Was in der Vergangenheit schief gelaufen ist, muss man in der Gegenwart wieder gerade rücken. Monika Kühn-Görg
Mit großer Anspannung wird die Premiere eines Dokumentarfilms erwarte, denn dieser widmet sich einem mehr als kritischen Thema. Denn die weiße Weste der Schweiz ist nicht ganz so weiß, wie viele glauben ...
Mit großer Anspannung wird die Premiere eines Dokumentarfilms erwarte, denn dieser widmet sich einem mehr als kritischen Thema. Denn die weiße Weste der Schweiz ist nicht ganz so weiß, wie viele glauben möchten. Vielmehr geht es darum, endlich die lang verschwiegene kolonialistische Vergangenheit des kleinen Staates aufzuarbeiten und die nachfolgenden Generationen der Betroffenen um Entschuldigung zu bitten. Doch wie hängt das alles mit einem Vermisstenfall zusammen, der voller Rätsel steckt ? Schnyder und Meier sind gefordert und wühlen im sprichwörtlichen Dreck. Denn das, was mit aller Macht ans Tageslicht dringt, ist abgrundtief und menschenverachtend...
Ich weiß nicht, wie Gabriela Kapserski es anstellt, dass sie sich von Buch zu Buch immer wieder selbst übertrifft, aber mit dieser Buchreihe schafft sie es tatsächlich, immer brisantere Themen anzupacken und daraus ihre mehr als fesselnde Fälle zu kreieren. In "Zürcher Verstrickungen" erscheint zunächst alles wie ein gordischer Knoten, dessen Verschlingungen so fest gezurrt sind, dass eine Lösung in weite Ferne rückt. Und doch finden Schnyder und Meier erste Ansätze, die die Neutralität der Schweiz angreifen und dunkel Flecken auf der weißen Weste sichtbar machen.
Das Thema ist so wichtig und brisant zugleich, erfordert es doch einen Spagat zwischen der Schuld, die die Stadt Zürich vor etlichen Generationen auf ihre Schultern geladen hat und der Wiedergutmachung bei den Betroffenen, die bis in die heutige Generation an den traumatischen Ereignissen zu leiden haben. Es geht dabei nicht darum, Menschen an den Pranger zu stellen, sondern mit Fingerspitzengefühl auf die Ungleichheiten und die Ausbeutungen aufmerksam zu machen, die die Herrschaft der Kolonialisten mit sich gebracht haben.
Vor realpolitischem Hintergrund entsteht so eine fiktive Geschichte, die voller Brisanz und aufschlussreichen Einblicken ist. Kasperski webt daraus einen spannenden Krimi, der Schuld und Sühne mit sich trägt, aber auch die lückenlose Aufklärung von kolonialen und rassistischen Spuren im Stadtbild und ihren hochangesehenen Familien für die Leser;innen bereit hält.
Die Autorin bewegt sich dabei sehr sicher und politisch korrekt auf diesem doch sehr explosiven Thementeppich, der mit Sicherheit nicht einfach zu beschreiten ist. Die von ihr erschaffenen Figuren sind mehr als lebendig und vermitteln authentisch die spannende Handlung. Auch hier gilt der Grundsatz: Je glitzernder die Oberfläche, desto schwärzer und tiefer der Abgrund, in den Kasperksi die Leserschaft blicken lässt. Dabei bedient sie sich nicht an reißerischen Aufmachern, sondern ist leise im Ton, aber unmissverständlich in der Botschaft.
Ein Krimi, der die Fehler der Vergangenheit ans Licht bringt, damit ein ehrliches Interesse bei der Aufarbeitung in der Gegenwart entsteht. Mehr als gelungen und dafür gibt es 5 Sternchen.