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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.02.2023

"Wer auch nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt."

Das verschlossene Zimmer
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Marie ist 2 Jahre alt als ihre Mutter die Familie verlässt. Als junge Frau begibt sie sich auf die Suche nach der Wahrheit... Was ist vor 15 Jahren geschehen? Warum kennt Marie den Namen ihrer eigenen ...

Marie ist 2 Jahre alt als ihre Mutter die Familie verlässt. Als junge Frau begibt sie sich auf die Suche nach der Wahrheit... Was ist vor 15 Jahren geschehen? Warum kennt Marie den Namen ihrer eigenen Mutter nicht?

Krakau, 1939: Dominik Karski ist Facharzt für Chirurgie und Spezialist für die neu aufgekommene Forschung mit Bakterien und Infektionen. Während der Abwesenheit der Mutter hat er ein inniges Verhältnis zu seiner einzigen Tochter Marie aufgebaut. Nichtsdestotrotz erscheint die Beziehung ein wenig distanziert als Marie auf der Suche nach einem Hinweis zum Verbleib ihrer Mutter, in das titelgebende Schlafzimmer ihres Vaters eindringt und ein verstecktes Kästchen entdeckt... Als kurz darauf Dominik Karski die Leitung der Klinik angeboten wird, drängen die Ereignisse der Vergangenheit ans Licht...

"Das verschlossene Zimmer" bietet zur Abwechslung eine andere Sichtweise auf die Zeit des Nationalsozialismus und sticht aus der Vielzahl der Romane mit ähnlicher Thematik heraus. Die Hauptprotagonisten, allen voran der ambivalente Dominik Karski, werden glaubhaft charakterisiert. Die Episode der Rettung eines kleinen Jungen weckt Hoffnung und hat mich emotional berührt. Dank Klappentext und umfangreicher Leseprobe war mein Interesse bereits im Vorfeld geweckt, allerdings entwickelte sich die Geschichte anders als erwartet. Maries' Verhalten war für mich z.B. nicht immer nachvollziehbar. Positiv hingegen habe ich die Einblicke in die jüdischen Sitten & Gebräuche sowie die Informationen aus Chemie und Medizin wahrgenommen. Auch der Zeitgeist wird passend widergespiegelt. Hier und da hätte ich mir noch ein wenig mehr Tiefgang gewünscht.

Fazit: ein guter Familienroman, welcher mehrere Zeitebenen des 20. Jahrhunderts umfasst und mit Spannungselementen aufwarten kann.

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Veröffentlicht am 10.02.2023

"Auge um Auge und die ganze Welt wird blind sein." Gandhi

Die Hennakünstlerin
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Lange bin ich um den Auftakt der Jaipur-Trilogie herumgeschlichen, bevor ich dann spontan zugegriffen habe...

Der Klappentext gibt einen guten Überblick über die Handlung. Aber das Buch ist noch so viel ...

Lange bin ich um den Auftakt der Jaipur-Trilogie herumgeschlichen, bevor ich dann spontan zugegriffen habe...

Der Klappentext gibt einen guten Überblick über die Handlung. Aber das Buch ist noch so viel mehr. Der Leser begleitet die 17-jährige Lakshmi auf ihrem Weg durch das Indien der 50er-Jahre. Der Weg ist steinig, voll Entbehrung aber auch voller überraschender Begegnungen. Die Hauptprotagonistin als Ich-Erzählerin zu nutzen, schafft Nähe und gewährt natürlich eine Vielzahl unbekannter Einblicke. Als Leser ist man von Beginn an im Geschehen dabei. Der Roman startet dabei gemächlich, entwickelt aber mit der Zeit einen Sog: ich wollte unbedingt wissen wie es weitergeht bzw. endet. Die Geschichte ist ungewöhnlich, neu. Nichtsdestotrotz werden auch ein paar Klischees aufgegriffen bzw. häufen sich die Zufälle. Der Verlauf der Geschichte ist gleichermaßen vorhersehbar wie überraschend. Als störend empfand ich vor allem zu Beginn die vielen Fremdwörter. Das Nachschlagen mit Hilfe des Glossars am Ende war seitenweise äußerst müßig. Die Nebenfiguren fügen sich sehr gut in die Handlung ein und bereiten die Fortführung vor.

Wer auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Indien-Roman ist, der wird hier fündig! Da mir die Geschichte manchmal etwas zu oberflächlich war, weiß noch nicht, ob ich die Fortsetzungen lesen werde…

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Veröffentlicht am 10.02.2023

"Lebe dein Leben. Sei glücklich"

Denk ich an Kiew
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Das Leben besteht aus Entscheidungen, die Konsequenzen haben und unweigerlich zu weiteren Entscheidungen führen...

Aufgrund der aktuellen Berichterstattung aus der Ukraine bin ich auf die Veröffentlichung ...

Das Leben besteht aus Entscheidungen, die Konsequenzen haben und unweigerlich zu weiteren Entscheidungen führen...

Aufgrund der aktuellen Berichterstattung aus der Ukraine bin ich auf die Veröffentlichung von "Denk ich an Kiew" aufmerksam geworden. Spontan habe ich zu dem Buch gegriffen ohne mich näher mit der Inhaltsangabe zu beschäftigen. (Im Nachhinein gibt der Klappentext einen guten Einblick, was den Leser erwartet. Um nicht zu Spoilern, werde ich dem nichts hinzufügen.)

Wer Geschichten auf zwei Zeitebenen mag, ist mit der Verknüpfung der Handlungsstränge aus Vergangenheit und Gegenwart sicher gut bedient. Ich habe inzwischen einige Bücher dieser Art gelesen und konnte den Handlungen leicht folgen. Den einzelnen Kapiteln sind neben den Jahreszahlen auch die Namen der jeweiligen Hauptprotagonistinnen vorangestellt. Ebenfalls ist ist die Gesamtzahl der Charaktere überschaubar.

Die Bewertung gestaltet sich diesmal schwieriger: für gewöhnlich mache ich mir beim Lesen Notizen, bei diesem Buch war dem nicht so. Über den Inhalt möchte ich mir kein Urteil erlauben. Die historischen Geschehnisse sind unvorstellbar, vor allem mit Blick auf die aktuellen Situation.

Ich hätte mir jedoch einen umfangreicheren Einblick in ukrainische Kultur und etwas mehr Lokalkolorit gewünscht. Der Schreibstil ist sehr angenehm und ich hab das Buch gerne gelesen - trotz der beschriebenen Schrecken. Emotional ist der Funke bei mir leider erst gegen Ende des Buches übergesprungen. Der Erstlingsroman war sehr ansprechend und der Inhalt hat mein Interesse durchweg aufrecht erhalten. Laut Nachwort arbeitet Erin Litteken bereits an weiterem Buch.

Fazit: "Nach vorne zu blicken, heißt nicht die Vergangenheit zu vergessen."

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Veröffentlicht am 26.05.2024

"Es gibt kein richtiges Leben im falschen." T. Adorno

Terafik
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Das Zitat, welches auch im Buch vorkommt, bringt den Inhalt auf den Punkt: "terafik" oder traffic - internationaler Verkehr und Beziehungen. Das Debüt von Nilufar Karkhiran Khozani - ein deutsch-iranisches ...

Das Zitat, welches auch im Buch vorkommt, bringt den Inhalt auf den Punkt: "terafik" oder traffic - internationaler Verkehr und Beziehungen. Das Debüt von Nilufar Karkhiran Khozani - ein deutsch-iranisches Genogramm.

"Selbst in Berlin kam ich mir immer noch vor, als würde ich mich in meinem eigenen Leben immerzu beobachten. Als würde ich über mir schweben und immer weiter von mir wegtreiben wie auf einem Ozean."

Der Roman wartet mit interessanten Perspektivwechseln auf. Zum einen wird die Ankunft von Khosrow (Vater der Autorin) Ende der 70er Jahre in Deutschland in Rückblenden thematisiert, andererseits steht der erste Besuch Nilufars in Iran an. Es ist sind ehrliche und persönliche Einblicke.

Ich bin allerdings zwiegespalten: der fehlende Optimismus und die anhaltende Distanz zu Nilufar machen das Gelesene schwer greifbar, obwohl ich nur wenige Jahre jünger bin als sie und es Parallelen zu meiner eigenen Kindheit in der DDR gibt. Erst nach ca. 170 Seiten habe ich langsam Zugang zu Nilufars Zerrissenheit, der Suche nach Identität und Zugehörigkeit in zwei grundverschiedenen Welten gefunden.

"Ich erinnere mich daran, wie einmal in Berlin ein schmaler, schüchtern aussehender Mann in einem roten löchrigen T-Shirt vor mir am U-Bahnhof Hermannplatz stand. In meinen Gedanken hat er auf einmal eine bauschige Hose an. Ich griff damals am Obststand nach einer Avocado, Getümmel, »ein Euro ein Euro, billig billig billig«, Kinderwagen, Kopftücher, Einkaufstrolleys. Der Mann hielt dem Verkäufer eine Tüte mit Tomaten hin, lächelte, suchte Augenkontakt. »Bitte«, sagte er. Ich konnte die Scham spüren, die er soeben überwunden hatte, Kälte wehte durch die Schreie der Verkäufer, seine durchgedrückten Schultern sagten: »Ich bin hier, ich bitte dich«, der Verkäufer sagte: »Nee, nee, mein Freund, pack das mal alles schön wieder aus, yalla.« Die Erwartung, die von weit her mitgekommen sein musste, in diesem Moment zersprang sie im Gesicht des jungen Mannes, seine Augen wurden leer. Ich legte die Avocado wieder weg und spürte einen Schmerz, obwohl es nicht meiner war."

Die Schilderungen erinnern an bruchstückhafte Fragmente im Episodenstil. Was ist Realität und was Fiktion? Ein imaginäres Leben - was wäre wenn...?

"Nachrichten, Videoclips, Zeichentrickserien, eine Satellitenschüssel voll von Gefühl wie altes Badewasser mit abgestorbenen Schuppen, einer DNA, die nur noch im Äther existiert. Es fließt in sein Leben hinein, nachts Atemaussetzer, Schlafapnoe, Erstickungsgefühl, besser, seit er mit der Maske schläft."

"Ich konzentrierte mich auf die Box und versuchte, nicht zuzuhören. Eine Kette nachkommender Kleenex-Tücher, die wie ein Perpetuum mobile immer weiter aus der Pappbox wuchs. Wie eine Blume, nein, wie eine Hydra, der man portionsweise den Kopf abschlug."

Die abschweifenden Gedankengänge und der bildhafte Schreibstil erfordern Konzentration, strengen auf Dauer aber an. Die Schachtelsätze mit den endlosen Aufzählungen verstärken diesen Effekt. Mir fiel es oft schwer aufmerksam zu bleiben. Hier lohnt sich ein Blick in die Leseprobe.

Es ist nicht mein erstes Buch mit Schauplatz Iran. Anderen gelang es besser mein Interesse aufrecht zu halten. Inhaltlich stehen die Autorin und ihre familären Beziehungen klar im Vordergrund. Ich kann das Buch daher eher als subjektiven Kultur- denn Reisebericht empfehlen. Mich hat das Buch leider nur teilweise erreicht, obwohl zeitgenössische und gesellschaftskritisch Themen aufgegriffen werden.

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Veröffentlicht am 21.01.2024

Schicksal

Der Mondscheingarten
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"Wenn man es genau nimmt, gibt es wohl keinen Menschen, der kein Kreuz zu tragen hat. [...] Wichtig ist, dass man bei allem Mist, der einem begegnet, den Mut nicht verliert und einen Weg findet, sich von ...

"Wenn man es genau nimmt, gibt es wohl keinen Menschen, der kein Kreuz zu tragen hat. [...] Wichtig ist, dass man bei allem Mist, der einem begegnet, den Mut nicht verliert und einen Weg findet, sich von den schlechten Dingen zu befreien."

Ich der Vergangenheit habe ich deutlich öfter zu Büchern mit Handlungen auf zwei Zeitebenen gegriffen. Da ich keine besondere Vorliebe für (antiquierte) Musikinstrumente hege und sich auch mein Lesegeschmack zwischenzeitlich geändert hat, befand sich "Der Mondscheingarten" schon länger in meinem Stapel ungelesene Bücher.

Satzbau und Ausdruck sind für eine deutsche Autorin stellenweise einfach gehalten, um nicht zu sagen etwas unbeholfen bzw. widersprüchlich. Hinzukommen ausschweifende Beschreibungen und stilistische Fehler wie Fehlverwendungen von Sie bzw. Du (unter Freunden). Das Gesamtbild wirkt nicht zeitgemäß. Dies dürfte jedoch dem schwachen Lektorat geschuldet sein...

Kostproben gefällig?
"Das ist ja wunderbar!", entgegnete sie und steckte die Kappe auf den Stift, mit dem sie gerade ihr wichtig erscheinende Stellen in den Artikeln angekreuzt hatte. "Was hat das Labor herausgefunden?"

"Du erinnerst dich sicher auch nicht mehr daran, dass ich dich am Arm gepackt und mit mir gezerrt habe zum Wagen, auf dem dein Vater weit vor dem Dorf wartete, weil es ihm nicht gestattet war, die Grenze zu überqueren." Wenn Rose ehrlich war, erinnerte sie sich nicht. Aber der Einfachheit halber nickte sie.

Sieht man darüber hinweg, fliegen die Seiten nur so dahin und man wird gut unterhalten. Sprachlich wurde leider weiteres Potential verschenkt: ohne die Floskeln und irrelevanten Informationen hätte der Roman gut 100 Seiten weniger umfassen können.

Handlung und Aufbau der Geschichte haben mir deutlich besser gefallen, auch wenn ein großer Teil doch vorhersehbar ist. Man ist schnell im Geschehen und die Protagonisten auf beiden Zeitebenen machen es den Lesenden leicht.

Das Eingangszitat beschreibt den positiven Grundtenor, welcher definitiv ein Pluspunkt ist und der vor allem in Hinblick auf Lilly's Geschichte deutlich wird.

Wer auf der Suche nach Zerstreuung ist, wird hier fündig. Spannungliebhaber bedienen sich besser anderer Werke...oder haben einen längeren Atem.

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