem Umfeld mit der Diagnose gibt, oder ihr einfach neugierig seid.. Kirmes im Kopf ist eine Bereicherung und sehr interessant. Durch die sehr lockere Art der Autorin lässt sich das Buch sehr gut lesen und hat mich einige Male mindestens zum Schmunzeln gebracht.

“Euch möchte ich aus tiefstem Herzen mitgeben: Ihr seid nicht falsch. Ihr seid genau richtig, auch wenn ihr womöglich enorme Schwierigkeiten habt, die sich manchmal sogar unbezwingbar anfühlen. Das macht euch trotzdem nicht zu Fehlern, sondern einfach nur zu einer weiteren Variante menschlicher Vielfalt in einem System, das einfach nicht für Menschen wie uns gemacht ist. Höchste Zeit, das zu ändern.”

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Veröffentlicht am 02.02.2023

Ganz neue Geschmäcker

Vegan Kochen - Essen neu denken
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Einfach Vegan bietet kreative, neue Ideen und einen einzigartigen Geschmack! Ich ernähre mich jetzt seit über drei Jahren vegan (Überraschung Oma, ich lebe noch) und es passiert selten, dass ich in einem ...

Einfach Vegan bietet kreative, neue Ideen und einen einzigartigen Geschmack! Ich ernähre mich jetzt seit über drei Jahren vegan (Überraschung Oma, ich lebe noch) und es passiert selten, dass ich in einem Kochbuch nur eins der Rezepte schon mal ausprobiert habe. Hier war es aber tatsächlich so und ich freu mich drauf, mich jetzt weiter durchzukochen.

Lea Green ist schon seit einiger Zeit erfolgreich mit ihrem Blog www.veggies.de. (Vielleicht bin ich hier gerade etwas hängengeblieben und hab jetzt noch mehr Rezepte, die ich unbedingt ausprobieren möchte, na toll..:D). Ich selbst kannte ihn bisher leider noch nicht und hab jetzt direkt wieder Hunger. Schaut hier unbedingt mal vorbei, um einen noch besseren Eindruck zu bekommen.

Ich bin ja echt eher Team Kochbuch. Ich stöbere gerne durch Bloggs und Online Rezepte, aber am liebsten stehe ich mit Kochbuch in der Küche. Vor allem, wenn das Kochbuch dann noch so viele appetitanregende Bilder hat!

Die Rezepte sind sehr vielfältig. Wir beginnen mit Saucen und bekommen außerdem leckere Säfte und andere tolle Dinge. Die Rezepte selbst sind dann nach Jahreszeiten aufgeteilt, was ich ja immer super finde. Sie selbst betont noch mal, wie viel besser es ist Saisonal zu kochen und mit diesen Rezepten steht dem auch nichts mehr im Wege.

Besonders gut gefallen hat mir, dass sie auch immer wieder glutenfreie Rezepte einbringt. In den letzten zwei Jahren wurde ich hier vor ganz neue Herausforderungen gestellt, weil mein Partner Gluten nicht verträgt. Wie gern ich dieses Buch vorher gehabt hätte :D

Die Zutaten sind nicht besonders außergewöhnlich und leicht zu bekommen. Natürlich gibt es auch ausgefallenere Sachen, aber in meinen Augen sind die Rezepte auch für Anfängerinnen sehr gut geeignet. Wenn ihr mit der veganen Küche gar keine Berührungspunkte habt, muss am Anfang natürlich etwas investiert werden, aber da hat man dann ja auch lange etwas von. Auf Ersatzprodukte wird verzichtet, stattdessen wird auf Frische, natürliche Zutaten gesetzt.

Zu vielen Rezepten gibt es ‚Genuss-Tipps‘ und Ideen, womit sie kombiniert werden können. Auch das finde ich gerade für Einsteiger
innen sehr gelungen. Die Zutaten sind ordentlich gegliedert und die Zubereitung klar formuliert. Ich habe also absolut nichts zu meckern und hoffe, ihr habt auch so viel Freude mit diesem wunderschönen Kochbuch

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Veröffentlicht am 21.12.2022

Einfach einzigigartig

Daddy Issues
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Ein schwuler Protagonist, der früh auf sich allein gestellt war. Ein Vater, ehemals Gastarbeiter, der das beste für seinen Sohn will, aber selbst nicht viel Gutes bekommen hat. Eine Mutter, die zu früh ...

Ein schwuler Protagonist, der früh auf sich allein gestellt war. Ein Vater, ehemals Gastarbeiter, der das beste für seinen Sohn will, aber selbst nicht viel Gutes bekommen hat. Eine Mutter, die zu früh gestorben ist. Ein Leben in Armut, bis kurz vor der Obdachlosigkeit, trotz angeblich unzähliger Möglichkeiten.

“Ich weiß nicht, wann ich aufgegeben habe, wann die Frustration meine Welt übernommen hat. Vielleicht als Janko zusammengeschlagen wurde oder als auch andere fortgingen. Eines Tages schien jeder einen eigenen Plan für das Leben zu haben, nur ich nicht.”

Ich muss gestehen, dass ich mit dem Protagonisten am Anfang etwas zu kämpfen hatte. Ich verstehe seine Frustration, die vielschichtigen Gefühle und fand es beeindruckend, wie realistisch und ehrlich diese dargestellt wurden. Wir bekommen hier Wahrheiten, die tief treffen. Die Wehtun und einfach Hässlich sind.
Manchmal bekommen wir aber auch einen Menschen, der sein Leid zu seiner Persönlichkeit macht. Der sich gegen die Zukunft wehrt, um sich weiter von der Vergangenheit definieren zu lassen.

Es geht viel um Klassenzugehörigkeit und Privilegien, die einfach fehlen. Viele gute Punkte, sehr ehrliche Worte und genau das, was ich mir erhofft habe. Zwischendurch rutschen wir aber immer wieder ins Destruktive, Negative und erlebe einen Mann, der sich offensichtlich nicht selbst helfen kann und immer wieder in Abwehrhaltung verfällt und eine*n Schuldigen sucht, der bloß nicht aussehen darf wie er selbst.

Natürlich spielt der Vater hier eine große Rolle. Der Vater, der plötzlich im Sterben liegt und einiges klären möchte. Dementgegen steht ein Sohn, der manchmal das gleiche möchte, manchmal aber auch nicht glaubt, dass eine Aufarbeitung hier möglich ist. Eine interessante Dynamik, der die unterschiedlichsten Gefühle zu Grunde liegen. Telefonate die Aufgeschoben werden, Sanfte Annäherungen, die an harte Grenzen stoßen und unheimlich viel Druck bei zwei Menschen, die so dringend einen Abschluss brauchen.

Die familiären Probleme zeichnen sich auch im Beziehungsleben ab. Auch hier bekommen wir ausführliche Einblicke und eine interessante Dynamik. Treffen mit einem Mann, für den Geld haben selbstverständlich ist. Hier werden Privilegien nicht hinterfragt, solange Menschen käuflich sind.

Auch freundschaftliche Beziehungen gestallten sich eher schwierig. Trotzdem sind es am Ende diese Menschen, die unseren Protagonist sehen, wie er ist und zur Unterstützung kommen. Die nicht bloß mit anschauen, dass er im Leben feststeckt und ehrliche Worte finden.

Ich bin wirklich überrascht, auf wie vielen Ebenen diese kurze Geschichte spielt und wie viele Themen hier großartig einfließen, ohne sich zu sehr aufzudrängen. Natürlich wird das Buch nicht jedem gefallen und es braucht viel Empathie und Ruhe, um das alles so hinzunehmen. Aber es ist ein unheimlich ehrliches, bewegendes Buch, mit einzigartigem Humor.

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Veröffentlicht am 18.12.2022

Schockierend unterhaltsam

Imperium der Schmerzen
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Was hab ich hier bitte gelesen?! Als ich Imperium der Schmerzen zum ersten Mal gesehen hab war klar, dass ich es haben MUSS! Ich hatte also wirklich hohe Erwartungen und das ist ja immer ziemlich gefährlich ...


Was hab ich hier bitte gelesen?! Als ich Imperium der Schmerzen zum ersten Mal gesehen hab war klar, dass ich es haben MUSS! Ich hatte also wirklich hohe Erwartungen und das ist ja immer ziemlich gefährlich bei Büchern. Hier wurde ich aber nicht enttäuscht, im Gegenteil.

Von der Opiod-Krise habe ich natürlich vorher schon gehört, von der Sackler-Familie bisher nicht. Ich war beim Lesen immer wieder entsetzt, konnte kaum glauben, was da alles passiert ist. Und das alles war so unheimlich fesselnd und aufregend, dass ich nächtelang in diesem Buch lesen musste, ich konnte einfach nicht anders.

Auf die Opiod-Krise wird hier eher weniger eingegangen, da werde ich mir definitiv noch andere Bücher anschauen müssen, hier wird ‚nur‘ das Portrait einer Familie gezeichnet, die ihren Reichtum auf dem Grab vieler Leute aufgebaut haben und bis heute keine Einsicht zeigen.

Wir erleben die Sacklers über mehrere Generationen. Der Beginn, wie sie ihr Vermögen mit Valium aufbauen und die Pharmaindustrie revolutionieren ist schon nicht ohne. Mit Werbung kannte Arthur Sackler sich ähnlich gut wie mit Medizin aus und kombinierte direkt beides, um sein Medikament bestmöglich unter Menschen zu bekommen. Dabei bequatscht sein Team Ärzte und sorgt mit einprägsamen Texten dafür, dass seine Erfindung im Kopf der Patientinnen bleibt. Eine wirklich gruselige Entwicklung, die hier eindrücklich geschildert wird und später auch hilft, noch krassere Medikamente zu vermarkten.

1996 bringt die neue Generation dann OxyContin auf den Markt. Ein Opiumderivat, dessen Gefahr von Anfang an runter gespielt wird. Es werden Studien gefälscht und Ergebnisse ignoriert, Menschen bezirzt und gekauft. Raffinierte Werbung zieht die Kund
innen an und auch wenn vieles davon gelogen ist, funktioniert es. In den ersten 25 Jahren nach der Markteinführung starben etwa 450000 Amerikaner*innen durch OxyContin.

Dass sich der Familie Sackler so groß gewidmet wird, ist nicht selbstverständlich. Ihre Medikamente vertreiben sie über ihre Firma, in der sie im Vorstand sitzen, aber nicht im Vordergrund stehen. Ihre vielen Geheimnisse bleiben im Verborgenen und ihre Anwälte schrecken vor nichts zurück, um die Wahrheit verschlossen zu halten.

Durch viele Spenden und ihr Interesse an Kunst sind sie bekannt und nicht ungeliebt. Woher ihr Geld kommt und wie viel Blut an ihm klebt, ist lange nicht klar, ihr Geld wird aber überall gern angenommen. Offensichtlich genießt die Familie den Luxus, aber nicht unbedingt das Rampenlicht. Anerkennung scheint in dem Fall weniger wichtig, als die Kontrolle und das eigene Gefühl, etwas großes zu tun.

Auch für die Patente ihrer Medikamente kämpft die Familie mit ihren Anwälten und lässt sich immer neues einfallen, um Generika zu verhindern. Ihre Hauptbeschäftigung scheint darin zu liegen, Tatsachen zu verdrehen und ihr Geld für Berater, Anwälte und Kunst auszugeben.

Auch als die ersten Toten auftauchen und immer mehr Menschen abhängig von Oxycontin werden, sind sich die Sacklers keiner Schuld bewusst. Einsicht sucht man hier vergeblich, stattdessen lobpreisen sie ihr Medikament und zeigen sich stolz. Die Verantwortung weisen sie immer wieder von sich, laut ihnen ist das Problem die ‚Suchtpersönlichkeit der Menschen’.

Auf das Privatleben der Sacklers wird hier ausführlich eingegangen. Wir erleben Brüder, die sich voneinander entfernt haben, interne Streitereien, interessante Ehen und traurige Familien. Auf ihre persönlichen Interessen wird eingegangen und auch die Persönlichkeiten werden deutlich. Wirklich beeindruckend, wie gut die einzelnen Familienmitglieder gezeichnet sind und was für tiefe Einblicke wir bekommen.

Zu lesen, wie gut die Familie am Ende davon gekommen hat, wie viel Geld ihnen bleibt und wie viele Menschen darunter leiden, war dann unheimlich frustrierend. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wie das alles passieren konnte, aber ich hoffe, dass diese Einblicke dabei helfen, dass sowas nicht wieder passiert.

Ich kann gar nicht auf alle Lügen und Tricks eingehen, die hier über Jahrzehnte angewendet wurden. Es war aber wirklich faszinierend und hätte ich das als Roman gelesen, hätte ich wahrscheinlich hier gesessen und gedacht ‚Ja klar, als ob’. Aber es ist passiert und Patrick Radden Keefe hat das perfekt aufgearbeitet. Eine eindrückliches, wertvolles Buch, das leider verdammt unterhaltsam ist.

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Veröffentlicht am 03.12.2022

Bewegende Geschichte, die zum Nachdenken einlädt

Queenie
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Nachdem ich von People Person absolut begeistert war, wollte ich natürlich mehr von Candice Carty-Williams. Dass ich Queenie dann auf Bookbeat gefunden hab, war einfach großes Glück. Mal abgesehen davon, ...

Nachdem ich von People Person absolut begeistert war, wollte ich natürlich mehr von Candice Carty-Williams. Dass ich Queenie dann auf Bookbeat gefunden hab, war einfach großes Glück. Mal abgesehen davon, dass mir die Geschichte sehr gut gefallen hat, hat auch Patricia Cordiun einen tollen Job als Sprecherin gemacht. Sie hat die Emotionen wirklich gut transportiert und die Geschichte noch bedeutender gemacht.
Queenie ist eine sehr eigene Protagonistin. Mit Mitte 20 denkt sie, ihr Leben sei vorbei. Die Beziehung zu ihrem Freund Tom kriselt, mit der Beziehungspause kann sie nicht umgehen. Auch mit ihrer Arbeit ist sie nicht besonders zufrieden. In der Zeitungsredaktion scheint sie sich nicht durchsetzen zu können, ihre halbherzigen Versuche, über Feminismus und Rassismus zu schreiben, werden abgeschmettert.
Ihre Verzweiflung wird immer greifbarer und zeigt sich in selbstzerstörerischen Handlungen. Sie lässt sich auf Männer ein, die offensichtlich nicht gut für sie sind, nimmt Dinge hin, die sie offensichtlich nicht möchte, Hauptsache jemand ist da. Auf dieser Abwärtsspirale begleiten wir sie sehr lange und auch sexuelle Handlungen, mit denen sie nicht immer einverstanden ist, werden explizit beschrieben. Wartet unbedingt mit dem Buch, wenn ihr euch da nicht stabil genug fühlt.
Als sie ganz unten angekommen ist, ohne Wohnung, mit gefährdetem Job und einem geschundenen Körper, wird es endlich Zeit für sie, etwas zu verändern. Der Weg zurück in ihr Leben ist steinig und erfordert viel Mut, aber Queenie ist bereit, Verantwortung zu übernehmen.

Ich wusste nicht ganz, was mich erwarten würde, aber damit hab ich nicht gerechnet. Die Tiefgründigkeit und die Härte, die diese Geschichte mitbringen, haben mich doch überrascht. Ich hatte eher mit einer leichteren, lustigeren Geschichte gerechnet, nach den kurze, begeisterten Sätzen, die ich so gelesen hatte.

Aber das, was ich bekommen habe, war so viel besser. Es liefert eine wertvolle Perspektive, die, einer schwarzen Frau mit psychischen Problemen. Eine, die es hasst, wenn ihre Haare angefasst werden. Die aufgeklärt ist Rassismus klar benennt. Aber auch eine, die sich selbst nicht genug ist. Die eigentlich weiß, dass das alles so nicht okay ist, aber trotzdem mitmacht.

Nein, Queenie ist nicht die größte Sympathieträgerin. Sie kann frustrierend sein und trifft Entscheidungen, die auf den ersten Blick absolut unlogisch sind. Aber Candice Carty-Williams schafft es in meinen Augen, sie nachvollziehbar zu machen. Ohne ihr Handeln durchgängig zu erklären, bekommen wir gute Einblicke in ihre Gedanken und ihre Vergangenheit. Es ist keine Überraschung, dass Queenie fühlt, wie sie fühlt, auch wenns nicht immer angenehm ist.

Ihre größte Stütze sind ihre Freundinnen, die es mit ihr alles andere als leicht haben. Trotzdem bleiben sie an ihrer Seite, sind ehrlich zu ihr, auch wenn es weh tut. Mich bewegen solche Dynamiken ja immer sehr. Der Konkurrenzkampf wird unter Frauen zu gern befeuert und es ist wunderschön, hier eine Gruppe starker, unterschiedlicher Frauen zu haben, die sich gegenseitig unterstützen und verzeihen.

Das Buch greift unheimlich viele wichtige Faktoren auf. Zum einen geht es sehr viel um die Fetischisierung schwarzer Frauen. Um den Druck, der westlichen Leistungsgesellschaft und vor allem darum, dass wir unser Glück am Ende bei uns selbst und nicht in einer Beziehung finden.

Queenie wird nicht jedem gefallen und sie wird euch zwischendurch frustrieren. Aber wenn ihr euch darauf einlassen könnt und empathisch an ihre Geschichte herangeht, wird sie euch berühren. Ich werde sie nicht vergessen und kann euch dieses Buch nur ans Herz legen.

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